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Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, HEFT 4, 1996 3/<br />

Obgleich sich diese Tendenzen gerade vor<br />

dem Hintergrund der untersuchten Politikprozesse<br />

empirisch beobachten lassen, kann jedoch<br />

keinesfalls davon gesprochen werden,<br />

daß sie Strukturen und Entwicklungsmuster<br />

der Ökologiebewegung im allgemeinen, der<br />

behandelten Umweltverbände im besonderen<br />

vollständig widerspiegeln. Erstens ist den Verbänden<br />

die systematische Einbindung in die<br />

Umweltpolitik verwehrt, und in jüngster Zeit<br />

deutet sich sogar eine Verstärkung neo-korporativer<br />

'iron-triangles' an. Die Funktionen<br />

intermediärer Instanzen wollen und können<br />

sie damit gar nicht ausüben. Zweitens sind<br />

Umweltverbände für ihr Überleben auf politische<br />

Mobilisierung angewiesen, wodurch<br />

ein genuiner Bewegungsaspekt ihrer Arbeit<br />

erhalten bleibt. Hiermit ist nicht so sehr die<br />

Allokation von Ressourcen für die verbandliche<br />

Arbeit gemeint, sondern die Aktivierung<br />

und Koordinierung kollektiven Handelns, wie<br />

sie sich in der öffentlichen Kampagnenarbeit<br />

und den entsprechenden Mitglieder- und Aktionsnetzwerken<br />

zeigt, auf die diese Organisationen<br />

ihre Arbeit noch deutlich gründen.<br />

Drittens bleiben politische Interessenvertretung<br />

und die damit anvisierten Politiken nur<br />

ein Instrument der Erreichung eines übergeordneten<br />

Zieles, nämlich sozialen Wandels<br />

insgesamt. Wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

und öffentliche Aufklärung, neue Produktionsformen<br />

und Konsumgewohnheiten sind da<br />

weitere, alternative Strategien der Problembewältigung<br />

(Wapner 1995; Beck 1994). <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Bewegungen</strong> im allgemeinen, einzelne<br />

Bewegungsorganisationen im besonderen differenzieren<br />

ihren Aktivismus deshalb auch<br />

zunehmend zwischen institutioneller Politik<br />

und zivilgesellschaftlicher Mobilisierung,<br />

wissenschaftlicher (Gegen-)Expertise und<br />

ökonomischer Rationalität. Protestzyklen und<br />

Kampagnen fungieren dann zumeist als "multisektorielle<br />

Mobilisierungsprozesse" (Dobry<br />

1992), die Politik, Moral, Wissenschaft, Öko­<br />

nomie und 'private' Lebenswelten miteinander<br />

verschränken und dadurch anti-institutionelle<br />

Irritations- und Lernpotentiale bergen,<br />

die gesellschaftlichem Wandel zuträglich sind<br />

(Friedland/Alford 1991). Allerdings bleibt abzuwarten,<br />

inwiefern die verbandliche Redefinition<br />

sozialer Bewegungsorganisationen<br />

eine Funktionalisierung dieser anderen Arbeitsbereiche<br />

für eine rein politische Interessenvertretung<br />

zur Folge haben wird.<br />

Christian Lahusen ist promovierter Soziologe<br />

und arbeitet an einem laufenden Forschungsprojekt<br />

von Prof. Richard Münch an<br />

der Uni Düsseldorf über die Luftreinhaltepolitik<br />

in der BRD, Frankreich, Großbritannien<br />

und den USA mit.<br />

Anmerkung<br />

1<br />

So hat die europäische Gesetzgebung (insb. seit<br />

dem Environmental Protection Act von 1990, durch<br />

die die europäischen Vorgaben ratizifiert und in<br />

britisches Recht überführt wurden) die Umweltpolitik<br />

auf formelle Verfahren und verbindliche Grenzwerte<br />

ausgerichtet. Zugleich ist auch unter der<br />

Thatcher-Administration offenkundig die Konsultationspraxis<br />

im Namen eines autoritativen Gestaitungsmonopols<br />

des Staates massenhaft aufgekündigt<br />

worden.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Beck, U. 1994: Die Erfindung des Politischen.<br />

Frankfurt/M.: Suhrkamp.<br />

Borgards, C. 1996: Länderbericht Frankreich. In:<br />

R. Münch et al.: Projektbericht für die Deutsche<br />

Forschungsgemeinschaft.<br />

Dobry, M. 1992: Sociologie des crisis politiques.<br />

Paris: Presses de la Fondation National des Sciences<br />

Politiques.<br />

Eder, K. 1989: Die »Neuen <strong>Soziale</strong>n <strong>Bewegungen</strong>«:<br />

Moralische Kreuzzüge, politische Pressure<br />

Groups oder soziale <strong>Bewegungen</strong>? In: U. C. Wasmuht<br />

(Hrsg.): Alternativen zur alten Politik? Neue

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