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III - CCA Monatsblatt

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Kultur Kultur<br />

Arakaendar<br />

„Arakaendar“ bedeutet „alt,<br />

vergangen“ in Guarayo. Wenn man<br />

bei Amazon im Internet „Arakaendar“<br />

eingibt, weist einen der Computer in<br />

Sekundenschnelle darauf hin, dass in<br />

der Serie „Bolivian Baroque“ bereits<br />

mehrere CDs mit dem bolivianischen<br />

Chor dieses Namens und dem<br />

britischen Ensemble „Florilegium“<br />

unter Leitung von Ashley Salomon<br />

käuflich zu erwerben sind. Fragt man<br />

einen beliebigen Musikinteressierten<br />

in La Paz, womöglich selbst<br />

Chorsänger, ob er schon einmal von dem in Santa Cruz ansässigen<br />

Chor „Arakaendar“ gehört hat, ist die Antwort ausnahmslos „Ara...<br />

was? In Santa Cruz? Wer ist das?“ Gibt „Arakaendar“ in La Paz ein<br />

kostenloses Konzert, so weiß niemand außer ein paar Diplomaten<br />

davon. Der Chorleiter veranstaltet ohne Entgelt gemeinsam mit dem<br />

Begründer und spiritus rector der Forschung zur Musik der Chiquitanos<br />

und Moxos, Piotr Nawrot, einen Workshop für Studenten aus La Paz,<br />

und das hiesige Konservatorium weigert sich, dafür einen Raum zur<br />

Verfügung zu stellen. Ganz zu schweigen davon, dass die Studenten<br />

von dem Workshop nichts wissen.<br />

Tatsache ist, dass Bolivien mit „Arakaendar“ seit einigen Jahren<br />

über einen Chor verfügt, der bereits in Europa aufgetreten ist, dessen<br />

Konzerte im britischen und niederländischen Rundfunk übertragen<br />

wurden, der am internationalen Musikfestival in der Chiquitania<br />

teilgenommen hat, und dessen dritte CD im Jahr 2010 von Kritikern der<br />

BBC zur „CD des Monats“ gekürt wurde. Kurz: Der wohl einzige Chor<br />

Boliviens, der auf internationaler Ebene bestehen kann – und der mit<br />

Bravour internationale Werbung für das musikalische Erbe Boliviens<br />

macht.<br />

Die Frage des musikalischen Erbes ist freilich eine umstrittene. Lange<br />

herrschte in Bolivien der Eindruck vor, die musikalische Tradition der<br />

Jesuitenreduktionen sei eine aufgezwungene, begründet durch ausländische<br />

Missionare und der Bevölkerung eigentlich fremd.<br />

Piotr Nawrot hingegen vertritt die These, dass in vielen der<br />

missionierten Gegenden die von den Jesuiten eingeführte Musik<br />

nicht nur angenommen, sondern von einheimischen Musikern<br />

weiterentwickelt und musikalisch an die Bedürfnisse und den<br />

Geschmack der lokalen Bevölkerung angepasst wurde. Ihm zufolge<br />

seien es keineswegs die Jesuitenpater gewesen, die eine, wie wir<br />

inzwischen wissen, immense Zahl an keineswegs nur kleinen Werken<br />

komponiert haben; die Pater hätten aufgrund ihrer Arbeitsbelastung<br />

hierzu auch gar keine Zeit gehabt. Vieles deute darauf hin, dass<br />

die allergrößte Zahl jener Kompositionen, die nicht bereits von den<br />

Missionaren aus Europa mitgebracht worden war, von Einheimischen<br />

geschrieben wurde.<br />

Dass die Bevölkerung diese ihr ursprünglich fremde Form der Musik<br />

tatsächlich zu ihrer eigenen machte und in ihre Tradition übernahm,<br />

zeigt das Beispiel der erst kürzlich wieder aufgeführten „Pasión de<br />

Moxos“, die in der Region selbst noch bis in die sechziger Jahre des<br />

zwanzigsten Jahrhundert regelmäßig gespielt und<br />

gesungen wurde – zweihundert Jahre nach<br />

der Vertreibung der Jesuiten.<br />

„Arakaendar“ widmet sich<br />

ausschließlich der Bekanntmachung<br />

dieses Repertoires, das zur Zeit Stück<br />

für Stück wieder Musikern und<br />

Musikliebhabern in Bolivien und<br />

anderen Ländern zugänglich gemacht<br />

wird. Das hohe Niveau dieses Chores<br />

erklärt sich mit den dort geltenden<br />

strengen Regeln: Wer sich bewirbt,<br />

muss bereits Instrumentalunterricht<br />

genommen haben, vom Blatt singen<br />

und Englisch verstehen können. Ein<br />

unentschuldigtes Nichterscheinen<br />

bei einer Probe bedeutet das Ende<br />

der Chormitgliedschaft; für jedes<br />

neue Konzertprogramm erfolgt<br />

ein Auswahlverfahren unter den<br />

Chorsängern. Ein Mangel an<br />

Interessenten scheint nicht zu<br />

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La Paz im Wandel 3/2011<br />

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La Paz im Wandel

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