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Der Dritte Weg auf dem Prüfstand

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Reiner Anselm<br />

der ursprünglichen Wertegemeinschaft in zunehmen<strong>dem</strong> Maße Dienstleistungsunternehmen<br />

geworden sind. 4 Damit verändert sich jedoch das Verhältnis<br />

zwischen Unternehmensführung und den Mitarbeitern nachhaltig. 5 An die Stelle<br />

langfristiger Bindungen und wechselseitiger Verpflichtungen treten nun kurzfristigere<br />

Verträge, deren Konditionen jeweils ausgehandelt werden müssen.<br />

In diesen Aushandlungsprozessen treten dabei gerade die Arbeitnehmer – schon<br />

im Begriff liegt eine deutliche Verschiebung gegenüber den etablierten Leitmodellen<br />

– in zunehmen<strong>dem</strong> Maße selbstbewusst und als Vertreter eigener Interessen<br />

<strong>auf</strong>. Dies lässt sich <strong>auf</strong> der einen Seite negativ deuten, als ein Niedergang der<br />

<strong>dem</strong> Gedanken von der Dienstgemeinschaft inhärenten Grundüberzeugungen.<br />

Doch auch eine positive Interpretation ist möglich, sofern man nämlich dieses<br />

Selbstbewusstsein als großen Erfolg für die praktische Umsetzung eines protestantischen<br />

Anliegens interpretiert, wonach die Inanspruchnahme von Freiheit<br />

auch denjenigen möglich sein soll, die bisher <strong>auf</strong> Grund der gegebenen Rahmenbedingungen<br />

davon ausgeschlossen waren. Zu<strong>dem</strong> treten dabei natürlich auch<br />

immer stärker die verschiedenen, mitunter widerstreitenden Facetten individueller<br />

Glaubensüberzeugungen und – vielleicht noch konfliktträchtiger – die unterschiedlichen<br />

Auffassungen in den Fragen der anwendungsorientierten Ethik ins<br />

Bewusstsein, was sich in aller Regel an unterschiedlichen Auffassungen über<br />

soziale Gerechtigkeit und richtige Entlohnung ablesen lässt.<br />

Die aka<strong>dem</strong>ische Theologie erweist ihre spezifische Kompetenz für die Gegenwartsprobleme<br />

der Diakonie dadurch, dass sie die hermeneutischen Dimensionen<br />

der oben exemplarisch genannten Herausforderungen im Rahmen der Überlieferungen<br />

der Christentumsgeschichte herausstellt. Dies ist seit jeher ihr „Geschäft“<br />

gewesen, denn stets geht es in der Theologie um das Deuten von Geschichten,<br />

von kollektiven wie individuellen Erzählungen und Leitvorstellungen.<br />

Textauslegung, historisches Bewusstsein und zugleich das Bemühen um normative,<br />

bewertende Kriterien sind dafür einschlägig. Zum anderen ist die Theologie<br />

in besonderer Weise kompetent dafür, die Grunderzählungen reformatorischen<br />

Christentums im Horizont der biblischen Überlieferung und der Christentumsgeschichte<br />

als wirkungsgeschichtliche Fortschreibungen zu verstehen und dazu<br />

anzuleiten, sie selbst weiterzuschreiben. Um diese Kompetenzen für die Konfliktlösung<br />

in diakonischen Aufgaben fruchtbar machen zu können bedarf es jedoch<br />

eines Bildungskonzeptes, das pragmatische Leitungsfragen und hermeneutische<br />

Deutungsprozesse miteinander zu vermitteln in der Lage ist. Eben diesem An-<br />

4 Vgl. dazu: Thomas Rauschenbach, Christoph Sachße und Thomas Olk: Von der Wertgemeinschaft<br />

zum Dienstleistungsunternehmen. Jugend- und Wohlfahrtsverbände im Umbruch, Frankfurt /M.<br />

1995.<br />

5 Vgl. dazu Heinrich Beyer, Hans G. Nutzinger und Holger Fischer (Hg.): Erwerbsarbeit und<br />

Dienstgemeinschaft. Arbeitsbeziehungen in kirchlichen Einrichtungen. Eine empirische Studie,<br />

Bochum 1991.

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