Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, HEFT 4, 1996 53<br />
paternalistischen Ordnung. Die lokalen Gemeinschaften<br />
waren bereit, die Lasten der<br />
Modernisierung zu tragen, solange diese gerecht<br />
verteilt waren (Notehelfer 1975, Upham<br />
1976).<br />
Neuere Befunde deuten allerdings auf einige<br />
Änderungen im Diskurs über die Natur und<br />
Umwelt hin. In den achtziger und neunziger<br />
Jahren wird der Diskurs über die Umwelt mehr<br />
und mehr von Gruppierungen aus den städtischen<br />
Mittelklassen dominiert. Die Tbpiken<br />
sind u.a gesundes Essen, organische Agrikultur,<br />
Kontaminierung von Wasser und Boden.<br />
Zwar stehen die Diskurse der Verbraucherbewegungen<br />
und des Nippon Ecology Netzwerkes<br />
in der Tradition der früheren Protestbewegungen<br />
- auch die Minamata Krankheit war<br />
eine Form der Vergiftung von Lebensgrundlagen;<br />
allerdings nimmt ihr Diskurs neue ökologische<br />
Paradigmen auf. Der jüngere Diskurs<br />
über die Umwelt fordert nicht wie sein<br />
Vorgänger eine Wiederherstellung des Status<br />
quo ante, sondern eine Veränderung des Lebensstiles,<br />
verbunden mit einer Demokratisierung<br />
der Gesellschaft. Auch das Konzept<br />
nachhaltiger Entwicklung fand Eingang in die<br />
Forderungskataloge des Nippon Ecology<br />
Netzwerkes, der Co-op Federation, des Seikatsu-Clubs<br />
und des NACS-J (Interviews mit<br />
Vertretern des Seikatsu Clubs, Co-op Federation,<br />
Nippon Ecology Network, NACS-J:<br />
31.1.95 bis 6.2.95)<br />
Ein Grund für die Veränderung des japanischen<br />
Umweltdiskurses ist der Einfluß des internationalen<br />
Diskurses über globale Umweltprobleme<br />
(Matsuba 1994). Die stärkere Organisiertheit<br />
des japanischen Umweltprotests<br />
und -diskurses hat zudem bewirkt, daß die<br />
Gruppen nicht mehr als Ein-Problem-<strong>Bewegungen</strong><br />
auftreten. Eigentümlicherweise ist der<br />
jüngere Umweltdiskurs weniger durch die japanischen<br />
kulturellen Traditionen gekenn<br />
zeichnet als seine Vorgänger in den fünfziger,<br />
sechziger und siebziger Jahren. Obwohl<br />
der Shintoismus reich an Vorstellungen einer<br />
harmonischen Beziehung von Mensch und<br />
Natur ist, werden kaum Bezüge zu diesen Traditionen<br />
hergestellt (Senda 1992, Odin 1991,<br />
Murota 1985). Die Internationalisierung des<br />
Umweltdiskurses hat auch die japanischen<br />
Umweltorganisationen beeinflußt. Der Umweltdiskurs<br />
der achtziger und neunziger Jahre<br />
ist jedoch hauptsächlich durch westlich beeinflußte<br />
Umweltschutzkonzeptionen geprägt.<br />
4 Chancenstrukturen<br />
4.1 Kulturelle Codes als<br />
Chancenstrukturen<br />
Entgegen gängiger Sichtweise ist die japanische<br />
Kultur keineswegs eine Kultur ohne<br />
Konflikt. Traditionale paternalistische Strukturen<br />
sehen Situationen vor, in den kollektive<br />
Gewalt und kollektiver Protest als legitime<br />
Handlungen angesehen werden, jedoch<br />
nur unter der Voraussetzung, daß die Betroffenen<br />
lange Perioden des Leidens und der Ungerechtigkeit<br />
erduldeten. In diesem Zusammenhang<br />
sind auch die Gerechtigkeitsvorstellungen<br />
zu verstehen, die die Umweltproteste<br />
in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren<br />
inspirierten. Die jüngeren Proteste in Japan<br />
speisen sich hingegen aus westlichen<br />
kulturellen Quellen. Dies bestätigt zwar neuerlich<br />
die Offenheit der japanischen Kultur<br />
(Terada 1994, Matsuba 1994, Odin 1991,<br />
Senda 1992, Sugimura 1990), läßt aber doch<br />
die Frage offen, warum sich der jüngere Umweltprotest<br />
eher an christliche kulturelle<br />
Wurzeln klammert, als auf die reichen Shinto-Traditionen<br />
zurückzugreifen. Eine mögliche<br />
Erklärung liegt darin, daß die Shinto-<br />
Religion nach der Meiji-Restauration 1868<br />
stets von rechten und konservativen politischen<br />
Parteien und Strömungen vereinahmt<br />
waren.