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Der Dritte Weg auf dem Prüfstand

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Jan Hermelink<br />

Gründen stetig sinkenden – Kirchensteuer, sondern auch die verbreiteten<br />

Erwartungsstrukturen: Kirchliche „Leistungen“, vor allem seelsorgliche und<br />

kasualgottesdienstliche Zuwendung, werden auch dort erwartet, wo man keine<br />

Verpflichtung zur Mitgliedschaft oder gar zum kirchlichen Engagement sieht.<br />

Die organisierte Diakonie hat das Verblassen ihrer (wohlfahrts-)staatlichen<br />

Bindung früher zu spüren bekommen; spätestens seit Ende der 1970er Jahre sieht<br />

sie sich, in diversen Entwicklungsschüben, nolens volens als Akteur <strong>auf</strong> einem<br />

Markt sozialer Dienstleistungen. Inzwischen, eine Generation später, legt sich<br />

auch für die Kirchen die Marktmetaphorik immer häufiger nahe – weniger noch<br />

im Blick <strong>auf</strong> die rechtliche Bindung der Mitglieder, wohl aber im Blick <strong>auf</strong> deren<br />

Engagement, vor allem in finanzieller Hinsicht: Gemeinden konkurrieren um<br />

Spenden, Stiftungsgelder und Erbschaften.<br />

Die erheblichen Umstrukturierungen, zu denen die Kirche genötigt ist, stellen sie<br />

nicht zuletzt vor die Frage nach ihrem institutionellen Selbstverständnis. Auch wenn<br />

die Kirche neuerdings ihre Ressourcen und ihre Personalstruktur bedenken muss,<br />

auch wenn sie nach einer „corporate identity“ und zunehmend auch nach einem<br />

„corporate design“ sucht – viele Mitglieder und Mitarbeiter wollen die Kirche<br />

doch nicht als (unternehmerische) religiöse Organisation, sondern als<br />

Gemeinschaft verstehen, die durch gemeinsame Überzeugungen<br />

zusammengehalten wird und sich in überschaubaren Sozialformen realisiert.<br />

Verbreitet wird daher nach neuen, zugleich offenen und verbindlichen Formen<br />

kirchlicher Zeugnis- und auch Dienstgemeinschaft gesucht, nach<br />

„Traditionslebensräumen“ (M. Nüchtern), die die Überlieferung lebendig halten<br />

und sozial darstellen. 3<br />

Ähnlich wird auch in der organisierten Diakonie gefragt, wie sich die Nötigung zu<br />

unternehmerischem Selbstverständnis verbinden lässt mit <strong>dem</strong> Begriff der<br />

„Dienstgemeinschaft“, der ja – lange vor seiner dienstrechtlichen Karriere – eine<br />

bestimmte soziale, ja ursprünglich eine religiöse Erfahrung markiert. Nach<strong>dem</strong> die<br />

klassischen diakonischen Gemeinschaften weitgehend verschwunden sind, wird<br />

auch hier nach neuen Gemeinschaftsformen gesucht; ich erinnere etwa an die<br />

„dritte Gemeinschaft“ verbindlich, aber nicht gemeinschaftlich und auch nicht<br />

zölibatär lebender Christen, wie sie von Kaiserswerth aus erprobt wird.<br />

Hinter den Krisen der Finanzen, der Strukturen und der sozialen Formen wird oft<br />

eine Krise der Überzeugungen gesehen: Was ist dasjenige, wofür die Kirche – als<br />

Gemeinschaft wie als Großorganisation – steht, was sie vertritt und dann auch<br />

offensiv in die Öffentlichkeit zu bringen hat? Die evangelische Kirche versucht, in<br />

diesem Sinne das „evangelische Profil“ neu zu bestimmen, also zu fragen, worin in<br />

3 Michael Nüchtern, Lust <strong>auf</strong> die Komposition von Menüs, keine Rezepte. Was von der Auswertung<br />

zu erwarten ist und was nicht, in: Wolfgang Huber u.a. (Hg.), Kirche in der Vielfalt der<br />

Lebensbezüge. Die vierte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, Gütersloh 2006, (41–47) 45.

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