ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III
ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III
ZGR Nr. 29-30; 31-32/2006-2007 Partea III
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>29</strong>8<br />
Gabriele von Bassermann-Jordan<br />
seinen Spinoza-Briefen die Substanz auch als „Seyn“ oder „Ur-Seyn“. 18 Die Substanz<br />
liegt allem Existierenden als Urgrund voraus. „Substantia prior est naturâ suis affectionibus“<br />
19 – so formuliert Spinoza, und ganz in diesem Sinn schreibt Jacobi:<br />
Das S e y n ist keine Eigenschaft, ist nichts Abgeleitetes von irgend einer Kraft; es ist<br />
das, was allen Eigenschaften, Beschaffenheiten und Kräften zum Grunde liegt; das, was<br />
man durch das Wort Substanz bezeichnet; wovor nichts kann gesetzt werden, und das<br />
Allem vorausgesetzt werden muß. 20<br />
Es gibt nur eine einzige Substanz, die nicht teilbar ist. 21 Entscheidend für den Gedanken<br />
des „Eins und Alles“ ist, daß die eine göttliche Substanz durch eine untrennbare<br />
Einigkeit von „Denken“ („cogitatio“) und „Ausdehnung“ („extensio“) definiert<br />
ist. Beide sind Attribute der einen göttlichen Substanz, die zusammen ihr Wesen<br />
ausmachen. Die Substanz ist denkend und ausgedehnt zugleich. 22 Die Philosophie<br />
Spinozas kennt also keinen Dualismus. „Cogitatio attributum Dei est, sive Deus est<br />
res cogitans. [...] Extensio attributum Dei est, sive Deus est res extensa.“ 23 So<br />
schreibt Spinoza, und übereinstimmend schreibt Jacobi:<br />
Nach Spinoza sind eine unendliche Ausdehnung und ein unendliches Denken Eigenschaften<br />
Gottes. Beyde machen zusammen nur Ein unzertrennliches Wesen aus, so daß<br />
es gleichgültig ist, unter welcher von diesen beyden Eigenschaften man Gott betrachtet,<br />
[...]. 24<br />
Dem Begriff der „substantia“ ist der Begriff des „modus“ 25 untergeordnet. Modi sind<br />
18<br />
Zum „Seyn“ vgl. etwa Jacobi/Spinoza, S. 72, S. 82, S. 98, S. 128 u. ö. Hölderlin rekurriert in seinem<br />
Jacobi-Exzerpt von 1790 weder auf das „Seyn“ noch auf das „Urseyn“.<br />
19<br />
E I, pr. 1: „Die Substanz geht von Natur ihren Affectionen voraus“ (S. 88–89). Der lateinische Text ist<br />
im Original kursiviert, die deutsche Übersetzung gesperrt gedruckt.<br />
20<br />
Jacobi/Spinoza, S. 61–62, Hervorhebungen F. H. J. Ähnlich auch Jacobi/Spinoza, S. 107–108 und<br />
S. 128–1<strong>29</strong>.<br />
21<br />
Vgl. E I, pr. 5, demonstratio, S. 90–91, sowie E I, pr. 13, S. 104–105: „Substantia absolutè infinita est<br />
indivisibilis.“/„Die schlechthin unendliche Substanz ist untheilbar.“ Der lateinische Text ist im Original<br />
kursiviert, die deutsche Übersetzung ist im Original gesperrt gedruckt. Zur einen Substanz vgl. auch Jacobi/Spinoza,<br />
S. 21: „die unendliche Einzige Substanz des Spinoza“.<br />
22<br />
Gemäß E I, pr. 11, S. 98–99, hat die Substanz unendlich viele Attribute, von denen jedoch nur zwei,<br />
Denken und Ausdehnung, näher erläutert werden.<br />
23<br />
E II, pr. 1 und pr. 2: „Das Denken ist ein Attribut Gottes, oder Gott ist ein denkendes Wesen. [...] Die<br />
Ausdehnung ist ein Attribut Gottes, oder Gott ist ein ausgedehntes Wesen.“ (S. 162–165) Der lateinische<br />
Text ist im Original kursiviert, die deutsche Übersetzung ist im Original gesperrt gedruckt.<br />
24<br />
Jacobi/Spinoza, S. 1<strong>32</strong>. Die Einheit von Denken und Ausdehnung hebt Jacobi wiederholt hervor, vgl.<br />
Jacobi/Spinoza, S. 98, S. 140 sowie S. 154–155.<br />
25<br />
Jacobi verwendet für die Modifikationen der Substanz den Begriff „Daseyn“. Vgl. etwa Jacobi/Spinoza,<br />
S. 42 und S. 96.<br />
<strong>ZGR</strong> 1-2 (<strong>29</strong>-<strong>30</strong>) / <strong>2006</strong>, 1-2 (<strong>31</strong>-<strong>32</strong>) / <strong>2007</strong>