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Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, HEFT 4, 1996 f!~~ ~Wi\<br />

Bereits im Vorfeld der Konferenz<br />

hatte sich abgezeichnet, daß es<br />

nicht zu einer effektiven politischen<br />

Koordination des breiten<br />

Spektrums von Organisationen<br />

aus den Bereichen Umwelt, Entwicklung,<br />

Bauen und Wohnen<br />

kommen würde. Die im Rahmen<br />

des Forums Umwelt & Entwicklung<br />

der deutschen NGOs im<br />

Herbst 1995 gegründete AG<br />

Stadt- und Regionalentwicklung<br />

war ursprünglich genau zu diesem<br />

Zweck eingerichtet worden.<br />

Doch nach einem recht erfolgreichen<br />

Start, mit breiter Beteiligung<br />

und einem Wochenend-<br />

Workshop zur Erarbeitung eines<br />

gemeinsamen Positionspapiers im<br />

Vorfeld zu Habitat II, gingen sowohl<br />

der Schwung als auch die<br />

Orientierung verloren.<br />

Die Gründe sind vielfältig und<br />

längst nicht umfassend analysiert:<br />

Die große Breite der Habitat-Themen<br />

hat sicherlich dazu beigetragen,<br />

daß sich gelegentlich<br />

zwar alle NGOs angesprochen,<br />

aber letztlich keine richtig verantwortlich<br />

fühlte. Querelen innerhalb<br />

der AG, die Abstinenz<br />

aller größeren Organsationen und<br />

Verbände aus dem Bereich Umwelt<br />

und Entwicklung sowie eine<br />

allgemeine UN-Konferenzmüdigkeit<br />

taten dann ihr Übriges.<br />

Was die deutsche Präsenz auf internationaler<br />

(NGO-)Ebene angeht,<br />

so sind auch hier Lücken<br />

festzustellen. Einmal mehr hat<br />

sich bestätigt, wie schwer sich die<br />

Vertreter deutscher NGOs damit<br />

tun, sich in internationale Diskussions-<br />

und Organisationszusammenhänge<br />

einzubringen. Die<br />

Versäumnisse im Vorfeld der<br />

Habitat II konnten dann auch in<br />

Istanbul nur teilweise wettgemacht<br />

werden. Immerhin wurde<br />

die Notwendigkeit des verstärkten<br />

internationalen Engagements<br />

festgestellt und als Zukunftsaufgabe<br />

formuliert: „Eine europäische<br />

Zusammenarbeit bietet sich<br />

allein schon deshalb an, weil die<br />

Staaten der EU während der gesamten<br />

Konferenz mit der Stimme<br />

der italienischen Präsidentschaft<br />

geschlossen verhandelten",<br />

heißt es im Abschlußbericht des<br />

Forums Umwelt & Entwicklung.<br />

Zweischneidige<br />

'Partnerschaft'<br />

Die von den Vereinten Nationen<br />

vielbeschworene 'Partnerschaft'<br />

ist ein äußerst zweischneidiges<br />

Schwert. Dies wurde auch in<br />

vielfachen Diskussionen unter<br />

den NGO-Vertretern deutlich.<br />

Sahen einige hier den 'Zipfel der<br />

Macht', den es festzuhalten gelte,<br />

vermuteten andere einen geschickten<br />

Schachzug 'der Regierenden<br />

des Nordens', um die kritische<br />

Masse der NGOs einzubinden<br />

und zu entradikalisieren.<br />

In Wahrheit dürfte es wohl so<br />

sein, daß beide Interpretationen<br />

für sich in Anspruch nehmen<br />

können, jeweils eine Seite des<br />

Phänomens zu beleuchten.<br />

Anders als vor 20 Jahren, bei der<br />

ersten Habitat-Konferenz der UN<br />

im kanadischen Vancouver, war<br />

der Staat nicht mehr der Hauptadressat<br />

für Forderungen nach<br />

besseren Wohnverhältnissen. Die<br />

Konferenz stand hier ganz im<br />

Zeichen des neoliberalen Diskurses.<br />

Verstärkte Zusammenarbeit<br />

mit der Privatwirtschaft wurde<br />

ebenso angemahnt wie die stär­<br />

kere Einbeziehung der NGOs.<br />

Die Verantwortung der Staaten<br />

wird nun im wesentlichen in der<br />

Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen<br />

gesehen, der Ruf nach<br />

großen staatlichen Siedlungs- und<br />

Wohnungsbauprogrammen war<br />

nicht zu hören.<br />

Statt dessen werden die internationalen<br />

Finanzinstitutionen wie<br />

Weltbank und IWF aufgefordert,<br />

die Beschlüsse der Habitat-Agenda<br />

für eine nachhaltige Stadtentwicklung<br />

bei ihren Programmen<br />

verstärkt zu berücksichtigen. Ansonsten<br />

wurde jedoch alles getan,<br />

um die strukturellen Rahmenbedingungen<br />

der internationalen<br />

Entwicklung nicht zu diskutieren.<br />

Fragen der Verschuldung,<br />

des Welthandelsregimes<br />

oder des internationalen Finanzsystems<br />

blieben fast vollständig<br />

ausgeblendet. Eine Diskussion<br />

der entwicklungspolitischen Konsequenzen,<br />

sei es für Deutschland,<br />

die Weltbank oder den<br />

IWF, hat darüber hinaus nicht<br />

stattgefunden.<br />

Einerseits kann natürlich eine<br />

Weltsiedlungskonferenz nicht alle<br />

drängenden Fragen dieser Welt<br />

erfolgreich diskutieren (geschweigedenn<br />

lösen), doch andererseits<br />

wurden hier die Grenzen von<br />

UN-Weltkonferenzen ein weiteres<br />

Mal mehr als deutlich.<br />

Ausblick<br />

Einig sind sich so ziemlich alle<br />

Beobachter und Teilnehmer der<br />

Konferenz in einem: Die eigentliche<br />

Beurteilung über Erfolg oder<br />

Mißerfolg der Konferenz erfolgt<br />

in der Umsetzung der ausgehandelten<br />

Ziele und Maßnahmen.

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