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Untitled - Gtz

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Herausgeber:<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mbH<br />

Postfach 5180<br />

65726 Eschborn, Germany<br />

Internet: http://www.gtz.de<br />

Verantwortlich:<br />

Bernd Hoffmann, GTZ<br />

Redaktion:<br />

Monika Benkler, GTZ<br />

Juni 2000


VORWORT<br />

1


VORWORT<br />

2


VORWORT<br />

„Friedenssicherung und Krisenprävention in der Arbeit der GTZ“ – nach 30-<br />

jährigem Engagement in der GTZ hat Dr. Hinrich Eylers, Leiter des Bereiches<br />

„Lateinamerika, Maghreb, Nahost“, für das Symposium anlässlich seines Ausscheidens<br />

aus dem Unternehmen ein Thema gewählt, das ihm seit langem sehr<br />

am Herzen liegt. Wir danken dem Ideengeber, dass er Raum für eine theoretische<br />

und praktische Erörterung dieser Thematik gegeben hat, die in die Zukunft weist,<br />

unter der neuen Bundesregierung eine neue Dynamik gewonnen hat und für die<br />

GTZ eine große Herausforderung darstellt. Diese Schrift ist ihm gewidmet.<br />

In den vergangenen Jahren mussten für die Behebung von Kriegs- und Katastrophenschäden<br />

zunehmend Mittel aus der klassischen Entwicklungszusammenarbeit<br />

ausgegeben werden. Darüber hinaus sind gewaltsame Auseinandersetzungen<br />

das entscheidende Entwicklungshemmnis für die betroffenen Länder – oft machen<br />

sie in kurzer Zeit jahrzehntelange Entwicklungsbemühungen zunichte. Ziel des<br />

Symposiums war es, die Möglichkeiten der Instrumente der Entwicklungspolitik<br />

und insbesondere der Technischen Zusammenarbeit zur Krisenprävention und<br />

Konfliktbearbeitung zu analysieren. Diese dürfen, so die Meinung der Teilnehmer/-<br />

innen an dem Symposium, nicht überschätzt werden. Dennoch, und das wurde<br />

anhand der dargestellten GTZ-Projekte sehr deutlich, bestehen wichtige, erfolgversprechende<br />

Ansatzpunkte für die Technische Zusammenarbeit: Die Diskussionen<br />

haben uns ermutigt, unsere Strategien und Instrumente weiterzuentwickeln.<br />

Den Referenten und Teilnehmer/-innen an dem Symposium gilt unser Dank für die<br />

engagierte Mitwirkung, für Arbeitsunterlagen, Anregungen und kritische Überlegungen.<br />

Danken möchten wir auch Marlis Weissenborn und Bernd Hoffmann für<br />

die Moderation sowie Monika Benkler für das Erstellen der Schrift.<br />

Dr. Hans-Dietrich Pallmann<br />

Geschäftsführer<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)<br />

3


VORWORT<br />

Im Kabinettsbeschluss vom 11. Februar 1971 zur Verabschiedung der entwicklungspolitischen<br />

Konzeption für die zweite Entwicklungsdekade, die – wie im wesentlichen<br />

auch alle folgenden weiterführenden konzeptionellen Ausrichtungen der<br />

bundesdeutschen Entwicklungspolitik – breite Zustimmung im Bundestag fand,<br />

heißt es zu ihrer außenpolitischen Bedeutung: „Wirksame Entwicklungspolitik festigt<br />

die internationale Stellung der Bundesrepublik Deutschland. Sie vergrößert<br />

langfristig die Chancen der Friedenssicherung.“<br />

Dieser Beschluss wurde, nur wenige Wochen nach meinem Eintritt in die neue<br />

Bundesstelle für Entwicklungshilfe (bfe), Leitgedanke und Grundlage für die Aufgaben<br />

des BMZ und seiner Vorfeldorganisationen. Ziemlich genau 30 Jahre später,<br />

am Ende einer Tätigkeit, die diesen Zielen dienen sollte und wollte, war mir die<br />

Frage ebenso verlockend wie herausfordernd, an welchen Beispielen sich zeigen<br />

ließe, dass praktische Umsetzung von deutscher Entwicklungspolitik zum unverändert<br />

hohen Anspruch „Friedenssicherung“ – der durch die Bundesregierung zunehmend<br />

in unmittelbarem Zusammenhang mit Krisenprävention gesehen wird –,<br />

in sehr konkreten Konzepten und Ergebnissen zu diesem Thema geleistet worden<br />

ist.<br />

Die Idee war, diesen Nachweis im eigenen Hause zu versuchen und ihn mit Repräsentanten<br />

der entwicklungspolitischen Forschung und von Nichtregierungsorganisationen<br />

abwägend-kritisch zu diskutieren. Natürlich steckte dahinter die eigene<br />

Überzeugung, dass die Technische Zusammenarbeit (TZ) bei allem Dissens<br />

über ihre Wirksamkeit auf diesem Felde viel geleistet und vorzuzeigen hat, was<br />

durchaus der aktuellen Diskussion zugute kommen und Selbstvertrauen darüber<br />

vermitteln könnte, wo wir uns mit unseren Partnern und Auftraggebern auf richtigen<br />

Wegen befinden und wo nicht, wenn es um Konfliktbewältigung – und damit<br />

um „mehr Frieden“ – geht.<br />

Alle, die daran in den Projekten und Programmen arbeiten, wissen und merken<br />

sehr wohl, dass sie sich dabei in einem sensiblen Umfeld bewegen, das da u.a.<br />

heißt Nichteinmischung, soziokulturelle Wirklichkeit, politische Rahmenbedingungen,<br />

krisenträchtige Naturgegebenheiten. Weil das – unbeeinflussbar – so ist, hat<br />

es natürlich (nicht nur in Entwicklungsländern) dabei gravierende Misserfolge gegeben.<br />

Aber es gibt eben auch eine Reihe von ermutigenden, auch nachhaltigen<br />

positiven Beispielen, die es sich lohnt zu präsentieren und damit bewusst zu machen.<br />

Dazu reicht zwar ein eintägiges Symposium nicht aus, schon gar nicht,<br />

wenn die Befassung mit dem Thema auch den konstruktiven Dialog zwischen der<br />

GTZ und den deutschen Nichtregierungsorganisationen befördern soll. Aber es<br />

könnte doch ein signifikanter Beitrag sein und Mut zu und Lust auf mehr davon<br />

machen. Auch haben wir einiges dazugelernt über menschliche und soziale Hintergründe<br />

von friedensgefährdendem wie friedensstiftendem Tun.<br />

4


VORWORT<br />

Allen, die an diesem Symposium in der Vorbereitung, auf dem Podium, mit Ausarbeitungen<br />

sowie durch Beiträge zur Diskussion mitgewirkt haben und auch denen,<br />

die sich die Zeit zum Teilnehmen und Zuhören nahmen, danke ich dafür sehr<br />

herzlich. Sie haben mir meinen Abschied aus der „aktiven TZ“ schwer gemacht,<br />

weil ich fortan nicht mehr direkt an ihrer Kollegialität und ihrem Engagement teilhaben<br />

werde – und leichter, weil die „Bilanz“ dieses kurzen Symposiums in einem<br />

kleinen Ausschnitt gezeigt hat, wo und wie anspruchsvolle politische Erwartungen<br />

durch konkretes Handeln unter ganz unterschiedlichen Bedingungen erfüllbar<br />

sind.<br />

Dr.-Ing. Hinrich Eylers<br />

Leiter des Bereiches „Lateinamerika, Maghreb, Nahost“<br />

5


INHALT<br />

EINFÜHRUNG 9<br />

BEGRÜSSUNG 10<br />

Dr. Hans-Dietrich Pallmann<br />

EINFÜHRENDE REFERATE<br />

Friedenspolitik und Krisenprävention als Strategieelemente des BMZ 12<br />

Adolf Kloke-Lesch<br />

Thesen zur Zukunft der Krisenprävention in der TZ 20<br />

Bernd Hoffmann<br />

KRISENPRÄVENTION UND KONFLIKTBEARBEITUNG IN DER PRAXIS<br />

Förderung der Flüchtlingsbehörde, Uganda 29<br />

Gerald Duda<br />

Rehabilitationsprojekt, Jaffna, Sri Lanka 34<br />

Jürgen Hörner<br />

Programmschwerpunkt Förderung von Demokratie und Beachtung<br />

von Menschenrechten, Guatemala 39<br />

Dr. Christian Salazar Volkmann<br />

Förderung der Rechte indigener Völker, Brasilien 42<br />

Dr. Regine Schönenberg<br />

Nahost-Wasserstudie, Israel / Jordanien / Palästina 45<br />

Gerhard Naschold, Herbert Sahlmann<br />

DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT 48<br />

ANHANG<br />

Schriftliche Statements 53<br />

Dr. Stephan Klingebiel, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik 53<br />

Prof. Dr. Franz Nuscheler, Universität Duisburg 57<br />

Manfred Sollich, Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe 60<br />

Programm 62<br />

Anschriften der Referenten 63<br />

7


EINFÜHRUNG<br />

Zum Thema „Friedenssicherung und<br />

Krisenprävention in der Arbeit der<br />

GTZ“ hat der Länderbereich Lateinamerika<br />

in Zusammenarbeit mit der<br />

Abteilung 43 (Gesundheit, Bildung,<br />

Ernährung, Nothilfe) des Bereiches<br />

Planung und Entwicklung am 26. November<br />

1999 ein Symposium veranstaltet.<br />

Mitarbeiter/-innen der GTZ,<br />

aber auch zahlreiche Vertreter/-innen<br />

wissenschaftlicher Institutionen sowie<br />

des Bundesministeriums für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(BMZ) nahmen an der Veranstaltung<br />

teil, zu der Dr. Hans-Dietrich<br />

Pallmann, Geschäftsführer der<br />

GTZ, begrüßte.<br />

Zwei einführende Referate steckten<br />

das Terrain ab: Ministerialrat Adolf<br />

Kloke-Lesch, Leiter des Referates<br />

304 im BMZ (Außen- und Sicherheitspolitik,<br />

Friedensentwicklung und<br />

Krisenprävention, Menschenrechte,<br />

Forschung), sprach zum Thema<br />

„Friedenspolitik und Krisenprävention<br />

als Strategieelemente des BMZ“;<br />

Bernd Hoffmann, Leiter der Abteilung<br />

43, formulierte zehn Thesen zur Zukunft<br />

der Krisenprävention in der<br />

Technischen Zusammenarbeit.<br />

Die beiden Reden wurden ergänzt<br />

um fünf Projektbeispiele der Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung,<br />

die von Mitarbeiter/-innen der GTZ<br />

präsentiert wurden:<br />

(1) Förderung der Flüchtlingsbehörde,<br />

Uganda: Gerald Duda, GTZ-<br />

Berater der ugandischen Flüchtlingsbehörde;<br />

(2) Rehabilitationsprojekt, Jaffna, Sri<br />

Lanka: Jürgen Hörner, Fachplaner,<br />

Abteilung 43, Arbeitsfeld Not- und<br />

Flüchtlingshilfe;<br />

(3) Programmschwerpunkt Förderung<br />

von Demokratie und Beachtung von<br />

Menschenrechten, Guatemala: Dr.<br />

Christian Salazar Volkmann, GTZ-<br />

Regierungsberater für Jugend / Auftragsverantwortlicher<br />

für Menschenrechtsprojekte<br />

in Guatemala;<br />

(4) Förderung der Rechte indigener<br />

Völker, Brasilien: Dr. Regine Schönenberg,<br />

freie Gutachterin;<br />

(5) Nahost-Wasserstudie (Israel, Jordanien,<br />

Palästina): Ministerialrat Herbert<br />

Sahlmann, Leiter des BMZ-<br />

Referates 220-1 (Nahost, Türkei);<br />

Gerhard Naschold, Seniorfachplaner,<br />

Abteilung 44, Arbeitsfeld Wasser und<br />

Abfallwirtschaft.<br />

Marlis Weissenborn, Regionalleiterin<br />

Lateinamerika Süd (OE 3020), moderierte<br />

diesen ersten Teil der Veranstaltung.<br />

Um die „Innenansicht“ zu den Themen<br />

Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />

um eine „Außenansicht“<br />

anzureichern, waren neben Ministerialrat<br />

Kloke-Lesch auf das Podium<br />

gebeten worden: Dr. Stephan Klingebiel,<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik<br />

(DIE), Prof. Dr. Franz Nuscheler,<br />

Direktor des Institutes für<br />

Entwicklung und Frieden (INEF) an<br />

der Universität Duisburg, Dr. Norbert<br />

Ropers, Direktor des Berghof Forschungszentrums<br />

für konstruktive<br />

Konfliktbearbeitung, und Manfred<br />

Sollich, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft<br />

für Entwicklungshilfe<br />

(AGEH). Gemeinsam mit dem Plenum<br />

diskutierten die Experten unter<br />

der Moderation von Bernd Hoffmann<br />

das Thema „Friedenssicherung und<br />

Krisenprävention zwischen politischem<br />

Anspruch und Praxis“.<br />

9


BEGRÜSSUNG<br />

Dr. Hans-Dietrich Pallmann<br />

Namens der Geschäftsführung begrüße<br />

ich Sie sehr herzlich zu unserer<br />

heutigen Fachveranstaltung zum<br />

Thema „Friedenssicherung und Krisenprävention<br />

in der Arbeit der GTZ“.<br />

Ich begrüße ganz besonders unseren<br />

bald scheidenden Bereichsleiter für<br />

Lateinamerika, Maghreb und Nahost,<br />

Herrn Dr. Eylers. Die Veranstaltung<br />

geht auf seinen Wunsch, auf seine<br />

Idee, auf seine Initiative zurück. Er<br />

hat sich zum Abschluss ein Fachsymposium<br />

gewünscht zu einem<br />

Thema, das ihm aufgrund der persönlichen<br />

Erfahrung seiner Arbeit –<br />

sicherlich auch aufgrund der Arbeit in<br />

den vergangenen Jahren im Bereich<br />

Nahost – besonders am Herzen liegt:<br />

Friedenssicherung und Krisenprävention.<br />

Das Thema hat unter der neuen Bundesregierung<br />

eine stärkere Dynamik<br />

gewonnen. Es ist kein neues Thema,<br />

aber es ist neu akzentuiert worden.<br />

Entwicklungspolitik wird seit etwa einem<br />

Jahr als Teil der Friedenspolitik<br />

ausgerichtet, und auch die Debatte<br />

um einen erweiterten Sicherheitsbegriff,<br />

zu dem Entwicklungspolitik gehört,<br />

wird heute intensiver geführt. Ich<br />

begrüße es, dass mit dieser Diskussion<br />

ein Beitrag zur Stärkung des Politikfeldes<br />

„Entwicklungspolitik“ geleistet<br />

werden kann, mit dem Anspruch,<br />

zum Umgang mit Krisen – nicht nur<br />

fernab, sondern auch sehr nahe, bei<br />

uns in Europa – wirkungsvoll beizutragen.<br />

Nicht nur in Form einer allgemeinen<br />

Ursachenbekämpfung – das<br />

hat die Entwicklungspolitik schon immer<br />

für sich in Anspruch genommen<br />

–, sondern sehr viel gezielter in Form<br />

von Frühwarnsystemen, durch Verhinde-rung<br />

von Krisen oder durch<br />

gewalt-freie Bearbeitung von Konflikten.<br />

Ich bin überzeugt davon, dass<br />

damit ein Beitrag zur stärkeren Signifikanz<br />

von Entwicklungspolitik geleistet<br />

werden und damit auch die Akzeptanz<br />

unserer Entwicklungszusammenar-beit<br />

in der öffentlichen<br />

Meinung verstärkt werden kann. Darauf<br />

sind wir nicht zuletzt angesichts<br />

der finanziellen Situation, in der sich<br />

die Entwicklungspolitik befindet, dringend<br />

angewiesen.<br />

Die GTZ hat das Thema „Krisenprävention,<br />

Konfliktbearbeitung“ schon<br />

vor längerer Zeit aufgegriffen, sowohl<br />

konzeptionell wie instrumentiell. Es<br />

gibt eine Reihe von hervorragenden<br />

konzeptionellen Beiträgen, nicht zuletzt<br />

aus der Abteilung „Gesundheit,<br />

Bildung, Ernährung, Nothilfe“. Die<br />

GTZ hat ein bereichsübergreifendes<br />

Thementeam eingerichtet, das sich<br />

strategisch mit dem Thema auseinandersetzt;<br />

über feste Ansprechpartner<br />

in den Regionalbereichen wird die<br />

Verbindung zwischen der gedanklichen<br />

und der praktisch-operativen<br />

Arbeit hergestellt. Darüber hinaus<br />

haben wir eine besondere Arbeitseinheit<br />

geschaffen, die sich mit der Qualifizierung,<br />

Vorbereitung und Betreuung<br />

von Personen beschäftigt, die in<br />

Krisengebiete ausreisen oder sich mit<br />

Konflikten auseinander setzen müssen.<br />

Die GTZ sieht in dem Thema „Krisenprävention“<br />

und den möglichen<br />

Beiträgen, die wir dazu leisten können,<br />

eine große Herausforderung.<br />

Wie können wir dazu beitragen, dass<br />

Entwicklung – die ja immer Verände-<br />

10


BEGRÜSSUNG<br />

rung gesellschaftlicher Prozesse bedeutet<br />

– gewaltfrei, möglichst friedlich<br />

vonstatten geht und trotzdem Veränderungen<br />

bewirkt? Wir wollen in diesem<br />

Bereich unser Dienstleistungsangebot<br />

verbessern; wir möchten,<br />

dass die TZ – und über die TZ auch<br />

die GTZ – ihre Rolle im nationalen<br />

wie internationalen Kontext auf diesem<br />

Feld stärkt. Es ist klar: Wir wollen<br />

nicht Konflikte verhindern – sie<br />

sind Teil von Entwicklungen –, aber<br />

wir wollen ihre gewaltfreie Austragung<br />

fördern.<br />

Einige der Beispiele, die heute hier<br />

vorgestellt werden, werden belegen,<br />

dass TZ eine ganze Menge tun kann.<br />

Sie ist ein preiswertes und humanes<br />

Instrument in diesem Zusammenhang.<br />

Natürlich muss sie sorgfältig an<br />

die jeweiligen konkreten Bedingungen<br />

angepasst werden.<br />

Von Beispielen wird heute die Rede<br />

sein. Hoffentlich von best practices,<br />

aus denen gelernt werden kann und<br />

gelernt werden soll. Wir verstehen<br />

uns als GTZ als lernende Organisation<br />

im allgemeinen, aber auch besonders<br />

auf diesem Feld. Wir haben<br />

den Schlüssel zur Lösung der Probleme<br />

nicht etwa griffbereit in der<br />

Hand, und wir wissen, dass das auch<br />

bei anderen Organisationen so ist.<br />

Ich wünsche Ihnen einen spannenden,<br />

inhalts- und ergebnisreichen<br />

Tag. Ich bedanke mich nochmals bei<br />

dem Ideengeber, Dr. Eylers, und danke<br />

für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

Ich würde gerne noch eine persönliche<br />

Bemerkung hinzufügen. Ich kenne<br />

die Projekte, die heute vorgestellt<br />

werden sollen, nicht aus eigenem<br />

Augenschein. Ich kenne aber ein anderes<br />

Projekt, das mich sehr beeindruckt<br />

hat: das Versöhnungsprojekt<br />

zwischen den Tuareg und den sesshaften<br />

Bauern in Mali. Ich habe es in<br />

diesem Jahr einige Tage lang besucht<br />

und feststellen können, welchen<br />

hervorragenden Beitrag Technische<br />

Zusammenarbeit unter bestimmten<br />

politischen Voraussetzungen<br />

bei der Stabilisierung von Versöhnungsprozessen<br />

und bei der Wiedergewinnung<br />

der ökonomischen<br />

Grundlage als wichtigste Voraussetzung<br />

für Entwicklung leisten kann.<br />

Das ist beispielgebend, und ich<br />

wünschte mir, dass wir in anderen<br />

Krisensituationen ähnlich erfolgreich<br />

arbeiten können.<br />

11


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

Friedenspolitik und Krisenprävention als Strategieelemente des BMZ<br />

Adolf Kloke-Lesch<br />

1. Krisenprävention – eine neue<br />

modische Leerformel in der Entwicklungspolitik?<br />

Angesichts der Fülle an politischen<br />

Erklärungen, Publikationen und Veranstaltungen<br />

zu diesem Thema ist<br />

mancher leicht versucht, diese gelegentlich<br />

polemisch gestellte Frage zu<br />

bejahen. Natürlich haben Begriffe und<br />

Ideen ihre Konjunkturen. Diese Konjunkturen<br />

sind aber auch wichtig, um<br />

neue oder besondere Herausforderungen<br />

in der praktischen Politik zu<br />

verankern. Anhand von zwei Fragestellungen<br />

wird deutlich, dass es sich<br />

bei der Krisenprävention für die Entwicklungspolitik<br />

um ein Zukunftsthema<br />

handelt.<br />

Erste Fragestellung:<br />

Warum werden Krisenprävention und<br />

Konfliktbearbeitung zu drängenden<br />

Aufgaben in der Weltgesellschaft des<br />

21. Jahrhunderts ?<br />

Drei Antworten:<br />

(1) Bei Andauern der gegenwärtigen<br />

Muster von Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung<br />

werden die sozialen<br />

Disparitäten zwischen und innerhalb<br />

der Staaten sowie der Druck auf<br />

die natürlichen Lebensgrundlagen<br />

weiter zunehmen. Damit wächst das<br />

strukturelle Konfliktpotenzial regional<br />

wie global weiter an.<br />

(2) Die Fähigkeit von Gesellschaften,<br />

auf konstruktive und friedliche Weise<br />

mit ihren Konflikten umzugehen, wird<br />

in zahlreichen Ländern durch Desintegration,<br />

Fragmentierung und Zerfall<br />

staatlicher und gesellschaftlicher<br />

Strukturen beeinträchtigt. Die fortschreitende<br />

Globalisierung dürfte diese<br />

Probleme eher verschärfen. In der<br />

Folge kommt es insbesondere zu<br />

ethno-sozialen Modernisierungs- und<br />

Identitätskonflikten.<br />

(3) Nachdem die globale Sicherheitsarchitektur<br />

jahrzehntelang wesentlich<br />

durch den Ost-West-Gegensatz und<br />

die atomare Abschreckung geprägt<br />

war, zeichnet sich bislang für die<br />

Weltgesellschaft kein neues prägendes<br />

Ordnungsmuster ab. Es fehlen<br />

leistungsfähige und allgemein anerkannte<br />

globale Sicherheitsstrukturen,<br />

in denen Grenzkonflikte, Sezessionskriege<br />

und gewaltsame innerstaatliche<br />

Auseinandersetzungen bewältigt<br />

sowie die neuen geopolitischen Kraftzentren<br />

integriert werden können.<br />

Zweite Fragestellung:<br />

Warum sind Krisenprävention und<br />

Konfliktbearbeitung auch Aufgaben<br />

der Entwicklungspolitik?<br />

Drei Antworten:<br />

(1) Entwicklung braucht Frieden. Gewaltsame<br />

Konflikte haben immer wieder<br />

Entwicklungserfolge gefährdet<br />

oder zerstört. Die Entwicklungspolitik<br />

muss deshalb allein schon aus Eigeninteresse<br />

das ihr Mögliche tun,<br />

um zu Krisenprävention und gewaltfreier<br />

Konfliktbearbeitung beizutragen.<br />

12


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

(2) Konflikte sind integraler Bestandteil<br />

gesellschaftlicher Prozesse. Entwicklungspolitik<br />

findet immer – gewollt<br />

oder ungewollt – in einem Umfeld<br />

von Konflikten statt und wirkt<br />

damit auf Konflikte ein – sei es konfliktverschärfend<br />

oder konfliktlösend.<br />

Gerade auch Humanitäre Hilfe und<br />

Nothilfe haben sich wiederholt mit<br />

dem Vorwurf konfrontiert gesehen,<br />

sie fütterten den Krieg. Auch in der<br />

Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft,<br />

nach gewaltsamen Konflikten<br />

schnell und umfangreich beim<br />

Wiederaufbau zu helfen, wird inzwischen<br />

ein „moral hazard“-Problem<br />

gesehen. Entwicklungspolitik muss<br />

sich also bewusst mit ihren Wirkungen<br />

in Konfliktsituationen auseinander<br />

setzen.<br />

(3) Entwicklungspolitik hat – funktional<br />

gesehen – die Aufgabe, die wirtschaftlichen,<br />

sozialen, ökologischen<br />

und politischen Verhältnisse in anderen<br />

Ländern mitzugestalten. Wenn<br />

Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />

ein vorrangiges Ziel deutscher<br />

und internationaler Politik sind,<br />

ist auch die Entwicklungspolitik aufgerufen,<br />

mit ihren – im Vergleich zu<br />

anderen Politikbereichen – besonderen<br />

Instrumenten hierzu einen Beitrag<br />

zu leisten.<br />

Wenn wir also feststellen müssen und<br />

können, dass Krisenprävention und<br />

Konfliktbearbeitung Zukunftsaufgaben<br />

sind und Entwicklungspolitik zu<br />

diesen Aufgaben Beiträge leisten<br />

kann, so müssen wir aber gleichzeitig<br />

und ganz nüchtern auch die Grenzen<br />

unserer Möglichkeiten sehen und uns<br />

darüber im klaren sein, dass immer<br />

wieder von Menschen inszenierte und<br />

verursachte Katastrophen über uns<br />

oder – genauer gesagt – über die<br />

Menschen in unseren Partnerländern<br />

hereinbrechen werden. Letztlich können<br />

nur die Menschen und die Gesellschaften<br />

in unseren Partnerländern<br />

selber ihren Frieden entwickeln.<br />

Unsere Aufgabe muss zuerst sein,<br />

ihnen diese Arbeit nicht zu erschweren<br />

und dann dort zu helfen, wo wir<br />

gefragt und dazu in der Lage sind.<br />

2. Internationaler Rahmen, Gesamtkonzept<br />

der Bundesregierung<br />

und Rolle der Entwicklungspolitik<br />

Entwicklungspolitische Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung sind eingebettet<br />

in ein Gesamtkonzept der<br />

Bundesregierung und international<br />

vereinbarte Strategien.<br />

Der Generalsekretär der Vereinten<br />

Nationen (VN), Kofi Annan, hat in<br />

seinem diesjährigen Bericht an die<br />

Generalversammlung zu einer Kultur<br />

der Prävention aufgerufen und hierfür<br />

eine Fülle von strategischen Ansatzpunkten<br />

aufgezeigt, gerade auch im<br />

entwicklungspolitischen Bereich. Der<br />

Rat der Europäischen Union (EU) hat<br />

in seinem Beschluss vom November<br />

1998 die Rolle der Entwicklungszusammenarbeit<br />

bei friedensschaffenden<br />

Maßnahmen sowie der Verhütung<br />

und Lösung von Konflikten festgelegt.<br />

Bereits seit 1997 liegen die im<br />

Development Assistance Committee<br />

(DAC) der OECD erarbeiteten DAC-<br />

Guidelines on Conflict, Peace and<br />

Development vor.<br />

Die Bundesregierung hat die Verhinderung<br />

und Bewältigung gewaltsamer<br />

Konflikte zu einem zentralen Ziel ihrer<br />

internationalen Politik erklärt. Grundlage<br />

ihres entsprechenden Gesamt-<br />

13


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

konzeptes ist ein erweiterter Sicherheitsbegriff,<br />

der politische, ökonomische,<br />

ökologische und soziale Stabilität<br />

umfasst. Es folgt aus dem Querschnittscharakter<br />

der Aufgabe, dass<br />

hier die verschiedenen Politikbereiche<br />

in Kohärenz ihre jeweiligen Beiträge<br />

leisten müssen.<br />

Darüber hinaus sind enges Zusammenwirken<br />

zwischen staatlichem und<br />

nicht-staatlichem Bereich sowie Abstimmung<br />

im europäischen und internationalen<br />

Rahmen unverzichtbar.<br />

Das erweiterte sicherheitspolitische<br />

Denken der Bundesregierung kommt<br />

auch in der Aufwertung des Bundessicherheitsrates<br />

und seiner Erweiterung<br />

um die Bundesministerin für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung zum Ausdruck.<br />

Im Gesamtkonzept der Bundesregierung<br />

ist der Entwicklungspolitik die<br />

wichtige Aufgabe zugewiesen worden,<br />

in krisengeneigten Partnerländern<br />

einerseits zum Abbau struktureller<br />

Konfliktursachen sowie andererseits<br />

zur Förderung von Mechanismen<br />

gewaltfreier Konfliktbearbeitung<br />

beizutragen. Andere Aufgaben<br />

müssen von anderen Politikbereichen<br />

wahrgenommen werden. Hierzu gehören<br />

unter anderem die Fortentwicklung<br />

des Völkerrechts, der Ausbau<br />

internationaler Straf- und<br />

Schiedsgerichtsbarkeit und die Rüstungskontrollpolitik<br />

sowie nicht zuletzt<br />

und insbesondere die Reform<br />

und Stärkung der Vereinten Nationen<br />

und die Weiterentwicklung der Weltordnungspolitik<br />

z.B. in den Bereichen<br />

Handel, Finanzen und Umwelt.<br />

3. Integration von Krisenprävention<br />

und ziviler Konfliktbearbeitung<br />

in die Strategie des BMZ<br />

Wie ordnen sich nun Friedenspolitik<br />

und Krisenprävention in die Strategie<br />

des BMZ ein? Auf der normativen<br />

Ebene sind Friedenspolitik und Krisenprävention<br />

integraler Bestandteil<br />

unseres Leitgedankens globaler<br />

Strukturpolitik: Gerechter Interessensausgleich<br />

zwischen und in den<br />

Weltregionen einerseits sowie zwischen<br />

den heutigen und künftigen<br />

Menschheitsgenerationen andererseits.<br />

Die krisenpräventive Ausrichtung<br />

der Entwicklungspolitik hat damit<br />

globale, zwischenstaatliche und innerstaatliche<br />

Aspekte und zusätzlich<br />

eine intergenerative Perspektive.<br />

Die Eckpunkte eines erweiterten Sicherheitsbegriffs,<br />

der die menschliche<br />

Sicherheit in den Mittelpunkt stellt,<br />

wiederholen sich in den vier Zieldimensionen<br />

unserer Entwicklungspolitik:<br />

ΠMenschenrechte, Demokratie und<br />

zivile Konfliktbearbeitung;<br />

Œ Menschenwürdige Lebensbedingungen<br />

und soziale Gerechtigkeit;<br />

Œ Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen;<br />

ΠWirtschaftliche Entwicklung und<br />

Zusammenarbeit.<br />

Keine dieser Dimensionen kann losgelöst<br />

von den anderen nachhaltig<br />

erreicht werden. Sie fördern und begrenzen<br />

sich gegenseitig.<br />

14


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

Wenn damit einerseits der erweiterte<br />

Sicherheitsbegriff unmittelbar mit dem<br />

Zielsystem der Entwicklungspolitik<br />

verflochten ist, so kann doch andererseits<br />

nicht davon ausgegangen<br />

werden, dass Entwicklungspolitik als<br />

solche quasi automatisch krisenpräventiv<br />

wirkt. Will Entwicklungspolitik<br />

krisenpräventiv wirken, so muss sie<br />

diese Aufgabe aktiv und zielgerichtet<br />

angehen. Während die Probleme in<br />

akuten Krisen und in Post-Conflict-<br />

Situationen uns immer wieder kurzfristig<br />

zum Handeln zwingen, besteht<br />

im Bereich der Prävention der größte<br />

Nachholbedarf.<br />

Vor dem Hintergrund der konzeptionellen<br />

Vorarbeiten im nationalen wie<br />

internationalen Rahmen sowie der<br />

Ergebnisse unserer Querschnittsevaluierung<br />

zu Wirkungen der Entwicklungszusammenarbeit<br />

in Krisensituationen<br />

stehen für uns in der<br />

nächsten Zeit fünf operative Aufgaben<br />

im Vordergrund:<br />

(1) Beobachtung der langfristigen<br />

Entwicklung von Konfliktlinien in Gesellschaften<br />

und verbesserte Aufarbeitung<br />

von Informationen.<br />

Die in einem Forschungsvorhaben<br />

des BMZ entwickelten Indikatoren für<br />

die Analyse der Krisenneigung von<br />

Partnerländern wurden bereits in die<br />

Vorgaben für die soziokulturellen<br />

Kurzanalysen eingearbeitet, die von<br />

den Hamburger Übersee-Instituten<br />

regelmäßig im Zusammenhang mit<br />

der Erstellung oder Überarbeitung<br />

unserer Länderkonzepte erstellt werden.<br />

Auf dieser Grundlage sollte es<br />

künftig möglich sein, Präventionsbedarfe<br />

systematischer und rechtzeitiger<br />

zu erfassen. Mindestens genauso<br />

wichtig ist aber auch ein verantwortlicherer<br />

und sensiblerer Umgang mit<br />

krisenrelevanten Informationen. Die<br />

Evaluierung hat gezeigt, dass Akteure<br />

in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

gelegentlich dazu neigen, Konflikte<br />

zu ignorieren oder zu verdrängen.<br />

Hier können Verbesserungen<br />

durch Fortbildung und Vorgaben im<br />

Berichtswesen sowie durch eine<br />

Stärkung der Informationsaufarbeitung<br />

und -bewertung erreicht werden.<br />

Ein Instrument könnten auch krisenorientierte<br />

Ländergespräche sein, an<br />

denen staatliche und nicht-staatliche<br />

Akteure der Entwicklungszusammenarbeit<br />

sowie Vertreter der Wissenschaft<br />

teilnehmen.<br />

(2) Anpassung der Länderkonzepte<br />

des BMZ.<br />

Die Aufgaben von Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung sind bereits<br />

in die neuen Vorgaben für die Erstellung<br />

der BMZ-Länderkonzepte integriert.<br />

Nun kommt es darauf an, diese<br />

Vorgaben länderweise umzusetzen<br />

und mit Leben zu erfüllen. Darauf<br />

aufbauend könnten für einzelne Länder<br />

auch Schwerpunktstrategiepapiere<br />

für den Bereich der Krisenprävention<br />

erstellt werden.<br />

(3) Auswahl von Schwerpunktländern<br />

für eine gezielt krisenpräventive Ausrichtung<br />

der Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Auch in der Krisenprävention müssen<br />

wir uns konzentrieren. Die Berücksichtigung<br />

von Krisenindikatoren in<br />

den soziokulturellen Kurzanalysen<br />

kann erst über mehrere Jahre zu einer<br />

flächendeckenden Erfassung des<br />

Präventionsbedarfes führen. Wir wollen<br />

deshalb in den nächsten Monaten<br />

die Krisenindikatoren zusammen mit<br />

15


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

den Hamburger Übersee-Instituten in<br />

einem ersten Durchgang für alle<br />

Partnerländer anwenden. Auf dieser<br />

Grundlage können dann Schwerpunktländer<br />

für eine krisenpräventive<br />

Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit<br />

ausgewählt<br />

werden.<br />

(4) Weiterentwicklung unseres Instrumentariums.<br />

Mit dem Zivilen Friedensdienst (ZFD)<br />

ist als Gemeinschaftswerk von nichtstaatlichen<br />

und staatlichen Trägern<br />

ein neues Instrument der Entwicklungszusammenarbeit<br />

entstanden,<br />

das im politisch-gesellschaftlichen<br />

Bereich angesiedelt ist und künftig<br />

auch kurz- und mittelfristige Einsätze<br />

im Zusammenhang mit Konflikten<br />

erlaubt.<br />

Parallel und in gegenseiter Abstimmung<br />

zwischen Auswärtigem Amt<br />

(AA) und BMZ wird vom AA das Ausbildungsprogramm<br />

für ziviles Personal<br />

für strukturierte und mandatierte<br />

Missionen insbesondere der Vereinten<br />

Nationen und der OSZE aufgebaut.<br />

Für den Zivilen Friedensdienst<br />

in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

stehen im Haushalt 2000 17,5 Mio.<br />

DM bar sowie 20 Mio. DM Verpflichtungsermächtigung<br />

zur Verfügung.<br />

Die ersten 18 Vorhaben wurden vor<br />

einigen Wochen bewilligt und gehen<br />

jetzt in die Umsetzung. Dies ist ein<br />

beachtlicher Erfolg für die Entwicklungspolitik,<br />

gleichzeitig ist aber der<br />

ZFD auch nur ein Element. Wesentlich<br />

ist, das gesamte Instrumentarium<br />

der Entwicklungszusammenarbeit auf<br />

diese Aufgabe hin weiterzuentwickeln<br />

und auszurichten. Auf der Grundlage<br />

der Empfehlungen der Evaluierung<br />

geht es unter anderem um neue Finanzierungsmöglichkeiten<br />

(z.B. offene<br />

Fonds), verstärkte Konditionalität<br />

in Konfliktsituationen, konfliktspezifische<br />

Maßnahmen sowie die laufende<br />

Erfassung und Berücksichtigung der<br />

konfliktrelevanten Wirkungen der Zusammenarbeit.<br />

(5) Zusammenarbeit der Träger der<br />

Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Im Rahmen des Gesamtkonzeptes<br />

der Bundesregierung ist es Aufgabe<br />

der jeweiligen Ressorts, in ihrem Bereich<br />

die Koordination und Abstimmung<br />

mit den Trägern zu übernehmen.<br />

Beim Zivilen Friedensdienst<br />

erfolgt dies durch einen Programmausschuss<br />

und die organisatorische<br />

Unterstützung durch den Deutschen<br />

Entwicklungsdienst (DED).<br />

Die GTZ, die Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />

(KfW) und der DED haben<br />

in ihren Organisationen konzeptionelle<br />

und organisatorische Vorkehrungen<br />

zur Umsetzung getroffen. Kirchen,<br />

politische Stiftungen und andere<br />

Nichtregierungsorganisationen entwickeln<br />

zusätzliches Profil in diesem<br />

Bereich. Darüber hinaus sind friedenspolitisch<br />

orientierte Nichtregierungsorganisationen<br />

(NRO) und wissenschaftliche<br />

Einrichtungen am Zusammenwirken<br />

mit Trägern aus dem<br />

entwicklungspolitischen Bereich interessiert.<br />

Wir prüfen derzeit im BMZ,<br />

wie wir der entstehenden Infrastruktur<br />

entwicklungspolitischer Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung einen<br />

organisatorischen Rahmen geben<br />

können.<br />

16


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

4. Inhaltliche Schwerpunkte entwicklungspolitischer<br />

Krisenprävention<br />

Die inhaltlichen Schwerpunkte entwicklungspolitischer<br />

Beiträge zu Krisenprävention<br />

und ziviler Konfliktbearbeitung<br />

möchte ich anhand der drei<br />

Handlungsfelder von Entwicklungspolitik<br />

als Globaler Strukturpolitik darstellen:<br />

(1) Mitwirkung bei der Gestaltung<br />

globaler Rahmenbedingungen.<br />

Im Rahmen ihrer Mitwirkung bei der<br />

Gestaltung globaler Rahmenbedingungen<br />

unterstützt die Entwicklungspolitik<br />

erstens die Stärkung des VN-<br />

Systems, den Aufbau regionaler<br />

Strukturen für Sicherheit und Zusammenarbeit<br />

und insbesondere die<br />

Stärkung der Rolle der Partnerländer<br />

im globalen politischen System.<br />

Zweitens setzt sich die deutsche<br />

Entwicklungspolitik im Hinblick auf die<br />

Lage der Menschen in den Partnerländern<br />

für die Erarbeitung und Umsetzung<br />

globaler Normen- und Regelwerke<br />

unter anderem in den Bereichen<br />

Kleinwaffen, Kindersoldaten,<br />

indigene Völker und internationale<br />

Strafgerichtsbarkeit ein. Auch der Abbau<br />

globaler Ursachen von Konflikten<br />

insbesondere in den Bereichen Weltwirtschaft<br />

und Umwelt muss vorangetrieben<br />

werden.<br />

Drittens nimmt die Entwicklungspolitik<br />

teil am Aufbau europäischer und internationaler<br />

Netzwerke entwicklungspolitischer<br />

Krisenprävention.<br />

(2) Bilaterale, europäische und multilaterale<br />

Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Im operativ zentralen Handlungsfeld<br />

der bilateralen, europäischen und<br />

multilateralen Entwicklungszusammenarbeit<br />

gehört die erste krisenpräventive<br />

Aufgabe, der Abbau struktureller<br />

Konfliktursachen wie Armut,<br />

soziale Ungerechtigkeit, regionale<br />

Disparitäten, Zugang zu natürlichen<br />

Ressourcen wie Land und Wasser zu<br />

den klassischen Aufgaben. Hier<br />

kommt es darauf an, jeweils für krisengeneigte<br />

Länder die für Prävention<br />

relevanten Bereiche zu ermitteln<br />

und bei der Zusammenarbeit die Wirkungen<br />

auf die Konfliktlinien bewusst<br />

im Auge zu behalten.<br />

Die zweite krisenpräventive Aufgabe<br />

der Entwicklungszusammenarbeit,<br />

die Förderung von Mechanismen gewaltfreier,<br />

friedlicher Konfliktbearbeitung,<br />

stellt in stärkerem Maße zusätzliche<br />

Anforderungen. Als zentrale<br />

Voraussetzungen und Elemente gewaltfreier<br />

Konfliktlösung können im<br />

Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit<br />

insbesondere gefördert<br />

werden:<br />

ΠAchtung der Menschenrechte und<br />

ein unabhängiges – und auch für<br />

arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen<br />

zugängliches –<br />

Rechtssystem;<br />

Œ<br />

Eine lebendige Zivilgesellschaft<br />

und demokratische Strukturen, die<br />

allen Individuen und Gruppen erlauben,<br />

ihre Interessen zu artikulieren<br />

und auszugleichen;<br />

17


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

Œ<br />

Ein leistungsfähiger Staat, der<br />

Vertrauen und Stabilität vermitteln,<br />

der die für jede Gesellschaft<br />

elementaren Grundfunktionen sicherstellen<br />

und der im internationalen<br />

Rahmen verbindlich und<br />

umsetzungsfähig handeln kann;<br />

Œ Hierzu gehört auch ein an den<br />

Menschenrechten und an Rechtsstaatlichkeit<br />

ausgerichteter Sicherheitssektor,<br />

der die unmittelbare<br />

Sicherheit der Menschen<br />

gewährleistet und dessen Aktivitäten<br />

und Ressourcen demokratischer<br />

und zivilgesellschaftlicher<br />

Kontrolle unterliegen.<br />

Hinzukommen insbesondere in akuten<br />

Konfliktlagen sowie in Post-<br />

Conflict-Situationen gezielte Vertrauen<br />

stiftende Maßnahmen, Dialogprogramme<br />

und Friedenserziehung, die<br />

Förderung von Versöhnung und gesellschaftlichem<br />

Wiederaufbau sowie<br />

die Betreuung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen<br />

und gewaltsamen<br />

Konflikten. Friedenskonsolidierung<br />

in der Konfliktfolgezeit ist eine<br />

besonders wichtige Präventionsstrategie,<br />

um einen erneuten Ausbruch<br />

von Gewalt zu verhindern.<br />

Zu diesen vielfältigen Aufgaben können<br />

staatliche wie nicht-staatliche<br />

Träger in unterschiedlicher Weise<br />

beitragen. Gerade auch für die staatliche<br />

TZ finden sich hier wichtige Aufgabenfelder.<br />

Entwicklungszusammenarbeit im Umfeld<br />

von Krisen und gewaltsamen<br />

Konflikten stellt uns immer wieder vor<br />

schwierige Entscheidungen. So sind<br />

in solchen Situationen oft die Erfolgsvoraussetzungen<br />

einer Zusammenarbeit,<br />

wie sie in den fünf Kriterien<br />

zum Ausdruck kommen, nur eingeschränkt<br />

gegeben. Andererseits beschreiben<br />

die Kriterien gerade auch<br />

die Bereiche, in denen aktives Handeln<br />

der Entwicklungszusammenarbeit<br />

zur Konfliktbewältigung beitragen<br />

kann. Bei Ländern, die sich in inneren<br />

oder äußeren militärischen Auseinandersetzungen<br />

befinden, muss genau<br />

geprüft werden, ob und in welchen<br />

Bereichen die staatliche Zusammenarbeit<br />

fortgesetzt werden<br />

kann.<br />

Ein wichtiges Kriterium ist die Friedensbereitschaft<br />

der Partnerregierung<br />

nach Innen und Außen. Wichtig<br />

sind auch die Fragen, ob der Projekterfolg<br />

durch die gewaltsamen Ausein-andersetzungen<br />

gefährdet wird<br />

und ob der mit der Entwicklungszusammenarbeit<br />

verbundene Ressourcentransfer<br />

mittelbar die kriegerischen<br />

Handlungen erleichtert. Diese<br />

Fragen zeigen aber auch, dass es<br />

auch im Umfeld gewaltsamer Konflikte<br />

im Interesse der Menschen und<br />

der Konfliktbewältigung Ansatzpunkte<br />

für Entwicklungszusammenarbeit geben<br />

kann.<br />

Entwicklungspolitik ist im Umfeld von<br />

Krisen und Konflikten nicht nur neutraler<br />

Moderator. Sie muss auch<br />

Partei ergreifen: Für die Menschen,<br />

ihre Würde und ihre Rechte.<br />

(3) Inlands- und Kohärenzarbeit.<br />

Im dritten Handlungsfeld globaler<br />

Strukturpolitik, der Inlands- und Kohärenzarbeit,<br />

geht es um die Stärkung<br />

der zivilen, und damit auch der entwicklungspolitischen<br />

Komponenten in<br />

der deutschen Krisenpräventionspolitik.<br />

Dies erfolgt in Zusammenarbeit<br />

mit und in Unterstützung von nicht-<br />

18


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

staatlichen Initiativen und Einrichtungen<br />

der Friedens- und Konfliktforschung.<br />

Zur Kohärenzarbeit gehört auch der<br />

Einsatz für eine restriktive Rüstungsexportkontrollpolitik.<br />

Das BMZ ist aktiv<br />

an der Weiterentwicklung der entsprechenden<br />

politischen Grundsätze<br />

und an der Vorbereitung der Entscheidungen<br />

des Bundessicherheitsrates<br />

zu einzelnen Exportgeschäften<br />

beteiligt.<br />

stellen muss und stellen kann. Die<br />

wesentlichen politischen und konzeptionellen<br />

Vorgaben liegen vor. Es<br />

kommt nun darauf an, diese in unserer<br />

praktischen Entwicklungszusammenarbeit<br />

aufzugreifen und umzusetzen.<br />

Hierbei sind wir auch auf die<br />

Unterstützung der GTZ angewiesen.<br />

Im Zusammenhang mit der friedenspolitischen<br />

Ausrichtung der Entwicklungspolitik<br />

und der Mitgliedschaft<br />

des BMZ im Bundessicherheitsrat<br />

intensiviert sich auch die Rolle des<br />

BMZ in außen- und sicherheitspolitischen<br />

Einrichtungen, z.B. der Stiftung<br />

Wissenschaft und Politik, der Bundesakademie<br />

für Sicherheitspolitik oder<br />

der Führungsakademie der Bundeswehr.<br />

Das BMZ soll auch in den<br />

Gremien der aufzubauenden Deutschen<br />

Stiftung Friedensforschung<br />

sowie des geplanten Deutschen<br />

Menschenrechtsinstituts vertreten<br />

sein. Diese Vernetzung ermöglicht<br />

der Entwicklungspolitik, ihre Denkund<br />

Lösungsansätze stärker als bisher<br />

in außen- und sicherheitspolitische<br />

Konzepte einfließen zu lassen.<br />

5. Schluss<br />

Die aufgezeigten Elemente einer krisenpräventiven<br />

Ausrichtung der Entwicklungspolitik<br />

machen deutlich,<br />

dass es sich hier nicht um eine neue<br />

modische Leerformel handelt, sondern<br />

eine Aufgabe, der sich die Entwicklungspolitik<br />

angesichts der realen<br />

Verhältnisse in der Weltgesellschaft<br />

19


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

Thesen zur Zukunft der Krisenprävention in der TZ<br />

Bernd Hoffmann<br />

1. Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />

sind keine entwicklungspolitischen<br />

Modethemen,<br />

die gegenwärtig konjunkturellen<br />

Aufschwung besitzen und<br />

sich in wenigen Jahren überlebt<br />

haben. Im Gegenteil – sie werden<br />

von dauerhafter Bedeutung bleiben,<br />

und ihre Relevanz für die TZ<br />

wird zunehmen.<br />

Kriege und gewaltsame Konflikte<br />

werden auch in absehbarer Zukunft<br />

den Rahmen und die Handlungsmöglichkeiten<br />

von TZ in vielen Regionen<br />

und Ländern bestimmen. Die Entwicklung<br />

der vergangenen Jahre und<br />

realistisch einzuschätzende Prognosen<br />

belegen dies. So besteht Konsens<br />

darüber, dass in den kommenden<br />

Jahren mit einem hartnäckigen<br />

„Konfliktsockel“ von mindestens 20 -<br />

30 schwerwiegenden Konflikten pro<br />

Jahr zu rechnen ist. Darüber hinaus<br />

gibt es eine Reihe von Ländern und<br />

Regionen, in denen latent vorhandene<br />

Konfliktpotenziale jederzeit in Gewalt<br />

umschlagen können.<br />

Fast alle Kriege und bewaffneten<br />

Konflikte finden in Entwicklungsländern<br />

statt und sind meist innerstaatlicher<br />

Natur. Häufig handelt es sich um<br />

langwierige Bürgerkriege, deren Opfer<br />

vor allem die Zivilbevölkerung ist.<br />

Diese gewaltsamen Auseinandersetzungen<br />

sind das entscheidende Entwicklungshemmnis<br />

für die betroffenen<br />

Länder – oft machen sie jahrzehntelange<br />

Entwicklungsbemühungen zunichte.<br />

Zwangsläufig sind Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung daher<br />

Gegenstand einer breit gefächerten,<br />

intensiven Diskussion. Das<br />

gilt derzeit für alle multilateralen, bilateralen,<br />

staatlichen und nichtstaatlichen<br />

Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit<br />

auf nationaler<br />

und internationaler Ebene.<br />

Die Gründe dafür sind vielfach: Zum<br />

einen sollen die Ergebnisse jahrzehntelanger<br />

entwicklungspolitischer<br />

Investitionen erhalten bleiben. Zum<br />

anderen will man vermeiden, dass im<br />

Hinblick auf die Wirkungen der Entwicklungszusammenarbeit<br />

Resignation<br />

eintritt. Und schließlich geht es um<br />

die Untermauerung des Anspruchs,<br />

Entwicklungszusammenarbeit trage<br />

zur Zukunftssicherung bei, indem sie<br />

Stabilität und Frieden fördert. Dazu<br />

gehört aber auch die Sorge, dass<br />

immer mehr Mittel aus der klassischen<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

für Maßnahmen der Katastrophenbewältigung<br />

ausgegeben werden<br />

müssen. Und zwar bei stagnierenden<br />

oder zurückgehenden Haushalten!<br />

Die Entwicklungszusammenarbeit<br />

droht zum „Reparaturbetrieb“ zu degenerieren.<br />

2. Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />

stellen grundsätzlich<br />

keine neuen Aufgaben und<br />

Herausforderungen für die TZ dar.<br />

Seit jeher sind die Konzepte und Instrumente<br />

der staatlichen technischen<br />

Zusammenarbeit in besonderer<br />

Weise darauf ausgerichtet, Kri-<br />

20


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

senursachen wie Armut oder Gefährdung<br />

der natürlichen Lebensgrundlagen<br />

an der Wurzel zu bekämpfen. Die<br />

Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen<br />

Lebenssituationen der<br />

Menschen und die Veränderung der<br />

politischen Rahmenbedingungen sind<br />

die beste Voraussetzung für eine<br />

friedensfördernde Entwicklung.<br />

Mit dem Ziel, eine „strukturelle Stabilität“<br />

zu schaffen, trägt die technische<br />

Zusammenarbeit dazu bei, über konkrete<br />

Vorhaben gesellschaftliche Institutionen<br />

und Mechanismen zu stärken<br />

– z.B. durch die Unterstützung<br />

demokratischer Reformen, die Beratung<br />

von Partnerregierungen bei der<br />

Gestaltung ihres Rechtssystems, die<br />

Förderung der Zivilgesellschaft.<br />

3. Im Hinblick auf die unvermeidliche<br />

Frage nach der neuen, veränderten<br />

entwicklungspolitischen<br />

Qualität dieses Themas und seiner<br />

Bedeutung für die TZ ist eine begriffliche<br />

Präzisierung notwendig.<br />

Die gegenwärtige Diskussion ist<br />

durch eine Begriffsvielfalt geprägt, bei<br />

der dieselben Begriffe entweder unterschiedlich<br />

verstanden oder aber<br />

unterschiedliche Begriffe gleich verstanden<br />

werden. Die Rede ist von<br />

Konfliktprävention, Krisenprävention,<br />

Konfliktlösung, Konfliktmanagement,<br />

Peace-building oder Krisenmanagement.<br />

Eine gemeinsame Begrifflichkeit<br />

dient nicht nur einem besseren<br />

Verständnis innerhalb der GTZ, sie<br />

erhöht zugleich die Dialogfähigkeit<br />

mit anderen Akteuren.<br />

Ein Beispiel in diesem Zusammenhang<br />

ist die Verwendung der Begriffe<br />

„Krise“ und „Konflikt“. Diese werden<br />

häufig mit der Tatsache gewaltsam<br />

ausgetragener Interessengegensätze<br />

verbunden. Konflikte als solche sind<br />

jedoch nicht per se schädlich und zu<br />

vermeiden, sondern sie sind notwendiger<br />

Bestandteil eines jeden Entwicklungsprozesses.<br />

TZ muss sogar<br />

entwicklungspolitische Prozesse auslösen,<br />

um erforderliche Veränderungen<br />

anzustoßen. Drohen jedoch gegensätzliche<br />

Interessenkonstellationen<br />

in akute Gewalt und in einen bewaffneten<br />

Konflikt umzuschlagen,<br />

spitzt sich also eine Situation akut zu,<br />

handelt es sich um eine Krise.<br />

Eine krisenpräventiv ausgerichtete TZ<br />

muss also darauf zielen, frühzeitig,<br />

umfassend und ausdrücklich einen<br />

Beitrag zur friedlichen Konfliktaustragung<br />

zu leisten. Dies kann vor, während<br />

und nach einem bewaffneten<br />

Konflikt der Fall sein. Friedensschaffung<br />

und Kriegsverhinderung dagegen<br />

würden eine Selbstüberschätzung<br />

und Überforderung der TZ bedeuten.<br />

Konfliktbearbeitung umfasst<br />

auch Mechanismen und Methoden,<br />

die zur Lösung von Interessengegensätzen<br />

gewaltfrei ausgetragener Konflikte<br />

beitragen.<br />

Mit einer solchen Definition und begrifflichen<br />

Abgrenzung wird vermieden,<br />

dass nicht alle Maßnahmen, die<br />

auf eine Förderung von „struktureller<br />

Stabilität“ und die Bekämpfung von<br />

Krisenursachen an der Wurzel ausgerichtet<br />

sind, gleichermaßen mit dem<br />

Etikett „Krisenprävention“ überzogen<br />

werden. Dies würde die TZ in eine<br />

Richtung bringen, die der Lage in<br />

vielen Entwicklungsländern nicht entspricht<br />

und einen Omnipotenzanspruch<br />

vorgaukeln, der sich leicht als<br />

Irrelevanzfalle erweisen könnte. Als<br />

21


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

krisenpräventiv sind in diesem Zusammenhang<br />

vorrangig solche Maßnahmen<br />

zu betrachten, die ausdrücklich<br />

darauf zielen, einen Beitrag<br />

zur friedlichen Konfliktaustragung zu<br />

leisten. Ihr Bezug zu einer Krisensituation<br />

ist das entscheidende Kriterium.<br />

Es geht also darum, dass sich die<br />

Bemühungen verschiedener Politikbereiche<br />

und Akteure einschließlich<br />

der TZ ergänzen und miteinander<br />

verbunden sind. Krisenpräventive<br />

Entwicklungszusammenarbeit muss<br />

als ein Element im Rahmen eines<br />

umfassenden Handlungsansatzes<br />

verstanden werden, in dem alle berührten<br />

Politikbereiche zusammengeführt<br />

werden.<br />

4. Die TZ kann nicht den Anspruch<br />

erheben, Kriege und den Ausbruch<br />

von gewaltsamen Konflikten verhindern<br />

zu können. Sie besitzt aber<br />

ein Potenzial, das die Balance zwischen<br />

gewaltsamen und zivilen<br />

Mechanismen der Konfliktaustragung<br />

beeinflussen kann.<br />

Welche Handlungsspielräume gibt es,<br />

um die angestrebten Ziele und Wirkungen<br />

realistisch einschätzen und<br />

tatsächlich erreichen zu können? Der<br />

mögliche Einfluss von TZ, Konflikte<br />

zu lösen und Konfliktpotenziale abzubauen,<br />

ist relativ gering. Die Politik in<br />

den jeweiligen Ländern trägt die<br />

Hauptverantwortung. Andere externe<br />

Akteure wie die Vereinten Nationen<br />

und EU bestimmen mit ihrer Politik<br />

maßgeblich den Verlauf und die Entwicklung<br />

von Krisen und Konflikten<br />

mit. TZ im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit<br />

(EZ) kann allenfalls<br />

anstreben, eine subsidiäre<br />

und flankierende Rolle zu spielen.<br />

Dieses Selbstverständnis gilt übrigens<br />

in ähnlicher Form für andere<br />

hochgesteckte Ziele in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

wie beispielsweise<br />

für die Armutsminderung und<br />

den Schutz der natürlichen Ressourcen.<br />

5. Es gibt eine veränderte entwicklungspolitische<br />

Dimension<br />

und eine neue Qualität dieses<br />

Themas (mit seinen Auswirkungen<br />

auf die TZ).<br />

Ausgangspunkt ist die Erklärung der<br />

Leitung des BMZ, dass Entwicklungspolitik<br />

zusammen mit der Außen-<br />

und Sicherheitspolitik zum<br />

Kernbereich der Friedenspolitik der<br />

Bundesregierung gehört. Im Rahmen<br />

eines außen- und entwicklungspolitischen<br />

Gesamtkonzeptes soll EZ dazu<br />

beitragen, verstärkt strukturelle Ursachen<br />

gewalttätiger Konflikte abzubauen<br />

und Mechanismen zum Aufbau<br />

von gewaltfreier Konfliktbearbeitung<br />

zu fördern. Diese Erklärung gibt<br />

die politische Zielsetzung wieder und<br />

ist zugleich Vorgabe für die operative<br />

Gestaltung.<br />

Ihre praktische Umsetzung soll sie<br />

unter anderem in der Anpassung und<br />

Veränderung von Regional- und Länderstrategien<br />

sowie Länderkonzepten<br />

erfahren. Eine weitgehend offene und<br />

kontroverse Fragestellung betrifft<br />

Länderportfolios und die Möglichkeit<br />

der Umschichtung von finanziellen<br />

Mitteln, die auch für die TZ zumindest<br />

mittelfristig Auswirkungen zeitigen<br />

können. Zugleich kann mit einer solchen<br />

Entwicklung die TZ in eine grö-<br />

22


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

ßere Nähe zu außen- und sicherheitspolitischen<br />

Themen geraten.<br />

Dies könnte für ihr Verhältnis zum<br />

BMZ und zu anderen Ressorts der<br />

Bundesregierung interessante Zukunftsaspekte<br />

haben.<br />

6. Die entwicklungspolitische Neuorientierung,<br />

die keine deutsche<br />

Besonderheit ist, hat zu einer tiefgreifenden<br />

konzeptionellen Diskussion<br />

geführt, die gegenwärtig<br />

national wie international praktisch<br />

alle multilateralen und bilateralen<br />

Entwicklungsorganisationen erfasst,<br />

seien sie staatlich oder<br />

nicht-staatlich.<br />

Dieser Findungs- und Entwicklungsprozess<br />

gestaltet sich vielfach als ein<br />

Suchen nach neuen oder verbesserten<br />

Ansätzen, als ein Fragen nach<br />

der institutionellen Verankerung und<br />

das Aufspüren von finanziellen Ressourcen.<br />

Im Mittelpunkt stehen dabei<br />

die Erarbeitung und Gestaltung präventiver<br />

Strategien, die Aus- und<br />

Fortbildung des eigenen Personals,<br />

der Informationsaustausch und die<br />

Vernetzung mit anderen Akteuren,<br />

verbesserte Informations- und Frühwarnsysteme<br />

sowie neue Formen der<br />

Wirkungsanalyse.<br />

Bei aller inhaltlichen Diskussion ist<br />

nicht zu übersehen, dass die meisten<br />

Akteure auf Geberseite nicht nur<br />

durch die Motivation edlen Handelns<br />

geleitet sind. Getreu dem Motto „Wer<br />

Gutes tut und tun will, muss nicht nur<br />

darüber reden, sondern braucht auch<br />

Geld, um Gutes tun zu können“ formiert<br />

sich ein neuer Markt, bei dem<br />

Rollen, Aufgaben und Ressourcen<br />

national und international neu definiert<br />

werden.<br />

An einigen Beispielen möchte ich<br />

dies verdeutlichen:<br />

(1) Die OECD befindet sich weiterhin<br />

in einer strategischen Diskussion zu<br />

diesem Thema, neue Budgetlinien<br />

werden möglicherweise bei der EU<br />

eingerichtet. Die Weltbank hat einen<br />

eigenen Fonds für diese Aufgaben<br />

installiert, ähnliches gilt für die kanadische<br />

und dänische Regierung.<br />

UNDP (United Nations Development<br />

Programme) und UNOPS (United<br />

Nations Office for Project Services)<br />

sind ebenso interessierte Spieler auf<br />

diesem Markt wie dies auch für alle<br />

anderen bilateralen Geber einschließlich<br />

der GTZ gilt.<br />

(2) Zur institutionellen Absicherung<br />

dieser konzeptionellen und marktorientierten<br />

Strategien wurden in vielen<br />

Entwicklungsorganisationen eigene<br />

Arbeitseinheiten geschaffen, zuletzt<br />

bei IOM (International Organisation<br />

for Migration) und möglicherweise in<br />

naher Zukunft bei UNDP.<br />

(3) In Deutschland hat sich eine<br />

„Plattform Zivile Konfliktbearbeitung“<br />

gegründet, die ein Pendant in einer<br />

europäischen Plattform besitzt. Die<br />

hier zusammengeschlossenen Entwicklungs-<br />

und Friedensorganisationen<br />

verfolgen legitimer Weise auch<br />

das Ziel, neue Ressourcen zu erschließen.<br />

Bilaterale und multilaterale<br />

Geberorganisationen haben sich zu<br />

einem „Conflict Prevention and Reconstruction<br />

Network“ zusammengefunden.<br />

In diesem sich verändernden Szenario<br />

sind längst noch nicht alle Karten<br />

verteilt. Für die GTZ wird es ent-<br />

23


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

scheidend darauf ankommen, wie sie<br />

ihre komparativen Vorteile mit ihren<br />

Außenstrukturen und ihren bisherigen<br />

Erfahrungen zu einem kompakten<br />

Dienstleistungsangebot verdichtet.<br />

Dieses muss in erster Linie zum Ziel<br />

haben, die entwicklungspolitische<br />

Ausrichtung des BMZ operativ und<br />

instrumentiell zu unterstützen. Gleichzeitig<br />

muss die GTZ versuchen, im<br />

internationalen Dienstleistungsmarkt<br />

der Entwicklungsagenturen als verlässlicher<br />

Kooperationspartner und<br />

Auftragnehmer eine wichtige Rolle zu<br />

spielen.<br />

7. Die Weichen für eine bessere<br />

konzeptionelle und instrumentielle<br />

Verankerung sind gestellt, die<br />

Handlungsfelder definiert und in<br />

einer Reihe von neuen Projektansätzen<br />

konzipiert.<br />

Die Handlungsfelder der Arbeit der<br />

GTZ konzentrieren sich gegenwärtig<br />

auf sieben verschiedene Bereiche:<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Stärkung von gesellschaftlichen<br />

Gruppen mit strategischer Bedeutung<br />

für die Entwicklung einer<br />

„Friedenslobby“;<br />

Förderung lokaler und regionaler<br />

Institutionen und Mechanismen<br />

mit Konfliktbearbeitungscharakter;<br />

Entwicklung von Bildungs- und<br />

Jugendförderungsmaßnahmen mit<br />

friedenspädagogischen und konfliktpräventiven<br />

Zielsetzungen;<br />

Förderung eines aktiven Beitrags<br />

der Medien zur Herausbildung einer<br />

„Friedenslobby“;<br />

Versöhnungsarbeit in Nachkriegssituationen;<br />

Œ<br />

Œ<br />

Traumaarbeit in Nachkriegssituationen;<br />

Förderung struktureller Stabilität<br />

als Basis nachhaltiger Entwicklung.<br />

In einigen verfügen wir über beträchtliche<br />

Erfahrungen, auf sie gilt es aufzubauen.<br />

Mit anderen – wie beispielsweise<br />

der Trauma- und Versöhnungsarbeit<br />

in postkonfliktiven<br />

Situationen – gehen wir relativ neue<br />

Wege. Die Erfahrungen und Kenntnisse<br />

in diesen Handlungsfeldern<br />

werden derzeit konzeptionell aufgearbeitet<br />

und zu einem Dienstleistungsangebot<br />

zusammengestellt.<br />

In den letzten Wochen und Monaten<br />

hat es zudem eine Reihe von projektbezogenen<br />

Entwicklungen gegeben,<br />

um das Thema projektnäher und damit<br />

stärker an der Lebenswirklichkeit<br />

zu orientieren:<br />

(1) In Uganda wurde eine Arbeitsgruppe<br />

„Konfliktbearbeitung, Krisenprävention“<br />

eingerichtet, die die Wirkungsmöglichkeit<br />

der Projekte auf<br />

den verschiedenen Ebenen und im<br />

engeren Projektumfeld untersuchen<br />

wird. Alle Auslandsmitarbeiter/-innen<br />

sind hier einbezogen. Die Ergebnisse<br />

werden im März vorliegen.<br />

(2) Mit dem Vorhaben „Krisenmindernde<br />

Maßnahmen Ostkongo“, das<br />

gerade geprüft worden ist, wird das<br />

Ziel verfolgt, die Bevölkerung im Ostkongo<br />

in die Lage zu versetzen, die<br />

vorhandenen Potenziale zur Krisenbewältigung<br />

zu nutzen. Dabei sollen<br />

Maßnahmen in den Bereichen<br />

Selbsthilfeförderung, Dialogförderung,<br />

Konfliktbearbeitung, Menschenrechte<br />

und Grundbedürfnisbefriedigung<br />

unterstützt werden, die zu einer<br />

Minderung der Auswirkung der so-<br />

24


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

zialen, wirtschaftlichen und institutionellen<br />

Krise beitragen.<br />

(3) In Kenia sollen mit einer Eigenmaßnahme<br />

Instrumente und Verfahren<br />

der Konfliktbearbeitung und Krisenprävention<br />

erarbeitet und in Trainingskursen<br />

erprobt werden. Teilnehmer<br />

werden ausgewählte Personen<br />

oder Gruppen sein, die aufgrund<br />

ihrer Funktionen und Arbeitsbereiche<br />

in besonderer Weise von Konflikten<br />

betroffen sind.<br />

(4) Angesichts der politischen Zuspitzung<br />

in Kolumbien war das Thema<br />

krisenpräventiv und friedenspolitisch<br />

ausgerichteter Beiträge der TZ ein<br />

zentrales Thema bei den jüngsten<br />

Regierungsverhandlungen. Mit dem<br />

Projekt „Wege zum Frieden“ zum<br />

Beispiel soll in den Konfliktregionen<br />

Antioquia und Chocó eine Unterstützung<br />

des Friedensprozesses geleistet<br />

werden. Bei den Maßnahmen handelt<br />

es sich um Friedenserziehung, Multiplikatorenausbildung,<br />

Traumaarbeit<br />

und konkrete Kleinprojektefinanzierung<br />

(zentraler Punkt: Wasser).<br />

(5) Im ex-jugoslawischen Raum sollen<br />

mit Hilfe eines renommierten Institutes<br />

(Europäische Akademie Bozen)<br />

unter anderem Institutionen und<br />

Personen identifiziert werden, die<br />

bereit sind, für einen multikulturellen<br />

Wiederaufbau im weiteren Sinne in<br />

ihren jeweiligen Arbeits- und Lebenszusammenhängen<br />

einzutreten. So<br />

entsteht ein Netzwerk von Personen,<br />

die als Multiplikatoren in einer neuen<br />

Zivilgesellschaft fungieren, die Ansprechpartner<br />

für weitere Maßnahmen<br />

der EZ werden und die Schlüsselpositionen<br />

in Wirtschaft, Politik und<br />

Kultur in den Ländern Südosteuropas<br />

einnehmen können.<br />

Diese und weitere Beispiele zeigen,<br />

dass das Thema zunehmend konkret<br />

ausgestaltet wird – unter anderem<br />

auch mit dem Ziel, die zuweilen kritisierte<br />

Glaubwürdigkeitslücke zwischen<br />

politischer Ankündigung und<br />

operativer Umsetzung zu verringern.<br />

Gleichzeitig wird in diesen Tagen eine<br />

Befragung im Hause beginnen.<br />

Dabei sollen die bestehenden Erfahrungen<br />

und Kenntnisse – ich erwähne<br />

hier nur das Beispiel des erfolgreichen<br />

Projektes in Nordmali – erfasst<br />

werden, um sie als lessons learned<br />

für ein verbessertes und zusätzliches<br />

Dienstleistungsangebot der GTZ<br />

nutzbar zu machen. Die Anfang<br />

kommenden Jahres vorliegende Untersuchung<br />

zum Stand der internationalen<br />

und nationalen Fachdiskussion<br />

bei multilateralen und bilateralen<br />

Entwicklungsorganisationen wird zusätzlich<br />

Gelegenheit geben, die daraus<br />

gewonnenen Erkenntnisse für die<br />

eigene Arbeit zu nutzen und gleichzeitig<br />

ein künftiges Marktpotenzial<br />

abschätzen zu können.<br />

Instrumentiell besteht noch eine Reihe<br />

offener Fragestellungen. Die Wirkungserfassung<br />

auf dem Gebiet der<br />

Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />

ist mit besonderen methodischen<br />

Problemen verknüpft. So besteht<br />

beispielsweise das Problem,<br />

eine möglicherweise nicht eingetretene<br />

Eskalation ex-post mit TZ-<br />

Maßnahmen kausal in Verbindung zu<br />

bringen. Allerdings gibt es auch verschiedene<br />

Anhaltspunkte für den<br />

Nachweis gelungener Maßnahmen.<br />

Es dürfte sinnvoll sein, künftig alle<br />

TZ-Maßnahmen in einem konfliktiven<br />

Umfeld unter dem Gesichtspunkt der<br />

beabsichtigten und unbeabsichtigten<br />

Wirkungen auf den Konflikt zu be-<br />

25


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

trachten und so den Grundsatz „Do<br />

no harm“ in die Projektwirklichkeit<br />

einzuführen. Ein Instrument im Sinne<br />

einer Konfliktfolgenabschätzung –<br />

Conflict Impact Assessment – könnte<br />

dabei einen wichtigen Schritt bilden.<br />

Auf EU-Ebene und bei anderen wichtigen<br />

Gebern (DIFID, Department for<br />

International Development, Großbritannien,<br />

und CIDA, Canadian International<br />

Development Agency) gibt<br />

es bereits erste konzeptionelle Überlegungen.<br />

Wir befinden uns hier in<br />

einem Dialog.<br />

Eine offene Frage ist weiterhin, ob es<br />

Sinn macht, das vom BMZ im Rahmen<br />

eines Forschungsvorhabens<br />

entwickelte Raster für einen Frühwarnindikatorenkatalog<br />

auf Länderund<br />

Projektebene einzuführen und ob<br />

es hierzu nicht Alternativen gibt. Dahinter<br />

steht die Erkenntnis aus der<br />

Querschnittsevaluierung des BMZ zur<br />

Wirkung von EZ in Konfliktsituationen,<br />

dass ein verbessertes Informations-<br />

und Frühwarnsystem notwendig<br />

ist, in dem auch die Kenntnisse<br />

und Erfahrungen des GTZ-Personals<br />

einfließen.<br />

8. Konfliktive Situationen im Umfeld<br />

von Projekten stellen besondere<br />

Ansprüche an entsendetes<br />

Personal und seine Qualifizierung.<br />

Zusätzliche Angebote zum Umgang<br />

mit Konflikten und Fortbildungen<br />

zu Instrumenten der Konfliktbearbeitung<br />

sind erforderlich<br />

und in ihrer Bedeutung bei den internationalen<br />

Organisationen unumstritten.<br />

Das Anforderungs- und Qualifikationsprofil<br />

für das entsendete Fachpersonal<br />

im Kontext von Krisen und<br />

Konflikten ist hoch. Vorausgesetzt<br />

werden fachliche Kompetenz, regionalkundliche<br />

Erfahrung, soziale und<br />

interkulturelle Kompetenz, einschlägige<br />

Sprachkenntnisse, Verhandlungsgeschick<br />

und Belastbarkeit. Fähigkeiten<br />

in der Analyse und im Umgang<br />

mit Konflikten sind besonders<br />

gefragt, um eigene und andere Verhaltensweisen<br />

besser einschätzen<br />

und Handlungsoptionen aufzeigen zu<br />

können. Dabei wird eine entsendete<br />

Fachkraft nur in Ausnahmefällen die<br />

Rolle eines Moderators, eines<br />

Schlichters oder gar Mediators im<br />

Verhältnis zu den Konfliktparteien<br />

einnehmen. Falls dies geschieht, findet<br />

es allenfalls auf der lokalen, d.h.<br />

Mikroebene statt. Angesichts der<br />

großen Zahl verschiedener Akteure in<br />

diesen Situationen ist außerdem die<br />

Kenntnis von Mandat, Aufgaben und<br />

Arbeitsweise anderer Organisationen<br />

und Institutionen wichtig.<br />

Wir wissen, dass Auslandsmitarbeiter<br />

nicht immer die Gefahren und Potenziale<br />

einer konfliktsensiblen TZ erkennen<br />

und abschätzen können.<br />

Konkrete Hilfestellungen für Projekte<br />

in Konfliktsituationen, etwa durch<br />

spezifische Begleitmaßnahmen, können<br />

hier ein hilfreiches Mittel sein.<br />

Erforderlich ist zudem eine zusätzliche<br />

Qualifizierung zur Erhöhung der<br />

Beratungskompetenz. Eine kürzlich<br />

vorgenommene Auswertung bei allen<br />

großen multilateralen und bilateralen<br />

Geberorganisationen kommt zu demselben<br />

Ergebnis. Eine Reihe dieser<br />

Organisationen hat bereits mit entsprechenden<br />

Qualifizierungsmaßnahmen<br />

begonnen.<br />

Die Fortbildungsmaßnahmen müssen<br />

sich ebenso an Personal richten, das<br />

26


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

in Projekten arbeitet, die nicht von<br />

einer krisenhaften Entwicklung betroffen<br />

sind. Auch viele Vorhaben z.B.<br />

im Umwelt- und Ressourcenschutz<br />

oder in der ländlichen Regionalentwicklung<br />

finden zunehmend in einem<br />

Kontext massiver Interessengegensätze<br />

der beteiligten Personen und<br />

Institutionen statt.<br />

Auf der Grundlage bestehender Erfahrungen<br />

in der GTZ, vor allem im<br />

Umweltbereich, wird gegenwärtig an<br />

der curricularen Entwicklung eines<br />

solchen Fortbildungskonzeptes gearbeitet.<br />

Mit dessen Umsetzung soll im<br />

kommenden Jahr begonnen werden.<br />

9. Die komplexe und schwierige<br />

Situation in Krisensituationen, die<br />

damit verbundenen massiven Interessengegensätze<br />

der beteiligten<br />

Parteien, die Interessen, Aufgaben<br />

und das Selbstverständnis verschiedenster<br />

Geberorganisationen<br />

stellen besondere Anforderungen<br />

an Kooperation und Arbeitsteilung.<br />

Das Bild der Geberorganisationen,<br />

der Akteure und Beteiligten hat sich<br />

in den letzten Jahren massiv verändert.<br />

Die hohe Zahl von Akteuren und<br />

Beteiligten, insbesondere von vielen<br />

sogenannten Nord-NRO, und die<br />

Anwesenheit zahlreicher Medienvertreter<br />

stellt zunehmend ein Problem<br />

für die Koordination und Kooperation<br />

in den von Krisen und Konflikten betroffenen<br />

Ländern dar.<br />

Nicht nur die Landschaft der externen<br />

Akteure hat sich gewandelt. Veränderungen<br />

betreffen in vielen Ländern<br />

auch traditionelle Partnerstrukturen.<br />

In diesen Ländern existieren staatliche<br />

Strukturen nicht mehr, teils sind<br />

sie weggebrochen oder gänzlich<br />

handlungsunfähig. Für die TZ bedeutet<br />

dies, mit anderen Partnern<br />

zusammenarbeiten zu müssen oder<br />

die Arbeit nicht fortsetzen zu können.<br />

Gleichzeitig bieten sich neue Formen<br />

der Kooperation an, z.B. mit NRO.<br />

Die jeweiligen komparativen Vorteile<br />

können sich arbeitsteilig ergänzen.<br />

Es gibt hier eine Reihe aktueller Beispiele,<br />

so die Zusammenarbeit mit<br />

kirchlichen Institutionen in Kolumbien<br />

oder mit NRO in Sri Lanka.<br />

Am Rande sei erwähnt, dass, initiiert<br />

durch die Vereinten Nationen, ein<br />

intensiver Dialog mit der Wirtschaft<br />

unter dem Stichwort „Multinationals<br />

and the Commercial Sector in Conflict<br />

Prevention“ begonnen hat. Hier sind<br />

auch die politischen Stiftungen sowie<br />

die KfW zu nennen, die erstmals in<br />

diesen Tagen eine Publikation zu<br />

diesem Thema veröffentlicht hat.<br />

10. „Krisenprävention zu denken“<br />

setzt eine individuelle Bewusstseinsänderung<br />

und veränderte<br />

Verhaltensweisen voraus. Es erfordert<br />

damit einen innerinstitutionellen<br />

Kulturwandel.<br />

Die Themen Krisenprävention und<br />

Konfliktbearbeitung bedeuten für Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in der<br />

TZ, dass sie sich Zugang und Verständnis<br />

für diese Querschnittsaufgabe<br />

erarbeiten müssen. Viele Mitarbeiter,<br />

die mit ihrer Arbeit zu langfristigen<br />

Entwicklungsperspektiven in<br />

Entwicklungsländern beitragen wollen,<br />

haben verständlicherweise Probleme,<br />

sich im Umfeld ihrer Tätigkeit<br />

27


EINFÜHRENDE REFERATE<br />

mit dem Phänomen von Krisen und<br />

Konflikten vertraut zu machen.<br />

Gutachten belegen, dass viele dazu<br />

neigen, ihr Projekt und sich selbst<br />

von solchen Entwicklungen abzuschirmen<br />

– nicht zuletzt deswegen,<br />

weil es sie selbst, ihren Status und<br />

ihre eigene Arbeit betrifft. Die Planung<br />

einer Exit Strategy für das Projekt,<br />

in dem man selbst arbeitet, kann<br />

überfordern. Ebenso die unvoreingenommene<br />

Einführung methodischer<br />

Ansätze, mit denen gewollte oder<br />

nicht gewollte Effekte eines Projektes<br />

auf einen bestehenden Konflikt untersucht<br />

werden sollen. „Krisenprävention<br />

zu denken“ ist jedoch nicht auf<br />

Teilaspekte unserer Arbeit beschränkt,<br />

sie betrifft den gesamten<br />

Kernprozess in unserem Haus!<br />

Insgesamt glaube ich in den letzten<br />

Wochen und Monaten ein anderes<br />

Verständnis und eine vertiefte inhaltliche<br />

Auseinandersetzung mit diesem<br />

Thema feststellen zu können. Dies<br />

drückt sich auch in der Entscheidung<br />

der Geschäftsführung aus, das Thema<br />

konzeptionell und instrumentiell<br />

aufzuarbeiten und die Umsetzung in<br />

einem Thementeam zu verankern.<br />

Auch die Tatsache, dass die Büroleiter-Tagung<br />

Anfang September sich<br />

mit der Thematik befasst hat, zeugt<br />

davon.<br />

Es ist zunehmend spürbar, dass es<br />

sich bei den Themen Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung nicht um<br />

eine Ansammlung neuer und veränderter<br />

Projekttypen handelt, sondern<br />

um eine Herausforderung für die TZ,<br />

die unvermeidbar integraler Bestandteil<br />

unserer künftigen<br />

bleiben wird.<br />

Arbeit<br />

28


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Förderung der Flüchtlingsbehörde, Uganda<br />

Gerald Duda<br />

Erlauben Sie mir mit einer Ausgangsthese<br />

zu beginnen, die von<br />

Anfang an den Blick über das Vorhaben<br />

hinaus auf verallgemeinerbare<br />

Erkenntnisse und Schlussfolgerungen<br />

lenken soll: TZ ist nicht per se krisenpräventiv<br />

und friedensfördernd! Sie<br />

vollzieht sich aber häufig unter Rahmenbedingungen<br />

und Gegebenheiten,<br />

die zahlreiche Ansatzpunkte<br />

bieten, um auf verschiedenen<br />

Ebenen explizit und gezielt Beiträge<br />

zu leisten.<br />

Diese Ansatzpunkte und Handlungsmöglichkeiten<br />

im Rahmen der<br />

TZ zu erkennen und zunehmend zu<br />

nutzen, darin liegt die Aufgabe, die<br />

sich der GTZ derzeit stellt. Eine erfolgreiche<br />

Umsetzung dieser Aufgabe<br />

wird bislang ungenutzte Potenziale<br />

für Wirkungsmöglichkeiten der TZ<br />

sowohl in laufenden als auch in Neuvorhaben<br />

aufzeigen.<br />

Am Beispiel des Vorhabens „Beratung<br />

der ugandischen Flüchtlingsbehörde”<br />

möchte ich aufzeigen, wie im<br />

Rahmen von TZ Beiträge zum Thema<br />

Friedensförderung und Krisenprävention<br />

sowohl explizit realisiert werden<br />

können – im Sinne eines in der Projektkonzeption<br />

angelegten Beitrags –,<br />

als auch „quasi ungeplant” zahlreiche<br />

Möglichkeiten in der Einflusssphäre<br />

von Projekten genutzt werden können,<br />

um das Thema zu fördern oder<br />

selbst initiativ zu werden.<br />

1. Uganda: „Stabilitätsinsel” in<br />

einer krisengeschüttelten Region<br />

Damit möchte ich einen Begriff verwenden,<br />

den die Bundesministerin<br />

anlässlich ihres jüngsten Besuches in<br />

Afrika benutzt hat, verbunden mit der<br />

Aussage, dass „Deutschland Stabilitätsinseln<br />

in Afrika fördern will“.<br />

Uganda wie auch Mali zählt sie ausdrücklich<br />

dazu.<br />

Uganda ist von zahlreichen Staaten<br />

umgeben, in denen Kriege stattfinden<br />

oder Konflikte schwelen: der Demokratischen<br />

Republik Kongo, dem Sudan,<br />

Äthiopien / Eritrea, Somalia, Burundi<br />

und Ruanda. In dieser Krisenregion<br />

bildet Uganda als Staat und<br />

Aufnahmeland sicherlich eine „Stabilitätsinsel“,<br />

obwohl es massiv in einigen<br />

der o.g. Konflikte involviert ist<br />

und auch auf eigenem Territorium mit<br />

Rebellenbewegungen und Sicherheitsproblemen<br />

zu kämpfen hat.<br />

Seit nahezu anderthalb Jahrzehnten<br />

bietet Uganda Flüchtlingen aus<br />

Nachbarländern Asyl. Die Zahlen<br />

schwanken und lagen vor einigen<br />

Jahren in einer Größenordnung von<br />

knapp 400.000. Derzeit befinden sich<br />

in Uganda – als wichtigste Gruppen –<br />

175.000 Flüchtlinge aus dem Sudan,<br />

10.000 aus der Demokratischen Republik<br />

Kongo, 10.000 aus Ruanda<br />

und ca. 2000 aus Somalia.<br />

Darüber hinaus gibt es über 500.000<br />

Vertriebene im eigenen Land, die aus<br />

kriegsbetroffenen Regionen an den<br />

29


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Grenzen zu Sudan und DR Kongo in<br />

sicherere Gebiete abgewandert sind.<br />

2. Flüchtlingspolitik in Uganda<br />

Angesichts dieser Lage in einer Krisenregion<br />

besteht ein reales Risiko<br />

zusätzlicher Flüchtlingsströme nach<br />

Uganda. Vor diesem Hintergrund hat<br />

die ugandische Regierung erkannt,<br />

dass Flüchtlingspolitik mehr sein<br />

muss als „nur“ auf die Zuwanderung<br />

von Flüchtlingen zu reagieren und<br />

humanitäre Hilfe zu leisten, und dass<br />

es einer vorausschauenden, präventiven<br />

und entwicklungsorientierten<br />

Flüchtlingspolitik bedarf.<br />

Eine solche Flüchtlingspolitik ist auf<br />

folgende Zielsetzungen ausgerichtet:<br />

(1) Bestmögliche Vorbereitung auf<br />

Flüchtlingszuwanderungen durch<br />

Vorsorge;<br />

(2) Schutz natürlicher Ressourcen<br />

und Lebensräume;<br />

(3) Gestaltung der Flüchtlingshilfe<br />

unter Berücksichtigung von Interessen<br />

der Regionalentwicklung bei<br />

gleichzeitiger Sicherung der Interessen<br />

und Bedürfnisse der Flüchtlinge;<br />

(4) Proaktive Konfliktbearbeitung<br />

durch Maßnahmen, die den mit der<br />

Ansiedlung großer Bevölkerungsgruppen<br />

einhergehenden Konfliktpotenzialen<br />

ausdrücklich und gezielt<br />

Rechnung tragen;<br />

(5) Vermeidung zukünftiger gewaltbereiter<br />

Generationen unter den Flüchtlingen<br />

durch eine Gestaltung von<br />

Programmen und Maßnahmen, die<br />

ausdrücklich auch die Botschaft von<br />

Versöhnung und friedlicher Kooperation<br />

vermitteln.<br />

3. Ziele des GTZ-Vorhabens<br />

Das Vorhaben „Beratung der ugandischen<br />

Flüchtlingsbehörde“ soll einen<br />

Beitrag zur Umsetzung dieser anspruchsvollen<br />

Zielsetzungen leisten.<br />

Die genannten Ziele sind teils noch<br />

Zukunftsvisionen, teils jedoch bereits<br />

durch konkrete Programme und<br />

Maßnahmen in der Umsetzung. Träger<br />

des Vorhabens ist das in der Behörde<br />

des Prime Ministers angesiedelte<br />

Directorate of Refugees, das für<br />

alle flüchtlingsbezogenen Fragen in<br />

Uganda zuständig ist.<br />

Folgende Ergebnisse werden angestrebt:<br />

(E1) Die Kernaufgaben der Behörde<br />

(auch) vis-a-vis anderer Regierungsstellen<br />

und beteiligter Organisationen<br />

klären und eine daran ausgerichtete<br />

Organisationsstruktur gestalten und<br />

einführen;<br />

(E2) Mitarbeiter der Behörde, beteiligter<br />

Fachministerien und von Distriktverwaltungen<br />

fortbilden;<br />

(E3) Systeme zur Planung, Steuerung<br />

und Wirkungsbeobachtung von<br />

Flüchtlingsmaßnahmen entwickeln<br />

und in Anwendung bringen;<br />

(E4) Eine zweckmäßige und effiziente<br />

Koordination zwischen den Beteiligten<br />

(NRO, Internationale Organisationen,<br />

Ministerien, Projekte etc.) gestalten<br />

und einführen;<br />

(E5) Strategien und Maßnahmen einer<br />

vorausschauenden (präventiven)<br />

Flüchtlingspolitik entwickeln und einführen.<br />

30


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

4. Konfliktpotenziale analysieren –<br />

Ansatzmöglichkeiten identifizieren<br />

Diese Projektplanungsübersicht entspricht<br />

zunächst durchaus einem<br />

klassischen Vorgehen bei Vorhaben<br />

zur Regierungsberatung, wo Organisationsanalyse<br />

und -entwicklung und<br />

die Entwicklung von Planungs- und<br />

Steuerungsinstrumenten eine bedeutende<br />

Rolle spielen. Auf den ersten<br />

Blick, mit Ausnahme des E5,<br />

sind in der Konzeption nicht zwingend<br />

die Krisenrelevanz und die Aspekte<br />

Friedensförderung und Krisenprävention<br />

zu erkennen. Und es ist durchaus<br />

vorstellbar, dass sich die Beratung<br />

vollzieht, ohne diesen Aspekten große<br />

Aufmerksamkeit zu widmen. Von<br />

daher auch meine Ausgangsthese,<br />

dass TZ nicht per se friedensfördernd<br />

und krisenpräventiv ist, sondern dass<br />

es auf die Wahrnehmung und Nutzung<br />

der im Umfeld gegebenen Ansatzmöglichkeiten<br />

ankommt.<br />

Eine Voraussetzung dafür scheint mir<br />

die Analyse der im Umfeld eines TZ-<br />

Vorhabens gegebenen latenten und<br />

akuten Konfliktpotenziale zu sein. Für<br />

unseren Fall also im Flüchtlingskontext:<br />

(1) Konflikte zwischen Flüchtlingen<br />

und lokaler Bevölkerung ergeben sich<br />

häufig bereits in der Phase der Ansiedlung,<br />

wenn Interessen der Bevölkerung<br />

nicht berücksichtigt werden<br />

oder die Ansiedlung ohne ausreichende<br />

Folgenabschätzung erfolgt.<br />

(2) Konflikte gibt es jedoch häufig<br />

auch zwischen Flüchtlingen selbst,<br />

sei es durch mitgebrachte „offene<br />

Rechnungen”, durch politische Allianzen<br />

oder ethnische Zugehörigkeiten,<br />

die in der einen oder anderen Weise<br />

im Bürgerkrieg instrumentalisiert wurden.<br />

Vor allem aber auch durch die<br />

„Entwurzelung”, die die Menschen<br />

ihrer sozialen Strukturen beraubt hat;<br />

soziale Regelungssysteme sind nicht<br />

mehr wirksam.<br />

(3) Konfliktpotenziale in der lokalen<br />

Bevölkerung werden durch die Zuwanderung<br />

von Flüchtlingen als zusätzliche<br />

Konkurrenten um Land oder<br />

andere Ressourcen häufig intensiviert<br />

und verschärft. Und sie führen verstärkt<br />

zu Bedrohungswahrnehmungen.<br />

Oft werden dadurch Vorurteile<br />

verstärkt und die Diskriminierung anderer<br />

Gruppen gefördert. Lokale<br />

Gruppen fühlen sich im Vergleich zu<br />

Flüchtlingen oft im Zugang zu Ressourcen<br />

benachteiligt.<br />

5. Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />

im Flüchtlingskontext:<br />

Ansätze<br />

Mit geeigneten Maßnahmen und Interventionen<br />

können Zuspitzungen<br />

vermieden oder entschärft und überwunden<br />

werden. Drei Bereiche von<br />

Ansatzmöglichkeiten sind zu unterscheiden:<br />

(1) Interventionen, die darauf abzielen,<br />

zukünftige Krisen zu vermeiden,<br />

also „Krisenprävention” im engeren<br />

Sinne des Wortes. Hierzu<br />

zähle ich eine liberale und progressive<br />

Flüchtlingsgesetzgebung, die<br />

Siedlungsplanung, Maßnahmen zur<br />

Förderung des friedvollen Zusammenlebens<br />

mit der lokalen Bevölkerung<br />

(dies erfolgt in Uganda derzeit<br />

im Rahmen der sog. „Self-Reliance<br />

Strategy”) sowie die Integration der<br />

31


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Flüchtlingssysteme in die Distriktstrukturen.<br />

(2) Interventionen, die versuchen, auf<br />

akute Krisen und die Art des Konfliktaustrags<br />

einzuwirken, also „Krisenintervention”.<br />

Hierzu zählen das Training<br />

von Funktionsträgern (wie Settlement<br />

Commandants und Projektmitarbeitern<br />

von NRO) und Gemeindemitgliedern<br />

in Konfliktbearbeitung,<br />

die allgemeine Gemeinwesenentwicklung<br />

sowie Schlichtungsaktivitäten<br />

von Projektmitarbeitern in<br />

den Siedlungen durch Mediation und<br />

Facilitation.<br />

(3) „Krisennachsorge”: Hierzu gehören<br />

psycho-soziale Maßnahmen<br />

und die Wiedereingliederung von<br />

traumatisierten Menschen in ihre<br />

Gemeinschaft sowie Maßnahmen im<br />

Bereich der Erwachsenenbildung i.S.<br />

von Peace Education.<br />

Diese Maßnahmen werden in<br />

Uganda nicht alle durch das Vorhaben<br />

selbst initiiert oder durchgeführt;<br />

im seinem Umfeld finden jedoch zahlreiche<br />

Aktivitäten dieser Art auf verschiedenen<br />

Handlungsebenen statt,<br />

und viele Beteiligte wirken daran mit:<br />

die Mitarbeiter der Behörde und des<br />

Prime Minister’s Office; der UNHCR<br />

(United Nations High Commissioner<br />

for Refugees), NRO und andere internationale<br />

Akteure; Distriktbehörden<br />

und andere Ministerien; Settlementstrukturen<br />

und lokale Gemeinden.<br />

6. Erkenntnisse und Schlussfolgerungen<br />

Vor dem Hintergrund des dargestellten<br />

Beispiels scheint mir nun an verallgemeinerbaren<br />

Erkenntnissen folgendes<br />

bedeutsam:<br />

(1) TZ ist nicht per se krisenpräventiv<br />

und friedensfördernd, sie kann es<br />

aber sein, wenn die Handlungsmöglichkeiten<br />

im Einflussbereich von<br />

Vorhaben besser erkannt und genutzt<br />

werden.<br />

(2) Sensibilisierung und ein pragmatisches<br />

Verständnis des Themas sind<br />

die Voraussetzung, um Möglichkeiten<br />

und Ansatzpunkte zu erkennen, Beratung<br />

und Fortbildung der Weg, um<br />

sie zu nutzen.<br />

(3) Hierfür scheint mir als wichtiger<br />

methodischer Schritt die Analyse<br />

latenter und akuter Konfliktkonstellationen<br />

im Projektumfeld, wobei ich es<br />

ausdrücklich für erforderlich halte,<br />

über den Tellerrand der unmittelbaren<br />

Projektaufgaben hinauszuschauen<br />

und das Umfeld im weiteren Sinne ins<br />

Visier zu nehmen. Auf der Grundlage<br />

dieser Analyse kann dann abgewogen<br />

und entschieden werden, welche<br />

dort erkennbaren Aufgabenstellungen<br />

im Rahmen des Vorhabens bearbeitet<br />

werden können.<br />

(4) In Uganda haben wir diesen Weg<br />

im Rahmen eines Kurzzeiteinsatzes<br />

einer Expertin, die einzelne Projekte<br />

unter dieser Fragestellung untersucht<br />

hat, gerade beschritten. Dabei hat<br />

sich gezeigt, dass bei Projektmitarbeitern<br />

eine hohe Bereitschaft<br />

besteht, sich mit dem Thema auseinander<br />

zu setzen, wenn man es projektbezogen<br />

angeht und an deren<br />

Erkenntnissen ansetzt. Genau darin<br />

sehe ich das Mittel zur erfolgreichen<br />

Sensibilisierung und Öffnung unserer<br />

Mitarbeiter gegenüber dem Thema.<br />

Zweitens hat sich gezeigt, dass in der<br />

32


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Tat zahlreiche Ansatzpunkte und<br />

Möglichkeiten gegeben sind, die in<br />

der ursprünglichen Projektplanung<br />

nicht berücksichtigt sind, weil sie in<br />

der Regel nicht als Aufgabe wahrgenommen<br />

werden oder wurden oder<br />

weil das Instrumentarium nicht<br />

vorhanden ist.<br />

Aus diesen Erkenntnissen ergeben<br />

sich m.E. wichtige Schlussfolgerungen<br />

für die weitere Bearbeitung des<br />

Themas durch die GTZ:<br />

(1) Die Wirkungsebene der GTZ für<br />

krisenpräventive und krisenmindernde<br />

Beiträge sind die Projekte.<br />

Neben Neuvorhaben, von denen<br />

einige ganz explizit auf krisenpräventive<br />

und krisenmindernde Wirkungen<br />

ausgerichtet werden (Beispiel: Unterstützung<br />

der nationalen Versöhnungskommission<br />

in Ruanda; Krisenmindernde<br />

Maßnahmen im Ost-Kongo)<br />

müssen verstärkt die in laufenden<br />

Vorhaben vorhandenen Potenziale<br />

genutzt werden.<br />

ben (z.B. in Nachkriegssituationen<br />

oder in latenten Konfliktkonstellationen).<br />

Dieses muss sowohl das<br />

Analyseinstrumentarium einschliessen,<br />

als auch die Kenntnis, welche<br />

Instrumente und Herangehensweisen<br />

für welche Ausgangssituation am<br />

besten angebracht erscheinen.<br />

(5) Hierfür bedarf es des Aufbaus<br />

entsprechender fachlicher und personeller<br />

Ressourcen innerhalb der<br />

GTZ.<br />

Wie Sie wissen, wird bereits an der<br />

Umsetzung und Gestaltung der<br />

meisten von mir genannten Empfehlungen<br />

mit großem Nachdruck<br />

gearbeitet. Insofern bin ich sehr zuversichtlich,<br />

dass sich die GTZ auf<br />

dem richtigen Weg befindet, das<br />

Thema ihren Wirkungsmöglichkeiten<br />

gemäß zu gestalten und zu entwickeln.<br />

(2) Hierfür bedarf es der Durchführung<br />

von Maßnahmen zur Sensibilisierung<br />

der Mitarbeiter in den Projekten.<br />

(3) Wenn diese Sensibilisierung gelingt,<br />

wird der Bedarf an Fortbildung<br />

und Weiterqualifikation zum Thema<br />

sprunghaft ansteigen. Deshalb ist<br />

parallel an geeigneten und bedarfsorientierten<br />

Fortbildungskonzepten zu<br />

arbeiten.<br />

(4) Notwendig ist die Erarbeitung<br />

eines Beratungskonzeptes für die<br />

verstärkte Realisierung krisenpräventiver<br />

und krisenmindernder Wirkungsmöglichkeiten<br />

in laufenden Vorhaben<br />

gerade bei krisenrelevanten Vorha-<br />

33


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Rehabilitationsprojekt, Jaffna, Sri Lanka<br />

Jürgen Hörner<br />

Das Projekt befindet sich an einem<br />

äußerst kritischen Übergang von einer<br />

„noch Bürgerkriegs-Situation“ hin<br />

zu einem noch bevorstehenden Friedensprozess.<br />

Das Prüfungsteam der<br />

GTZ hat es 1996 trotz erheblicher<br />

Risiken zur Durchführung empfohlen,<br />

wobei es von folgenden Thesen ausgegangen<br />

ist:<br />

(1) Bereits in einer Vorphase zu einem<br />

Friedensprozess kann Entwicklungszusammenarbeit<br />

Wirkungen<br />

erzielen, die über die rein humanitären,<br />

wie Leben erhalten, Grundversorgung<br />

und Existenz sichern, hinausgehen.<br />

(2) Entwicklungszusammenarbeit<br />

muss und kann einen wirksamen<br />

Beitrag zur Bewältigung des Kriegsund<br />

Flüchtlingstraumas leisten und<br />

damit auch zur Aufarbeitung und Bewältigung<br />

des Konflikts, zur Aussöhnung<br />

und damit zur Schaffung von<br />

Bedingungen für einen Friedensprozess.<br />

(3) Ein Abwarten auf verbesserte<br />

Rahmenbedingungen – Beendigung<br />

des Bürgerkriegs, Beginn von Friedensgesprächen<br />

– verschlechtert die<br />

Situation für die Not leidende Bevölkerung,<br />

belässt sie weiterhin in Unsicherheit<br />

und verhindert Vertrauensbildung.<br />

(4) Der Dialog mit den Regierungsvertretern<br />

über die Auswahl der Maßnahmen<br />

und die Beschränkung auf<br />

wenige Infrastrukturmaßnahmen mit<br />

einer gewissen Flexibilität für die<br />

Konzipierung weiterer Maßnahmen<br />

bieten Möglichkeiten, das Vertrauen<br />

und damit die Mitarbeit der Menschen<br />

zu gewinnen und dadurch auch wirksame<br />

Beiträge zum Aufbau einer<br />

„Friedensmentalität“ zu schaffen.<br />

(5) Die Auswahl der Maßnahmen, die<br />

den primären Bedürfnissen und Erwartungen<br />

der betroffenen Menschen<br />

entsprechen, und die Berücksichtigung<br />

sozialer und psycho-sozialer<br />

Maßnahmen in Verbindung mit einem<br />

partizipativen Vorgehen schaffen<br />

Vertrauen, ein gewisses Maß an Sicherheit,<br />

Selbstvertrauen und stärken<br />

den Friedenswillen.<br />

1. Ausgangssituation und Rahmenbedingungen<br />

Bei dem seit 1983 währenden Bürgerkrieg<br />

zwischen den beiden größten<br />

Bevölkerungsgruppen in Sri Lanka,<br />

den Singhalesen und den Tamilen,<br />

handelt es sich um einen Konflikt,<br />

der seine Wurzeln bereits in der britischen<br />

Kolonialzeit hat, wenn nicht<br />

gar, wie manche behaupten, schon in<br />

der Vorkolonialzeit. In Folge dieses<br />

Krieges ist es für weit über eine Million<br />

Menschen im Norden und Osten<br />

des Landes zu wiederholter Flucht<br />

und Vertreibung gekommen. Auch<br />

hat es immer wieder Ansätze zu Friedensgesprächen<br />

mit unterschiedlichen<br />

Mittlern gegeben.<br />

Nach dem Regierungswechsel 1994<br />

und der Übernahme der Präsident-<br />

34


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

schaft durch Chandrika Kumaratunga<br />

Bandaranaike ist es zu einem kurzfristigen<br />

Waffenstillstand gekommen.<br />

Als dieser Anfang 1995 von der LTTE<br />

(Liberation Tigers of Tamila Eelam)<br />

mit einem Anschlag im Osten in Trinkomalee<br />

gebrochen worden ist, hat<br />

die neue Regierung auf die militärische<br />

Lösung des Konflikts gesetzt. In<br />

drei groß angelegten militärischen<br />

Operationen 1995 und 1996 hat die<br />

Armee im Mai 1996 die Halbinsel<br />

Jaffna von der ca. fünfjährigen LTTE-<br />

Herrschaft befreien und mit dem Aufbau<br />

einer zivilen Verwaltung beginnen<br />

können.<br />

Im Mai 1996 hat sich die Präsidentin<br />

mit einen Appell und einem umfangreichen<br />

Programm zum Wiederaufbau<br />

der Halbinsel Jaffna an die internationale<br />

Gebergemeinschaft gewendet.<br />

Als eine der ersten reagierte<br />

die Bundesregierung mit einer Zusage<br />

über DM 5 Mio. TZ und noch einmal<br />

soviel als Warennothilfe im Rahmen<br />

der Finanziellen Zusammenarbeit<br />

(FZ). Die GTZ hat das Vorhaben<br />

im Juli 1996 geprüft, mit den ersten<br />

Maßnahmen – Notwasserversorgung<br />

in der Stadt Jaffna – wurde im April<br />

1997 begonnen.<br />

2. Ziele des Projektes und konzeptioneller<br />

Ansatz<br />

Das Projekt verfolgt das Ziel zu bewirken,<br />

dass sich die bereits wieder<br />

ansässige Bevölkerung und die<br />

Rückkehrer aktiv am sozialen und<br />

wirtschaftlichen Wiederaufbau Jaffnas<br />

beteiligen. Es hat den Schwerpunkt<br />

auf die Rehabilitierung sozialer<br />

Infrastruktur gemäß den Bedürfnissen<br />

und Wünschen der Bevölkerung gelegt:<br />

(1) Rehabilitierung vom Krieg zerstörter<br />

bzw. beschädigter Schulen<br />

und der sanitären Anlagen an allen<br />

Schulen;<br />

(2) Rehabilitierung der Wasserversorgung<br />

der Stadt Jaffna und Rehabilitierung<br />

ländlicher Wasserversorgungssysteme;<br />

(3) Rehabilitierung und Wiederaufbau<br />

von Wohnraum.<br />

Unmittelbar bei Projektbeginn auf<br />

Jaffna wurden Maßnahmen zur Mobilisierung<br />

und Beteiligung der Bevölkerung<br />

in die Wege geleitet. So werden<br />

die Schulrehabilitierungsmaßnahmen<br />

weitgehend von Lehrer-Eltern-<br />

Gruppen (School Development Societies,<br />

SDS) getragen und die ländlichen<br />

Wasserversorgungssysteme<br />

von den kommunalen Nutzergruppen<br />

betrieben und unterhalten. Darüber<br />

hinaus leistet das Projekt auch einen<br />

Beitrag zur Überwindung des Kriegsund<br />

Fluchttraumas.<br />

Vier weitere Elemente des Projektes<br />

sollten hervorgehoben werden:<br />

(1) Die Ausbildung von Kleinstunternehmern<br />

über den CEFE-Ansatz<br />

(Competency based Economies<br />

through Formation of Enterprise),<br />

womit vor allem auch ein Beitrag zur<br />

Lösung der Jugendarbeitslosigkeit<br />

und Mobilisierung vorhandenen Unternehmerpotenzials<br />

geleistet werden<br />

sollte;<br />

(2) Die Einrichtung eines Reintegrationsfonds<br />

zur Finanzierung privatwirtschaftlicher<br />

Initiativen von Rückkeh-<br />

35


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

rern und kommunaler Gemeinschaftsprojekte<br />

(der Fonds wird von<br />

der People’s Bank in Abstimmung mit<br />

dem Projekt verwaltet);<br />

(3) Der Aufbau einer Projektinfrastruktur<br />

für effizientes Management<br />

von Aufträgen anderer Geber;<br />

(4) Die Beratung des politischen Trägers.<br />

Politischer Träger des Projektes ist<br />

die der Präsidentin direkt unterstellte<br />

Behörde zum Wiederaufbau des Nordens.<br />

In den technischen Komponenten<br />

arbeitet das Projekt über die<br />

jeweiligen Fachbehörden (den Jaffna<br />

Municipal Council, die Verwaltungseinheiten<br />

der Unterbezirke und die<br />

sich im Aufbau befindenden Gemeindeverwaltungen).<br />

In den offiziellen<br />

Projektdokumenten taucht nicht auf,<br />

dass das Projekt der tamilischen<br />

„Befreiungsorganisation“ LTTE aus<br />

Sicherheitsgründen alle Maßnahmen<br />

bekannt gibt und von ihr quasi die<br />

Zustimmung zur Durchführung einholt.<br />

Da die direkte Kommunikation nur in<br />

wenigen Ausnahmefällen möglich war<br />

und ist, werden verschiedene Kanäle<br />

genutzt. Ein wichtiger und zuverlässiger<br />

Kontakt ist der Government Agent<br />

Jaffna, der ständigen Kontakt mit der<br />

LTTE halten muss. Weitere wichtige<br />

Kanäle sind der UNHCR und das<br />

IKRK (Internationales Komitee vom<br />

Roten Kreuz), die beide regelmäßigen<br />

Kontakt zur politischen Führung<br />

der LTTE unterhalten.<br />

3. Ergebnisse und Wirkungen des<br />

Projektes<br />

Obwohl das Projekt in einem äußerst<br />

schwierigen sozialen und politischen<br />

Umfeld operiert, hat es nach zweieinhalb<br />

Jahren Laufzeit seine geplanten<br />

quantitativen Ergebnisse erreicht.<br />

Hier sollten jedoch nur die folgenden<br />

qualitativen Ergebnisse und Wirkungen<br />

hervorgehoben werden:<br />

(1) Die frühzeitige Entscheidung des<br />

BMZ zur Durchführung des Projektes<br />

und dessen frühzeitiger Beginn, auch<br />

noch unter äußerst unsicheren Umständen,<br />

hatte andere Geber, die sich<br />

anfangs abwartend bis ablehnend<br />

verhielten, zum Umdenken bewogen.<br />

(2) Dies wiederum hat zu ständiger<br />

und sichtbarer Präsenz internationalen<br />

Personals in Jaffna geführt, was<br />

wiederum erheblich zur Entspannung<br />

der Lage auf der Halbinsel, zu einem<br />

vorsichtigeren Auftreten und teilweisen<br />

Rückzug des singhalesischen<br />

Militärpersonals und zu größerer<br />

subjektiver und objektiver Sicherheit<br />

für die tamilische Bevölkerung beitrug.<br />

(3) Die wichtigen gesellschaftlichen<br />

Gruppen waren nach anfänglich ablehnender<br />

Haltung zur Selbstorganisation<br />

und Übernahme von Verantwortung<br />

für „ihre“ Projekte bereit und<br />

beteiligten sich tatkräftig. In den<br />

Kommunen ist mittlerweile ein breiter<br />

Dialog in Gang gesetzt, so dass auch<br />

andere wichtige kommunale Aufgaben<br />

erkannt und angegangen werden.<br />

36


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

(4) Der sichtbare Projektfortschritt<br />

(Wasser fließt, Schulen funktionieren<br />

wieder, Privathäuser sind wieder aufgebaut<br />

etc.) und die Rehabilitierung<br />

symbolträchtiger Einrichtungen, wie<br />

z.B. des weithin sichtbaren Wasserturms<br />

Jaffnas und zweier Prestigeschulen,<br />

ließen bei der Bevölkerung<br />

Vertrauen entstehen.<br />

(5) Die Projektinfrastruktur und das<br />

effiziente Management werden von<br />

anderen Gebern genutzt (European<br />

Community Humanitarian Office -<br />

ECHO, British, Canadian, Australian<br />

High Commissions, Niederländische<br />

Botschaft); NORAD (Norwegian<br />

Agency for Development) beabsichtigt<br />

das Projekt im kommenden Jahr<br />

mit der Durchführung eines Wasserhygieneprojekts<br />

zu beauftragen; die<br />

Asian Development Bank (ADB)<br />

möchte die GTZ als Durchführungspartner<br />

für ein großes Rehabilitierungsvorhaben<br />

im Nord-Osten gewinnen;<br />

die Koordination und Kooperation<br />

mit dem benachbarten<br />

UNDP/UNOPS-Projekt, das nach<br />

ähnlichen Prinzipien arbeitet, sich<br />

jedoch sektoral mehr auf die Wirtschaftssektoren<br />

und die Entminung<br />

verlegt hat, funktionieren gut.<br />

4. Lessons learned<br />

Folgende Erkenntnisse erscheinen<br />

besonders wichtig und hervorhebenswert:<br />

(1) Die Entscheidung des BMZ, das<br />

Projekt trotz vieler Unwägbarkeiten<br />

und fragiler Situation noch bei anhaltendem<br />

Bürgerkrieg frühzeitig zu beginnen,<br />

war richtig; es hat eindeutige<br />

Signale gesetzt und andere Organisationen<br />

dazu bewogen, aus ihrer<br />

Abwarteposition heraus zu gehen.<br />

(2) Die sofortige und sichtbare Präsenz<br />

internationaler Organisationen<br />

unmittelbar nach Beendigung einer<br />

bewaffneten Auseinandersetzung<br />

(auch oder gerade in einem teilbefriedeten<br />

Gebiet) schafft bei der Bevölkerung<br />

Sicherheit, Hoffnung und<br />

Vertrauen – wichtige Voraussetzungen<br />

für einen Befriedungs- und Aussöhnungsprozess.<br />

(3) Die Bündelung von Maßnahmen<br />

der Soforthilfe (mit humanitärem Charakter)<br />

mit schneller Wirksamkeit und<br />

Rehabilitationsmaßnahmen im Infrastrukturbereich,<br />

die sich mit den Bedürfnissen<br />

und Erwartungen der Bevölkerung<br />

decken, ermöglichen den<br />

frühzeitigen Einstieg in den Dialog mit<br />

der Bevölkerung, deren Identifizierung<br />

mit und Beteiligung an den<br />

Maßnahmen und öffnet sie auch für<br />

sensiblere Themen des Konflikts.<br />

(4) Eine optimale Abstimmung und<br />

Bündelung der deutschen TZ und FZ<br />

sowie engste Abstimmung mit der<br />

deutschen Botschaft können die<br />

Rahmenbedingungen positiv beeinflussen<br />

und im Verbund mit anderen<br />

Gebern eindeutige Signale setzen<br />

und das Verhandlungspotenzial in<br />

Richtung auf einen Friedensprozess<br />

erhöhen.<br />

(5) Ein enges Abstimmen des Vorgehens<br />

mit anderen internationalen Organisationen,<br />

vor allem aus dem UN-<br />

Bereich, führt zu größerer Sicherheit<br />

für das beteiligte Personal und natürlich<br />

zu einer effektiveren und effizienteren<br />

Umsetzung der Maßnahmen<br />

und auch zu einer signifikanteren politischen<br />

Wirkung.<br />

37


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

(6) Partizipatives Vorgehen und ein<br />

intensiver Dialog mit den Zielgruppen<br />

sowie deren direkte Einbindung in die<br />

einzelnen Maßnahmen führen zu<br />

Selbstvertrauen und begünstigen soziale<br />

Organisation, das Entstehen<br />

von Leadership und die Wiederherstellung<br />

des sozialen Netzwerks.<br />

(7) Wenn zu Beginn eines solchen<br />

Projektes noch keinerlei Trägerstrukturen<br />

bestehen bzw. diese sich<br />

noch in einem Zustand der totalen<br />

Agonie befinden, muss die externe<br />

Durchführungsinstitution (hier die<br />

GTZ) erst einmal selbst die Trägerschaft,<br />

sprich die Umsetzung der<br />

Maßnahmen in die Hand nehmen. Mit<br />

dem institutionellen Wiederaufbau<br />

muss allerdings sehr schnell begonnen<br />

werden.<br />

(8) Im Sinne der Konfliktbearbeitung<br />

und Krisenprävention und des Erreichens<br />

eines Friedensbildungsprozesses<br />

bedarf es viel stärkerer Unterstützung<br />

von Seiten der politischen<br />

Ebene; sprich: hier eine noch stärkere<br />

Wahrnehmung des Dialogs und<br />

der Abstimmung auf der Ebene der<br />

Botschafter in Verbindung mit dem<br />

UN-Koordinator und auch eine Konditionierung<br />

der EZ.<br />

38


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Programmschwerpunkt Förderung von Demokratie und Beachtung von<br />

Menschenrechten, Guatemala<br />

Dr. Christian Salazar Volkmann<br />

Ich möchte heute auf einen Aspekt<br />

der Krisenprävention eingehen, auf<br />

das Thema Vergangenheitsbewältigung<br />

in Nachkriegsgesellschaften am<br />

Beispiel Guatemala. Guatemala liegt<br />

in Zentralamerika, hat zwischen zehn<br />

und elf Millionen Einwohner und ist<br />

etwas so groß wie die fünf neuen<br />

Bundesländer. 50 bis 60 Prozent der<br />

Bevölkerung sind Mayas. Es ist ein<br />

Vielvölkerstaat, in dem 22 Sprachen<br />

gesprochen werden – nicht Dialekte,<br />

Sprachen. Guatemala ist ein sehr<br />

schönes Land, aber auch sehr gewalttätig:<br />

einmal die Naturgewalten,<br />

zum anderen die menschlichen Gewalten.<br />

Von Cortés bis Ríos Montt hat<br />

Guatemala eine gewalttätige Geschichte.<br />

Zuletzt 35 Jahre Bürgerkrieg<br />

mit einem Genozid an den Mayas<br />

zu Beginn der 80er Jahre.<br />

Welche Erblast hat der Bürgerkrieg<br />

für die Bevölkerung hinterlassen? Ich<br />

will das kurz am Beispiel des Programmes<br />

zur Massengraböffnung,<br />

Beweissicherung und seelischen Gesundheit<br />

des Menschenrechtsbüros<br />

der katholischen Kirche vorstellen,<br />

das mit Unterstützung der deutschen<br />

TZ durchgeführt wird.<br />

Zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen<br />

werden dabei in acht<br />

Provinzen des Landes Massengräber<br />

geöffnet, eine gerichtsmedizinische<br />

Beweisaufnahme durchgeführt sowie<br />

die betroffenen Familien rechtlich und<br />

psychologisch betreut. 200.000 Menschen<br />

sind während des Bürgerkrieges<br />

umgebracht worden, die Verantwortlichen<br />

wurden nicht zur Rechenschaft<br />

gezogen. Die weit verbreitete<br />

Straflosigkeit verhindert Vertrauen in<br />

den Friedensprozess, die Verarbeitung<br />

des erlittenen Leids und<br />

Schmerzes sowie die Aussöhnung.<br />

Insofern müssen die juristische und<br />

die psychologische Aufarbeitung der<br />

Vergangenheit zusammenwirken, um<br />

Aussöhnung zu ermöglichen und den<br />

Friedensprozess voranzutreiben.<br />

Parallel zu dem Programm zur Massengraböffnung<br />

gibt es daher in<br />

Guatemala ein Programm der seelischen<br />

Gesundheit – in Gruppengesprächen<br />

wird hier das Vergangene<br />

aufgearbeitet.<br />

1. Berichte über Menschenrechtsverletzungen:<br />

Quelle für Vergangenheitsbewältigung<br />

Diese Aktivitäten stehen in engem<br />

Zusammenhang mit einem weiteren,<br />

durch Deutschland geförderten Programm<br />

des Erzbistums zur Aufklärung<br />

von Menschenrechtsverletzungen<br />

während des Bürgerkrieges:<br />

Proyecto Interdiocesano de Recuperacion<br />

de la Memoria Historica<br />

(REMHI). 800 ehrenamtliche Mitarbeiter<br />

von REMHI sammelten, untersuchten<br />

und dokumentierten seit<br />

1995 Mernschenrechtsverletzungen<br />

durch die Sicherheitskräfte, die Guerilla<br />

und paramilitärische Gruppen.<br />

Bis Ende 1997 hatte REMHI 6.500<br />

Anzeigen aus 300 Gemeinden dokumentiert.<br />

39


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Die Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit<br />

1998 in Form eines Berichtes<br />

vorgestellt. Die GTZ hat eine Zusammenfassung<br />

der vier Bände erstellt<br />

und in mehreren Hunderttausend<br />

Exemplaren im Land verteilt<br />

sowie die englische Übersetzung finanziert<br />

– diese Übersetzung wird<br />

mittlerweile in hoher Auflage in den<br />

USA und Großbritanien im Buchhandel<br />

vertrieben.<br />

Zusammen mit dem ebenfalls von<br />

Seiten der deutschen EZ geförderten<br />

zwölfbändigen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen<br />

während<br />

des Bürgerkrieges der Wahrheitskommission<br />

– die unter Leitung des<br />

deutschen Völkerrechtlers Prof. Christian<br />

Tomuschat eineinhalb Jahre<br />

lang Zeugenaussagen gesammelt<br />

und Akten ausgewertet hat – stellt der<br />

REMHI-Bericht heute die zentrale<br />

Quelle für die Vergangenheitsbewältigung<br />

in den kommenden Jahrzehnten<br />

dar. Die GTZ hat übrigens auch<br />

am Bericht der Wahrheitskommission<br />

mitgewirkt – vor allem durch Fachberatung<br />

und redaktionelle Betreuung<br />

der Kapitel über Menschenrechtsverletzungen<br />

an Kindern und Jugendlichen.<br />

Mit der Vorstellung des REMHI-<br />

Berichtes begann eine Aktion der Kirche,<br />

in deren Rahmen die Namen der<br />

in dem Bericht dokumentierten Opfer<br />

in die Pfeiler der Kathedrale eingetragen<br />

worden sind als Akt der sozialen<br />

Rückgewinnung der Würde des Individuums.<br />

Der Titel des Berichtes<br />

„Nunca más – Nie wieder“ ist zugleich<br />

die zentrale Schlussfolgerung aus<br />

beiden Menschenrechtsberichten. Es<br />

ist auch kein Zufall, dass ein junger<br />

Mann mit Knochenflügeln auf dem<br />

Deckblatt abgebildet ist – Vergangenheitsbewältigung<br />

ist vor allem<br />

auch ein Thema für die junge Generation.<br />

Denn das Wissen um die eigene<br />

Geschichte ist ein wichtiger<br />

Beitrag zur Bildung von politischem<br />

Bewusstsein, zur Förderung von Engagement<br />

für Frieden und Demokratie.<br />

2. Jugendliche als Zielgruppe<br />

Lassen Sie mich noch kurz das<br />

Unicef-Friedensprogramm vorstellen,<br />

das mit multilateralen Mitteln des<br />

BMZ finanziert wird (Project for Peace<br />

Education, Historical Memory and<br />

Democracy). Die erste Komponente<br />

des Programmes ist die Vermittlung<br />

von Geschichtsbewusstsein. Dabei<br />

werden von einer interdisziplinären<br />

Arbeitsgruppe pädagogische Materialien<br />

für 12- bis 20-Jährige zur Zeitgeschichte<br />

entwickelt. Zudem ist für das<br />

kommende Jahr zusammen mit der<br />

Deutschen Stiftung für internationale<br />

Entwicklung (DSE) und der Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung eine internationale<br />

Konferenz zur Genozidpädagogik<br />

geplant.<br />

Die zweite Komponente ist der Neuaufbau<br />

von Jugendorganisationen –<br />

den Orten demokratischer Praxis.<br />

Diese sind in den 80er Jahren gänzlich<br />

zerschlagen worden, da beginnen<br />

wir praktisch bei Null. Die Demokratisierung<br />

der Schule ist die dritte Komponente<br />

des Programmes. Im Mittelpunkt<br />

steht die Lehrerfortbildung zum<br />

Thema Diskriminierung im Schulraum;<br />

es geht auch um Benotungssysteme,<br />

partizipative Unterrichtsmethoden,<br />

zweisprachige Erziehung, die<br />

Einführung von Elternräten und<br />

40


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Schülermitverwaltung sowie den Bereich<br />

Forschung.<br />

3. „Mit der Wahrheit bauen wir die<br />

Zukunft in Guatemala auf“ –<br />

Schlussfolgerungen<br />

Abschließend einige Schlussfolgerungen<br />

aus den Erfahrungen der Arbeit<br />

in Guatemala:<br />

(1) Vergangenheitsbewältigung ist<br />

Teil von Krisenprävention und ein<br />

Feld für die TZ, ob im Bereich<br />

Rechtsberatung, Amnestiegesetzen,<br />

Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsregelungen,<br />

Wahrheitskommission,<br />

Dialog von Kriegsgegnern<br />

oder im Bereich Friedens- und Geschichtserziehung,<br />

Gedächtnis- und<br />

Gedenkstätten sowie psychosoziale<br />

Betreuung von Opfern.<br />

Vergangenheitsbewältigung ist ein<br />

langer, steiniger Weg. Aber ich glaube,<br />

dass gerade die deutschen Erfahrungen<br />

mit der Vergangenheitsbewältigung<br />

ein besonderer Erfahrungsschatz<br />

sind und dass es aus<br />

dieser geschichtlichen Verantwortung<br />

an Deutschland heraus eine besondere<br />

Verantwortung anderen Völkern<br />

gegenüber gibt, sie auf diesem steinigen<br />

Weg zu begleiten. Und ich<br />

glaube, es gibt genug Beispiele dafür,<br />

dass Völker, die sich nicht mit ihrer<br />

Vergangenheit auseinander setzen,<br />

den Grundstock für die Konflikte in<br />

der Zukunft legen.<br />

(2) Vergangenheitsbewältigung ist ein<br />

langfristiger Prozess, der über Generationen<br />

verläuft. Daher ist die Zielgruppe<br />

Kinder und Jugendliche so<br />

wichtig (Stichworte Geschichtsbewusstsein,<br />

politische Bildung, demokratische<br />

Praxis).<br />

(3) Vergangenheitsbewältigung ist ein<br />

sensibles Thema. Deshalb kann es<br />

sinnvoll sein, nicht alleine spezifische<br />

Projekte zu konzipieren, sondern Ergebnisse<br />

an laufende Vorhaben anzuhängen.<br />

(4) Vergangenheitsbewältigung muss<br />

im Zusammenhang mit Versöhnungsprozessen<br />

und Wiederaufbau<br />

gesehen werden – und zwar nicht nur<br />

materiellem Wiederaufbau, sondern<br />

auch moralischem, psychischem und<br />

politischem.<br />

41


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Förderung der Rechte indigener Völker, Brasilien<br />

Dr. Regine Schönenberg<br />

Ich freue mich, dass ich Ihnen heute<br />

das Projekt in Brasilien zur Indianer-<br />

Demarkation vorstellen kann. Die<br />

Frage, die sich zunächst stellt, ist:<br />

Was haben Indianer und die Demarkation<br />

von Indianerland mit Friedenssicherung<br />

und Krisenprävention zu<br />

tun? Das Projekt hat insofern einen<br />

präventiven Charakter, als es zur<br />

Förderung von Mechanismen gewaltfreier<br />

Konfliktslösung beiträgt, indem<br />

es sowohl die Konstruktion von Mediations-<br />

und Konsensbildungsprozessen<br />

als auch die ganz konkrete<br />

bodenrechtliche Absicherung indigener<br />

Rechte unterstützt.<br />

Das Projekt findet im brasilianischen<br />

Amazonasgebiet statt, das mit ungefähr<br />

fünf Millionen Quadratkilometern<br />

so groß ist wie Europa bis zum Ural.<br />

Es steht in einem komplexen internationalen<br />

Zusammenhang: Indigene<br />

Völker sind seit geraumer Zeit völkerrechtliche<br />

Rechtssubjekte. Während<br />

in den 80er Jahren bei der Behandlung<br />

indigener Völker die Menschenrechtsproblematik<br />

im Vordergrund<br />

stand (in der VN-Menschenrechtskommission<br />

und der von ihr eingerichteten<br />

Working Group on Indigenous<br />

Populations), hat sich das bereits<br />

in der Konvention 169 der ILO<br />

(International Labour Organisation)<br />

von 1989 verändert. Hier geht es um<br />

Landrechte und besonders um die<br />

Rechte indigener Völker an ihren Bodenschätzen<br />

und ihren Ressourcen.<br />

Im Rahmen der aktuellen Umweltdiskussion<br />

kann man die indigenen Völker<br />

als aktive Rechtsobjekte wiederfinden,<br />

die uns etwas zu geben haben<br />

und zur allgemeinen Überlebensfähigkeit<br />

der Menschheit beitragen<br />

können. Das ist der Fall in Kapitel<br />

26 der Agenda 21, aber auch in<br />

der Biodiversitätskonvention, beide<br />

von 1992.<br />

1. Ziele und Rahmenbedingungen<br />

des Projektes<br />

Das Projekt „Demarkation von Indianergebieten<br />

in Brasilien“ ist ein<br />

Sub-Programm des vielgestaltigen<br />

„Pilotprogramms zur Bewahrung der<br />

tropischen Regenwälder Brasiliens<br />

der G7“ (PPG7), in dem die Bundesrepublik<br />

sowohl als Initiator als auch<br />

als Hauptgeber eine wichtige Rolle<br />

spielt.<br />

Alle Programme im PPG7 sind<br />

TZ/FZ-Kooperationsprogramme. Das<br />

Projekt sieht vor, in einer Region, in<br />

der es noch in geringem Maße zu<br />

offenen Konflikten im Umland kommt,<br />

ca. 150 Indianergebiete rechtlich zu<br />

sichern und zum Schutz der kulturellen<br />

Integrität ihrer Bevölkerung beizutragen.<br />

Die Konflikte sind deshalb nicht so<br />

virulent, weil es sich häufig bereits<br />

um entlegene Rückzuggebiete der<br />

Indianer handelt. In anderen Landesteilen<br />

Brasiliens gibt es permanent<br />

Auseinandersetzungen. In der<br />

vergangenen Woche wurden in Bahia<br />

wieder zwei Polizisten von militanten<br />

Indianern erschossen, die ihr Land<br />

42


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

verteidigt haben. In diesem Sinne ist<br />

das amazonische Proramm auf jeden<br />

Fall auch im Kontext der Krisenprävention<br />

zu sehen.<br />

Der brasilianische Kontext ist für uns<br />

der schwierigste, weil in der brasilianischen<br />

Gesellschaft, trotz eines<br />

eindeutigen Verfassungsauftrages<br />

kein Konsens darüber herrscht, dass<br />

ca. 280.000 Indianer einen Anspruch<br />

auf elf Prozent des brasilianischen<br />

Territoriums erheben können.<br />

Landrechte und vor allem Nutzungsrechte<br />

von Bodenressourcen werden<br />

in Brasilien sehr polemisch diskutiert;<br />

andererseits sind sie Gegenstand der<br />

internationalen Agenda, und in diesem<br />

Spannungsfeld muss das Projekt<br />

gesehen werden. Die internationale<br />

Gebergemeinschaft hat es sozusagen<br />

gegen Widerstände innerhalb der<br />

brasilianischen Regierung als integralen<br />

Bestandteil des PPG7 durchgedrückt.<br />

Das heißt nicht, dass alle Teile der<br />

brasilianischen Regierung oder Gesellschaft<br />

dagegen sind. Natürlich<br />

gibt es Gruppen, die es unterstützen,<br />

und mit diesen arbeiten wir zusammen.<br />

Ich sage das nur, um auf die<br />

schwierigen Rahmenbedingungen<br />

eines Projektes hinzuweisen, das<br />

universelle Werte in einem konfliktiven<br />

Umfeld vertritt.<br />

Beratend unterstützt die Technische<br />

Zusammenarbeit in der Indianerschutzbehörde<br />

die progressiven Elemente.<br />

Das sind diejenigen Elemente,<br />

die nicht mit Lobbygruppen von<br />

Goldschürfern, Mineralkonzernen<br />

usw. zusammenarbeiten. Das institutionelle<br />

Umfeld ist somit zum Teil<br />

feindlich und zum Teil sehr schwach<br />

entwickelt. Im Rahmen des Programms<br />

wird daher ein Capacity<br />

Building jener Mitarbeiter und Strukturen<br />

betrieben, die sich für Indianerdemarkation<br />

interessieren und diese<br />

aktiv unterstützen.<br />

2. Aktionsbereiche des Projektes<br />

Zum Erreichen der Projektziele sollen<br />

vier Aktionsbereiche beitragen:<br />

(1) Der Kernbereich ist die rechtliche<br />

Absicherung der Indianergebiete mit<br />

der Klärung vergangener und aktueller<br />

Landbesitzverhältnisse – Voraussetzung<br />

für alle weiteren Aktivitäten.<br />

Die Demarkation ist zum Teil sehr<br />

schwierig: In einer Grenzregion zu<br />

Peru, in der das Projekt derzeit aktiv<br />

ist, leben fünf verschiedene Völker,<br />

die sich untereinander nicht unbedingt<br />

lieben. Bereits im Demarkationsprozess<br />

kommen daher Mechanismen<br />

des Dialogs und der Konfliktbearbeitung<br />

zum Tragen – dies ist<br />

essentiell für das Gelingen des Projektes,<br />

da die dort lebenden Indianer<br />

den Vermessungsprozess selber<br />

steuern und später das Monitoring<br />

der Region selbst übernehmen müssen.<br />

(2) Der Erfolg des nächsten Schrittes,<br />

die Überwachung der vermessenen<br />

Grenzen, hängt vom genauen Kenntnisstand<br />

der Indianer über ihr Territorium<br />

ab und setzt voraus, dass sich<br />

die Indianer mit den Gebietsausmaßen<br />

identifizieren.<br />

(3) Ein wichtiger Bereich ist auch die<br />

Verbesserung der Methoden bei der<br />

Durchführung der oben genannten<br />

Maßnahmen im Sinne von Klarheit<br />

und Transparenz sowie die Gewähr-<br />

43


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

leistung der durch die Indianer nachgefragten<br />

Fortbildungen, die ihnen<br />

eine aktive Beteiligung an den komplexen<br />

Prozessen der Landsicherung<br />

erlauben.<br />

(4) Der vierte Projektbereich besteht<br />

in der ständigen administrativen, institutionellen<br />

und politischen Steuerung<br />

der Gesamtaktivitäten in der<br />

Indianerschutzbehörde und der Zusammenarbeit<br />

mit dem Justizministerium<br />

über das dazu eingerichtete<br />

Technische Sekretariat des Projektes.<br />

Die Hauptkonfliktbereiche bei der<br />

Durchführung des Projektes sind privatwirtschaftliche<br />

Interessen besonders<br />

hinsichtlich von Gold- und Erzvorkommen<br />

in den Indianerschutzgebieten,<br />

die sich sowohl in Form ständiger<br />

territorialer Übergriffe, parlamentarischer<br />

Initiativen zur Beschneidung<br />

indigener Grundrechte<br />

und institutioneller Blockaden der Indianerschutzbehörde<br />

niederschlagen.<br />

Andererseits ermöglichen moderne<br />

Kommunikationsformen und international<br />

verfügbare Gelder lokale und<br />

globale Kooperationen, die durch<br />

Macht und Geld strukturierte Hierarchien<br />

umgehen und neue Modelle<br />

des Überlebens entwickeln und absichern<br />

helfen können. Im Rahmen der<br />

Beratungsfunktion der vielfältigen<br />

lokalen, nationalen und internationalen<br />

Verhandlungsebenen des Projektes<br />

erwirbt die deutsche EZ wertvolles<br />

Know-how auf den Gebieten<br />

der „Friedenssicherung und Krisenprävention“.<br />

44


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Nahost-Wasserstudie, Israel / Jordanien / Palästina<br />

Gerhard Naschold<br />

Ich möchte Ihnen die „Middle East<br />

Regional Study on Water Supply and<br />

Demand Development“ (Nahost-<br />

Wasserstudie) vorstellen, die die GTZ<br />

von 1995 bis 1998 durchgeführt hat.<br />

Sie war der deutsche Beitrag zu den<br />

Aktivitäten der „Multilateral Working<br />

Group on Water Resources“, die sich<br />

– neben anderen Arbeitsgruppen zu<br />

konfliktiven Themen – gebildet hatte,<br />

um den Friedensprozess im Nahen<br />

Osten zu unterstützen.<br />

Ziel der Studie war:<br />

(1) die Erarbeitung und Bewertung<br />

von Vorschlägen für die Bereitstellung<br />

von zusätzlichem Wasser zur<br />

Deckung der erwarteten Bedarfsentwicklung;<br />

(2) die Entwicklung eines Konzeptes<br />

für die koordinierte Bewirtschaftung<br />

aller regionaler Wasserressourcen.<br />

Beteiligt waren Israel, Jordanien und<br />

Palästina; Libanon und Syrien nahmen<br />

leider nicht teil. Deren lokale<br />

Studienteams arbeiteten nach einheitlichen<br />

GTZ-Terms of Reference<br />

und wurden von lokalen Steuerungsgruppen<br />

begleitet.<br />

Darüber hinaus wurde eine gemeinsame<br />

Steuerungsgruppe eingerichtet,<br />

die den regionalen Ansatz der Arbeiten<br />

sicherstellen, die Kooperation<br />

zwischen den Teams erleichtern und<br />

mögliche Probleme auf einer gemeinsamen<br />

Basis lösen sollte.<br />

Das Konzept der Studie war folgendermaßen<br />

angelegt:<br />

Œ Keine Lösungen für gegenwärtige<br />

Wasserverteilungsprobleme, sondern<br />

Erarbeitung eines Konzeptes<br />

für die koordinierte zukünftige<br />

Bewirtschaftung aller regionaler<br />

Wasserressourcen;<br />

ΠErarbeitung von mittelfristigen<br />

(2010) und langfristigen (2040)<br />

Entwicklungsprognosen;<br />

Œ Die Region wird als einziges zusammenhängendes<br />

Planungsgebiet<br />

angesehen;<br />

ΠLokale Planungsteams sind Teil<br />

eines einzigen regionalen Planungsteams.<br />

Vorgehen und Ergebnisse<br />

In einer ersten Phase wurden die<br />

vorhandenen Daten und Studien der<br />

Wasserwirtschaft ausgewertet. Dies<br />

war insbesondere für die Palästinenser<br />

ungeheuer wichtig, da sie zum<br />

ersten Mal Untersuchungen über die<br />

Wasserressourcen im Nahen Osten<br />

zur Kenntnis bekamen und detaillierte<br />

Informationen über die Wasserressourcen<br />

in ihren Gebieten erhielten.<br />

In der zweiten Phase ging es um die<br />

Ausarbeitung und Bewertung von<br />

Möglichkeiten zur Erschließung lokaler<br />

Wasserressourcen, in der dritten<br />

Phase um die Entwicklung von Empfehlungen<br />

für weitere, gemeinsame<br />

regionale Aktivitäten.<br />

45


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Wesentliche Ergebnisse der Studie:<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Œ<br />

Die Daten der vorhandene Wasserressourcen und der gegenwärtigen Nutzung sind von<br />

allen Beteiligten (Core Parties) akzeptiert;<br />

Die Datenbasis der wasserbezogenen Informationen für die West Bank und den Gaza-<br />

Streifen ist verbessert;<br />

Für jede Core Party existiert eine eigene Wasserbedarfsprognose, die den anderen bekannt<br />

ist;<br />

Ein Modell für die Wasserbedarfsdeckungslücken bei den verschiedenen Bedarfsprognosen<br />

ist vorhanden;<br />

Der Vorschlag für eine Alternativprognose durch GTZ/CES (Consultant) ist von den Jordaniern<br />

und Palästinensern akzeptiert;<br />

Kostengünstige Erschließungsmöglichkeiten für Wasser in Jordanien und West Bank/Gaza,<br />

ebenso für die gesamte Region – und das akzeptiert von allen Core Parties;<br />

Entwicklung von Elementen einer regionalen Wasserstrategie und gemeinsamen Empfehlungen<br />

für Sofortmaßnahmen und –aktivitäten;<br />

Die Core Parties haben einen gemeinsamen Informationsstand über die Wassersituation in<br />

der Region;<br />

Der Libanon und Syrien sind informiert;<br />

Die Zusammenarbeit zwischen den Studienteams ist verbessert, die Bereitschaft zur Fortsetzung<br />

gegeben;<br />

Stärkung des eigenen Fach-Know-hows (Jordanien und Palästinenser);<br />

Unterschiede in der Auffassung bei den drei Core Parties wurden untereinander deutlich.<br />

Wichtiger noch als die wasserwirtschaftlichen<br />

Ergebnisse ist sicher der<br />

durch die Studie entstandene Prozess.<br />

(1) Die Teams haben sich zum ersten<br />

Mal auf bestimmte Leitlinien und regionale<br />

Wasserstrategien geeinigt<br />

(gemeinsame Erschließung von zusätzlichen<br />

Wasserversorgungsmöglichkeiten,<br />

Einführung einer gemeinsamen<br />

Wasserbewirtschaftung, regionale<br />

Zusammenarbeit – auch bei<br />

der Erschließung lokaler Wasservorkommen)<br />

und sich über eine Reihe<br />

entsprechender Sofortmaßnahmen<br />

verständigt (Entsalzungsanlagen,<br />

Studien über Meerüberleitungen,<br />

Untersuchung einer gemeinsamen<br />

Verwaltungsstruktur).<br />

(2) Das Wichtigste ist, dass die Daten<br />

über die vorhandenen Wasserressourcen<br />

und die gegenwärtige Nutzung<br />

von allen Parteien akzeptiert<br />

worden sind – in vielen Verhandlungen<br />

ist seitdem auf diese Daten zurückgegriffen<br />

worden. Ein weiterer<br />

Punkt ist die verbesserte Datenbasis<br />

vor allem für die West Bank und den<br />

Gaza-Streifen; zudem hat jede Core<br />

Party eigene Wasserbedarfsprognosen,<br />

die den anderen bekannt sind.<br />

Durch diese Transparenz ist es gelungen<br />

erhebliche Spannungen abzubauen.<br />

46


KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />

Herbert Sahlmann<br />

Das Projekt hat politische Entscheidungsträger<br />

und Fachleute im Wassersektor<br />

in der Nahost-Region - also<br />

Israel, Palästina und Jordanien – zusammengebracht.<br />

Und wie Herr<br />

Naschold bereits dargestellt hat, ist<br />

zunächst eine gleiche Informationsbasis<br />

geschaffen worden, auf der<br />

diese drei Akteure weiterhin arbeiten.<br />

Wir haben in diesem dreieinhalbjährigen<br />

Prozess Vertrauen geschaffen.<br />

Ich komme gerade aus der Region<br />

und habe gehört, dass die Verhandlungen<br />

jetzt sehr viel einfacher gestaltet<br />

werden können, weil sich die<br />

Akteure kennen und aufeinander<br />

verlassen können.<br />

Alle wissen über die Situation im<br />

Wassersektor Bescheid, kennen die<br />

Interessen der anderen Parteien und<br />

deren minimale Bedürfnisse. Die<br />

Unterlegenheit und die Unsicherheit<br />

vor allem bei den Palästinensern,<br />

aber auch bei den Jordaniern, ist<br />

durch diesen mehrjährigen Prozess<br />

gewichen oder abgebaut worden. Es<br />

ist Verhandlungsfähigkeit geschaffen<br />

worden für alle Parteien. Sie haben<br />

erkannt, dass sie bei der Bewirtschaftung<br />

der knappen Wasserressourcen<br />

voneinander abhängig sind<br />

und das Problem nur gemeinsamn<br />

lösen können.<br />

Der wesentliche Ausblick ist in der<br />

Entsalzung zu sehen, vor allem wenn<br />

man künftig regionale regenerative<br />

Energien verwenden kann. An diesen<br />

Themen arbeiten sie gemeinsam<br />

weiter. Wir haben also wesentlich<br />

daran mitgewirkt, eine Wasserstrategie<br />

für diese Region zu entwickeln<br />

und es ist gelungen, die wesentlichen<br />

Spieler davon zu überzeugen, dass<br />

sie diese umsetzen müssen.<br />

Ich glaube, dass wir durch diese Studie<br />

einen Beitrag dazu geleistet haben,<br />

die Wasserkrisen in der Nahostregion,<br />

die es weiterhin geben wird,<br />

zumindest zu reduzieren. Außerdem<br />

haben wir auch für Syrien und den<br />

Libanon im Wasserbereich mehr<br />

Transparenz geschaffen, weil wir diesen<br />

Ländern die dokumentierten Ergebnisse<br />

der regionalen Nahost-<br />

Wasserstudie zur Verfügung gestellt<br />

haben.<br />

Erfolgreiche Moderation:<br />

Auch Dr. Hinrich Eylers zog im Rahmen der Plenardiskussion ein sehr positives, persönliches<br />

Resümee: „Die Wasserstudie ist für mich eine sehr positive Erfahrung, was wir mit Einmischung<br />

leisten können. Als wir angefangen haben, war es schier unmöglich, eine israelische und jordanische<br />

Gruppe zusammenzubringen, um über dasselbe Problem zu reden. Die Satzung des<br />

jordanischen Ingenieurvereins schloss jeden sofort aus dem Verein aus, der mit einem Israeli<br />

zusammen arbeitete. In der Situation haben wir angefangen, drei Fachteams zu gründen, die<br />

miteinander über ein regionales, fachliches Problem redeten, und als wir im März 1998, nachts<br />

um zwölf Uhr, nach mehrfachen Überarbeitungen des Schlussdokumentes die Unterschriften<br />

der drei Delegationsleister im Kurhotel in Bad Soden auf dem Papier hatten, hatten wir das<br />

Gefühl, da hat die GTZ durch unabhängige mediative, moderierende Tätigkeit etwas geschafft,<br />

was sonst nicht gelungen wäre. Das war so ein Punkt, an dem ich mir gedacht habe, das ist<br />

eine Erfahrung, aus der wir etwas machen müssen, die wir pflegen sollten.“<br />

47


DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />

Um die „Innenansicht“ zu den Themen<br />

Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />

um eine „Außenansicht“<br />

zu ergänzen, waren neben Ministerialrat<br />

Adolf Kloke-Lesch auf das Podium<br />

gebeten worden: Dr. Stephan<br />

Klingebiel, wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik<br />

(DIE), Prof. Dr. Franz<br />

Nuscheler, Direktor des Institutes für<br />

Entwicklung und Frieden (INEF) an<br />

der Universität Duisburg, Dr. Norbert<br />

Ropers, Direktor des Berghof Forschungszentrums<br />

für konstruktive<br />

Konfliktbearbeitung, und Manfred<br />

Sollich, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft<br />

für Entwicklungshilfe<br />

(AGEH). Die Statements der Podiumsteilnehmer<br />

konzentrierten sich<br />

auf folgende Themenkomplexe:<br />

ΠEntwicklungen in der internationalen<br />

Szene;<br />

ΠZusammenarbeit mit lokalen Akteuren;<br />

ΠKooperation und Koordination der<br />

beteiligten externen Akteure.<br />

1. Krisenprävention und Konfliktbearbeitung:<br />

Eintritt in die „Reflexionsphase“<br />

Dr. Norbert Ropers warf einen Blick<br />

auf die Entwicklungen im internationalen<br />

Bereich. Die internationalen<br />

Organisationen sowie die nationalen<br />

Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitiken<br />

müssten sich darauf<br />

einstellen, dass die klassischen Bedrohungskonstellationen<br />

– die unter<br />

dem Begriff der hard security vor allem<br />

mit militärischen und diplomatischen<br />

Maßnahmen bearbeitet worden<br />

seien –, zunehmend der Vergangenheit<br />

angehörten. „Womit wir heute<br />

konfrontiert werden, sind Fragen interner,<br />

tief verwurzelter, langwieriger<br />

Konflikte, die sich nicht allein auf der<br />

Sachebene bearbeiten lassen, sondern<br />

auch die Beziehungsebene von<br />

Konflikten einbeziehen müssen“,<br />

sagte Ropers.<br />

Die Bewegung von der hard security<br />

zur soft security habe auf der internationalen<br />

Bühne erheblichen Einfluss<br />

darauf, wie sich das Spannungsfeld<br />

zwischen Unilateralismus, Bilateralismus<br />

und Multilateralismus darstelle.<br />

Die EU sei gezwungen, nicht zuletzt<br />

wegen des Unilateralismus der<br />

USA, sich eine militärische Komponente<br />

zuzulegen. Zugleich fordere die<br />

soft security alle Organisationen heraus,<br />

sich neue Instrumente zu<br />

schaffen.<br />

Als jüngstes Beispiel nannte Ropers<br />

den Beschluss des OSZE-Gipfels in<br />

Istanbul, eine Rapid Reaction-Einheit<br />

zu schaffen. „Wir erleben in diesem<br />

Spannungsfeld von Multilateralismus<br />

und Unilateralismus den Kampf um<br />

die Zuständigkeit für die neue soft<br />

security, so der Leiter des Berghof-<br />

Forschungszentrums. Die Auseinandersetzung<br />

damit, wie Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung künftig<br />

angegangen würden, sei in sich konfliktgeladen.<br />

Und in dieses Feld werde<br />

jetzt auch die Entwicklungszusammenarbeit<br />

hineingezogen.<br />

Welche Möglichkeiten zur Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung hat<br />

nun die EZ/TZ in einem solchen<br />

Kontext? Ropers vertrat die Ansicht,<br />

dass eine selbstkritische Einschätzung<br />

der TZ hilfreich sei, um zu einem<br />

realistischen Bild von den Möglichkeiten<br />

und Grenzen zu kommen.<br />

Neben der traditionellen Diplomatie<br />

48


DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />

und Außenpolitik (Track 1) und den<br />

NRO (Track 2) richte sich die EZ als<br />

dritte Säule darauf, Konflikte an den<br />

Wurzeln zu bekämpfen und Kapazitäten<br />

bereitzustellen, um in den betroffenen<br />

Gesellschaften die Voraussetzungen<br />

für eine konstruktive<br />

Transformation zu schaffen. In allen<br />

drei Feldern gebe es im internationalen<br />

wie nationalen Bereich aktive<br />

Bemühungen, neue Kapazitäten aufzubauen<br />

und neue Akteure zu mobilisieren.<br />

Ropers wies darauf hin, dass international<br />

bereits der Übergang von der<br />

„Pionierphase“ zur „ersten Reflexionsphase“<br />

zu konstatieren sei. Diese<br />

sei vor allem durch angelsächsische<br />

Sozialwissenschaftler eingeleitet<br />

wor-den, die sich – wie vormals im<br />

Bereich der Humanitären Hilfe – kritisch<br />

mit den Wirkungen konfliktbearbeitender<br />

Maßnahmen auseinander<br />

gesetzt hätten. Ropers sprach sich<br />

explizit dafür aus, dass nationale Organisationen<br />

und Einrichtungen, die<br />

sich jetzt verstärkt mit den Themen<br />

Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />

befassen, dieses „internationale<br />

Niveau der Selbstreflexion gleich<br />

proaktiv berücksichtigen“.<br />

2. Friedenswillige und „Brückenbauer“<br />

unterstützen<br />

Manfred Sollich forderte nachdrücklich<br />

einen Wandel im Denken externer<br />

Akteure: Der Frieden müsse in<br />

den Regionen gemacht werden, „wir<br />

denken immer noch auf einer interventionistischen<br />

Schiene“. Die Unterstützung<br />

und Förderung der Friedenswilligen<br />

setze ihre Identifizierung<br />

und damit einen Blick für die verschiedenen<br />

Akteursebenen voraus –<br />

lokale Kräfte an der Basis, Organisationen<br />

wie Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche<br />

Akteure anderer Art<br />

etc.. „Wir brauchen auch die Brükkenbauer“,<br />

sagte Sollich, „jene, die<br />

Kontakt zu beiden Seiten haben“. In<br />

der gemeinsamen Konferenz Kirche<br />

und Entwicklung habe man vor einigen<br />

Jahren solche Brückenbauer und<br />

Konfliktschlichter – Personen, die am<br />

Horn von Afrika, in Honduras/El Salvador<br />

und Guatemala vermittelt hatten<br />

– zu einem sehr fruchtbaren<br />

Austausch zusammengebracht. „So<br />

etwas müsste viel häufiger geschehen“,<br />

meinte Sollich.<br />

Kann die TZ Vergleichbares leisten –<br />

oder besitzen kirchliche Organisationen<br />

hier komparative Vorteile? Sollich<br />

vertrat die Meinung, dass das frühe<br />

Eintauchen in den lokalen Kontext<br />

der TZ so nicht gelingen werde, oder<br />

nur beiläufig. Die Präsenz kirchlicher<br />

Organisationen beruhe ja auch auf<br />

dem Zusammenleben, dem Austausch,<br />

der sich ständig vollziehe.<br />

Das treffe für Organisationen wie die<br />

GTZ nicht zu.<br />

3. Konfliktstrategien: Voraussetzung<br />

für effektive Koordination<br />

Dr. Stephan Klingebiel, Autor der<br />

BMZ-Querschnittsevaluierung zu<br />

„Wirkungen der EZ in Konfliktsituationen“<br />

und der Länderfallstudie Sri<br />

Lanka, befasste sich mit der Frage<br />

der Kooperation und Koordination<br />

nationaler Akteure im Bereich Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung.<br />

Hier sei die Zusammenarbeit der EZ-<br />

Akteure untereinander und die Zusammenarbeit<br />

der EZ-Akteure mit<br />

anderen Politikbereichen zu unterscheiden.<br />

Grundsätzlich könne man<br />

49


DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />

feststellen, so Klingebiel, dass auf<br />

beiden Ebenen keine echte Planung,<br />

keine Konfliktstrategie existiere, in die<br />

sich die Akteure einbetten könnten.<br />

„Wir haben in vielen Länderfällen die<br />

Feststellung machen können, dass es<br />

eine Arbeitsteilung zwischen z.B.<br />

staatlicher und nicht-staatlicher Zusammenarbeit<br />

gab, das war aber<br />

nicht Ausdruck einer geplanten Strategie,<br />

sondern hat sich so ergeben“,<br />

sagte Klingebiel. Der Erarbeitung von<br />

Konfliktstrategien maß er in der Konsequenz<br />

eine große Bedeutung zu. In<br />

Deutschland sei es vorrangige Aufgabe<br />

des BMZ, die EZ-Akteure an<br />

einen Tisch zu bringen und Strategien<br />

festzulegen. Als ein Instrument<br />

sprach Klingebiel die Durchführung<br />

konfliktbezogener Ländergespräche<br />

im BMZ an.<br />

4. Langfristige Friedenssicherung<br />

„nicht Aufgabe bilateraler TZ“<br />

Auch Prof. Dr. Franz Nuscheler ging<br />

auf die Frage der Kooperation nationaler<br />

Akteure ein. Eine effektive Krisenprävention<br />

und Friedenssicherung<br />

könne ohne eine enge Zusammenarbeit<br />

des Auswärtigen Amtes und des<br />

BMZ – möglichst unter Einschluss<br />

des Verteidigungsministeriums –<br />

nicht gelingen. Bislang sehe er keine<br />

Bereitschaft, ein gemeinsames Konzept<br />

zu entwickeln, so Nuscheler. Im<br />

Zusammenhang mit dem gegenwärtigen<br />

Aufbau einer Infrastruktur für zivile<br />

Konfliktbearbeitung forderte Nuscheler<br />

die Schaffung paralleler Institutionen<br />

zu vermeiden. Statt der<br />

Einrichtung eines Zivilen Friedensdienstes<br />

plädierte er für eine mehrmonatige<br />

Fortbildung von EZ-<br />

Experten, eventuell auch von Diplomaten,<br />

in einer „Akademie für Friedensmissionen“.<br />

Eine langfristige Friedenssicherung<br />

sah Nuscheler nicht als Aufgabe bilateraler<br />

TZ an, sondern globaler und<br />

multialteraler Organisationen wie der<br />

EU. Die TZ sei Teil deren Unterbaus.<br />

Während die Koordination auch zwischen<br />

nationaler, mulitlateraler oder<br />

globaler Ebene defizitär sei, konstatierte<br />

Nuscheler in der Zusammenarbeit<br />

zwischen Staatenakteuren, Privatakteuren<br />

(NRO) und der Wissenschaft<br />

(Public-Private-Partnership) in<br />

jüngster Zeit eine wesentliche Verbesserung.<br />

5. Friedensförderung und Ziviler<br />

Friedensdienst<br />

Adolf Kloke-Lesch griff in seinem abschließenden<br />

Statement die Frage<br />

der Kooperation im europäischen<br />

Rahmen und die Kritik am Zivilen<br />

Friedensdienst auf. In der Entwicklung<br />

einer europäischen Verteidigungs-<br />

und Sicherheitspolitik – jenem<br />

Bereich, der als hard security bezeichnet<br />

worden sei –, könne man<br />

derzeit eine enorme Entwicklung beobachten,<br />

hier finde Vergemeinschaftung<br />

statt. Im Bereich der soft<br />

security, zu dem auch die Entwicklungszusammenarbeit<br />

gezählt worden<br />

sei, sei eine vergleichbare Form<br />

der Kooperation noch nicht vorhanden.<br />

Kloke-Lesch wies darauf hin, dass im<br />

Rahmen der deutschen EU-<br />

Präsidentschaft einige Initiativen angestoßen<br />

worden seien: „Wenn wir<br />

hier hinter den politischen Prozess<br />

zurückfallen, der in anderen Bereichen<br />

stattfindet, dann werden wir uns<br />

50


DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />

nicht mehr gestaltend einbringen<br />

können.“<br />

Bezüglich der Beteiligung an multilateralen<br />

Interventionen gelte für die<br />

Bundesregierung das Primat des europäischen<br />

Umfeldes – was nicht<br />

heiße, dass man selektiv auch global<br />

mit signifikanten Ressourcen antrete<br />

(Bsp. Osttimor). „Die Entwicklungszusammenarbeit<br />

muss sich natürlich<br />

auch an europäischen Sicherheitsinteressen<br />

orientieren, aber wir dürfen,<br />

gerade wenn ich diese menschliche<br />

Dimension noch einmal hervorhebe,<br />

die anderen Regionen nicht völlig<br />

hinten runterkippen lassen“, sagte<br />

Kloke-Lesch. Je ferner Konflikte stattfinden,<br />

desto weiter gingen die Interessen<br />

der beteiligten europäischen<br />

Akteure auseinander – und desto<br />

schwieriger sei die Koordination.<br />

Im Zusammenhang mit der Kritik am<br />

Aufbau neuer Institutionen im Bereich<br />

Zivile Konfliktbearbeitung betonte<br />

Kloke-Lesch, dass mit dem Zivilen<br />

Friedensdienst keine neue Organisation<br />

geschaffen worden sei. Friedensförderung<br />

sei ein integraler Bestandteil<br />

der Entwicklungszusammenarbeit<br />

und in diesen Kontext füge<br />

sich dieses Instrument ein. „Die Tatsache,<br />

dass wir auch vorhandene<br />

Projektansätze aus unserem laufenden<br />

Geschäft haben, die wir heute in<br />

dem Zivilen Friedensdienst weiterentwickeln<br />

können, zeigt, wie richtig<br />

diese Entscheidung war“, sagte der<br />

Vertreter des BMZ. Die Träger des<br />

ZFD seien die anerkannten Entwicklungsdienste,<br />

die durch dieses Instrument<br />

auch zusammengeführt<br />

würden. „Wenn wir künftig in einem<br />

Programmausschuss zusammensitzen,<br />

wenn wir mit den Trägern gemeinsam<br />

reden, wer was in welchen<br />

Regionen macht, ist das ein Stück<br />

Komplementarität zwischen den im<br />

Zivilen Friedensdienst zusammenarbeitenden<br />

Trägern“, unterstrich Kloke-Lesch.<br />

7. Plenardiskussion<br />

Im Laufe der Diskussion mit dem<br />

Plenum wurde eine Reihe von grundsätzlichen<br />

Fragen aufgeworfen:<br />

(1) Flexibilität, die ein rasches und<br />

zeitlich passendes Handeln ermöglicht,<br />

hat sich als ein wichtiger Erfolgsfaktor<br />

für konfliktspezifische<br />

Maßnahmen erwiesen. Hierzu zählt<br />

vor allem die Fähigkeit, nach der Beendigung<br />

von Kriegen oder nach dem<br />

Ende von Kampfhandlungen in bestimmten<br />

Gebieten tätig werden zu<br />

können (Bsp. Mali-Nord, Sri Lanka).<br />

Erforderlich ist zum einen das Aufrechterhalten<br />

einer gewissen Infrastruktur,<br />

die ein sofortiges Tätigwerden<br />

ermöglicht (der Abzug des internationalen<br />

Personals in Ruanda war<br />

ein verheerendes Signal für die Akteure<br />

vor Ort). Zum anderen sind die<br />

GTZ-Verfahren flexibler zu gestalten<br />

und Instrumente wie z.B. offene<br />

Fonds zu schaffen. Viele amerikanische<br />

Privatstiftungen (z.B. Mott<br />

Foundation, Hewlett Packard Foundation)<br />

sind mittlerweile von dem<br />

Projekt-Format abgekommen und<br />

dazu übergegangen, eine Programmfinanzierung<br />

für bestimmte Akteure<br />

zu beschließen, die in ausgewählten<br />

Krisen tätig sind und unmittelbar handeln<br />

können.<br />

(2) Notwendig in hochkonfliktiven Situationen<br />

ist zudem ein Management<br />

aus einer Hand, das heißt das Nebeneinander<br />

der drei Säulen – Track<br />

1, Track 2 und Entwicklungszusam-<br />

51


DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />

menarbeit – muss dringend überwunden<br />

werden. Dies gilt auch für die<br />

Zusammenarbeit der EZ-Akteure untereinander.<br />

Als positives Beispiel<br />

wurde hier die Bildung einer informellen<br />

Arbeitsgruppe im vergangenen<br />

Jahr in Uganda genannt, an der<br />

die Arbeitsebenen der verschiedenen<br />

Organisationen – GTZ, DED, politische<br />

Stiftungen, Botschaft, Kirchen –<br />

beteiligt sind. Gemeinsam werden<br />

hier etwa Wirkungen der eigenen Arbeit<br />

analysiert.<br />

knüpfen, um den veränderten Anforderungen<br />

an Beratung Rechnung zu<br />

tragen.<br />

(5) Die Möglichkeiten und Grenzen<br />

der EZ in Konfliktsituationen sind in<br />

der Öffentlichkeit klar zu benennen,<br />

um übersteigerten Erwartungen vorzubeugen.<br />

Das Ziel der EZ/TZ-<br />

Maßnahmen ist das Ausschalten der<br />

Gewaltkomponente in Konflikten,<br />

nicht das Ausschalten der Konflikte.<br />

(3) Unter den Teilnehmern herrschte<br />

breite Übereinstimmung, dass das<br />

Kenntnis- und Wissensprofil des Personals<br />

in Krisen- und Konfliktsitationen<br />

erweitert werden muss. Die Experten,<br />

die in Konfliktsituationen und<br />

Nachkriegsgesellschaften arbeiten,<br />

müssen eine ganzheitliche Sichtweise<br />

sowohl von Problemen als auch<br />

von möglichen Lösungsmöglichkeiten<br />

haben. Während sich entsprechende<br />

Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten<br />

im Aufbau befinden, verfügt die GTZ<br />

mit „COPE“ (Psychologische Personalberatung<br />

für Krisen und Konflikte)<br />

bereits über eine Arbeitseinheit, die<br />

im Rahmen der Vorbereitung von<br />

Auslandsmitarbeitern/-innen das Modul<br />

„Optimales Stress-, Konflikt und<br />

Krisenmanagement im Auslandseinsatz“<br />

durchführt sowie Auslands- und<br />

Inlandsmitarbeiter/-innen individuelle<br />

Beratung und Unterstützung für Krisen<br />

und Konflikte anbietet.<br />

(4) Im Umfeld von Gewalt und gewalttätigen<br />

Konflikten wird der Berater<br />

mit Fragen konfrontiert, die außerhalb<br />

des klassischen Tätigkeitsbereiches<br />

der Entwicklungszusammenarbeit<br />

liegen. Die GTZ muss Wissen<br />

aus den Humanwissenschaften stärker<br />

in ihre Arbeit integrieren und enge<br />

Verbindungen mit diesen Disziplinen<br />

52


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

Dr. Stephan Klingebiel, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik<br />

1. Einleitung<br />

Krisenprävention und Konfliktbearbeitung sind vergleichsweise neue Aufgaben in<br />

der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Seit Anfang der 90er Jahre bemühen sich<br />

EZ-Akteure darum, nach Wegen zu suchen, wie EZ einen gezielten Beitrag für<br />

eine stabile und friedliche Entwicklung in Konfliktsituationen leisten kann. Das vorliegende<br />

Statement will eine knappe Zwischenbilanz zu einigen wichtigen Fragen<br />

in diesem Bereich liefern. Es geht darum, die bisherigen Bemühungen kurz zu<br />

charakterisieren, aber vor allem auf solche Felder hinzuweisen, wo neue oder zusätzliche<br />

Anstrengungen erforderlich sind.<br />

2. Konzeptionelle Antworten<br />

Den konzeptionellen Beiträgen auf dem Gebiet der „Krisenprävention und Konfliktbearbeitung“<br />

ist eine große Bedeutung beizumessen, weil es sich dabei um die<br />

inhaltliche Legitimation und den Anspruch, die Ausgangsbasis und die strategische<br />

Orientierung der EZ handelt. Grundsätzlich läßt sich für die internationale<br />

Ebene und deutsche Debatte erkennen, dass es eine Vielzahl von Bemühungen<br />

auf diesem Feld in den 90er Jahren gab.<br />

Auf internationaler Ebene sind in erster Linie die DAC-„Guidelines on Conflict, Peace<br />

and Development“ (1997) von besonders großer Bedeutung, weil sie sich als<br />

insgesamt sehr nützlich und gehaltvoll erwiesen haben und einen guten Orientierungsrahmen<br />

liefern. Viele internationale Geber (u.a. Weltbank, UNDP, EU) haben<br />

mittlerweile ebenfalls entsprechende Bemühungen unternommen.<br />

Gleiches gilt für die Anstrengungen in Deutschland. Das BMZ hat ein Dokument<br />

mit dem Titel „Entwicklungszusammenarbeit und Krisenvorbeugung“ (1997) vorgelegt,<br />

die GTZ hat dem Thema im Rahmen des Arbeitskonzeptes „Entwicklungsorientierte<br />

Nothilfe“ (1998) große Aufmerksamkeit geschenkt und arbeitet derzeit<br />

an der Fertigstellung eines speziellen Konzeptes; vor wenigen Wochen hat auch<br />

die KfW ein Arbeitspapier zum Thema vorgelegt.<br />

Insgesamt sind die vielfältigen Bemühungen zu begrüßen, weil sie die Relevanz<br />

des Themas hervorheben. Die Konzepte betonen zu Recht das eingeschränkte<br />

Gewicht, das EZ in Konfliktsituationen besitzt. Konkret wäre es aus meiner Sicht<br />

sinnvoll, eine Weiterentwicklung des BMZ-Konzeptes anzustreben, um für die<br />

Fachöffentlichkeit, die Durchführungsorganisationen und andere beteiligte oder<br />

interessierte Institutionen einen konkreten Überblick und Orientierungsrahmen für<br />

die neue Aufgabenstellung in der deutschen Entwicklungspolitik zu geben.<br />

53


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

Ein konzeptioneller Diskussionsbedarf besteht daneben zu folgenden Fragen:<br />

Œ<br />

Bei den meisten vorliegenden Konzepten wäre eine engere konzeptionelle<br />

Verknüpfung zu solchen Themen anzustreben, die eine inhaltliche Nähe zu<br />

den Fragen von Krisenprävention und Konfliktbearbeitung haben (etwa Demokratie,<br />

Menschenrechte, Good Governance, Zivilgesellschaft).<br />

Œ Überlegungen zur Arbeitsteilung wichtiger EZ-Akteure und EZ-Instrumente wären<br />

daneben hilfreich. Zu klären wären die jeweiligen komparativen Vorzüge<br />

eines bi- bzw. multilateralen Vorgehens, staatlicher bzw. nicht-staatlicher EZ<br />

und der Spezifika von Technischer Zusammenarbeit (TZ) bzw. Finanzieller Zusammenarbeit<br />

(FZ).<br />

Œ Schließlich sollte auch die Frage nach den entwicklungspolitischen Grundsätzen<br />

hinsichtlich einer konfliktorientierten EZ erörtert werden. Es ist anzunehmen,<br />

dass beispielsweise der Gedanke der „Nachhaltigkeit“ unter Konfliktgesichtspunkten<br />

und -bedingungen eine andere Bedeutung haben muss als in<br />

der sonstigen EZ. In Ländern, in welchen Regierungen Bürgerkriegspartei sind,<br />

wäre darüber hinaus etwa die Frage von großer Relevanz, ob staatliche EZ<br />

von der Kooperation mit der Regierung des Partnerlandes abrücken kann oder<br />

sollte und andere Partner direkter einbezogen werden können.<br />

3. Konfliktsensible Strategien in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

Die Erfahrungen in vielen Ländern zeigen, dass geeigneten Konfliktstrategien im<br />

Rahmen der EZ eine große Bedeutung beizumessen ist. In vielen Fällen könnten<br />

gezieltere Anstrengungen unternommen werden, um eine konfliktorientierte EZ zu<br />

planen und umzusetzen. Hier haben die Erkenntnisse bislang noch nicht dazu<br />

geführt, neue Konfliktstrategien zu erproben oder anzuwenden (etwa durch konfliktorientierte<br />

Ländergespräche).<br />

Konfliktstrategien können zum einen die Anstrengungen der EZ bündeln, die auf<br />

Krisenprävention und Konfliktbearbeitung ausgerichtet sind. Dies kann durch den<br />

gezielten Einsatz des Politikdialogs sowie von allgemeinen oder sektor- und projektspezifischen<br />

Auflagen, das Mittelvolumen, die Wahl der EZ-Instrumente (TZ,<br />

FZ oder nicht-staatliche EZ) und speziellen Konfliktmaßnahmen erfolgen. Zum<br />

anderen wäre eine bessere Einbettung der EZ in andere Friedensbemühungen –<br />

etwa der Außenpolitik und Diplomatie – besser zu gewährleisten.<br />

4. Handlungsfelder: Konfliktsensible Projekte und Programme<br />

Seit Beginn der 90er Jahre werden verschiedene konfliktspezifische EZ-<br />

Maßnahmen in der Praxis eingesetzt. Hierzu liegen mittlerweile zahlreiche Erfahrungsberichte<br />

vor, die eine überwiegend positive Bewertung zulassen. Dies umfasst<br />

beispielsweise Maßnahmen zur Demobilisierung und Reintegration von Ex-<br />

54


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

Kombattanten, die Minenbeseitigung und die Stabilisierung von Regionen oder<br />

Ländern durch umfassende und flexible Programmpakete. Auch andere Maßnahmen<br />

mit politiknahen Zielen – wie etwa die Förderung von Demokratie und Menschenrechten<br />

– haben eine große inhaltliche Nähe zur Aufgabe der Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung.<br />

Die zur Verfügung stehende Palette konfliktspezifischer Maßnahmen ist dennoch<br />

bislang eher eingeschränkt. In Bereichen wie „Aussöhnung“ und „Mediation“ sind<br />

beispielsweise die Erfahrungen der staatlichen EZ begrenzt. Hilfreich wären deshalb<br />

verstärkte Bemühungen, neue konfliktspezifische Maßnahmen zu entwickeln<br />

oder aus anderen Wissens- oder Anwendungsbereichen (z.B. Psychologie) für die<br />

EZ zu übertragen.<br />

5. Wirkungen in Konfliktsituationen<br />

Seit einigen Jahren wird verstärkt über die Wirkungen von EZ in Konfliktsituationen<br />

nachgedacht. Dies umfasst sowohl den Komplex der nichtintendierten negativen<br />

Wirkungen, der vielfach unter dem Stichwort „Do no harm“ zusammengefasst<br />

wird, als auch die Frage des Nachweises von positiven Wirkungen. Während verschiedene<br />

Fallstudien zeigen konnten, dass EZ in vielfältiger Form negative Wirkungen<br />

im Hinblick auf Konfliktsituationen entfalten kann, ist noch immer der plausible<br />

Nachweis schwer zu erbringen, dass bestimmte Spannungen, die nicht eskalierten,<br />

auf das beabsichtigte Wirken von EZ kausal zurückzuführen ist.<br />

Insgesamt hat sich deshalb die Notwendigkeit gezeigt, ein Instrument zur systematischen<br />

Wirkungsbeobachtung (Conflict Impact Assessment) zu entwickeln und<br />

anzuwenden. Dies gilt sowohl für die Gesamtwirkungen von EZ in einem Land als<br />

auch für die Wirkungen einzelner Maßnahmen.<br />

Bisher wurden in die Debatte über die Wirkungsbeobachtung zwar schon einige<br />

konzeptionelle Ideen eingebracht, die aber bislang noch keine ausreichende Praxisorientierung<br />

aufweisen und keine angemessene Praxiserprobung nachweisen<br />

können. In Deutschland steht die Diskussion über ein Instrument zur Wirkungserfassung<br />

noch am Anfang.<br />

6. Konfliktsensibilisierung der EZ-Institutionen<br />

Zu den wichtigsten Aufgaben zählt die Frage der Sensibilisierung der EZ-Akteure<br />

gegenüber dem Thema „Krisenprävention und Konfliktbearbeitung“. Die verschiedenen<br />

Konzepte der Institutionen zeigen ein allgemein rasch gewachsenes Interesse<br />

am Thema, das prinzipiell positiv zu bewerten ist. Dennoch sind auf diesem<br />

Gebiet weitere Bemühungen erforderlich, um die Aufgabe auf allen Ebenen der<br />

EZ-Institutionen als „Querschnittsthema“ verankern zu können. Vordringlich ist die<br />

Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter/-innen zum Thema „EZ in Konfliktsituationen“.<br />

55


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

Auf diesem Gebiet wurden bislang vorrangig vereinzelte Bemühungen, aber keine<br />

systematischen Anstrengungen unternommen.<br />

7. Kooperation verschiedener Akteure<br />

Grundsätzlich stimmen alle politischen Akteure und Politikfelder (Außenpolitik, Diplomatie,<br />

Entwicklungspolitik etc.) auf allen Ebenen (bilaterale, regionale und internationale<br />

Akteure) darin überein, dass gemeinsame Anstrengungen notwendig<br />

sind, um wirksam Krisenprävention und Konfliktbearbeitung leisten zu können. Der<br />

Versuch zur Umsetzung dieser Erkenntnis in konkrete Schritte ist aber bislang<br />

noch nicht zu erkennen. Erforderlich wäre zunächst die Diskussion der Frage, wie<br />

eine engeres und abgestimmteres Vorgehen überhaupt aussehen könnte.<br />

8. Resümee<br />

Insgesamt hat das Thema „Krisenprävention und Konfliktbearbeitung als Aufgabe<br />

der EZ“ eine rasche Verbreitung und eine große Akzeptanz gefunden. Konzeptionell<br />

wurden wichtige Grundlagen geschaffen. Hierin ist ein wichtiges positives Ergebnis<br />

der Debatte der 90er Jahre zu sehen.<br />

Die Ergebnisse müssen jedoch in einigen Bereichen ergänzt und vor allem im<br />

Rahmen der operativen und nichtoperativen Tätigkeiten (konfliktspezifische Maßnahmen,<br />

Konfliktstrategien etc.) angemessen umgesetzt werden. Bei der Umsetzung<br />

der Erkenntnisse in konkrete Schritte ist deshalb der dringlichste Handlungsbedarf<br />

für die kommenden Jahre zu konstatieren.<br />

Eine Gefahr kann prinzipiell darin bestehen, dass dem Einflusspotenzial und den<br />

Möglichkeiten der EZ eine zu große Bedeutung beigemessen wird. Dies kann<br />

mittelfristig eine „Ernüchterung“ zur Folge haben und dazu beitragen, den Blick für<br />

die relativen Stärken und Möglichkeiten der EZ auf dem Gebiet der Krisenprävention<br />

und Konfliktbearbeitung zu verstellen.<br />

56


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

Prof. Dr. Franz Nuscheler<br />

Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg<br />

Willy Brandt brachte das zu lösende Problem auf den Punkt: „Ohne Frieden ist<br />

alles nichts“ – und kann auch Entwicklungshilfe nur noch Nothilfe leisten. Wo Krieg<br />

herrscht, kann keine Entwicklungspolitik stattfinden. Es scheint deshalb geboten,<br />

auch das Instrument der EZ zur Krisenprävention und Friedenssicherung zu nutzen.<br />

Entwicklungspolitik hat sich immer auch als „weltweite Friedenspolitik“ verstanden<br />

(bzw. verkauft), aber als solche die Bewährungsprobe nicht bestanden.<br />

Hat sie nun bessere Chancen, mit schrumpfenden Mitteln eine Herkulesaufgabe<br />

zu bewältigen? Ich fürchte: nein!<br />

Die Konzepte für eine als „präventive Sicherheitspolitik“ verstandene Entwicklungspolitik<br />

liegen auf dem Tisch:<br />

Œ<br />

Œ<br />

Die „Agenda für den Frieden“ von 1992 und der von VN-Generalsekretär Kofi<br />

Annan 1998 vorgelegte „Report on the Causes of Conflict and the Promotion of<br />

Durable Peace and Sustainable Development in Africa“;<br />

Die vom DAC 1997 den Mitgliedstaaten empfohlenen „Guidelines on Conflict,<br />

Peace and Development“;<br />

Œ Das im November 1998 vom EU-Ministerrat beschlossene Konzept zur „Rolle<br />

der Entwicklungszusammenarbeit bei friedensschaffenden Maßnahmen sowie<br />

der Verhütung und Lösung von Konflikten“, das u.a. der Europäischen Entwicklungspolitik<br />

neben der Koordinationsfunktion eine wichtige Vermittlerfunktion<br />

zwischen der EU-Ebene und einzelstaatlichen Handlungsebene zuwies;<br />

Œ<br />

Das von der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF) vorgelegte Policy Paper<br />

Nr.12 zur „effektiven Krisenprävention“, das durchdachte Vorschläge machte,<br />

wie eine wirksame Krisenprävention hierzulande organisiert werden müsste.<br />

In prinzipiellen Einsichten zu den Konfliktursachen und den daraus abgeleiteten<br />

Handlungsimperativen zur Krisenprävention gab es in diesen Dokumenten eine<br />

weitgehende Übereinstimmung. Es mangelt nicht an Wissen, was getan werden<br />

sollte. Aber sie alle überfordern das Potenzial der Entwicklungspolitik, vor allem<br />

dann, wenn sie auf die EZ verkürzt wird. Natürlich ist es sinnvoll, was z.B. die SEF<br />

zum Aufbau einer nationalen „Infrastruktur zur Krisenprävention und zum friedlichen<br />

Konfliktmanagement“ vorschlägt, weil hier Deutschland einen Nachholbedarf<br />

hat.<br />

Aber noch wichtiger wäre erstens eine bessere Abstimmung von Außen-, Sicherheits-,<br />

Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik zwischen den beteiligten und<br />

häufig konkurrierenden Ressorts und zweitens eine bessere Koordination zwischen<br />

nationaler, europäischer und globaler Handlungsebene. Hier liegt das<br />

Kernproblem! Es gibt keinen Mangel an early warning, aber einen Mangel an early<br />

action. Die Herausforderung an Politik und Wissenschaft gleichermaßen lautet<br />

57


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

also, wie die viel beschworene Lücke zwischen early warning und early action geschlossen<br />

werden kann. Damit soll nicht einem „blinden Interventionismus“ das<br />

Wort geredet werden. Early action muss sich an Erfahrungswerten und Indikatoren<br />

aus vorangegangenen und vergleichbaren Situationen orientieren und möglichst<br />

auf verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Ebenen konstruktive Konfliktbearbeitung<br />

betreiben.<br />

Dabei sind im Präventionsbereich positive Anreize vielversprechender als negative<br />

Sanktionsinstrumente, die erst in zugespitzteren Konfliktkonstellationen Wirkung<br />

zeigen können. In diesem Zusammenhang sollte auch die Sogwirkung bestehender<br />

Institutionen auf Anrainerstaaten nicht unterschätzt werden. Die friedliche<br />

Entwicklung in den Ländern Mittel- und Osteuropas ist neben den eigenen gesellschaftlichen<br />

Zivilisierungsleistungen auch ein Ergebnis ihrer Anwärterschaft auf<br />

NATO und EU.<br />

Die Kernthese lautet also:<br />

Eine wirksame Krisenprävention, z.B. in Afrika, ist durch eine parzellierte bilaterale<br />

EZ fast unmöglich. Hier ist der Multilateralismus gefordert, zunächst das Instrumentarium<br />

des VN-Systems (das aber nicht durch Mittelkürzungen geschwächt<br />

werden dürfte) und der OSZE im regionalen Rahmen, aber auch die GASP (Gemeinsame<br />

Außen- und Sicherheitspolitik) und die Europäische Entwicklungspolitik.<br />

Wenn 15 EU-Staaten ihr eigenes interessengeleitetes Süppchen kochen, können<br />

sie keine friedenspolitische Wirksamkeit erzielen oder eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik<br />

betreiben. Im Verhältnis zum Süden, im besonderen zu den<br />

AKP-Staaten, gehört die EZ zum Marschgepäck der GASP.<br />

An zwei Beispielen sollen die Chancen der langfristigen Friedenssicherung durch<br />

die EU verdeutlicht werden, die keine bilaterale EZ ermöglichen kann, auch wenn<br />

sie eine gute institutionelle Infrastruktur zur Krisenprävention hätte:<br />

Œ Die EU könnte sich am Aufbau von afrikanischen Sicherheitsstrukturen beteiligen,<br />

die die OAU (Organisation of African Unity) und Regionalorganisationen<br />

befähigen, aus eigener Kraft präventiv oder intervenierend tätig zu werden.<br />

Hier geht es um Ausbildungshilfe und logistische Unterstützung.<br />

Œ Die Konflikte in Zentralafrika können nur in einem regionalen Rahmen gelöst<br />

werden. Die EU hat die Option, mangels vitaler Interessen in zynischer Distanz<br />

der weiteren Chaotisierung der Region um die Großen Seen zuzuschauen<br />

oder zumindest den Versuch zu unternehmen, zur Entschärfung eines scheinbar<br />

unlösbaren Konfliktszenarios beizutragen. Was könnte und sollte sie tun?<br />

Sie sollte – ähnlich dem Stabilitätspakt, den sie auf dem Balkan anbietet – das<br />

Angebot machen, durch massive Strukturhilfe den Aufbau einer neuen Ostund<br />

Zentralafrikanischen Gemeinschaft zu unterstützen, in der künstliche<br />

Grenzen als Konfliktursachen ihre Bedeutung verlieren. Ohne ein Hilfsangebot<br />

von außen, das die Bündelung der EU-Kräfte voraussetzen würde, hätte ein<br />

58


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

solches Projekt der langfristigen Friedenssicherung keine Realisierungschance.<br />

Natürlich können bilaterale Bemühungen punktuell zur Entschärfung von Konflikten<br />

beitragen, aber sicherlich nicht durch Angehörige des geplanten Zivilen Friedensdienstes,<br />

sondern eher durch ortserfahrene Diplomaten und Entwicklungsexperten.<br />

Es wäre sinnvoller, sie und Angehörige von Polizei und Bundeswehr – etwa<br />

in einer Akademie für internationale Friedensmissionen – gezielter auf Aufgaben<br />

der Konfliktbearbeitung vorzubereiten als konkurrierende Parallelorganisationen<br />

aufzubauen. Es mag sinnvoll sein, im eigenen Land Kapazitäten zur Informationsbeschaffung,<br />

Frühwarnung und zu Feuerwehreinsätzen aufzubauen, aber<br />

noch sinnvoller wäre, das im Aufbau befindliche EU-Netzwerk zur Krisenprävention<br />

und die bereits bestehenden VN-Einrichtungen mir hinreichend Kapital und<br />

Personal auszustatten.<br />

Fazit:<br />

Der Bilateralismus ist ungeeignet für eine erfolgversprechende Krisenprävention<br />

und Friedenssicherung. Und wenn die Politik – aus welchen Gründen auch immer<br />

– trotzdem auf den Bilateralismus setzen sollte, dann müsste sie die Prävention<br />

zunächst als ressortübergreifende Querschnittsaufgabe organisieren. Was ansonsten<br />

getan werden müsste und wie die Zivilgesellschaft in die Konfliktbearbeitung<br />

eingebunden werden sollte, zeigt in überzeugender Weise das Policy Paper der<br />

SEF. Aber auch das Engagement und die Professionalisierung der NRO und eine<br />

funktionierende „Public-Private-Partnership“ in der Krisenprävention können nicht<br />

Kohärenzprobleme im politischen Management ausbügeln.<br />

Dem Einwand, dass die GASP noch nicht funktioniert und die Europäische Entwicklungspolitik<br />

nicht viel Meriten vorweisen kann, halte ich entgegen, dass auch<br />

die bilaterale Konfliktprävention zunächst nur ein politisches Ziel darstellt und bisher<br />

nur in Konzeptpapieren funktioniert. Die Politik sollte vorsorglich keine Illusionen<br />

über die Chancen effektiver Krisenprävention nähren.<br />

59


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

Manfred Sollich, Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe<br />

1. Perspektive<br />

Friedenssicherung und Krisenprävention werden aus den Erfahrungen der Kirchlichen<br />

Entwicklungszusammenarbeit und insbesondere aus den Erfahrungen der<br />

Personellen Zusammenarbeit heraus betrachtet.<br />

2. Kirchliche Entwicklungsarbeit ist Arbeit am Frieden<br />

Kirchliche Entwicklungsarbeit geht von einem integralen Verständnis menschlicher<br />

Entwicklung aus und zielt darauf, menschenwürdige Lebensbedingungen und<br />

mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Dies sind unabdingbare Voraussetzungen<br />

für Frieden und für die Vermeidung von Gewalt. Wir kennen das Wort: „Entwicklung<br />

ist der neue Name für Frieden.“<br />

3. Es geht nicht darum, Konflikte oder Krisen zu verhindern, sondern Gewalt<br />

Die Erfahrungen kirchlicher Entwicklungszusammenarbeit haben gezeigt, dass<br />

nicht Konflikte oder Krisen die eigentlichen Herausforderungen sind. Die Vermeidung<br />

von Gewaltanwendung in der Konfliktaustragung ist die eigentliche Aufgabe.<br />

Grundsätzlich beinhalten Konflikte und Krisen auch positives Potenzial im Sinne<br />

notwendigen gesellschaftlichen Wandels.<br />

4. Herausforderung: Unterstützung der Partner, Konflikte konstruktiv zu bearbeiten<br />

Die Praxis hat gezeigt, dass es nicht selten darum geht, Partnern zu helfen, konfliktfähig<br />

zu werden. Das bedeutet unter anderem, Konfliktursachen zu analysieren<br />

und gesellschaftsrelevante Beiträge zu friedlichen Lösungen einbringen zu können.<br />

5. Nutzung von vorhandenem Potenzial für Konfliktlösungen<br />

Diese Befähigung muss nicht unbedingt im Transfer von Wissen aus dem Norden<br />

in die Krisenregionen bestehen. Nicht selten verfügen die Menschen vor Ort über<br />

kulturell angepasstere Methoden und Instrumente, Konflikte nach friedlichen Regeln<br />

zu lösen. Die Unterstützung der Partner kann dann darin bestehen, regionale<br />

Kenntnisse zu systematisieren und auf den konkreten Fall hin anzupassen. Die<br />

Vernetzung unterschiedlicher Erfahrungen und von geeigneten Personen aus der<br />

Region gehört in diesen Bereich.<br />

60


ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />

6. Dauerhafter Frieden kann nicht von außen gebracht werden<br />

Entwicklung und Frieden sind Prozesse, die im wesentlichen von den Menschen<br />

vor Ort getragen und immer wieder gestaltet werden müssen. Weder militärische<br />

noch zivile Interventionen von außen können auf Dauer Frieden erwirken. Ein<br />

Wechsel der Perspektive tut Not. Nicht wir sind es, die die Partner an Friedenssicherung<br />

und Krisenprävention beteiligen. Sie beteiligen uns. Die Devise lautet:<br />

Keine Intervention ohne lokale Partner.<br />

7. Stärkung vorhandener Strukturen vs. Aufbau von neuen Strukturen<br />

Wann immer möglich, muss die Stärkung vorhandener Strukturen und Organisationen<br />

Vorrang haben. Es geht darum, Wege zu finden, vorhandene Potenziale zu<br />

erkennen, auszubauen, zu stärken und Menschen handlungsfähig zu machen.<br />

Dies korrespondiert auch mit der Erfahrung, dass Prozesse, die zu friedlichen<br />

Entwicklungen führen sollen, in aller Regel langwierig sind. Partner aus Krisenregionen<br />

beklagen sich zu Recht, dass sich von außen aufgebaute Organisationen<br />

nach Abflauen des Interesses oder der Mittel unvermittelt aus der Region zurückziehen.<br />

Der hinterlassene Schaden übertrifft oft den Nutzen.<br />

8. Vernetzung von Erfahrungen und Akteuren<br />

Besonders in Konfliktregionen finden sich die Partnerorganisationen häufig in isolierten<br />

Situationen. Es gibt ausreichend Beispiele aus der kirchlichen Entwicklungs-<br />

und Friedensarbeit, die belegen, dass „von außen“ mitunter leichter Kontakte<br />

und Austausch hergestellt werden können, als durch die in der Konfliktregion<br />

lebenden Menschen selbst. Ein Beispiel dafür ist der „Kongress der Konfliktschlichter“,<br />

der von der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung<br />

(GKKE) Mitte der 90er Jahre organisiert worden ist. Dieser Kongress schuf erstmalig<br />

Raum für einen Erfahrungsaustausch zu Strategien, Methoden und Instrumenten<br />

der zivilen Konfliktbearbeitung für Akteure aus El Salvador, Guatemala<br />

und dem Horn von Afrika.<br />

9. Internationale Öffentlichkeit als Schutz- und Druckmittel<br />

Internationale Öffentlichkeit kann entscheidend dazu beitragen, dass Konflikte<br />

nicht eskalieren und dass „Konfliktverschärfer“ davon abgehalten werden, zum<br />

Mittel der Gewaltanwendung zu greifen. Daraus folgt die Notwendigkeit, gezielte<br />

internationale Informations- und Lobbyarbeit zu unterstützen. In diesen Bereich<br />

fallen Menschrechtsbeobachtungen und Begleitung von Wahlbeobachtung. Kirchliche<br />

Friedensarbeit kann dabei auf etablierte Strukturen zurückgreifen. Es kommt<br />

auf ein Zusammenspiel der verschiedenen Handlungsebenen und Instrumente an.<br />

61


ANHANG. PROGRAMM<br />

Symposium des Bereichs 3 in Zusammenarbeit mit der Abt. 43<br />

„Friedenssicherung und Krisenprävention in der Arbeit der GTZ“<br />

Zeitpunkt / Ort: Freitag, 26. November 1999 / GTZ, Raum 3150<br />

10:00 Uhr Begrüßung<br />

durch Dr. Hans-Dietrich Pallmann, Geschäftsführer der GTZ<br />

10:15 Uhr Einführung<br />

„Friedenspolitik und Krisenprävention als Strategieelemente<br />

des BMZ“<br />

Referent: MR Adolf Kloke-Lesch, Leiter Referat 304, BMZ<br />

„Thesen zur Zukunft der Krisenprävention in der TZ“<br />

Referent: Bernd Hoffmann, Leiter Abteilung 43, GTZ<br />

10:45 Uhr Präsentation ausgewählter Projekte<br />

12:30 – 14:00 Uhr Mittagessen<br />

- Förderung der Flüchtlingsbehörde (Uganda)<br />

Präsentation: Gerald Duda<br />

- Jaffna Rehabilitation Project (Sri Lanka)<br />

Präsentation: Jürgen Hörner<br />

- Programmschwerpunkt Förderung von Demokratie und<br />

Beachtung von Menschenrechten (Guatemala)<br />

Präsentation: Dr. Christian Salazar Volkmann<br />

- Förderung der Rechte indigener Völker (Brasilien)<br />

Präsentation: Dr. Regine Schönenberg<br />

- Nahost-Wasserstudie (Israel, Jordanien, Palästina)<br />

Präsentation: MR Herbert Sahlmann (BMZ),<br />

Gerhard Naschold<br />

14:00 – 16:00 Uhr Podiumsdiskussion<br />

Thema: „Friedenssicherung und Krisenprävention zwischen<br />

politischem Anspruch und Praxis“<br />

Es diskutieren MR Adolf Kloke-Lesch (BMZ), Dr. Stephan Klingebiel<br />

(DIE), Manfred Sollich (AGEH), Dr. Norbert Ropers<br />

(Berghof Forschungszentrum für konstruktive Konfliktbearbeitung),<br />

Prof. Dr. Franz Nuscheler (INEF) und das Plenum<br />

Moderation: Bernd Hoffmann, Leiter Abteilung 43, GTZ<br />

16:00 Uhr Schlusswort<br />

durch Dr. Hinrich Eylers, Leiter des Bereichs „Lateinamerika,<br />

Maghreb, Nahost“, GTZ<br />

62


ANHANG. ANSCHRIFTEN DER REFERENTEN<br />

Duda, Gerald<br />

Berater der ugandischen Flüchtlingsbehörde<br />

GTZ-Office<br />

P.O. Box 10346<br />

Kampala, Uganda<br />

Tel.: 00256 / 41 / 231905<br />

Mobile:00256 / 77 / 754374<br />

E-mail:duda.gtz-uganda@ug.gtz.de<br />

gduda@swiftuganda.com<br />

Eylers, Dr. Hinrich<br />

ehem. Leiter des Bereiches „Lateinamerika,<br />

Maghreb, Nahost“, GTZ<br />

In den Weingärten 170a<br />

65760 Niederhöchstadt<br />

Tel.: 06173 / 67 404<br />

E-mail:hinrich.eylers@freenet.de<br />

Kloke-Lesch, Adolf<br />

Leiter Referat 304<br />

Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

Friedrich-Ebert-Allee 40<br />

53113 Bonn<br />

Tel.: 0228 / 535-3110<br />

E-mail:kloke@bmz.bund.de<br />

Naschold, Gerhard<br />

Seniorfachplaner, Abteilung 44<br />

Arbeitsfeld Wasser und Abfallwirtschaft<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische<br />

Zusammenarbeit (GTZ), GmbH<br />

Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />

65760 Eschborn<br />

Tel.: 06196 / 79-1365<br />

E-mail:Gerhard.Naschold@gtz.de<br />

Hoffmann, Bernd<br />

Leiter Abteilung 43<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische<br />

Zusammenarbeit (GTZ), GmbH<br />

Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />

65760 Eschborn<br />

Tel.: 06196 / 79-1303<br />

E-mail:Bernd.Hoffmann@gtz.de<br />

Nuscheler, Prof. Dr. Franz<br />

Direktor<br />

Institut für Entwicklung und Frieden<br />

(INEF), Universität Duisburg<br />

Geibelstrasse 41<br />

47057 Duisburg<br />

Tel.: 0203/ 379-4421<br />

E-mail:inef@uni-duisburg.de<br />

Hörner, Jürgen<br />

Fachplaner, Abteilung 43<br />

Arbeitsfeld Not- und Flüchtlingshilfe<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische<br />

Zusammenarbeit (GTZ), GmbH<br />

Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />

65760 Eschborn<br />

Tel.: 06196 / 79-1331<br />

E-mail:Juergen.Hoerner@gtz.de<br />

Klingebiel, Dr. Stephan<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik<br />

(DIE)<br />

Hallerstrasse 3<br />

10587 Berlin<br />

Tel.: 030 / 39073-159<br />

E-mail:Sklingebiel@t-online.de<br />

Pallmann, Dr. Hans-Dietrich<br />

Geschäftsführer<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische<br />

Zusammenarbeit (GTZ), GmbH<br />

Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />

65760 Eschborn<br />

Tel.: 06196 / 79-1603<br />

E-mail:Hans-Dietrich.Pallmann@gtz.de<br />

Ropers, Dr. Norbert<br />

Direktor<br />

Berghof Forschungszentrum für konstruktive<br />

Konfliktbearbeitung<br />

Altensteinstrasse 48a<br />

14195 Berlin<br />

Tel.: 030 / 8318090<br />

E-mail:<br />

norbert.ropers@berghof.b.shuttle.de<br />

63


ANHANG. ANSCHRIFTEN DER REFERENTEN<br />

Sahlmann, Herbert<br />

Leiter Referat 220-1<br />

Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

Friedrich-Ebert-Allee 40<br />

53113 Bonn<br />

Tel.: 0228 / 5353-3490<br />

E-mail:sahlmann@bmz.bund.de<br />

Salazar Volkmann, Dr. Christian<br />

Programm Koordinator<br />

UNICEF Guatemala<br />

Section 2202<br />

Box 025339<br />

Miami, Florida 33102 5339<br />

USA<br />

Tel.: 00 502 3 33 63 73<br />

E-mail:csalazar@unicef.org<br />

Schönenberg, Dr. Regine<br />

Freie Gutachterin<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der<br />

Goethe-Universität Frankfurt a.M.<br />

Schinkestrasse 8-9<br />

12047 Berlin<br />

Tel.: 0172 / 3026145<br />

E-mail:regschoen@aol.com<br />

Sollich, Manfred<br />

Geschäftsführer<br />

Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe<br />

(AGEH)<br />

Ripuarenstrasse 8<br />

50679 Köln<br />

Tel.: 0221 / 8896-0<br />

64

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