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Der Dritte Weg auf dem Prüfstand

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Ulrich Hammer<br />

Wie immer, der Schein trügt auch hier. Zum einen schließen Nordelbische und<br />

Berlin-Brandenburgische evangelische Landeskirchen und mit ihnen zahlreiche<br />

einzelne kirchliche Einrichtungen nach wie vor Tarifverträge ab. Zum anderen<br />

führt das kirchliche Arbeitsrecht in wachsen<strong>dem</strong> Ausmaß zu kirchlichen Gremien<br />

und Organen besonderer Art – von den Arbeitsrechtskommissionen bis hin zu<br />

eigenen kirchlichen Arbeitsgerichtsbarkeiten der beiden deutschen Großkirchen –,<br />

die angesichts schwindender Kirchensteuereinnahmen und systematischer Unterfinanzierung<br />

sozialer Einrichtungen jedenfalls finanziell deplaziert wirken.<br />

Entscheidend ist jedoch, dass das staatliche Arbeitsrecht mit der betrieblichen<br />

(Betriebsräte) und überbetrieblichen (Tarifverträge) Mitbestimmung ein System<br />

fein abgestimmter Steuerungsinstrumente der Arbeitsbedingungen bereitstellt, zu<br />

<strong>dem</strong> sich die Kirchen im säkularen Bereich unvermindert und geradezu empathisch<br />

bekennen, während es sich im kirchlichen Bereich auch als Ausdruck der<br />

christlichen Dienstgemeinschaft deuten lässt. Die Beharrung <strong>auf</strong> einem eigenen<br />

kirchlichen Arbeitsrecht stellt daher ein permanentes Paradoxon dar, das evangelische<br />

und katholische Kirchen – wie zu zeigen sein wird: unnötigerweise – in akute<br />

Erklärungsnot bringt.<br />

Allerdings müssen die Kirchen und ihre Einrichtungen die Ablehnung kirchengemäßer<br />

Tarifverträge mit einem hohen Preis bezahlen. Mangels in der Praxis<br />

verbindlicher Regelungen der Arbeitsbedingungen führt der <strong>Dritte</strong> <strong>Weg</strong> zu ihrer<br />

Zersplitterung, die sich, namentlich im evangelischen Bereich, zwischen den<br />

verschiedenen Landeskirchen sowie zwischen einzelnen Einrichtungen unterschiedlich<br />

entwickeln und dadurch nicht nur den Wettbewerb mit verschiedenen<br />

privaten Anbietern, die sich an keinerlei feste Tarife halten, sondern auch mit<br />

anderen kirchlichen Einrichtungen zu Lasten der Leistungsqualität verzerren<br />

können. Zwar verpflichten sich kirchliche Einrichtungen, die <strong>dem</strong> Diakonischen<br />

Werk oder der Caritas angehören, satzungsrechtlich <strong>auf</strong> deren Arbeitsvertragsordnungen.<br />

Auch wenn immer wieder Fälle der Abweichung von diesen Arbeitsvertragsordnungen<br />

vorkommen, sind bis dato noch keine Einrichtungen mit<br />

vereinsrechtlichen Sanktionen, z.B. <strong>dem</strong> Ausschluss aus Diakonie oder Caritas<br />

und damit aus <strong>dem</strong> Schutzbereich des kirchlichen Arbeitsrechts, belegt worden,<br />

obwohl dies zulässig wäre. Im Gegenteil: Kirchliche Einrichtungen suchen heute<br />

oftmals selbst den <strong>Weg</strong> aus <strong>dem</strong> kirchlichen Arbeitsrecht, weil sie sich davon<br />

kostengünstigere Arbeitsbedingungen und – angesichts eines 70-80% igen Anteils<br />

der Personalkosten an den Gesamtkosten – deutliche Wettbewerbsvorteile gegenüber<br />

der Konkurrenz versprechen. Dadurch entsteht indessen die Gefahr einer<br />

sog. Abwärtsspirale, bei der nicht nur die Qualität der Leistungen, die gerade in<br />

Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens maßgeblich von der Qualifikation<br />

ihrer Beschäftigten abhängt, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft<br />

leiden. Denn wie es so schön heißt: Qualität kostet und die Konkurrenz<br />

schläft nicht. Andere Einrichtungen werden gezwungen gleich zu ziehen mit der

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