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Küinstlern wissen wir aus erhaltenen Abbildungen, daß sie bei ihren figürlichen Entwürfen ein<br />
Netz von Linien zugrunde legten, deren Abstände sich durch einfache Zahlenreihen ausdrücken,<br />
dein Gedächtnis einprägen und danach jederzeit leicht wiedergeben lassen. So ist es wahr-<br />
scheinlich, daß auch die babylonischen Künstler in ähnlicher Weise verfuhren, und daß die<br />
ole:n angeführten Zahlen die IHauptproportionen ergeben, nach denen der Künstler in unseren<br />
Fällen seinen Etntwurf anfertigte.<br />
T'i Tcl^.i.Trr » ;n PR-il..-l.n Riihferhrnihnno<br />
1 )er flach emaillierte Stier von Chorsabad zeigt, wenn Place's Abbildung richtig ist, ebenso<br />
wie der Löwe g{:drungenere Verhältnisse. Allein diese ist mit großer Vorsicht aufzunehmen,<br />
denn hiier scheinen Ziegel zur Verwendung gekommen zu sein, welche ursprünglich für diese<br />
Stelle nicht §reschaffen waren. Dem auf der-<br />
selben Darstellung angebrachten Löwen, dessen<br />
Kurzbeinigkeit im höchsten Maße auffällt, fehlt<br />
jedenfalls offenbar diejenige Ziegelschicht,<br />
welche die zweitunterste hätte bilden sollen,<br />
und damit sind diesem armen Tiere am rechten<br />
Hinterfuß der Metatarsus, am linken das ganze<br />
Tarsalgelenk und an den Vorderfüßen ebenfalls<br />
die entsprechenden, für die Anatomie des Tieres<br />
so unentbehrlichen Bestandteile genommen.<br />
Bei der Komposition des Stieres (Abb. 29)<br />
fällt die steile Haltung des Kopfes auf, die<br />
dem gewöhnlichen Benehmen dieser Tiergat-<br />
tung bei dem, hier im übrigen wiedergegebenen,<br />
ruhigen Schreiten nicht entspricht. Allerdings<br />
reißt der Stier beim Angriff zuerst den Kopf<br />
in die Höhe, um darauf den Körper nachfolgen<br />
zu lassen und dann mit dem schweren Gewicht<br />
des letzteren auf den wiederum gesenkten<br />
Kopf zu drücken. Einen solchen Augenblick<br />
A\bb. 25. Die Südwand des Nordtores von Siiden her. auf das höchste gesteigerter momentaner Bewe-<br />
1.iunks dic Zischeiaucr zwisc hen dcn beiden Toren. gung vermochte wohl ein Apollonius von Tralles<br />
darzustellen oder auch eine Kunst, wie sie auf dem Goldbecher von Vaphio erscheint, aber<br />
kaum die abgeklärte und mit ruhigen Motiven arbeitende Kunst der babylonischen Spätzeit.<br />
Ich möchte eher annehmen, daß der Stier durch die aufrechte Kopfhaltung etwas vornehmes<br />
erhalten sollte, was ihn vor profanen Tieren auszeichnete. Er ist der Stier des Gottes Adad,<br />
als d sse n Repräsentant er gewissermaßen hier auftritt.<br />
Am Kopf sehen wir allerdings nur ein einziges Horn dargestellt, aber das zweite ist<br />
gewißll als durch dieses verdeckt und demgemäß der Stier auch nicht etwa als einhörnig zu<br />
betrachten, wie Jastrow will (Bildermappe zur Religion Babyloniens und Assyriens, Text S. 38).<br />
Man wird ihn ebensowenig als einohrig oder einhufig auffassen dürfen, obwohl auch hier<br />
immer nur der eine von den beiden symmetrischen Körperteilen dargestellt ist. Mit diesem<br />
Übelstande hatte die Kunst, solange sie noch nicht einen freieren, malerischen Stil für Zeichnung