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Der Dritte Weg auf dem Prüfstand

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Klaus Tanner<br />

Die Struktur des Zusammenlebens hat sich dadurch grundlegend geändert. Damit<br />

ist aber auch der Rahmen weggebrochen, in <strong>dem</strong> das traditionelle Dienstethos<br />

verortet war. <strong>Der</strong> Umbau des gesamten Bereichs der Sozialpolitik mit Hilfe des<br />

Drucks von Marktmechanismen schlägt durch <strong>auf</strong> die ethischen Grundlagen sozialen<br />

Handelns. Alte Anschauungen können hier nicht einfach bruchlos weitertradiert<br />

werden. Indiz für diesen Umbruch sind die zur Zeit allerorten in den Wohlfahrtsverbänden<br />

intensiv geführten Leitbilddebatten, 8 mit deren Hilfe ein adäquates<br />

Selbstverständnis profiliert werden soll. 9<br />

<strong>Der</strong> Wandel zur befristeten Verbindlichkeit<br />

Im Zuge der Modernisierung werden soziale Beziehungen verrechtlicht und damit<br />

partiell entpersonalisiert. Verrechtlichung bedeutet Rationalisierung und Versachlichung<br />

von Beziehungen zwischen Menschen. Hilfe <strong>auf</strong> der Grundlage von Rechten<br />

macht frei von persönlicher Willkür, von Gunst oder Ungunst. Die Rechte des<br />

Individuums gegenüber der Gemeinschaft wurden damit gestärkt. Insofern hat<br />

diese Modernisierung auch zu einem Zugewinn an individueller Freiheit geführt.<br />

Wir alle leben gut mit den positiven Folgen dieser Rationalisierung, Versachlichung<br />

und Verrechtlichung. Mit ihnen erfolgte auch eine stärkere Ausdifferenzierung<br />

von öffentlichem und privatem Leben. <strong>Der</strong> Gedanke des Vertragsschlusses<br />

wird zum Grundmuster für das Verständnis sozialer Beziehungen. Mit einem<br />

Vertrag werden individuelle Nutzenkalküle in ein Verhältnis gesetzt. Es wird nicht<br />

mehr direkt Bezug genommen <strong>auf</strong> die Förderung eines allgemeinen Wohls. Vor<br />

allem aber sind Vertragsverhältnisse immer begrenzt, hinsichtlich des Vertragszwecks<br />

und der Vertragsdauer. <strong>Der</strong> Gemeinwohlbegriff wird zwar beibehalten<br />

aber in seinem Kern verändert. Niemand, kein Politiker, Philosoph, Jurist oder<br />

Theologe kann unter modernen Bedingungen den Inhalt und Umfang des Gemeinwohls<br />

präzise definieren. Gemeinwohl ist keine substantielle, vorgegebene<br />

Größe mehr, sondern das Ergebnis von nicht abschließbaren, konfliktreichen<br />

Prozessen der Abstimmung von Interessen unter Zuhilfenahme von Verträglichkeitskriterien.<br />

10 Als entscheidende Antriebkraft in sozialen Prozessen wird nun<br />

auch in der ökonomischen Theorie der Eigennutz anerkannt. Ein Klassiker der<br />

marktwirtschaftlichen Steuerung wie Adam Smith verabschiedete keineswegs den<br />

8 Vgl. Michael Ebertz, „Leitbildnerei” in sozialen Dienstleistungsorganisationen. Über den Zwang<br />

zur Selbstthematisierung von organisierter Diakonie und Caritas, in: Rainer Öhlschläger u. Hans-<br />

Martin Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit: Identität und Wandel sozialer Dienstleistungen.<br />

Baden-Baden 1996, S. 39-51.<br />

9 Über das Spannungsfeld, in <strong>dem</strong> sich sich dieses Selbstverständnis bildet vgl. Thomas Rauschenbach,<br />

Christoph Sachße, Thomas Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen.<br />

Jugend- und Wohlfahrtsverbände im Umbruch, Frankfurt a. M. 1995.<br />

10 Die Denkschrift der Evangelischen Kirche „Gemeinwohl und Eigennutz”, (Gütersloh 1991)<br />

versuchte die Präzisierung mittels der drei Verträglichkeitskriterien: Sozialverträglichkeit, internationale<br />

Verträglichkeit, ökologische Verträglichkeit (a.a.O. Ziffer 151 ff.).

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