Untitled - Gtz
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Herausgeber:<br />
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mbH<br />
Postfach 5180<br />
65726 Eschborn, Germany<br />
Internet: http://www.gtz.de<br />
Verantwortlich:<br />
Bernd Hoffmann, GTZ<br />
Redaktion:<br />
Monika Benkler, GTZ<br />
Juni 2000
VORWORT<br />
1
VORWORT<br />
2
VORWORT<br />
„Friedenssicherung und Krisenprävention in der Arbeit der GTZ“ – nach 30-<br />
jährigem Engagement in der GTZ hat Dr. Hinrich Eylers, Leiter des Bereiches<br />
„Lateinamerika, Maghreb, Nahost“, für das Symposium anlässlich seines Ausscheidens<br />
aus dem Unternehmen ein Thema gewählt, das ihm seit langem sehr<br />
am Herzen liegt. Wir danken dem Ideengeber, dass er Raum für eine theoretische<br />
und praktische Erörterung dieser Thematik gegeben hat, die in die Zukunft weist,<br />
unter der neuen Bundesregierung eine neue Dynamik gewonnen hat und für die<br />
GTZ eine große Herausforderung darstellt. Diese Schrift ist ihm gewidmet.<br />
In den vergangenen Jahren mussten für die Behebung von Kriegs- und Katastrophenschäden<br />
zunehmend Mittel aus der klassischen Entwicklungszusammenarbeit<br />
ausgegeben werden. Darüber hinaus sind gewaltsame Auseinandersetzungen<br />
das entscheidende Entwicklungshemmnis für die betroffenen Länder – oft machen<br />
sie in kurzer Zeit jahrzehntelange Entwicklungsbemühungen zunichte. Ziel des<br />
Symposiums war es, die Möglichkeiten der Instrumente der Entwicklungspolitik<br />
und insbesondere der Technischen Zusammenarbeit zur Krisenprävention und<br />
Konfliktbearbeitung zu analysieren. Diese dürfen, so die Meinung der Teilnehmer/-<br />
innen an dem Symposium, nicht überschätzt werden. Dennoch, und das wurde<br />
anhand der dargestellten GTZ-Projekte sehr deutlich, bestehen wichtige, erfolgversprechende<br />
Ansatzpunkte für die Technische Zusammenarbeit: Die Diskussionen<br />
haben uns ermutigt, unsere Strategien und Instrumente weiterzuentwickeln.<br />
Den Referenten und Teilnehmer/-innen an dem Symposium gilt unser Dank für die<br />
engagierte Mitwirkung, für Arbeitsunterlagen, Anregungen und kritische Überlegungen.<br />
Danken möchten wir auch Marlis Weissenborn und Bernd Hoffmann für<br />
die Moderation sowie Monika Benkler für das Erstellen der Schrift.<br />
Dr. Hans-Dietrich Pallmann<br />
Geschäftsführer<br />
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)<br />
3
VORWORT<br />
Im Kabinettsbeschluss vom 11. Februar 1971 zur Verabschiedung der entwicklungspolitischen<br />
Konzeption für die zweite Entwicklungsdekade, die – wie im wesentlichen<br />
auch alle folgenden weiterführenden konzeptionellen Ausrichtungen der<br />
bundesdeutschen Entwicklungspolitik – breite Zustimmung im Bundestag fand,<br />
heißt es zu ihrer außenpolitischen Bedeutung: „Wirksame Entwicklungspolitik festigt<br />
die internationale Stellung der Bundesrepublik Deutschland. Sie vergrößert<br />
langfristig die Chancen der Friedenssicherung.“<br />
Dieser Beschluss wurde, nur wenige Wochen nach meinem Eintritt in die neue<br />
Bundesstelle für Entwicklungshilfe (bfe), Leitgedanke und Grundlage für die Aufgaben<br />
des BMZ und seiner Vorfeldorganisationen. Ziemlich genau 30 Jahre später,<br />
am Ende einer Tätigkeit, die diesen Zielen dienen sollte und wollte, war mir die<br />
Frage ebenso verlockend wie herausfordernd, an welchen Beispielen sich zeigen<br />
ließe, dass praktische Umsetzung von deutscher Entwicklungspolitik zum unverändert<br />
hohen Anspruch „Friedenssicherung“ – der durch die Bundesregierung zunehmend<br />
in unmittelbarem Zusammenhang mit Krisenprävention gesehen wird –,<br />
in sehr konkreten Konzepten und Ergebnissen zu diesem Thema geleistet worden<br />
ist.<br />
Die Idee war, diesen Nachweis im eigenen Hause zu versuchen und ihn mit Repräsentanten<br />
der entwicklungspolitischen Forschung und von Nichtregierungsorganisationen<br />
abwägend-kritisch zu diskutieren. Natürlich steckte dahinter die eigene<br />
Überzeugung, dass die Technische Zusammenarbeit (TZ) bei allem Dissens<br />
über ihre Wirksamkeit auf diesem Felde viel geleistet und vorzuzeigen hat, was<br />
durchaus der aktuellen Diskussion zugute kommen und Selbstvertrauen darüber<br />
vermitteln könnte, wo wir uns mit unseren Partnern und Auftraggebern auf richtigen<br />
Wegen befinden und wo nicht, wenn es um Konfliktbewältigung – und damit<br />
um „mehr Frieden“ – geht.<br />
Alle, die daran in den Projekten und Programmen arbeiten, wissen und merken<br />
sehr wohl, dass sie sich dabei in einem sensiblen Umfeld bewegen, das da u.a.<br />
heißt Nichteinmischung, soziokulturelle Wirklichkeit, politische Rahmenbedingungen,<br />
krisenträchtige Naturgegebenheiten. Weil das – unbeeinflussbar – so ist, hat<br />
es natürlich (nicht nur in Entwicklungsländern) dabei gravierende Misserfolge gegeben.<br />
Aber es gibt eben auch eine Reihe von ermutigenden, auch nachhaltigen<br />
positiven Beispielen, die es sich lohnt zu präsentieren und damit bewusst zu machen.<br />
Dazu reicht zwar ein eintägiges Symposium nicht aus, schon gar nicht,<br />
wenn die Befassung mit dem Thema auch den konstruktiven Dialog zwischen der<br />
GTZ und den deutschen Nichtregierungsorganisationen befördern soll. Aber es<br />
könnte doch ein signifikanter Beitrag sein und Mut zu und Lust auf mehr davon<br />
machen. Auch haben wir einiges dazugelernt über menschliche und soziale Hintergründe<br />
von friedensgefährdendem wie friedensstiftendem Tun.<br />
4
VORWORT<br />
Allen, die an diesem Symposium in der Vorbereitung, auf dem Podium, mit Ausarbeitungen<br />
sowie durch Beiträge zur Diskussion mitgewirkt haben und auch denen,<br />
die sich die Zeit zum Teilnehmen und Zuhören nahmen, danke ich dafür sehr<br />
herzlich. Sie haben mir meinen Abschied aus der „aktiven TZ“ schwer gemacht,<br />
weil ich fortan nicht mehr direkt an ihrer Kollegialität und ihrem Engagement teilhaben<br />
werde – und leichter, weil die „Bilanz“ dieses kurzen Symposiums in einem<br />
kleinen Ausschnitt gezeigt hat, wo und wie anspruchsvolle politische Erwartungen<br />
durch konkretes Handeln unter ganz unterschiedlichen Bedingungen erfüllbar<br />
sind.<br />
Dr.-Ing. Hinrich Eylers<br />
Leiter des Bereiches „Lateinamerika, Maghreb, Nahost“<br />
5
INHALT<br />
EINFÜHRUNG 9<br />
BEGRÜSSUNG 10<br />
Dr. Hans-Dietrich Pallmann<br />
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
Friedenspolitik und Krisenprävention als Strategieelemente des BMZ 12<br />
Adolf Kloke-Lesch<br />
Thesen zur Zukunft der Krisenprävention in der TZ 20<br />
Bernd Hoffmann<br />
KRISENPRÄVENTION UND KONFLIKTBEARBEITUNG IN DER PRAXIS<br />
Förderung der Flüchtlingsbehörde, Uganda 29<br />
Gerald Duda<br />
Rehabilitationsprojekt, Jaffna, Sri Lanka 34<br />
Jürgen Hörner<br />
Programmschwerpunkt Förderung von Demokratie und Beachtung<br />
von Menschenrechten, Guatemala 39<br />
Dr. Christian Salazar Volkmann<br />
Förderung der Rechte indigener Völker, Brasilien 42<br />
Dr. Regine Schönenberg<br />
Nahost-Wasserstudie, Israel / Jordanien / Palästina 45<br />
Gerhard Naschold, Herbert Sahlmann<br />
DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT 48<br />
ANHANG<br />
Schriftliche Statements 53<br />
Dr. Stephan Klingebiel, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik 53<br />
Prof. Dr. Franz Nuscheler, Universität Duisburg 57<br />
Manfred Sollich, Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe 60<br />
Programm 62<br />
Anschriften der Referenten 63<br />
7
EINFÜHRUNG<br />
Zum Thema „Friedenssicherung und<br />
Krisenprävention in der Arbeit der<br />
GTZ“ hat der Länderbereich Lateinamerika<br />
in Zusammenarbeit mit der<br />
Abteilung 43 (Gesundheit, Bildung,<br />
Ernährung, Nothilfe) des Bereiches<br />
Planung und Entwicklung am 26. November<br />
1999 ein Symposium veranstaltet.<br />
Mitarbeiter/-innen der GTZ,<br />
aber auch zahlreiche Vertreter/-innen<br />
wissenschaftlicher Institutionen sowie<br />
des Bundesministeriums für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ) nahmen an der Veranstaltung<br />
teil, zu der Dr. Hans-Dietrich<br />
Pallmann, Geschäftsführer der<br />
GTZ, begrüßte.<br />
Zwei einführende Referate steckten<br />
das Terrain ab: Ministerialrat Adolf<br />
Kloke-Lesch, Leiter des Referates<br />
304 im BMZ (Außen- und Sicherheitspolitik,<br />
Friedensentwicklung und<br />
Krisenprävention, Menschenrechte,<br />
Forschung), sprach zum Thema<br />
„Friedenspolitik und Krisenprävention<br />
als Strategieelemente des BMZ“;<br />
Bernd Hoffmann, Leiter der Abteilung<br />
43, formulierte zehn Thesen zur Zukunft<br />
der Krisenprävention in der<br />
Technischen Zusammenarbeit.<br />
Die beiden Reden wurden ergänzt<br />
um fünf Projektbeispiele der Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung,<br />
die von Mitarbeiter/-innen der GTZ<br />
präsentiert wurden:<br />
(1) Förderung der Flüchtlingsbehörde,<br />
Uganda: Gerald Duda, GTZ-<br />
Berater der ugandischen Flüchtlingsbehörde;<br />
(2) Rehabilitationsprojekt, Jaffna, Sri<br />
Lanka: Jürgen Hörner, Fachplaner,<br />
Abteilung 43, Arbeitsfeld Not- und<br />
Flüchtlingshilfe;<br />
(3) Programmschwerpunkt Förderung<br />
von Demokratie und Beachtung von<br />
Menschenrechten, Guatemala: Dr.<br />
Christian Salazar Volkmann, GTZ-<br />
Regierungsberater für Jugend / Auftragsverantwortlicher<br />
für Menschenrechtsprojekte<br />
in Guatemala;<br />
(4) Förderung der Rechte indigener<br />
Völker, Brasilien: Dr. Regine Schönenberg,<br />
freie Gutachterin;<br />
(5) Nahost-Wasserstudie (Israel, Jordanien,<br />
Palästina): Ministerialrat Herbert<br />
Sahlmann, Leiter des BMZ-<br />
Referates 220-1 (Nahost, Türkei);<br />
Gerhard Naschold, Seniorfachplaner,<br />
Abteilung 44, Arbeitsfeld Wasser und<br />
Abfallwirtschaft.<br />
Marlis Weissenborn, Regionalleiterin<br />
Lateinamerika Süd (OE 3020), moderierte<br />
diesen ersten Teil der Veranstaltung.<br />
Um die „Innenansicht“ zu den Themen<br />
Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />
um eine „Außenansicht“<br />
anzureichern, waren neben Ministerialrat<br />
Kloke-Lesch auf das Podium<br />
gebeten worden: Dr. Stephan Klingebiel,<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik<br />
(DIE), Prof. Dr. Franz Nuscheler,<br />
Direktor des Institutes für<br />
Entwicklung und Frieden (INEF) an<br />
der Universität Duisburg, Dr. Norbert<br />
Ropers, Direktor des Berghof Forschungszentrums<br />
für konstruktive<br />
Konfliktbearbeitung, und Manfred<br />
Sollich, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft<br />
für Entwicklungshilfe<br />
(AGEH). Gemeinsam mit dem Plenum<br />
diskutierten die Experten unter<br />
der Moderation von Bernd Hoffmann<br />
das Thema „Friedenssicherung und<br />
Krisenprävention zwischen politischem<br />
Anspruch und Praxis“.<br />
9
BEGRÜSSUNG<br />
Dr. Hans-Dietrich Pallmann<br />
Namens der Geschäftsführung begrüße<br />
ich Sie sehr herzlich zu unserer<br />
heutigen Fachveranstaltung zum<br />
Thema „Friedenssicherung und Krisenprävention<br />
in der Arbeit der GTZ“.<br />
Ich begrüße ganz besonders unseren<br />
bald scheidenden Bereichsleiter für<br />
Lateinamerika, Maghreb und Nahost,<br />
Herrn Dr. Eylers. Die Veranstaltung<br />
geht auf seinen Wunsch, auf seine<br />
Idee, auf seine Initiative zurück. Er<br />
hat sich zum Abschluss ein Fachsymposium<br />
gewünscht zu einem<br />
Thema, das ihm aufgrund der persönlichen<br />
Erfahrung seiner Arbeit –<br />
sicherlich auch aufgrund der Arbeit in<br />
den vergangenen Jahren im Bereich<br />
Nahost – besonders am Herzen liegt:<br />
Friedenssicherung und Krisenprävention.<br />
Das Thema hat unter der neuen Bundesregierung<br />
eine stärkere Dynamik<br />
gewonnen. Es ist kein neues Thema,<br />
aber es ist neu akzentuiert worden.<br />
Entwicklungspolitik wird seit etwa einem<br />
Jahr als Teil der Friedenspolitik<br />
ausgerichtet, und auch die Debatte<br />
um einen erweiterten Sicherheitsbegriff,<br />
zu dem Entwicklungspolitik gehört,<br />
wird heute intensiver geführt. Ich<br />
begrüße es, dass mit dieser Diskussion<br />
ein Beitrag zur Stärkung des Politikfeldes<br />
„Entwicklungspolitik“ geleistet<br />
werden kann, mit dem Anspruch,<br />
zum Umgang mit Krisen – nicht nur<br />
fernab, sondern auch sehr nahe, bei<br />
uns in Europa – wirkungsvoll beizutragen.<br />
Nicht nur in Form einer allgemeinen<br />
Ursachenbekämpfung – das<br />
hat die Entwicklungspolitik schon immer<br />
für sich in Anspruch genommen<br />
–, sondern sehr viel gezielter in Form<br />
von Frühwarnsystemen, durch Verhinde-rung<br />
von Krisen oder durch<br />
gewalt-freie Bearbeitung von Konflikten.<br />
Ich bin überzeugt davon, dass<br />
damit ein Beitrag zur stärkeren Signifikanz<br />
von Entwicklungspolitik geleistet<br />
werden und damit auch die Akzeptanz<br />
unserer Entwicklungszusammenar-beit<br />
in der öffentlichen<br />
Meinung verstärkt werden kann. Darauf<br />
sind wir nicht zuletzt angesichts<br />
der finanziellen Situation, in der sich<br />
die Entwicklungspolitik befindet, dringend<br />
angewiesen.<br />
Die GTZ hat das Thema „Krisenprävention,<br />
Konfliktbearbeitung“ schon<br />
vor längerer Zeit aufgegriffen, sowohl<br />
konzeptionell wie instrumentiell. Es<br />
gibt eine Reihe von hervorragenden<br />
konzeptionellen Beiträgen, nicht zuletzt<br />
aus der Abteilung „Gesundheit,<br />
Bildung, Ernährung, Nothilfe“. Die<br />
GTZ hat ein bereichsübergreifendes<br />
Thementeam eingerichtet, das sich<br />
strategisch mit dem Thema auseinandersetzt;<br />
über feste Ansprechpartner<br />
in den Regionalbereichen wird die<br />
Verbindung zwischen der gedanklichen<br />
und der praktisch-operativen<br />
Arbeit hergestellt. Darüber hinaus<br />
haben wir eine besondere Arbeitseinheit<br />
geschaffen, die sich mit der Qualifizierung,<br />
Vorbereitung und Betreuung<br />
von Personen beschäftigt, die in<br />
Krisengebiete ausreisen oder sich mit<br />
Konflikten auseinander setzen müssen.<br />
Die GTZ sieht in dem Thema „Krisenprävention“<br />
und den möglichen<br />
Beiträgen, die wir dazu leisten können,<br />
eine große Herausforderung.<br />
Wie können wir dazu beitragen, dass<br />
Entwicklung – die ja immer Verände-<br />
10
BEGRÜSSUNG<br />
rung gesellschaftlicher Prozesse bedeutet<br />
– gewaltfrei, möglichst friedlich<br />
vonstatten geht und trotzdem Veränderungen<br />
bewirkt? Wir wollen in diesem<br />
Bereich unser Dienstleistungsangebot<br />
verbessern; wir möchten,<br />
dass die TZ – und über die TZ auch<br />
die GTZ – ihre Rolle im nationalen<br />
wie internationalen Kontext auf diesem<br />
Feld stärkt. Es ist klar: Wir wollen<br />
nicht Konflikte verhindern – sie<br />
sind Teil von Entwicklungen –, aber<br />
wir wollen ihre gewaltfreie Austragung<br />
fördern.<br />
Einige der Beispiele, die heute hier<br />
vorgestellt werden, werden belegen,<br />
dass TZ eine ganze Menge tun kann.<br />
Sie ist ein preiswertes und humanes<br />
Instrument in diesem Zusammenhang.<br />
Natürlich muss sie sorgfältig an<br />
die jeweiligen konkreten Bedingungen<br />
angepasst werden.<br />
Von Beispielen wird heute die Rede<br />
sein. Hoffentlich von best practices,<br />
aus denen gelernt werden kann und<br />
gelernt werden soll. Wir verstehen<br />
uns als GTZ als lernende Organisation<br />
im allgemeinen, aber auch besonders<br />
auf diesem Feld. Wir haben<br />
den Schlüssel zur Lösung der Probleme<br />
nicht etwa griffbereit in der<br />
Hand, und wir wissen, dass das auch<br />
bei anderen Organisationen so ist.<br />
Ich wünsche Ihnen einen spannenden,<br />
inhalts- und ergebnisreichen<br />
Tag. Ich bedanke mich nochmals bei<br />
dem Ideengeber, Dr. Eylers, und danke<br />
für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
Ich würde gerne noch eine persönliche<br />
Bemerkung hinzufügen. Ich kenne<br />
die Projekte, die heute vorgestellt<br />
werden sollen, nicht aus eigenem<br />
Augenschein. Ich kenne aber ein anderes<br />
Projekt, das mich sehr beeindruckt<br />
hat: das Versöhnungsprojekt<br />
zwischen den Tuareg und den sesshaften<br />
Bauern in Mali. Ich habe es in<br />
diesem Jahr einige Tage lang besucht<br />
und feststellen können, welchen<br />
hervorragenden Beitrag Technische<br />
Zusammenarbeit unter bestimmten<br />
politischen Voraussetzungen<br />
bei der Stabilisierung von Versöhnungsprozessen<br />
und bei der Wiedergewinnung<br />
der ökonomischen<br />
Grundlage als wichtigste Voraussetzung<br />
für Entwicklung leisten kann.<br />
Das ist beispielgebend, und ich<br />
wünschte mir, dass wir in anderen<br />
Krisensituationen ähnlich erfolgreich<br />
arbeiten können.<br />
11
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
Friedenspolitik und Krisenprävention als Strategieelemente des BMZ<br />
Adolf Kloke-Lesch<br />
1. Krisenprävention – eine neue<br />
modische Leerformel in der Entwicklungspolitik?<br />
Angesichts der Fülle an politischen<br />
Erklärungen, Publikationen und Veranstaltungen<br />
zu diesem Thema ist<br />
mancher leicht versucht, diese gelegentlich<br />
polemisch gestellte Frage zu<br />
bejahen. Natürlich haben Begriffe und<br />
Ideen ihre Konjunkturen. Diese Konjunkturen<br />
sind aber auch wichtig, um<br />
neue oder besondere Herausforderungen<br />
in der praktischen Politik zu<br />
verankern. Anhand von zwei Fragestellungen<br />
wird deutlich, dass es sich<br />
bei der Krisenprävention für die Entwicklungspolitik<br />
um ein Zukunftsthema<br />
handelt.<br />
Erste Fragestellung:<br />
Warum werden Krisenprävention und<br />
Konfliktbearbeitung zu drängenden<br />
Aufgaben in der Weltgesellschaft des<br />
21. Jahrhunderts ?<br />
Drei Antworten:<br />
(1) Bei Andauern der gegenwärtigen<br />
Muster von Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung<br />
werden die sozialen<br />
Disparitäten zwischen und innerhalb<br />
der Staaten sowie der Druck auf<br />
die natürlichen Lebensgrundlagen<br />
weiter zunehmen. Damit wächst das<br />
strukturelle Konfliktpotenzial regional<br />
wie global weiter an.<br />
(2) Die Fähigkeit von Gesellschaften,<br />
auf konstruktive und friedliche Weise<br />
mit ihren Konflikten umzugehen, wird<br />
in zahlreichen Ländern durch Desintegration,<br />
Fragmentierung und Zerfall<br />
staatlicher und gesellschaftlicher<br />
Strukturen beeinträchtigt. Die fortschreitende<br />
Globalisierung dürfte diese<br />
Probleme eher verschärfen. In der<br />
Folge kommt es insbesondere zu<br />
ethno-sozialen Modernisierungs- und<br />
Identitätskonflikten.<br />
(3) Nachdem die globale Sicherheitsarchitektur<br />
jahrzehntelang wesentlich<br />
durch den Ost-West-Gegensatz und<br />
die atomare Abschreckung geprägt<br />
war, zeichnet sich bislang für die<br />
Weltgesellschaft kein neues prägendes<br />
Ordnungsmuster ab. Es fehlen<br />
leistungsfähige und allgemein anerkannte<br />
globale Sicherheitsstrukturen,<br />
in denen Grenzkonflikte, Sezessionskriege<br />
und gewaltsame innerstaatliche<br />
Auseinandersetzungen bewältigt<br />
sowie die neuen geopolitischen Kraftzentren<br />
integriert werden können.<br />
Zweite Fragestellung:<br />
Warum sind Krisenprävention und<br />
Konfliktbearbeitung auch Aufgaben<br />
der Entwicklungspolitik?<br />
Drei Antworten:<br />
(1) Entwicklung braucht Frieden. Gewaltsame<br />
Konflikte haben immer wieder<br />
Entwicklungserfolge gefährdet<br />
oder zerstört. Die Entwicklungspolitik<br />
muss deshalb allein schon aus Eigeninteresse<br />
das ihr Mögliche tun,<br />
um zu Krisenprävention und gewaltfreier<br />
Konfliktbearbeitung beizutragen.<br />
12
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
(2) Konflikte sind integraler Bestandteil<br />
gesellschaftlicher Prozesse. Entwicklungspolitik<br />
findet immer – gewollt<br />
oder ungewollt – in einem Umfeld<br />
von Konflikten statt und wirkt<br />
damit auf Konflikte ein – sei es konfliktverschärfend<br />
oder konfliktlösend.<br />
Gerade auch Humanitäre Hilfe und<br />
Nothilfe haben sich wiederholt mit<br />
dem Vorwurf konfrontiert gesehen,<br />
sie fütterten den Krieg. Auch in der<br />
Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft,<br />
nach gewaltsamen Konflikten<br />
schnell und umfangreich beim<br />
Wiederaufbau zu helfen, wird inzwischen<br />
ein „moral hazard“-Problem<br />
gesehen. Entwicklungspolitik muss<br />
sich also bewusst mit ihren Wirkungen<br />
in Konfliktsituationen auseinander<br />
setzen.<br />
(3) Entwicklungspolitik hat – funktional<br />
gesehen – die Aufgabe, die wirtschaftlichen,<br />
sozialen, ökologischen<br />
und politischen Verhältnisse in anderen<br />
Ländern mitzugestalten. Wenn<br />
Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />
ein vorrangiges Ziel deutscher<br />
und internationaler Politik sind,<br />
ist auch die Entwicklungspolitik aufgerufen,<br />
mit ihren – im Vergleich zu<br />
anderen Politikbereichen – besonderen<br />
Instrumenten hierzu einen Beitrag<br />
zu leisten.<br />
Wenn wir also feststellen müssen und<br />
können, dass Krisenprävention und<br />
Konfliktbearbeitung Zukunftsaufgaben<br />
sind und Entwicklungspolitik zu<br />
diesen Aufgaben Beiträge leisten<br />
kann, so müssen wir aber gleichzeitig<br />
und ganz nüchtern auch die Grenzen<br />
unserer Möglichkeiten sehen und uns<br />
darüber im klaren sein, dass immer<br />
wieder von Menschen inszenierte und<br />
verursachte Katastrophen über uns<br />
oder – genauer gesagt – über die<br />
Menschen in unseren Partnerländern<br />
hereinbrechen werden. Letztlich können<br />
nur die Menschen und die Gesellschaften<br />
in unseren Partnerländern<br />
selber ihren Frieden entwickeln.<br />
Unsere Aufgabe muss zuerst sein,<br />
ihnen diese Arbeit nicht zu erschweren<br />
und dann dort zu helfen, wo wir<br />
gefragt und dazu in der Lage sind.<br />
2. Internationaler Rahmen, Gesamtkonzept<br />
der Bundesregierung<br />
und Rolle der Entwicklungspolitik<br />
Entwicklungspolitische Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung sind eingebettet<br />
in ein Gesamtkonzept der<br />
Bundesregierung und international<br />
vereinbarte Strategien.<br />
Der Generalsekretär der Vereinten<br />
Nationen (VN), Kofi Annan, hat in<br />
seinem diesjährigen Bericht an die<br />
Generalversammlung zu einer Kultur<br />
der Prävention aufgerufen und hierfür<br />
eine Fülle von strategischen Ansatzpunkten<br />
aufgezeigt, gerade auch im<br />
entwicklungspolitischen Bereich. Der<br />
Rat der Europäischen Union (EU) hat<br />
in seinem Beschluss vom November<br />
1998 die Rolle der Entwicklungszusammenarbeit<br />
bei friedensschaffenden<br />
Maßnahmen sowie der Verhütung<br />
und Lösung von Konflikten festgelegt.<br />
Bereits seit 1997 liegen die im<br />
Development Assistance Committee<br />
(DAC) der OECD erarbeiteten DAC-<br />
Guidelines on Conflict, Peace and<br />
Development vor.<br />
Die Bundesregierung hat die Verhinderung<br />
und Bewältigung gewaltsamer<br />
Konflikte zu einem zentralen Ziel ihrer<br />
internationalen Politik erklärt. Grundlage<br />
ihres entsprechenden Gesamt-<br />
13
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
konzeptes ist ein erweiterter Sicherheitsbegriff,<br />
der politische, ökonomische,<br />
ökologische und soziale Stabilität<br />
umfasst. Es folgt aus dem Querschnittscharakter<br />
der Aufgabe, dass<br />
hier die verschiedenen Politikbereiche<br />
in Kohärenz ihre jeweiligen Beiträge<br />
leisten müssen.<br />
Darüber hinaus sind enges Zusammenwirken<br />
zwischen staatlichem und<br />
nicht-staatlichem Bereich sowie Abstimmung<br />
im europäischen und internationalen<br />
Rahmen unverzichtbar.<br />
Das erweiterte sicherheitspolitische<br />
Denken der Bundesregierung kommt<br />
auch in der Aufwertung des Bundessicherheitsrates<br />
und seiner Erweiterung<br />
um die Bundesministerin für<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung zum Ausdruck.<br />
Im Gesamtkonzept der Bundesregierung<br />
ist der Entwicklungspolitik die<br />
wichtige Aufgabe zugewiesen worden,<br />
in krisengeneigten Partnerländern<br />
einerseits zum Abbau struktureller<br />
Konfliktursachen sowie andererseits<br />
zur Förderung von Mechanismen<br />
gewaltfreier Konfliktbearbeitung<br />
beizutragen. Andere Aufgaben<br />
müssen von anderen Politikbereichen<br />
wahrgenommen werden. Hierzu gehören<br />
unter anderem die Fortentwicklung<br />
des Völkerrechts, der Ausbau<br />
internationaler Straf- und<br />
Schiedsgerichtsbarkeit und die Rüstungskontrollpolitik<br />
sowie nicht zuletzt<br />
und insbesondere die Reform<br />
und Stärkung der Vereinten Nationen<br />
und die Weiterentwicklung der Weltordnungspolitik<br />
z.B. in den Bereichen<br />
Handel, Finanzen und Umwelt.<br />
3. Integration von Krisenprävention<br />
und ziviler Konfliktbearbeitung<br />
in die Strategie des BMZ<br />
Wie ordnen sich nun Friedenspolitik<br />
und Krisenprävention in die Strategie<br />
des BMZ ein? Auf der normativen<br />
Ebene sind Friedenspolitik und Krisenprävention<br />
integraler Bestandteil<br />
unseres Leitgedankens globaler<br />
Strukturpolitik: Gerechter Interessensausgleich<br />
zwischen und in den<br />
Weltregionen einerseits sowie zwischen<br />
den heutigen und künftigen<br />
Menschheitsgenerationen andererseits.<br />
Die krisenpräventive Ausrichtung<br />
der Entwicklungspolitik hat damit<br />
globale, zwischenstaatliche und innerstaatliche<br />
Aspekte und zusätzlich<br />
eine intergenerative Perspektive.<br />
Die Eckpunkte eines erweiterten Sicherheitsbegriffs,<br />
der die menschliche<br />
Sicherheit in den Mittelpunkt stellt,<br />
wiederholen sich in den vier Zieldimensionen<br />
unserer Entwicklungspolitik:<br />
Œ Menschenrechte, Demokratie und<br />
zivile Konfliktbearbeitung;<br />
Œ Menschenwürdige Lebensbedingungen<br />
und soziale Gerechtigkeit;<br />
Œ Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen;<br />
Œ Wirtschaftliche Entwicklung und<br />
Zusammenarbeit.<br />
Keine dieser Dimensionen kann losgelöst<br />
von den anderen nachhaltig<br />
erreicht werden. Sie fördern und begrenzen<br />
sich gegenseitig.<br />
14
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
Wenn damit einerseits der erweiterte<br />
Sicherheitsbegriff unmittelbar mit dem<br />
Zielsystem der Entwicklungspolitik<br />
verflochten ist, so kann doch andererseits<br />
nicht davon ausgegangen<br />
werden, dass Entwicklungspolitik als<br />
solche quasi automatisch krisenpräventiv<br />
wirkt. Will Entwicklungspolitik<br />
krisenpräventiv wirken, so muss sie<br />
diese Aufgabe aktiv und zielgerichtet<br />
angehen. Während die Probleme in<br />
akuten Krisen und in Post-Conflict-<br />
Situationen uns immer wieder kurzfristig<br />
zum Handeln zwingen, besteht<br />
im Bereich der Prävention der größte<br />
Nachholbedarf.<br />
Vor dem Hintergrund der konzeptionellen<br />
Vorarbeiten im nationalen wie<br />
internationalen Rahmen sowie der<br />
Ergebnisse unserer Querschnittsevaluierung<br />
zu Wirkungen der Entwicklungszusammenarbeit<br />
in Krisensituationen<br />
stehen für uns in der<br />
nächsten Zeit fünf operative Aufgaben<br />
im Vordergrund:<br />
(1) Beobachtung der langfristigen<br />
Entwicklung von Konfliktlinien in Gesellschaften<br />
und verbesserte Aufarbeitung<br />
von Informationen.<br />
Die in einem Forschungsvorhaben<br />
des BMZ entwickelten Indikatoren für<br />
die Analyse der Krisenneigung von<br />
Partnerländern wurden bereits in die<br />
Vorgaben für die soziokulturellen<br />
Kurzanalysen eingearbeitet, die von<br />
den Hamburger Übersee-Instituten<br />
regelmäßig im Zusammenhang mit<br />
der Erstellung oder Überarbeitung<br />
unserer Länderkonzepte erstellt werden.<br />
Auf dieser Grundlage sollte es<br />
künftig möglich sein, Präventionsbedarfe<br />
systematischer und rechtzeitiger<br />
zu erfassen. Mindestens genauso<br />
wichtig ist aber auch ein verantwortlicherer<br />
und sensiblerer Umgang mit<br />
krisenrelevanten Informationen. Die<br />
Evaluierung hat gezeigt, dass Akteure<br />
in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
gelegentlich dazu neigen, Konflikte<br />
zu ignorieren oder zu verdrängen.<br />
Hier können Verbesserungen<br />
durch Fortbildung und Vorgaben im<br />
Berichtswesen sowie durch eine<br />
Stärkung der Informationsaufarbeitung<br />
und -bewertung erreicht werden.<br />
Ein Instrument könnten auch krisenorientierte<br />
Ländergespräche sein, an<br />
denen staatliche und nicht-staatliche<br />
Akteure der Entwicklungszusammenarbeit<br />
sowie Vertreter der Wissenschaft<br />
teilnehmen.<br />
(2) Anpassung der Länderkonzepte<br />
des BMZ.<br />
Die Aufgaben von Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung sind bereits<br />
in die neuen Vorgaben für die Erstellung<br />
der BMZ-Länderkonzepte integriert.<br />
Nun kommt es darauf an, diese<br />
Vorgaben länderweise umzusetzen<br />
und mit Leben zu erfüllen. Darauf<br />
aufbauend könnten für einzelne Länder<br />
auch Schwerpunktstrategiepapiere<br />
für den Bereich der Krisenprävention<br />
erstellt werden.<br />
(3) Auswahl von Schwerpunktländern<br />
für eine gezielt krisenpräventive Ausrichtung<br />
der Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Auch in der Krisenprävention müssen<br />
wir uns konzentrieren. Die Berücksichtigung<br />
von Krisenindikatoren in<br />
den soziokulturellen Kurzanalysen<br />
kann erst über mehrere Jahre zu einer<br />
flächendeckenden Erfassung des<br />
Präventionsbedarfes führen. Wir wollen<br />
deshalb in den nächsten Monaten<br />
die Krisenindikatoren zusammen mit<br />
15
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
den Hamburger Übersee-Instituten in<br />
einem ersten Durchgang für alle<br />
Partnerländer anwenden. Auf dieser<br />
Grundlage können dann Schwerpunktländer<br />
für eine krisenpräventive<br />
Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit<br />
ausgewählt<br />
werden.<br />
(4) Weiterentwicklung unseres Instrumentariums.<br />
Mit dem Zivilen Friedensdienst (ZFD)<br />
ist als Gemeinschaftswerk von nichtstaatlichen<br />
und staatlichen Trägern<br />
ein neues Instrument der Entwicklungszusammenarbeit<br />
entstanden,<br />
das im politisch-gesellschaftlichen<br />
Bereich angesiedelt ist und künftig<br />
auch kurz- und mittelfristige Einsätze<br />
im Zusammenhang mit Konflikten<br />
erlaubt.<br />
Parallel und in gegenseiter Abstimmung<br />
zwischen Auswärtigem Amt<br />
(AA) und BMZ wird vom AA das Ausbildungsprogramm<br />
für ziviles Personal<br />
für strukturierte und mandatierte<br />
Missionen insbesondere der Vereinten<br />
Nationen und der OSZE aufgebaut.<br />
Für den Zivilen Friedensdienst<br />
in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
stehen im Haushalt 2000 17,5 Mio.<br />
DM bar sowie 20 Mio. DM Verpflichtungsermächtigung<br />
zur Verfügung.<br />
Die ersten 18 Vorhaben wurden vor<br />
einigen Wochen bewilligt und gehen<br />
jetzt in die Umsetzung. Dies ist ein<br />
beachtlicher Erfolg für die Entwicklungspolitik,<br />
gleichzeitig ist aber der<br />
ZFD auch nur ein Element. Wesentlich<br />
ist, das gesamte Instrumentarium<br />
der Entwicklungszusammenarbeit auf<br />
diese Aufgabe hin weiterzuentwickeln<br />
und auszurichten. Auf der Grundlage<br />
der Empfehlungen der Evaluierung<br />
geht es unter anderem um neue Finanzierungsmöglichkeiten<br />
(z.B. offene<br />
Fonds), verstärkte Konditionalität<br />
in Konfliktsituationen, konfliktspezifische<br />
Maßnahmen sowie die laufende<br />
Erfassung und Berücksichtigung der<br />
konfliktrelevanten Wirkungen der Zusammenarbeit.<br />
(5) Zusammenarbeit der Träger der<br />
Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Im Rahmen des Gesamtkonzeptes<br />
der Bundesregierung ist es Aufgabe<br />
der jeweiligen Ressorts, in ihrem Bereich<br />
die Koordination und Abstimmung<br />
mit den Trägern zu übernehmen.<br />
Beim Zivilen Friedensdienst<br />
erfolgt dies durch einen Programmausschuss<br />
und die organisatorische<br />
Unterstützung durch den Deutschen<br />
Entwicklungsdienst (DED).<br />
Die GTZ, die Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
(KfW) und der DED haben<br />
in ihren Organisationen konzeptionelle<br />
und organisatorische Vorkehrungen<br />
zur Umsetzung getroffen. Kirchen,<br />
politische Stiftungen und andere<br />
Nichtregierungsorganisationen entwickeln<br />
zusätzliches Profil in diesem<br />
Bereich. Darüber hinaus sind friedenspolitisch<br />
orientierte Nichtregierungsorganisationen<br />
(NRO) und wissenschaftliche<br />
Einrichtungen am Zusammenwirken<br />
mit Trägern aus dem<br />
entwicklungspolitischen Bereich interessiert.<br />
Wir prüfen derzeit im BMZ,<br />
wie wir der entstehenden Infrastruktur<br />
entwicklungspolitischer Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung einen<br />
organisatorischen Rahmen geben<br />
können.<br />
16
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
4. Inhaltliche Schwerpunkte entwicklungspolitischer<br />
Krisenprävention<br />
Die inhaltlichen Schwerpunkte entwicklungspolitischer<br />
Beiträge zu Krisenprävention<br />
und ziviler Konfliktbearbeitung<br />
möchte ich anhand der drei<br />
Handlungsfelder von Entwicklungspolitik<br />
als Globaler Strukturpolitik darstellen:<br />
(1) Mitwirkung bei der Gestaltung<br />
globaler Rahmenbedingungen.<br />
Im Rahmen ihrer Mitwirkung bei der<br />
Gestaltung globaler Rahmenbedingungen<br />
unterstützt die Entwicklungspolitik<br />
erstens die Stärkung des VN-<br />
Systems, den Aufbau regionaler<br />
Strukturen für Sicherheit und Zusammenarbeit<br />
und insbesondere die<br />
Stärkung der Rolle der Partnerländer<br />
im globalen politischen System.<br />
Zweitens setzt sich die deutsche<br />
Entwicklungspolitik im Hinblick auf die<br />
Lage der Menschen in den Partnerländern<br />
für die Erarbeitung und Umsetzung<br />
globaler Normen- und Regelwerke<br />
unter anderem in den Bereichen<br />
Kleinwaffen, Kindersoldaten,<br />
indigene Völker und internationale<br />
Strafgerichtsbarkeit ein. Auch der Abbau<br />
globaler Ursachen von Konflikten<br />
insbesondere in den Bereichen Weltwirtschaft<br />
und Umwelt muss vorangetrieben<br />
werden.<br />
Drittens nimmt die Entwicklungspolitik<br />
teil am Aufbau europäischer und internationaler<br />
Netzwerke entwicklungspolitischer<br />
Krisenprävention.<br />
(2) Bilaterale, europäische und multilaterale<br />
Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Im operativ zentralen Handlungsfeld<br />
der bilateralen, europäischen und<br />
multilateralen Entwicklungszusammenarbeit<br />
gehört die erste krisenpräventive<br />
Aufgabe, der Abbau struktureller<br />
Konfliktursachen wie Armut,<br />
soziale Ungerechtigkeit, regionale<br />
Disparitäten, Zugang zu natürlichen<br />
Ressourcen wie Land und Wasser zu<br />
den klassischen Aufgaben. Hier<br />
kommt es darauf an, jeweils für krisengeneigte<br />
Länder die für Prävention<br />
relevanten Bereiche zu ermitteln<br />
und bei der Zusammenarbeit die Wirkungen<br />
auf die Konfliktlinien bewusst<br />
im Auge zu behalten.<br />
Die zweite krisenpräventive Aufgabe<br />
der Entwicklungszusammenarbeit,<br />
die Förderung von Mechanismen gewaltfreier,<br />
friedlicher Konfliktbearbeitung,<br />
stellt in stärkerem Maße zusätzliche<br />
Anforderungen. Als zentrale<br />
Voraussetzungen und Elemente gewaltfreier<br />
Konfliktlösung können im<br />
Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit<br />
insbesondere gefördert<br />
werden:<br />
Œ Achtung der Menschenrechte und<br />
ein unabhängiges – und auch für<br />
arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen<br />
zugängliches –<br />
Rechtssystem;<br />
Œ<br />
Eine lebendige Zivilgesellschaft<br />
und demokratische Strukturen, die<br />
allen Individuen und Gruppen erlauben,<br />
ihre Interessen zu artikulieren<br />
und auszugleichen;<br />
17
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
Œ<br />
Ein leistungsfähiger Staat, der<br />
Vertrauen und Stabilität vermitteln,<br />
der die für jede Gesellschaft<br />
elementaren Grundfunktionen sicherstellen<br />
und der im internationalen<br />
Rahmen verbindlich und<br />
umsetzungsfähig handeln kann;<br />
Œ Hierzu gehört auch ein an den<br />
Menschenrechten und an Rechtsstaatlichkeit<br />
ausgerichteter Sicherheitssektor,<br />
der die unmittelbare<br />
Sicherheit der Menschen<br />
gewährleistet und dessen Aktivitäten<br />
und Ressourcen demokratischer<br />
und zivilgesellschaftlicher<br />
Kontrolle unterliegen.<br />
Hinzukommen insbesondere in akuten<br />
Konfliktlagen sowie in Post-<br />
Conflict-Situationen gezielte Vertrauen<br />
stiftende Maßnahmen, Dialogprogramme<br />
und Friedenserziehung, die<br />
Förderung von Versöhnung und gesellschaftlichem<br />
Wiederaufbau sowie<br />
die Betreuung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen<br />
und gewaltsamen<br />
Konflikten. Friedenskonsolidierung<br />
in der Konfliktfolgezeit ist eine<br />
besonders wichtige Präventionsstrategie,<br />
um einen erneuten Ausbruch<br />
von Gewalt zu verhindern.<br />
Zu diesen vielfältigen Aufgaben können<br />
staatliche wie nicht-staatliche<br />
Träger in unterschiedlicher Weise<br />
beitragen. Gerade auch für die staatliche<br />
TZ finden sich hier wichtige Aufgabenfelder.<br />
Entwicklungszusammenarbeit im Umfeld<br />
von Krisen und gewaltsamen<br />
Konflikten stellt uns immer wieder vor<br />
schwierige Entscheidungen. So sind<br />
in solchen Situationen oft die Erfolgsvoraussetzungen<br />
einer Zusammenarbeit,<br />
wie sie in den fünf Kriterien<br />
zum Ausdruck kommen, nur eingeschränkt<br />
gegeben. Andererseits beschreiben<br />
die Kriterien gerade auch<br />
die Bereiche, in denen aktives Handeln<br />
der Entwicklungszusammenarbeit<br />
zur Konfliktbewältigung beitragen<br />
kann. Bei Ländern, die sich in inneren<br />
oder äußeren militärischen Auseinandersetzungen<br />
befinden, muss genau<br />
geprüft werden, ob und in welchen<br />
Bereichen die staatliche Zusammenarbeit<br />
fortgesetzt werden<br />
kann.<br />
Ein wichtiges Kriterium ist die Friedensbereitschaft<br />
der Partnerregierung<br />
nach Innen und Außen. Wichtig<br />
sind auch die Fragen, ob der Projekterfolg<br />
durch die gewaltsamen Ausein-andersetzungen<br />
gefährdet wird<br />
und ob der mit der Entwicklungszusammenarbeit<br />
verbundene Ressourcentransfer<br />
mittelbar die kriegerischen<br />
Handlungen erleichtert. Diese<br />
Fragen zeigen aber auch, dass es<br />
auch im Umfeld gewaltsamer Konflikte<br />
im Interesse der Menschen und<br />
der Konfliktbewältigung Ansatzpunkte<br />
für Entwicklungszusammenarbeit geben<br />
kann.<br />
Entwicklungspolitik ist im Umfeld von<br />
Krisen und Konflikten nicht nur neutraler<br />
Moderator. Sie muss auch<br />
Partei ergreifen: Für die Menschen,<br />
ihre Würde und ihre Rechte.<br />
(3) Inlands- und Kohärenzarbeit.<br />
Im dritten Handlungsfeld globaler<br />
Strukturpolitik, der Inlands- und Kohärenzarbeit,<br />
geht es um die Stärkung<br />
der zivilen, und damit auch der entwicklungspolitischen<br />
Komponenten in<br />
der deutschen Krisenpräventionspolitik.<br />
Dies erfolgt in Zusammenarbeit<br />
mit und in Unterstützung von nicht-<br />
18
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
staatlichen Initiativen und Einrichtungen<br />
der Friedens- und Konfliktforschung.<br />
Zur Kohärenzarbeit gehört auch der<br />
Einsatz für eine restriktive Rüstungsexportkontrollpolitik.<br />
Das BMZ ist aktiv<br />
an der Weiterentwicklung der entsprechenden<br />
politischen Grundsätze<br />
und an der Vorbereitung der Entscheidungen<br />
des Bundessicherheitsrates<br />
zu einzelnen Exportgeschäften<br />
beteiligt.<br />
stellen muss und stellen kann. Die<br />
wesentlichen politischen und konzeptionellen<br />
Vorgaben liegen vor. Es<br />
kommt nun darauf an, diese in unserer<br />
praktischen Entwicklungszusammenarbeit<br />
aufzugreifen und umzusetzen.<br />
Hierbei sind wir auch auf die<br />
Unterstützung der GTZ angewiesen.<br />
Im Zusammenhang mit der friedenspolitischen<br />
Ausrichtung der Entwicklungspolitik<br />
und der Mitgliedschaft<br />
des BMZ im Bundessicherheitsrat<br />
intensiviert sich auch die Rolle des<br />
BMZ in außen- und sicherheitspolitischen<br />
Einrichtungen, z.B. der Stiftung<br />
Wissenschaft und Politik, der Bundesakademie<br />
für Sicherheitspolitik oder<br />
der Führungsakademie der Bundeswehr.<br />
Das BMZ soll auch in den<br />
Gremien der aufzubauenden Deutschen<br />
Stiftung Friedensforschung<br />
sowie des geplanten Deutschen<br />
Menschenrechtsinstituts vertreten<br />
sein. Diese Vernetzung ermöglicht<br />
der Entwicklungspolitik, ihre Denkund<br />
Lösungsansätze stärker als bisher<br />
in außen- und sicherheitspolitische<br />
Konzepte einfließen zu lassen.<br />
5. Schluss<br />
Die aufgezeigten Elemente einer krisenpräventiven<br />
Ausrichtung der Entwicklungspolitik<br />
machen deutlich,<br />
dass es sich hier nicht um eine neue<br />
modische Leerformel handelt, sondern<br />
eine Aufgabe, der sich die Entwicklungspolitik<br />
angesichts der realen<br />
Verhältnisse in der Weltgesellschaft<br />
19
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
Thesen zur Zukunft der Krisenprävention in der TZ<br />
Bernd Hoffmann<br />
1. Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />
sind keine entwicklungspolitischen<br />
Modethemen,<br />
die gegenwärtig konjunkturellen<br />
Aufschwung besitzen und<br />
sich in wenigen Jahren überlebt<br />
haben. Im Gegenteil – sie werden<br />
von dauerhafter Bedeutung bleiben,<br />
und ihre Relevanz für die TZ<br />
wird zunehmen.<br />
Kriege und gewaltsame Konflikte<br />
werden auch in absehbarer Zukunft<br />
den Rahmen und die Handlungsmöglichkeiten<br />
von TZ in vielen Regionen<br />
und Ländern bestimmen. Die Entwicklung<br />
der vergangenen Jahre und<br />
realistisch einzuschätzende Prognosen<br />
belegen dies. So besteht Konsens<br />
darüber, dass in den kommenden<br />
Jahren mit einem hartnäckigen<br />
„Konfliktsockel“ von mindestens 20 -<br />
30 schwerwiegenden Konflikten pro<br />
Jahr zu rechnen ist. Darüber hinaus<br />
gibt es eine Reihe von Ländern und<br />
Regionen, in denen latent vorhandene<br />
Konfliktpotenziale jederzeit in Gewalt<br />
umschlagen können.<br />
Fast alle Kriege und bewaffneten<br />
Konflikte finden in Entwicklungsländern<br />
statt und sind meist innerstaatlicher<br />
Natur. Häufig handelt es sich um<br />
langwierige Bürgerkriege, deren Opfer<br />
vor allem die Zivilbevölkerung ist.<br />
Diese gewaltsamen Auseinandersetzungen<br />
sind das entscheidende Entwicklungshemmnis<br />
für die betroffenen<br />
Länder – oft machen sie jahrzehntelange<br />
Entwicklungsbemühungen zunichte.<br />
Zwangsläufig sind Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung daher<br />
Gegenstand einer breit gefächerten,<br />
intensiven Diskussion. Das<br />
gilt derzeit für alle multilateralen, bilateralen,<br />
staatlichen und nichtstaatlichen<br />
Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit<br />
auf nationaler<br />
und internationaler Ebene.<br />
Die Gründe dafür sind vielfach: Zum<br />
einen sollen die Ergebnisse jahrzehntelanger<br />
entwicklungspolitischer<br />
Investitionen erhalten bleiben. Zum<br />
anderen will man vermeiden, dass im<br />
Hinblick auf die Wirkungen der Entwicklungszusammenarbeit<br />
Resignation<br />
eintritt. Und schließlich geht es um<br />
die Untermauerung des Anspruchs,<br />
Entwicklungszusammenarbeit trage<br />
zur Zukunftssicherung bei, indem sie<br />
Stabilität und Frieden fördert. Dazu<br />
gehört aber auch die Sorge, dass<br />
immer mehr Mittel aus der klassischen<br />
Entwicklungszusammenarbeit<br />
für Maßnahmen der Katastrophenbewältigung<br />
ausgegeben werden<br />
müssen. Und zwar bei stagnierenden<br />
oder zurückgehenden Haushalten!<br />
Die Entwicklungszusammenarbeit<br />
droht zum „Reparaturbetrieb“ zu degenerieren.<br />
2. Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />
stellen grundsätzlich<br />
keine neuen Aufgaben und<br />
Herausforderungen für die TZ dar.<br />
Seit jeher sind die Konzepte und Instrumente<br />
der staatlichen technischen<br />
Zusammenarbeit in besonderer<br />
Weise darauf ausgerichtet, Kri-<br />
20
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
senursachen wie Armut oder Gefährdung<br />
der natürlichen Lebensgrundlagen<br />
an der Wurzel zu bekämpfen. Die<br />
Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen<br />
Lebenssituationen der<br />
Menschen und die Veränderung der<br />
politischen Rahmenbedingungen sind<br />
die beste Voraussetzung für eine<br />
friedensfördernde Entwicklung.<br />
Mit dem Ziel, eine „strukturelle Stabilität“<br />
zu schaffen, trägt die technische<br />
Zusammenarbeit dazu bei, über konkrete<br />
Vorhaben gesellschaftliche Institutionen<br />
und Mechanismen zu stärken<br />
– z.B. durch die Unterstützung<br />
demokratischer Reformen, die Beratung<br />
von Partnerregierungen bei der<br />
Gestaltung ihres Rechtssystems, die<br />
Förderung der Zivilgesellschaft.<br />
3. Im Hinblick auf die unvermeidliche<br />
Frage nach der neuen, veränderten<br />
entwicklungspolitischen<br />
Qualität dieses Themas und seiner<br />
Bedeutung für die TZ ist eine begriffliche<br />
Präzisierung notwendig.<br />
Die gegenwärtige Diskussion ist<br />
durch eine Begriffsvielfalt geprägt, bei<br />
der dieselben Begriffe entweder unterschiedlich<br />
verstanden oder aber<br />
unterschiedliche Begriffe gleich verstanden<br />
werden. Die Rede ist von<br />
Konfliktprävention, Krisenprävention,<br />
Konfliktlösung, Konfliktmanagement,<br />
Peace-building oder Krisenmanagement.<br />
Eine gemeinsame Begrifflichkeit<br />
dient nicht nur einem besseren<br />
Verständnis innerhalb der GTZ, sie<br />
erhöht zugleich die Dialogfähigkeit<br />
mit anderen Akteuren.<br />
Ein Beispiel in diesem Zusammenhang<br />
ist die Verwendung der Begriffe<br />
„Krise“ und „Konflikt“. Diese werden<br />
häufig mit der Tatsache gewaltsam<br />
ausgetragener Interessengegensätze<br />
verbunden. Konflikte als solche sind<br />
jedoch nicht per se schädlich und zu<br />
vermeiden, sondern sie sind notwendiger<br />
Bestandteil eines jeden Entwicklungsprozesses.<br />
TZ muss sogar<br />
entwicklungspolitische Prozesse auslösen,<br />
um erforderliche Veränderungen<br />
anzustoßen. Drohen jedoch gegensätzliche<br />
Interessenkonstellationen<br />
in akute Gewalt und in einen bewaffneten<br />
Konflikt umzuschlagen,<br />
spitzt sich also eine Situation akut zu,<br />
handelt es sich um eine Krise.<br />
Eine krisenpräventiv ausgerichtete TZ<br />
muss also darauf zielen, frühzeitig,<br />
umfassend und ausdrücklich einen<br />
Beitrag zur friedlichen Konfliktaustragung<br />
zu leisten. Dies kann vor, während<br />
und nach einem bewaffneten<br />
Konflikt der Fall sein. Friedensschaffung<br />
und Kriegsverhinderung dagegen<br />
würden eine Selbstüberschätzung<br />
und Überforderung der TZ bedeuten.<br />
Konfliktbearbeitung umfasst<br />
auch Mechanismen und Methoden,<br />
die zur Lösung von Interessengegensätzen<br />
gewaltfrei ausgetragener Konflikte<br />
beitragen.<br />
Mit einer solchen Definition und begrifflichen<br />
Abgrenzung wird vermieden,<br />
dass nicht alle Maßnahmen, die<br />
auf eine Förderung von „struktureller<br />
Stabilität“ und die Bekämpfung von<br />
Krisenursachen an der Wurzel ausgerichtet<br />
sind, gleichermaßen mit dem<br />
Etikett „Krisenprävention“ überzogen<br />
werden. Dies würde die TZ in eine<br />
Richtung bringen, die der Lage in<br />
vielen Entwicklungsländern nicht entspricht<br />
und einen Omnipotenzanspruch<br />
vorgaukeln, der sich leicht als<br />
Irrelevanzfalle erweisen könnte. Als<br />
21
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
krisenpräventiv sind in diesem Zusammenhang<br />
vorrangig solche Maßnahmen<br />
zu betrachten, die ausdrücklich<br />
darauf zielen, einen Beitrag<br />
zur friedlichen Konfliktaustragung zu<br />
leisten. Ihr Bezug zu einer Krisensituation<br />
ist das entscheidende Kriterium.<br />
Es geht also darum, dass sich die<br />
Bemühungen verschiedener Politikbereiche<br />
und Akteure einschließlich<br />
der TZ ergänzen und miteinander<br />
verbunden sind. Krisenpräventive<br />
Entwicklungszusammenarbeit muss<br />
als ein Element im Rahmen eines<br />
umfassenden Handlungsansatzes<br />
verstanden werden, in dem alle berührten<br />
Politikbereiche zusammengeführt<br />
werden.<br />
4. Die TZ kann nicht den Anspruch<br />
erheben, Kriege und den Ausbruch<br />
von gewaltsamen Konflikten verhindern<br />
zu können. Sie besitzt aber<br />
ein Potenzial, das die Balance zwischen<br />
gewaltsamen und zivilen<br />
Mechanismen der Konfliktaustragung<br />
beeinflussen kann.<br />
Welche Handlungsspielräume gibt es,<br />
um die angestrebten Ziele und Wirkungen<br />
realistisch einschätzen und<br />
tatsächlich erreichen zu können? Der<br />
mögliche Einfluss von TZ, Konflikte<br />
zu lösen und Konfliktpotenziale abzubauen,<br />
ist relativ gering. Die Politik in<br />
den jeweiligen Ländern trägt die<br />
Hauptverantwortung. Andere externe<br />
Akteure wie die Vereinten Nationen<br />
und EU bestimmen mit ihrer Politik<br />
maßgeblich den Verlauf und die Entwicklung<br />
von Krisen und Konflikten<br />
mit. TZ im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit<br />
(EZ) kann allenfalls<br />
anstreben, eine subsidiäre<br />
und flankierende Rolle zu spielen.<br />
Dieses Selbstverständnis gilt übrigens<br />
in ähnlicher Form für andere<br />
hochgesteckte Ziele in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
wie beispielsweise<br />
für die Armutsminderung und<br />
den Schutz der natürlichen Ressourcen.<br />
5. Es gibt eine veränderte entwicklungspolitische<br />
Dimension<br />
und eine neue Qualität dieses<br />
Themas (mit seinen Auswirkungen<br />
auf die TZ).<br />
Ausgangspunkt ist die Erklärung der<br />
Leitung des BMZ, dass Entwicklungspolitik<br />
zusammen mit der Außen-<br />
und Sicherheitspolitik zum<br />
Kernbereich der Friedenspolitik der<br />
Bundesregierung gehört. Im Rahmen<br />
eines außen- und entwicklungspolitischen<br />
Gesamtkonzeptes soll EZ dazu<br />
beitragen, verstärkt strukturelle Ursachen<br />
gewalttätiger Konflikte abzubauen<br />
und Mechanismen zum Aufbau<br />
von gewaltfreier Konfliktbearbeitung<br />
zu fördern. Diese Erklärung gibt<br />
die politische Zielsetzung wieder und<br />
ist zugleich Vorgabe für die operative<br />
Gestaltung.<br />
Ihre praktische Umsetzung soll sie<br />
unter anderem in der Anpassung und<br />
Veränderung von Regional- und Länderstrategien<br />
sowie Länderkonzepten<br />
erfahren. Eine weitgehend offene und<br />
kontroverse Fragestellung betrifft<br />
Länderportfolios und die Möglichkeit<br />
der Umschichtung von finanziellen<br />
Mitteln, die auch für die TZ zumindest<br />
mittelfristig Auswirkungen zeitigen<br />
können. Zugleich kann mit einer solchen<br />
Entwicklung die TZ in eine grö-<br />
22
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
ßere Nähe zu außen- und sicherheitspolitischen<br />
Themen geraten.<br />
Dies könnte für ihr Verhältnis zum<br />
BMZ und zu anderen Ressorts der<br />
Bundesregierung interessante Zukunftsaspekte<br />
haben.<br />
6. Die entwicklungspolitische Neuorientierung,<br />
die keine deutsche<br />
Besonderheit ist, hat zu einer tiefgreifenden<br />
konzeptionellen Diskussion<br />
geführt, die gegenwärtig<br />
national wie international praktisch<br />
alle multilateralen und bilateralen<br />
Entwicklungsorganisationen erfasst,<br />
seien sie staatlich oder<br />
nicht-staatlich.<br />
Dieser Findungs- und Entwicklungsprozess<br />
gestaltet sich vielfach als ein<br />
Suchen nach neuen oder verbesserten<br />
Ansätzen, als ein Fragen nach<br />
der institutionellen Verankerung und<br />
das Aufspüren von finanziellen Ressourcen.<br />
Im Mittelpunkt stehen dabei<br />
die Erarbeitung und Gestaltung präventiver<br />
Strategien, die Aus- und<br />
Fortbildung des eigenen Personals,<br />
der Informationsaustausch und die<br />
Vernetzung mit anderen Akteuren,<br />
verbesserte Informations- und Frühwarnsysteme<br />
sowie neue Formen der<br />
Wirkungsanalyse.<br />
Bei aller inhaltlichen Diskussion ist<br />
nicht zu übersehen, dass die meisten<br />
Akteure auf Geberseite nicht nur<br />
durch die Motivation edlen Handelns<br />
geleitet sind. Getreu dem Motto „Wer<br />
Gutes tut und tun will, muss nicht nur<br />
darüber reden, sondern braucht auch<br />
Geld, um Gutes tun zu können“ formiert<br />
sich ein neuer Markt, bei dem<br />
Rollen, Aufgaben und Ressourcen<br />
national und international neu definiert<br />
werden.<br />
An einigen Beispielen möchte ich<br />
dies verdeutlichen:<br />
(1) Die OECD befindet sich weiterhin<br />
in einer strategischen Diskussion zu<br />
diesem Thema, neue Budgetlinien<br />
werden möglicherweise bei der EU<br />
eingerichtet. Die Weltbank hat einen<br />
eigenen Fonds für diese Aufgaben<br />
installiert, ähnliches gilt für die kanadische<br />
und dänische Regierung.<br />
UNDP (United Nations Development<br />
Programme) und UNOPS (United<br />
Nations Office for Project Services)<br />
sind ebenso interessierte Spieler auf<br />
diesem Markt wie dies auch für alle<br />
anderen bilateralen Geber einschließlich<br />
der GTZ gilt.<br />
(2) Zur institutionellen Absicherung<br />
dieser konzeptionellen und marktorientierten<br />
Strategien wurden in vielen<br />
Entwicklungsorganisationen eigene<br />
Arbeitseinheiten geschaffen, zuletzt<br />
bei IOM (International Organisation<br />
for Migration) und möglicherweise in<br />
naher Zukunft bei UNDP.<br />
(3) In Deutschland hat sich eine<br />
„Plattform Zivile Konfliktbearbeitung“<br />
gegründet, die ein Pendant in einer<br />
europäischen Plattform besitzt. Die<br />
hier zusammengeschlossenen Entwicklungs-<br />
und Friedensorganisationen<br />
verfolgen legitimer Weise auch<br />
das Ziel, neue Ressourcen zu erschließen.<br />
Bilaterale und multilaterale<br />
Geberorganisationen haben sich zu<br />
einem „Conflict Prevention and Reconstruction<br />
Network“ zusammengefunden.<br />
In diesem sich verändernden Szenario<br />
sind längst noch nicht alle Karten<br />
verteilt. Für die GTZ wird es ent-<br />
23
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
scheidend darauf ankommen, wie sie<br />
ihre komparativen Vorteile mit ihren<br />
Außenstrukturen und ihren bisherigen<br />
Erfahrungen zu einem kompakten<br />
Dienstleistungsangebot verdichtet.<br />
Dieses muss in erster Linie zum Ziel<br />
haben, die entwicklungspolitische<br />
Ausrichtung des BMZ operativ und<br />
instrumentiell zu unterstützen. Gleichzeitig<br />
muss die GTZ versuchen, im<br />
internationalen Dienstleistungsmarkt<br />
der Entwicklungsagenturen als verlässlicher<br />
Kooperationspartner und<br />
Auftragnehmer eine wichtige Rolle zu<br />
spielen.<br />
7. Die Weichen für eine bessere<br />
konzeptionelle und instrumentielle<br />
Verankerung sind gestellt, die<br />
Handlungsfelder definiert und in<br />
einer Reihe von neuen Projektansätzen<br />
konzipiert.<br />
Die Handlungsfelder der Arbeit der<br />
GTZ konzentrieren sich gegenwärtig<br />
auf sieben verschiedene Bereiche:<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Stärkung von gesellschaftlichen<br />
Gruppen mit strategischer Bedeutung<br />
für die Entwicklung einer<br />
„Friedenslobby“;<br />
Förderung lokaler und regionaler<br />
Institutionen und Mechanismen<br />
mit Konfliktbearbeitungscharakter;<br />
Entwicklung von Bildungs- und<br />
Jugendförderungsmaßnahmen mit<br />
friedenspädagogischen und konfliktpräventiven<br />
Zielsetzungen;<br />
Förderung eines aktiven Beitrags<br />
der Medien zur Herausbildung einer<br />
„Friedenslobby“;<br />
Versöhnungsarbeit in Nachkriegssituationen;<br />
Œ<br />
Œ<br />
Traumaarbeit in Nachkriegssituationen;<br />
Förderung struktureller Stabilität<br />
als Basis nachhaltiger Entwicklung.<br />
In einigen verfügen wir über beträchtliche<br />
Erfahrungen, auf sie gilt es aufzubauen.<br />
Mit anderen – wie beispielsweise<br />
der Trauma- und Versöhnungsarbeit<br />
in postkonfliktiven<br />
Situationen – gehen wir relativ neue<br />
Wege. Die Erfahrungen und Kenntnisse<br />
in diesen Handlungsfeldern<br />
werden derzeit konzeptionell aufgearbeitet<br />
und zu einem Dienstleistungsangebot<br />
zusammengestellt.<br />
In den letzten Wochen und Monaten<br />
hat es zudem eine Reihe von projektbezogenen<br />
Entwicklungen gegeben,<br />
um das Thema projektnäher und damit<br />
stärker an der Lebenswirklichkeit<br />
zu orientieren:<br />
(1) In Uganda wurde eine Arbeitsgruppe<br />
„Konfliktbearbeitung, Krisenprävention“<br />
eingerichtet, die die Wirkungsmöglichkeit<br />
der Projekte auf<br />
den verschiedenen Ebenen und im<br />
engeren Projektumfeld untersuchen<br />
wird. Alle Auslandsmitarbeiter/-innen<br />
sind hier einbezogen. Die Ergebnisse<br />
werden im März vorliegen.<br />
(2) Mit dem Vorhaben „Krisenmindernde<br />
Maßnahmen Ostkongo“, das<br />
gerade geprüft worden ist, wird das<br />
Ziel verfolgt, die Bevölkerung im Ostkongo<br />
in die Lage zu versetzen, die<br />
vorhandenen Potenziale zur Krisenbewältigung<br />
zu nutzen. Dabei sollen<br />
Maßnahmen in den Bereichen<br />
Selbsthilfeförderung, Dialogförderung,<br />
Konfliktbearbeitung, Menschenrechte<br />
und Grundbedürfnisbefriedigung<br />
unterstützt werden, die zu einer<br />
Minderung der Auswirkung der so-<br />
24
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
zialen, wirtschaftlichen und institutionellen<br />
Krise beitragen.<br />
(3) In Kenia sollen mit einer Eigenmaßnahme<br />
Instrumente und Verfahren<br />
der Konfliktbearbeitung und Krisenprävention<br />
erarbeitet und in Trainingskursen<br />
erprobt werden. Teilnehmer<br />
werden ausgewählte Personen<br />
oder Gruppen sein, die aufgrund<br />
ihrer Funktionen und Arbeitsbereiche<br />
in besonderer Weise von Konflikten<br />
betroffen sind.<br />
(4) Angesichts der politischen Zuspitzung<br />
in Kolumbien war das Thema<br />
krisenpräventiv und friedenspolitisch<br />
ausgerichteter Beiträge der TZ ein<br />
zentrales Thema bei den jüngsten<br />
Regierungsverhandlungen. Mit dem<br />
Projekt „Wege zum Frieden“ zum<br />
Beispiel soll in den Konfliktregionen<br />
Antioquia und Chocó eine Unterstützung<br />
des Friedensprozesses geleistet<br />
werden. Bei den Maßnahmen handelt<br />
es sich um Friedenserziehung, Multiplikatorenausbildung,<br />
Traumaarbeit<br />
und konkrete Kleinprojektefinanzierung<br />
(zentraler Punkt: Wasser).<br />
(5) Im ex-jugoslawischen Raum sollen<br />
mit Hilfe eines renommierten Institutes<br />
(Europäische Akademie Bozen)<br />
unter anderem Institutionen und<br />
Personen identifiziert werden, die<br />
bereit sind, für einen multikulturellen<br />
Wiederaufbau im weiteren Sinne in<br />
ihren jeweiligen Arbeits- und Lebenszusammenhängen<br />
einzutreten. So<br />
entsteht ein Netzwerk von Personen,<br />
die als Multiplikatoren in einer neuen<br />
Zivilgesellschaft fungieren, die Ansprechpartner<br />
für weitere Maßnahmen<br />
der EZ werden und die Schlüsselpositionen<br />
in Wirtschaft, Politik und<br />
Kultur in den Ländern Südosteuropas<br />
einnehmen können.<br />
Diese und weitere Beispiele zeigen,<br />
dass das Thema zunehmend konkret<br />
ausgestaltet wird – unter anderem<br />
auch mit dem Ziel, die zuweilen kritisierte<br />
Glaubwürdigkeitslücke zwischen<br />
politischer Ankündigung und<br />
operativer Umsetzung zu verringern.<br />
Gleichzeitig wird in diesen Tagen eine<br />
Befragung im Hause beginnen.<br />
Dabei sollen die bestehenden Erfahrungen<br />
und Kenntnisse – ich erwähne<br />
hier nur das Beispiel des erfolgreichen<br />
Projektes in Nordmali – erfasst<br />
werden, um sie als lessons learned<br />
für ein verbessertes und zusätzliches<br />
Dienstleistungsangebot der GTZ<br />
nutzbar zu machen. Die Anfang<br />
kommenden Jahres vorliegende Untersuchung<br />
zum Stand der internationalen<br />
und nationalen Fachdiskussion<br />
bei multilateralen und bilateralen<br />
Entwicklungsorganisationen wird zusätzlich<br />
Gelegenheit geben, die daraus<br />
gewonnenen Erkenntnisse für die<br />
eigene Arbeit zu nutzen und gleichzeitig<br />
ein künftiges Marktpotenzial<br />
abschätzen zu können.<br />
Instrumentiell besteht noch eine Reihe<br />
offener Fragestellungen. Die Wirkungserfassung<br />
auf dem Gebiet der<br />
Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />
ist mit besonderen methodischen<br />
Problemen verknüpft. So besteht<br />
beispielsweise das Problem,<br />
eine möglicherweise nicht eingetretene<br />
Eskalation ex-post mit TZ-<br />
Maßnahmen kausal in Verbindung zu<br />
bringen. Allerdings gibt es auch verschiedene<br />
Anhaltspunkte für den<br />
Nachweis gelungener Maßnahmen.<br />
Es dürfte sinnvoll sein, künftig alle<br />
TZ-Maßnahmen in einem konfliktiven<br />
Umfeld unter dem Gesichtspunkt der<br />
beabsichtigten und unbeabsichtigten<br />
Wirkungen auf den Konflikt zu be-<br />
25
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
trachten und so den Grundsatz „Do<br />
no harm“ in die Projektwirklichkeit<br />
einzuführen. Ein Instrument im Sinne<br />
einer Konfliktfolgenabschätzung –<br />
Conflict Impact Assessment – könnte<br />
dabei einen wichtigen Schritt bilden.<br />
Auf EU-Ebene und bei anderen wichtigen<br />
Gebern (DIFID, Department for<br />
International Development, Großbritannien,<br />
und CIDA, Canadian International<br />
Development Agency) gibt<br />
es bereits erste konzeptionelle Überlegungen.<br />
Wir befinden uns hier in<br />
einem Dialog.<br />
Eine offene Frage ist weiterhin, ob es<br />
Sinn macht, das vom BMZ im Rahmen<br />
eines Forschungsvorhabens<br />
entwickelte Raster für einen Frühwarnindikatorenkatalog<br />
auf Länderund<br />
Projektebene einzuführen und ob<br />
es hierzu nicht Alternativen gibt. Dahinter<br />
steht die Erkenntnis aus der<br />
Querschnittsevaluierung des BMZ zur<br />
Wirkung von EZ in Konfliktsituationen,<br />
dass ein verbessertes Informations-<br />
und Frühwarnsystem notwendig<br />
ist, in dem auch die Kenntnisse<br />
und Erfahrungen des GTZ-Personals<br />
einfließen.<br />
8. Konfliktive Situationen im Umfeld<br />
von Projekten stellen besondere<br />
Ansprüche an entsendetes<br />
Personal und seine Qualifizierung.<br />
Zusätzliche Angebote zum Umgang<br />
mit Konflikten und Fortbildungen<br />
zu Instrumenten der Konfliktbearbeitung<br />
sind erforderlich<br />
und in ihrer Bedeutung bei den internationalen<br />
Organisationen unumstritten.<br />
Das Anforderungs- und Qualifikationsprofil<br />
für das entsendete Fachpersonal<br />
im Kontext von Krisen und<br />
Konflikten ist hoch. Vorausgesetzt<br />
werden fachliche Kompetenz, regionalkundliche<br />
Erfahrung, soziale und<br />
interkulturelle Kompetenz, einschlägige<br />
Sprachkenntnisse, Verhandlungsgeschick<br />
und Belastbarkeit. Fähigkeiten<br />
in der Analyse und im Umgang<br />
mit Konflikten sind besonders<br />
gefragt, um eigene und andere Verhaltensweisen<br />
besser einschätzen<br />
und Handlungsoptionen aufzeigen zu<br />
können. Dabei wird eine entsendete<br />
Fachkraft nur in Ausnahmefällen die<br />
Rolle eines Moderators, eines<br />
Schlichters oder gar Mediators im<br />
Verhältnis zu den Konfliktparteien<br />
einnehmen. Falls dies geschieht, findet<br />
es allenfalls auf der lokalen, d.h.<br />
Mikroebene statt. Angesichts der<br />
großen Zahl verschiedener Akteure in<br />
diesen Situationen ist außerdem die<br />
Kenntnis von Mandat, Aufgaben und<br />
Arbeitsweise anderer Organisationen<br />
und Institutionen wichtig.<br />
Wir wissen, dass Auslandsmitarbeiter<br />
nicht immer die Gefahren und Potenziale<br />
einer konfliktsensiblen TZ erkennen<br />
und abschätzen können.<br />
Konkrete Hilfestellungen für Projekte<br />
in Konfliktsituationen, etwa durch<br />
spezifische Begleitmaßnahmen, können<br />
hier ein hilfreiches Mittel sein.<br />
Erforderlich ist zudem eine zusätzliche<br />
Qualifizierung zur Erhöhung der<br />
Beratungskompetenz. Eine kürzlich<br />
vorgenommene Auswertung bei allen<br />
großen multilateralen und bilateralen<br />
Geberorganisationen kommt zu demselben<br />
Ergebnis. Eine Reihe dieser<br />
Organisationen hat bereits mit entsprechenden<br />
Qualifizierungsmaßnahmen<br />
begonnen.<br />
Die Fortbildungsmaßnahmen müssen<br />
sich ebenso an Personal richten, das<br />
26
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
in Projekten arbeitet, die nicht von<br />
einer krisenhaften Entwicklung betroffen<br />
sind. Auch viele Vorhaben z.B.<br />
im Umwelt- und Ressourcenschutz<br />
oder in der ländlichen Regionalentwicklung<br />
finden zunehmend in einem<br />
Kontext massiver Interessengegensätze<br />
der beteiligten Personen und<br />
Institutionen statt.<br />
Auf der Grundlage bestehender Erfahrungen<br />
in der GTZ, vor allem im<br />
Umweltbereich, wird gegenwärtig an<br />
der curricularen Entwicklung eines<br />
solchen Fortbildungskonzeptes gearbeitet.<br />
Mit dessen Umsetzung soll im<br />
kommenden Jahr begonnen werden.<br />
9. Die komplexe und schwierige<br />
Situation in Krisensituationen, die<br />
damit verbundenen massiven Interessengegensätze<br />
der beteiligten<br />
Parteien, die Interessen, Aufgaben<br />
und das Selbstverständnis verschiedenster<br />
Geberorganisationen<br />
stellen besondere Anforderungen<br />
an Kooperation und Arbeitsteilung.<br />
Das Bild der Geberorganisationen,<br />
der Akteure und Beteiligten hat sich<br />
in den letzten Jahren massiv verändert.<br />
Die hohe Zahl von Akteuren und<br />
Beteiligten, insbesondere von vielen<br />
sogenannten Nord-NRO, und die<br />
Anwesenheit zahlreicher Medienvertreter<br />
stellt zunehmend ein Problem<br />
für die Koordination und Kooperation<br />
in den von Krisen und Konflikten betroffenen<br />
Ländern dar.<br />
Nicht nur die Landschaft der externen<br />
Akteure hat sich gewandelt. Veränderungen<br />
betreffen in vielen Ländern<br />
auch traditionelle Partnerstrukturen.<br />
In diesen Ländern existieren staatliche<br />
Strukturen nicht mehr, teils sind<br />
sie weggebrochen oder gänzlich<br />
handlungsunfähig. Für die TZ bedeutet<br />
dies, mit anderen Partnern<br />
zusammenarbeiten zu müssen oder<br />
die Arbeit nicht fortsetzen zu können.<br />
Gleichzeitig bieten sich neue Formen<br />
der Kooperation an, z.B. mit NRO.<br />
Die jeweiligen komparativen Vorteile<br />
können sich arbeitsteilig ergänzen.<br />
Es gibt hier eine Reihe aktueller Beispiele,<br />
so die Zusammenarbeit mit<br />
kirchlichen Institutionen in Kolumbien<br />
oder mit NRO in Sri Lanka.<br />
Am Rande sei erwähnt, dass, initiiert<br />
durch die Vereinten Nationen, ein<br />
intensiver Dialog mit der Wirtschaft<br />
unter dem Stichwort „Multinationals<br />
and the Commercial Sector in Conflict<br />
Prevention“ begonnen hat. Hier sind<br />
auch die politischen Stiftungen sowie<br />
die KfW zu nennen, die erstmals in<br />
diesen Tagen eine Publikation zu<br />
diesem Thema veröffentlicht hat.<br />
10. „Krisenprävention zu denken“<br />
setzt eine individuelle Bewusstseinsänderung<br />
und veränderte<br />
Verhaltensweisen voraus. Es erfordert<br />
damit einen innerinstitutionellen<br />
Kulturwandel.<br />
Die Themen Krisenprävention und<br />
Konfliktbearbeitung bedeuten für Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in der<br />
TZ, dass sie sich Zugang und Verständnis<br />
für diese Querschnittsaufgabe<br />
erarbeiten müssen. Viele Mitarbeiter,<br />
die mit ihrer Arbeit zu langfristigen<br />
Entwicklungsperspektiven in<br />
Entwicklungsländern beitragen wollen,<br />
haben verständlicherweise Probleme,<br />
sich im Umfeld ihrer Tätigkeit<br />
27
EINFÜHRENDE REFERATE<br />
mit dem Phänomen von Krisen und<br />
Konflikten vertraut zu machen.<br />
Gutachten belegen, dass viele dazu<br />
neigen, ihr Projekt und sich selbst<br />
von solchen Entwicklungen abzuschirmen<br />
– nicht zuletzt deswegen,<br />
weil es sie selbst, ihren Status und<br />
ihre eigene Arbeit betrifft. Die Planung<br />
einer Exit Strategy für das Projekt,<br />
in dem man selbst arbeitet, kann<br />
überfordern. Ebenso die unvoreingenommene<br />
Einführung methodischer<br />
Ansätze, mit denen gewollte oder<br />
nicht gewollte Effekte eines Projektes<br />
auf einen bestehenden Konflikt untersucht<br />
werden sollen. „Krisenprävention<br />
zu denken“ ist jedoch nicht auf<br />
Teilaspekte unserer Arbeit beschränkt,<br />
sie betrifft den gesamten<br />
Kernprozess in unserem Haus!<br />
Insgesamt glaube ich in den letzten<br />
Wochen und Monaten ein anderes<br />
Verständnis und eine vertiefte inhaltliche<br />
Auseinandersetzung mit diesem<br />
Thema feststellen zu können. Dies<br />
drückt sich auch in der Entscheidung<br />
der Geschäftsführung aus, das Thema<br />
konzeptionell und instrumentiell<br />
aufzuarbeiten und die Umsetzung in<br />
einem Thementeam zu verankern.<br />
Auch die Tatsache, dass die Büroleiter-Tagung<br />
Anfang September sich<br />
mit der Thematik befasst hat, zeugt<br />
davon.<br />
Es ist zunehmend spürbar, dass es<br />
sich bei den Themen Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung nicht um<br />
eine Ansammlung neuer und veränderter<br />
Projekttypen handelt, sondern<br />
um eine Herausforderung für die TZ,<br />
die unvermeidbar integraler Bestandteil<br />
unserer künftigen<br />
bleiben wird.<br />
Arbeit<br />
28
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Förderung der Flüchtlingsbehörde, Uganda<br />
Gerald Duda<br />
Erlauben Sie mir mit einer Ausgangsthese<br />
zu beginnen, die von<br />
Anfang an den Blick über das Vorhaben<br />
hinaus auf verallgemeinerbare<br />
Erkenntnisse und Schlussfolgerungen<br />
lenken soll: TZ ist nicht per se krisenpräventiv<br />
und friedensfördernd! Sie<br />
vollzieht sich aber häufig unter Rahmenbedingungen<br />
und Gegebenheiten,<br />
die zahlreiche Ansatzpunkte<br />
bieten, um auf verschiedenen<br />
Ebenen explizit und gezielt Beiträge<br />
zu leisten.<br />
Diese Ansatzpunkte und Handlungsmöglichkeiten<br />
im Rahmen der<br />
TZ zu erkennen und zunehmend zu<br />
nutzen, darin liegt die Aufgabe, die<br />
sich der GTZ derzeit stellt. Eine erfolgreiche<br />
Umsetzung dieser Aufgabe<br />
wird bislang ungenutzte Potenziale<br />
für Wirkungsmöglichkeiten der TZ<br />
sowohl in laufenden als auch in Neuvorhaben<br />
aufzeigen.<br />
Am Beispiel des Vorhabens „Beratung<br />
der ugandischen Flüchtlingsbehörde”<br />
möchte ich aufzeigen, wie im<br />
Rahmen von TZ Beiträge zum Thema<br />
Friedensförderung und Krisenprävention<br />
sowohl explizit realisiert werden<br />
können – im Sinne eines in der Projektkonzeption<br />
angelegten Beitrags –,<br />
als auch „quasi ungeplant” zahlreiche<br />
Möglichkeiten in der Einflusssphäre<br />
von Projekten genutzt werden können,<br />
um das Thema zu fördern oder<br />
selbst initiativ zu werden.<br />
1. Uganda: „Stabilitätsinsel” in<br />
einer krisengeschüttelten Region<br />
Damit möchte ich einen Begriff verwenden,<br />
den die Bundesministerin<br />
anlässlich ihres jüngsten Besuches in<br />
Afrika benutzt hat, verbunden mit der<br />
Aussage, dass „Deutschland Stabilitätsinseln<br />
in Afrika fördern will“.<br />
Uganda wie auch Mali zählt sie ausdrücklich<br />
dazu.<br />
Uganda ist von zahlreichen Staaten<br />
umgeben, in denen Kriege stattfinden<br />
oder Konflikte schwelen: der Demokratischen<br />
Republik Kongo, dem Sudan,<br />
Äthiopien / Eritrea, Somalia, Burundi<br />
und Ruanda. In dieser Krisenregion<br />
bildet Uganda als Staat und<br />
Aufnahmeland sicherlich eine „Stabilitätsinsel“,<br />
obwohl es massiv in einigen<br />
der o.g. Konflikte involviert ist<br />
und auch auf eigenem Territorium mit<br />
Rebellenbewegungen und Sicherheitsproblemen<br />
zu kämpfen hat.<br />
Seit nahezu anderthalb Jahrzehnten<br />
bietet Uganda Flüchtlingen aus<br />
Nachbarländern Asyl. Die Zahlen<br />
schwanken und lagen vor einigen<br />
Jahren in einer Größenordnung von<br />
knapp 400.000. Derzeit befinden sich<br />
in Uganda – als wichtigste Gruppen –<br />
175.000 Flüchtlinge aus dem Sudan,<br />
10.000 aus der Demokratischen Republik<br />
Kongo, 10.000 aus Ruanda<br />
und ca. 2000 aus Somalia.<br />
Darüber hinaus gibt es über 500.000<br />
Vertriebene im eigenen Land, die aus<br />
kriegsbetroffenen Regionen an den<br />
29
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Grenzen zu Sudan und DR Kongo in<br />
sicherere Gebiete abgewandert sind.<br />
2. Flüchtlingspolitik in Uganda<br />
Angesichts dieser Lage in einer Krisenregion<br />
besteht ein reales Risiko<br />
zusätzlicher Flüchtlingsströme nach<br />
Uganda. Vor diesem Hintergrund hat<br />
die ugandische Regierung erkannt,<br />
dass Flüchtlingspolitik mehr sein<br />
muss als „nur“ auf die Zuwanderung<br />
von Flüchtlingen zu reagieren und<br />
humanitäre Hilfe zu leisten, und dass<br />
es einer vorausschauenden, präventiven<br />
und entwicklungsorientierten<br />
Flüchtlingspolitik bedarf.<br />
Eine solche Flüchtlingspolitik ist auf<br />
folgende Zielsetzungen ausgerichtet:<br />
(1) Bestmögliche Vorbereitung auf<br />
Flüchtlingszuwanderungen durch<br />
Vorsorge;<br />
(2) Schutz natürlicher Ressourcen<br />
und Lebensräume;<br />
(3) Gestaltung der Flüchtlingshilfe<br />
unter Berücksichtigung von Interessen<br />
der Regionalentwicklung bei<br />
gleichzeitiger Sicherung der Interessen<br />
und Bedürfnisse der Flüchtlinge;<br />
(4) Proaktive Konfliktbearbeitung<br />
durch Maßnahmen, die den mit der<br />
Ansiedlung großer Bevölkerungsgruppen<br />
einhergehenden Konfliktpotenzialen<br />
ausdrücklich und gezielt<br />
Rechnung tragen;<br />
(5) Vermeidung zukünftiger gewaltbereiter<br />
Generationen unter den Flüchtlingen<br />
durch eine Gestaltung von<br />
Programmen und Maßnahmen, die<br />
ausdrücklich auch die Botschaft von<br />
Versöhnung und friedlicher Kooperation<br />
vermitteln.<br />
3. Ziele des GTZ-Vorhabens<br />
Das Vorhaben „Beratung der ugandischen<br />
Flüchtlingsbehörde“ soll einen<br />
Beitrag zur Umsetzung dieser anspruchsvollen<br />
Zielsetzungen leisten.<br />
Die genannten Ziele sind teils noch<br />
Zukunftsvisionen, teils jedoch bereits<br />
durch konkrete Programme und<br />
Maßnahmen in der Umsetzung. Träger<br />
des Vorhabens ist das in der Behörde<br />
des Prime Ministers angesiedelte<br />
Directorate of Refugees, das für<br />
alle flüchtlingsbezogenen Fragen in<br />
Uganda zuständig ist.<br />
Folgende Ergebnisse werden angestrebt:<br />
(E1) Die Kernaufgaben der Behörde<br />
(auch) vis-a-vis anderer Regierungsstellen<br />
und beteiligter Organisationen<br />
klären und eine daran ausgerichtete<br />
Organisationsstruktur gestalten und<br />
einführen;<br />
(E2) Mitarbeiter der Behörde, beteiligter<br />
Fachministerien und von Distriktverwaltungen<br />
fortbilden;<br />
(E3) Systeme zur Planung, Steuerung<br />
und Wirkungsbeobachtung von<br />
Flüchtlingsmaßnahmen entwickeln<br />
und in Anwendung bringen;<br />
(E4) Eine zweckmäßige und effiziente<br />
Koordination zwischen den Beteiligten<br />
(NRO, Internationale Organisationen,<br />
Ministerien, Projekte etc.) gestalten<br />
und einführen;<br />
(E5) Strategien und Maßnahmen einer<br />
vorausschauenden (präventiven)<br />
Flüchtlingspolitik entwickeln und einführen.<br />
30
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
4. Konfliktpotenziale analysieren –<br />
Ansatzmöglichkeiten identifizieren<br />
Diese Projektplanungsübersicht entspricht<br />
zunächst durchaus einem<br />
klassischen Vorgehen bei Vorhaben<br />
zur Regierungsberatung, wo Organisationsanalyse<br />
und -entwicklung und<br />
die Entwicklung von Planungs- und<br />
Steuerungsinstrumenten eine bedeutende<br />
Rolle spielen. Auf den ersten<br />
Blick, mit Ausnahme des E5,<br />
sind in der Konzeption nicht zwingend<br />
die Krisenrelevanz und die Aspekte<br />
Friedensförderung und Krisenprävention<br />
zu erkennen. Und es ist durchaus<br />
vorstellbar, dass sich die Beratung<br />
vollzieht, ohne diesen Aspekten große<br />
Aufmerksamkeit zu widmen. Von<br />
daher auch meine Ausgangsthese,<br />
dass TZ nicht per se friedensfördernd<br />
und krisenpräventiv ist, sondern dass<br />
es auf die Wahrnehmung und Nutzung<br />
der im Umfeld gegebenen Ansatzmöglichkeiten<br />
ankommt.<br />
Eine Voraussetzung dafür scheint mir<br />
die Analyse der im Umfeld eines TZ-<br />
Vorhabens gegebenen latenten und<br />
akuten Konfliktpotenziale zu sein. Für<br />
unseren Fall also im Flüchtlingskontext:<br />
(1) Konflikte zwischen Flüchtlingen<br />
und lokaler Bevölkerung ergeben sich<br />
häufig bereits in der Phase der Ansiedlung,<br />
wenn Interessen der Bevölkerung<br />
nicht berücksichtigt werden<br />
oder die Ansiedlung ohne ausreichende<br />
Folgenabschätzung erfolgt.<br />
(2) Konflikte gibt es jedoch häufig<br />
auch zwischen Flüchtlingen selbst,<br />
sei es durch mitgebrachte „offene<br />
Rechnungen”, durch politische Allianzen<br />
oder ethnische Zugehörigkeiten,<br />
die in der einen oder anderen Weise<br />
im Bürgerkrieg instrumentalisiert wurden.<br />
Vor allem aber auch durch die<br />
„Entwurzelung”, die die Menschen<br />
ihrer sozialen Strukturen beraubt hat;<br />
soziale Regelungssysteme sind nicht<br />
mehr wirksam.<br />
(3) Konfliktpotenziale in der lokalen<br />
Bevölkerung werden durch die Zuwanderung<br />
von Flüchtlingen als zusätzliche<br />
Konkurrenten um Land oder<br />
andere Ressourcen häufig intensiviert<br />
und verschärft. Und sie führen verstärkt<br />
zu Bedrohungswahrnehmungen.<br />
Oft werden dadurch Vorurteile<br />
verstärkt und die Diskriminierung anderer<br />
Gruppen gefördert. Lokale<br />
Gruppen fühlen sich im Vergleich zu<br />
Flüchtlingen oft im Zugang zu Ressourcen<br />
benachteiligt.<br />
5. Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />
im Flüchtlingskontext:<br />
Ansätze<br />
Mit geeigneten Maßnahmen und Interventionen<br />
können Zuspitzungen<br />
vermieden oder entschärft und überwunden<br />
werden. Drei Bereiche von<br />
Ansatzmöglichkeiten sind zu unterscheiden:<br />
(1) Interventionen, die darauf abzielen,<br />
zukünftige Krisen zu vermeiden,<br />
also „Krisenprävention” im engeren<br />
Sinne des Wortes. Hierzu<br />
zähle ich eine liberale und progressive<br />
Flüchtlingsgesetzgebung, die<br />
Siedlungsplanung, Maßnahmen zur<br />
Förderung des friedvollen Zusammenlebens<br />
mit der lokalen Bevölkerung<br />
(dies erfolgt in Uganda derzeit<br />
im Rahmen der sog. „Self-Reliance<br />
Strategy”) sowie die Integration der<br />
31
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Flüchtlingssysteme in die Distriktstrukturen.<br />
(2) Interventionen, die versuchen, auf<br />
akute Krisen und die Art des Konfliktaustrags<br />
einzuwirken, also „Krisenintervention”.<br />
Hierzu zählen das Training<br />
von Funktionsträgern (wie Settlement<br />
Commandants und Projektmitarbeitern<br />
von NRO) und Gemeindemitgliedern<br />
in Konfliktbearbeitung,<br />
die allgemeine Gemeinwesenentwicklung<br />
sowie Schlichtungsaktivitäten<br />
von Projektmitarbeitern in<br />
den Siedlungen durch Mediation und<br />
Facilitation.<br />
(3) „Krisennachsorge”: Hierzu gehören<br />
psycho-soziale Maßnahmen<br />
und die Wiedereingliederung von<br />
traumatisierten Menschen in ihre<br />
Gemeinschaft sowie Maßnahmen im<br />
Bereich der Erwachsenenbildung i.S.<br />
von Peace Education.<br />
Diese Maßnahmen werden in<br />
Uganda nicht alle durch das Vorhaben<br />
selbst initiiert oder durchgeführt;<br />
im seinem Umfeld finden jedoch zahlreiche<br />
Aktivitäten dieser Art auf verschiedenen<br />
Handlungsebenen statt,<br />
und viele Beteiligte wirken daran mit:<br />
die Mitarbeiter der Behörde und des<br />
Prime Minister’s Office; der UNHCR<br />
(United Nations High Commissioner<br />
for Refugees), NRO und andere internationale<br />
Akteure; Distriktbehörden<br />
und andere Ministerien; Settlementstrukturen<br />
und lokale Gemeinden.<br />
6. Erkenntnisse und Schlussfolgerungen<br />
Vor dem Hintergrund des dargestellten<br />
Beispiels scheint mir nun an verallgemeinerbaren<br />
Erkenntnissen folgendes<br />
bedeutsam:<br />
(1) TZ ist nicht per se krisenpräventiv<br />
und friedensfördernd, sie kann es<br />
aber sein, wenn die Handlungsmöglichkeiten<br />
im Einflussbereich von<br />
Vorhaben besser erkannt und genutzt<br />
werden.<br />
(2) Sensibilisierung und ein pragmatisches<br />
Verständnis des Themas sind<br />
die Voraussetzung, um Möglichkeiten<br />
und Ansatzpunkte zu erkennen, Beratung<br />
und Fortbildung der Weg, um<br />
sie zu nutzen.<br />
(3) Hierfür scheint mir als wichtiger<br />
methodischer Schritt die Analyse<br />
latenter und akuter Konfliktkonstellationen<br />
im Projektumfeld, wobei ich es<br />
ausdrücklich für erforderlich halte,<br />
über den Tellerrand der unmittelbaren<br />
Projektaufgaben hinauszuschauen<br />
und das Umfeld im weiteren Sinne ins<br />
Visier zu nehmen. Auf der Grundlage<br />
dieser Analyse kann dann abgewogen<br />
und entschieden werden, welche<br />
dort erkennbaren Aufgabenstellungen<br />
im Rahmen des Vorhabens bearbeitet<br />
werden können.<br />
(4) In Uganda haben wir diesen Weg<br />
im Rahmen eines Kurzzeiteinsatzes<br />
einer Expertin, die einzelne Projekte<br />
unter dieser Fragestellung untersucht<br />
hat, gerade beschritten. Dabei hat<br />
sich gezeigt, dass bei Projektmitarbeitern<br />
eine hohe Bereitschaft<br />
besteht, sich mit dem Thema auseinander<br />
zu setzen, wenn man es projektbezogen<br />
angeht und an deren<br />
Erkenntnissen ansetzt. Genau darin<br />
sehe ich das Mittel zur erfolgreichen<br />
Sensibilisierung und Öffnung unserer<br />
Mitarbeiter gegenüber dem Thema.<br />
Zweitens hat sich gezeigt, dass in der<br />
32
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Tat zahlreiche Ansatzpunkte und<br />
Möglichkeiten gegeben sind, die in<br />
der ursprünglichen Projektplanung<br />
nicht berücksichtigt sind, weil sie in<br />
der Regel nicht als Aufgabe wahrgenommen<br />
werden oder wurden oder<br />
weil das Instrumentarium nicht<br />
vorhanden ist.<br />
Aus diesen Erkenntnissen ergeben<br />
sich m.E. wichtige Schlussfolgerungen<br />
für die weitere Bearbeitung des<br />
Themas durch die GTZ:<br />
(1) Die Wirkungsebene der GTZ für<br />
krisenpräventive und krisenmindernde<br />
Beiträge sind die Projekte.<br />
Neben Neuvorhaben, von denen<br />
einige ganz explizit auf krisenpräventive<br />
und krisenmindernde Wirkungen<br />
ausgerichtet werden (Beispiel: Unterstützung<br />
der nationalen Versöhnungskommission<br />
in Ruanda; Krisenmindernde<br />
Maßnahmen im Ost-Kongo)<br />
müssen verstärkt die in laufenden<br />
Vorhaben vorhandenen Potenziale<br />
genutzt werden.<br />
ben (z.B. in Nachkriegssituationen<br />
oder in latenten Konfliktkonstellationen).<br />
Dieses muss sowohl das<br />
Analyseinstrumentarium einschliessen,<br />
als auch die Kenntnis, welche<br />
Instrumente und Herangehensweisen<br />
für welche Ausgangssituation am<br />
besten angebracht erscheinen.<br />
(5) Hierfür bedarf es des Aufbaus<br />
entsprechender fachlicher und personeller<br />
Ressourcen innerhalb der<br />
GTZ.<br />
Wie Sie wissen, wird bereits an der<br />
Umsetzung und Gestaltung der<br />
meisten von mir genannten Empfehlungen<br />
mit großem Nachdruck<br />
gearbeitet. Insofern bin ich sehr zuversichtlich,<br />
dass sich die GTZ auf<br />
dem richtigen Weg befindet, das<br />
Thema ihren Wirkungsmöglichkeiten<br />
gemäß zu gestalten und zu entwickeln.<br />
(2) Hierfür bedarf es der Durchführung<br />
von Maßnahmen zur Sensibilisierung<br />
der Mitarbeiter in den Projekten.<br />
(3) Wenn diese Sensibilisierung gelingt,<br />
wird der Bedarf an Fortbildung<br />
und Weiterqualifikation zum Thema<br />
sprunghaft ansteigen. Deshalb ist<br />
parallel an geeigneten und bedarfsorientierten<br />
Fortbildungskonzepten zu<br />
arbeiten.<br />
(4) Notwendig ist die Erarbeitung<br />
eines Beratungskonzeptes für die<br />
verstärkte Realisierung krisenpräventiver<br />
und krisenmindernder Wirkungsmöglichkeiten<br />
in laufenden Vorhaben<br />
gerade bei krisenrelevanten Vorha-<br />
33
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Rehabilitationsprojekt, Jaffna, Sri Lanka<br />
Jürgen Hörner<br />
Das Projekt befindet sich an einem<br />
äußerst kritischen Übergang von einer<br />
„noch Bürgerkriegs-Situation“ hin<br />
zu einem noch bevorstehenden Friedensprozess.<br />
Das Prüfungsteam der<br />
GTZ hat es 1996 trotz erheblicher<br />
Risiken zur Durchführung empfohlen,<br />
wobei es von folgenden Thesen ausgegangen<br />
ist:<br />
(1) Bereits in einer Vorphase zu einem<br />
Friedensprozess kann Entwicklungszusammenarbeit<br />
Wirkungen<br />
erzielen, die über die rein humanitären,<br />
wie Leben erhalten, Grundversorgung<br />
und Existenz sichern, hinausgehen.<br />
(2) Entwicklungszusammenarbeit<br />
muss und kann einen wirksamen<br />
Beitrag zur Bewältigung des Kriegsund<br />
Flüchtlingstraumas leisten und<br />
damit auch zur Aufarbeitung und Bewältigung<br />
des Konflikts, zur Aussöhnung<br />
und damit zur Schaffung von<br />
Bedingungen für einen Friedensprozess.<br />
(3) Ein Abwarten auf verbesserte<br />
Rahmenbedingungen – Beendigung<br />
des Bürgerkriegs, Beginn von Friedensgesprächen<br />
– verschlechtert die<br />
Situation für die Not leidende Bevölkerung,<br />
belässt sie weiterhin in Unsicherheit<br />
und verhindert Vertrauensbildung.<br />
(4) Der Dialog mit den Regierungsvertretern<br />
über die Auswahl der Maßnahmen<br />
und die Beschränkung auf<br />
wenige Infrastrukturmaßnahmen mit<br />
einer gewissen Flexibilität für die<br />
Konzipierung weiterer Maßnahmen<br />
bieten Möglichkeiten, das Vertrauen<br />
und damit die Mitarbeit der Menschen<br />
zu gewinnen und dadurch auch wirksame<br />
Beiträge zum Aufbau einer<br />
„Friedensmentalität“ zu schaffen.<br />
(5) Die Auswahl der Maßnahmen, die<br />
den primären Bedürfnissen und Erwartungen<br />
der betroffenen Menschen<br />
entsprechen, und die Berücksichtigung<br />
sozialer und psycho-sozialer<br />
Maßnahmen in Verbindung mit einem<br />
partizipativen Vorgehen schaffen<br />
Vertrauen, ein gewisses Maß an Sicherheit,<br />
Selbstvertrauen und stärken<br />
den Friedenswillen.<br />
1. Ausgangssituation und Rahmenbedingungen<br />
Bei dem seit 1983 währenden Bürgerkrieg<br />
zwischen den beiden größten<br />
Bevölkerungsgruppen in Sri Lanka,<br />
den Singhalesen und den Tamilen,<br />
handelt es sich um einen Konflikt,<br />
der seine Wurzeln bereits in der britischen<br />
Kolonialzeit hat, wenn nicht<br />
gar, wie manche behaupten, schon in<br />
der Vorkolonialzeit. In Folge dieses<br />
Krieges ist es für weit über eine Million<br />
Menschen im Norden und Osten<br />
des Landes zu wiederholter Flucht<br />
und Vertreibung gekommen. Auch<br />
hat es immer wieder Ansätze zu Friedensgesprächen<br />
mit unterschiedlichen<br />
Mittlern gegeben.<br />
Nach dem Regierungswechsel 1994<br />
und der Übernahme der Präsident-<br />
34
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
schaft durch Chandrika Kumaratunga<br />
Bandaranaike ist es zu einem kurzfristigen<br />
Waffenstillstand gekommen.<br />
Als dieser Anfang 1995 von der LTTE<br />
(Liberation Tigers of Tamila Eelam)<br />
mit einem Anschlag im Osten in Trinkomalee<br />
gebrochen worden ist, hat<br />
die neue Regierung auf die militärische<br />
Lösung des Konflikts gesetzt. In<br />
drei groß angelegten militärischen<br />
Operationen 1995 und 1996 hat die<br />
Armee im Mai 1996 die Halbinsel<br />
Jaffna von der ca. fünfjährigen LTTE-<br />
Herrschaft befreien und mit dem Aufbau<br />
einer zivilen Verwaltung beginnen<br />
können.<br />
Im Mai 1996 hat sich die Präsidentin<br />
mit einen Appell und einem umfangreichen<br />
Programm zum Wiederaufbau<br />
der Halbinsel Jaffna an die internationale<br />
Gebergemeinschaft gewendet.<br />
Als eine der ersten reagierte<br />
die Bundesregierung mit einer Zusage<br />
über DM 5 Mio. TZ und noch einmal<br />
soviel als Warennothilfe im Rahmen<br />
der Finanziellen Zusammenarbeit<br />
(FZ). Die GTZ hat das Vorhaben<br />
im Juli 1996 geprüft, mit den ersten<br />
Maßnahmen – Notwasserversorgung<br />
in der Stadt Jaffna – wurde im April<br />
1997 begonnen.<br />
2. Ziele des Projektes und konzeptioneller<br />
Ansatz<br />
Das Projekt verfolgt das Ziel zu bewirken,<br />
dass sich die bereits wieder<br />
ansässige Bevölkerung und die<br />
Rückkehrer aktiv am sozialen und<br />
wirtschaftlichen Wiederaufbau Jaffnas<br />
beteiligen. Es hat den Schwerpunkt<br />
auf die Rehabilitierung sozialer<br />
Infrastruktur gemäß den Bedürfnissen<br />
und Wünschen der Bevölkerung gelegt:<br />
(1) Rehabilitierung vom Krieg zerstörter<br />
bzw. beschädigter Schulen<br />
und der sanitären Anlagen an allen<br />
Schulen;<br />
(2) Rehabilitierung der Wasserversorgung<br />
der Stadt Jaffna und Rehabilitierung<br />
ländlicher Wasserversorgungssysteme;<br />
(3) Rehabilitierung und Wiederaufbau<br />
von Wohnraum.<br />
Unmittelbar bei Projektbeginn auf<br />
Jaffna wurden Maßnahmen zur Mobilisierung<br />
und Beteiligung der Bevölkerung<br />
in die Wege geleitet. So werden<br />
die Schulrehabilitierungsmaßnahmen<br />
weitgehend von Lehrer-Eltern-<br />
Gruppen (School Development Societies,<br />
SDS) getragen und die ländlichen<br />
Wasserversorgungssysteme<br />
von den kommunalen Nutzergruppen<br />
betrieben und unterhalten. Darüber<br />
hinaus leistet das Projekt auch einen<br />
Beitrag zur Überwindung des Kriegsund<br />
Fluchttraumas.<br />
Vier weitere Elemente des Projektes<br />
sollten hervorgehoben werden:<br />
(1) Die Ausbildung von Kleinstunternehmern<br />
über den CEFE-Ansatz<br />
(Competency based Economies<br />
through Formation of Enterprise),<br />
womit vor allem auch ein Beitrag zur<br />
Lösung der Jugendarbeitslosigkeit<br />
und Mobilisierung vorhandenen Unternehmerpotenzials<br />
geleistet werden<br />
sollte;<br />
(2) Die Einrichtung eines Reintegrationsfonds<br />
zur Finanzierung privatwirtschaftlicher<br />
Initiativen von Rückkeh-<br />
35
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
rern und kommunaler Gemeinschaftsprojekte<br />
(der Fonds wird von<br />
der People’s Bank in Abstimmung mit<br />
dem Projekt verwaltet);<br />
(3) Der Aufbau einer Projektinfrastruktur<br />
für effizientes Management<br />
von Aufträgen anderer Geber;<br />
(4) Die Beratung des politischen Trägers.<br />
Politischer Träger des Projektes ist<br />
die der Präsidentin direkt unterstellte<br />
Behörde zum Wiederaufbau des Nordens.<br />
In den technischen Komponenten<br />
arbeitet das Projekt über die<br />
jeweiligen Fachbehörden (den Jaffna<br />
Municipal Council, die Verwaltungseinheiten<br />
der Unterbezirke und die<br />
sich im Aufbau befindenden Gemeindeverwaltungen).<br />
In den offiziellen<br />
Projektdokumenten taucht nicht auf,<br />
dass das Projekt der tamilischen<br />
„Befreiungsorganisation“ LTTE aus<br />
Sicherheitsgründen alle Maßnahmen<br />
bekannt gibt und von ihr quasi die<br />
Zustimmung zur Durchführung einholt.<br />
Da die direkte Kommunikation nur in<br />
wenigen Ausnahmefällen möglich war<br />
und ist, werden verschiedene Kanäle<br />
genutzt. Ein wichtiger und zuverlässiger<br />
Kontakt ist der Government Agent<br />
Jaffna, der ständigen Kontakt mit der<br />
LTTE halten muss. Weitere wichtige<br />
Kanäle sind der UNHCR und das<br />
IKRK (Internationales Komitee vom<br />
Roten Kreuz), die beide regelmäßigen<br />
Kontakt zur politischen Führung<br />
der LTTE unterhalten.<br />
3. Ergebnisse und Wirkungen des<br />
Projektes<br />
Obwohl das Projekt in einem äußerst<br />
schwierigen sozialen und politischen<br />
Umfeld operiert, hat es nach zweieinhalb<br />
Jahren Laufzeit seine geplanten<br />
quantitativen Ergebnisse erreicht.<br />
Hier sollten jedoch nur die folgenden<br />
qualitativen Ergebnisse und Wirkungen<br />
hervorgehoben werden:<br />
(1) Die frühzeitige Entscheidung des<br />
BMZ zur Durchführung des Projektes<br />
und dessen frühzeitiger Beginn, auch<br />
noch unter äußerst unsicheren Umständen,<br />
hatte andere Geber, die sich<br />
anfangs abwartend bis ablehnend<br />
verhielten, zum Umdenken bewogen.<br />
(2) Dies wiederum hat zu ständiger<br />
und sichtbarer Präsenz internationalen<br />
Personals in Jaffna geführt, was<br />
wiederum erheblich zur Entspannung<br />
der Lage auf der Halbinsel, zu einem<br />
vorsichtigeren Auftreten und teilweisen<br />
Rückzug des singhalesischen<br />
Militärpersonals und zu größerer<br />
subjektiver und objektiver Sicherheit<br />
für die tamilische Bevölkerung beitrug.<br />
(3) Die wichtigen gesellschaftlichen<br />
Gruppen waren nach anfänglich ablehnender<br />
Haltung zur Selbstorganisation<br />
und Übernahme von Verantwortung<br />
für „ihre“ Projekte bereit und<br />
beteiligten sich tatkräftig. In den<br />
Kommunen ist mittlerweile ein breiter<br />
Dialog in Gang gesetzt, so dass auch<br />
andere wichtige kommunale Aufgaben<br />
erkannt und angegangen werden.<br />
36
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
(4) Der sichtbare Projektfortschritt<br />
(Wasser fließt, Schulen funktionieren<br />
wieder, Privathäuser sind wieder aufgebaut<br />
etc.) und die Rehabilitierung<br />
symbolträchtiger Einrichtungen, wie<br />
z.B. des weithin sichtbaren Wasserturms<br />
Jaffnas und zweier Prestigeschulen,<br />
ließen bei der Bevölkerung<br />
Vertrauen entstehen.<br />
(5) Die Projektinfrastruktur und das<br />
effiziente Management werden von<br />
anderen Gebern genutzt (European<br />
Community Humanitarian Office -<br />
ECHO, British, Canadian, Australian<br />
High Commissions, Niederländische<br />
Botschaft); NORAD (Norwegian<br />
Agency for Development) beabsichtigt<br />
das Projekt im kommenden Jahr<br />
mit der Durchführung eines Wasserhygieneprojekts<br />
zu beauftragen; die<br />
Asian Development Bank (ADB)<br />
möchte die GTZ als Durchführungspartner<br />
für ein großes Rehabilitierungsvorhaben<br />
im Nord-Osten gewinnen;<br />
die Koordination und Kooperation<br />
mit dem benachbarten<br />
UNDP/UNOPS-Projekt, das nach<br />
ähnlichen Prinzipien arbeitet, sich<br />
jedoch sektoral mehr auf die Wirtschaftssektoren<br />
und die Entminung<br />
verlegt hat, funktionieren gut.<br />
4. Lessons learned<br />
Folgende Erkenntnisse erscheinen<br />
besonders wichtig und hervorhebenswert:<br />
(1) Die Entscheidung des BMZ, das<br />
Projekt trotz vieler Unwägbarkeiten<br />
und fragiler Situation noch bei anhaltendem<br />
Bürgerkrieg frühzeitig zu beginnen,<br />
war richtig; es hat eindeutige<br />
Signale gesetzt und andere Organisationen<br />
dazu bewogen, aus ihrer<br />
Abwarteposition heraus zu gehen.<br />
(2) Die sofortige und sichtbare Präsenz<br />
internationaler Organisationen<br />
unmittelbar nach Beendigung einer<br />
bewaffneten Auseinandersetzung<br />
(auch oder gerade in einem teilbefriedeten<br />
Gebiet) schafft bei der Bevölkerung<br />
Sicherheit, Hoffnung und<br />
Vertrauen – wichtige Voraussetzungen<br />
für einen Befriedungs- und Aussöhnungsprozess.<br />
(3) Die Bündelung von Maßnahmen<br />
der Soforthilfe (mit humanitärem Charakter)<br />
mit schneller Wirksamkeit und<br />
Rehabilitationsmaßnahmen im Infrastrukturbereich,<br />
die sich mit den Bedürfnissen<br />
und Erwartungen der Bevölkerung<br />
decken, ermöglichen den<br />
frühzeitigen Einstieg in den Dialog mit<br />
der Bevölkerung, deren Identifizierung<br />
mit und Beteiligung an den<br />
Maßnahmen und öffnet sie auch für<br />
sensiblere Themen des Konflikts.<br />
(4) Eine optimale Abstimmung und<br />
Bündelung der deutschen TZ und FZ<br />
sowie engste Abstimmung mit der<br />
deutschen Botschaft können die<br />
Rahmenbedingungen positiv beeinflussen<br />
und im Verbund mit anderen<br />
Gebern eindeutige Signale setzen<br />
und das Verhandlungspotenzial in<br />
Richtung auf einen Friedensprozess<br />
erhöhen.<br />
(5) Ein enges Abstimmen des Vorgehens<br />
mit anderen internationalen Organisationen,<br />
vor allem aus dem UN-<br />
Bereich, führt zu größerer Sicherheit<br />
für das beteiligte Personal und natürlich<br />
zu einer effektiveren und effizienteren<br />
Umsetzung der Maßnahmen<br />
und auch zu einer signifikanteren politischen<br />
Wirkung.<br />
37
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
(6) Partizipatives Vorgehen und ein<br />
intensiver Dialog mit den Zielgruppen<br />
sowie deren direkte Einbindung in die<br />
einzelnen Maßnahmen führen zu<br />
Selbstvertrauen und begünstigen soziale<br />
Organisation, das Entstehen<br />
von Leadership und die Wiederherstellung<br />
des sozialen Netzwerks.<br />
(7) Wenn zu Beginn eines solchen<br />
Projektes noch keinerlei Trägerstrukturen<br />
bestehen bzw. diese sich<br />
noch in einem Zustand der totalen<br />
Agonie befinden, muss die externe<br />
Durchführungsinstitution (hier die<br />
GTZ) erst einmal selbst die Trägerschaft,<br />
sprich die Umsetzung der<br />
Maßnahmen in die Hand nehmen. Mit<br />
dem institutionellen Wiederaufbau<br />
muss allerdings sehr schnell begonnen<br />
werden.<br />
(8) Im Sinne der Konfliktbearbeitung<br />
und Krisenprävention und des Erreichens<br />
eines Friedensbildungsprozesses<br />
bedarf es viel stärkerer Unterstützung<br />
von Seiten der politischen<br />
Ebene; sprich: hier eine noch stärkere<br />
Wahrnehmung des Dialogs und<br />
der Abstimmung auf der Ebene der<br />
Botschafter in Verbindung mit dem<br />
UN-Koordinator und auch eine Konditionierung<br />
der EZ.<br />
38
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Programmschwerpunkt Förderung von Demokratie und Beachtung von<br />
Menschenrechten, Guatemala<br />
Dr. Christian Salazar Volkmann<br />
Ich möchte heute auf einen Aspekt<br />
der Krisenprävention eingehen, auf<br />
das Thema Vergangenheitsbewältigung<br />
in Nachkriegsgesellschaften am<br />
Beispiel Guatemala. Guatemala liegt<br />
in Zentralamerika, hat zwischen zehn<br />
und elf Millionen Einwohner und ist<br />
etwas so groß wie die fünf neuen<br />
Bundesländer. 50 bis 60 Prozent der<br />
Bevölkerung sind Mayas. Es ist ein<br />
Vielvölkerstaat, in dem 22 Sprachen<br />
gesprochen werden – nicht Dialekte,<br />
Sprachen. Guatemala ist ein sehr<br />
schönes Land, aber auch sehr gewalttätig:<br />
einmal die Naturgewalten,<br />
zum anderen die menschlichen Gewalten.<br />
Von Cortés bis Ríos Montt hat<br />
Guatemala eine gewalttätige Geschichte.<br />
Zuletzt 35 Jahre Bürgerkrieg<br />
mit einem Genozid an den Mayas<br />
zu Beginn der 80er Jahre.<br />
Welche Erblast hat der Bürgerkrieg<br />
für die Bevölkerung hinterlassen? Ich<br />
will das kurz am Beispiel des Programmes<br />
zur Massengraböffnung,<br />
Beweissicherung und seelischen Gesundheit<br />
des Menschenrechtsbüros<br />
der katholischen Kirche vorstellen,<br />
das mit Unterstützung der deutschen<br />
TZ durchgeführt wird.<br />
Zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen<br />
werden dabei in acht<br />
Provinzen des Landes Massengräber<br />
geöffnet, eine gerichtsmedizinische<br />
Beweisaufnahme durchgeführt sowie<br />
die betroffenen Familien rechtlich und<br />
psychologisch betreut. 200.000 Menschen<br />
sind während des Bürgerkrieges<br />
umgebracht worden, die Verantwortlichen<br />
wurden nicht zur Rechenschaft<br />
gezogen. Die weit verbreitete<br />
Straflosigkeit verhindert Vertrauen in<br />
den Friedensprozess, die Verarbeitung<br />
des erlittenen Leids und<br />
Schmerzes sowie die Aussöhnung.<br />
Insofern müssen die juristische und<br />
die psychologische Aufarbeitung der<br />
Vergangenheit zusammenwirken, um<br />
Aussöhnung zu ermöglichen und den<br />
Friedensprozess voranzutreiben.<br />
Parallel zu dem Programm zur Massengraböffnung<br />
gibt es daher in<br />
Guatemala ein Programm der seelischen<br />
Gesundheit – in Gruppengesprächen<br />
wird hier das Vergangene<br />
aufgearbeitet.<br />
1. Berichte über Menschenrechtsverletzungen:<br />
Quelle für Vergangenheitsbewältigung<br />
Diese Aktivitäten stehen in engem<br />
Zusammenhang mit einem weiteren,<br />
durch Deutschland geförderten Programm<br />
des Erzbistums zur Aufklärung<br />
von Menschenrechtsverletzungen<br />
während des Bürgerkrieges:<br />
Proyecto Interdiocesano de Recuperacion<br />
de la Memoria Historica<br />
(REMHI). 800 ehrenamtliche Mitarbeiter<br />
von REMHI sammelten, untersuchten<br />
und dokumentierten seit<br />
1995 Mernschenrechtsverletzungen<br />
durch die Sicherheitskräfte, die Guerilla<br />
und paramilitärische Gruppen.<br />
Bis Ende 1997 hatte REMHI 6.500<br />
Anzeigen aus 300 Gemeinden dokumentiert.<br />
39
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Die Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit<br />
1998 in Form eines Berichtes<br />
vorgestellt. Die GTZ hat eine Zusammenfassung<br />
der vier Bände erstellt<br />
und in mehreren Hunderttausend<br />
Exemplaren im Land verteilt<br />
sowie die englische Übersetzung finanziert<br />
– diese Übersetzung wird<br />
mittlerweile in hoher Auflage in den<br />
USA und Großbritanien im Buchhandel<br />
vertrieben.<br />
Zusammen mit dem ebenfalls von<br />
Seiten der deutschen EZ geförderten<br />
zwölfbändigen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen<br />
während<br />
des Bürgerkrieges der Wahrheitskommission<br />
– die unter Leitung des<br />
deutschen Völkerrechtlers Prof. Christian<br />
Tomuschat eineinhalb Jahre<br />
lang Zeugenaussagen gesammelt<br />
und Akten ausgewertet hat – stellt der<br />
REMHI-Bericht heute die zentrale<br />
Quelle für die Vergangenheitsbewältigung<br />
in den kommenden Jahrzehnten<br />
dar. Die GTZ hat übrigens auch<br />
am Bericht der Wahrheitskommission<br />
mitgewirkt – vor allem durch Fachberatung<br />
und redaktionelle Betreuung<br />
der Kapitel über Menschenrechtsverletzungen<br />
an Kindern und Jugendlichen.<br />
Mit der Vorstellung des REMHI-<br />
Berichtes begann eine Aktion der Kirche,<br />
in deren Rahmen die Namen der<br />
in dem Bericht dokumentierten Opfer<br />
in die Pfeiler der Kathedrale eingetragen<br />
worden sind als Akt der sozialen<br />
Rückgewinnung der Würde des Individuums.<br />
Der Titel des Berichtes<br />
„Nunca más – Nie wieder“ ist zugleich<br />
die zentrale Schlussfolgerung aus<br />
beiden Menschenrechtsberichten. Es<br />
ist auch kein Zufall, dass ein junger<br />
Mann mit Knochenflügeln auf dem<br />
Deckblatt abgebildet ist – Vergangenheitsbewältigung<br />
ist vor allem<br />
auch ein Thema für die junge Generation.<br />
Denn das Wissen um die eigene<br />
Geschichte ist ein wichtiger<br />
Beitrag zur Bildung von politischem<br />
Bewusstsein, zur Förderung von Engagement<br />
für Frieden und Demokratie.<br />
2. Jugendliche als Zielgruppe<br />
Lassen Sie mich noch kurz das<br />
Unicef-Friedensprogramm vorstellen,<br />
das mit multilateralen Mitteln des<br />
BMZ finanziert wird (Project for Peace<br />
Education, Historical Memory and<br />
Democracy). Die erste Komponente<br />
des Programmes ist die Vermittlung<br />
von Geschichtsbewusstsein. Dabei<br />
werden von einer interdisziplinären<br />
Arbeitsgruppe pädagogische Materialien<br />
für 12- bis 20-Jährige zur Zeitgeschichte<br />
entwickelt. Zudem ist für das<br />
kommende Jahr zusammen mit der<br />
Deutschen Stiftung für internationale<br />
Entwicklung (DSE) und der Konrad-<br />
Adenauer-Stiftung eine internationale<br />
Konferenz zur Genozidpädagogik<br />
geplant.<br />
Die zweite Komponente ist der Neuaufbau<br />
von Jugendorganisationen –<br />
den Orten demokratischer Praxis.<br />
Diese sind in den 80er Jahren gänzlich<br />
zerschlagen worden, da beginnen<br />
wir praktisch bei Null. Die Demokratisierung<br />
der Schule ist die dritte Komponente<br />
des Programmes. Im Mittelpunkt<br />
steht die Lehrerfortbildung zum<br />
Thema Diskriminierung im Schulraum;<br />
es geht auch um Benotungssysteme,<br />
partizipative Unterrichtsmethoden,<br />
zweisprachige Erziehung, die<br />
Einführung von Elternräten und<br />
40
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Schülermitverwaltung sowie den Bereich<br />
Forschung.<br />
3. „Mit der Wahrheit bauen wir die<br />
Zukunft in Guatemala auf“ –<br />
Schlussfolgerungen<br />
Abschließend einige Schlussfolgerungen<br />
aus den Erfahrungen der Arbeit<br />
in Guatemala:<br />
(1) Vergangenheitsbewältigung ist<br />
Teil von Krisenprävention und ein<br />
Feld für die TZ, ob im Bereich<br />
Rechtsberatung, Amnestiegesetzen,<br />
Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsregelungen,<br />
Wahrheitskommission,<br />
Dialog von Kriegsgegnern<br />
oder im Bereich Friedens- und Geschichtserziehung,<br />
Gedächtnis- und<br />
Gedenkstätten sowie psychosoziale<br />
Betreuung von Opfern.<br />
Vergangenheitsbewältigung ist ein<br />
langer, steiniger Weg. Aber ich glaube,<br />
dass gerade die deutschen Erfahrungen<br />
mit der Vergangenheitsbewältigung<br />
ein besonderer Erfahrungsschatz<br />
sind und dass es aus<br />
dieser geschichtlichen Verantwortung<br />
an Deutschland heraus eine besondere<br />
Verantwortung anderen Völkern<br />
gegenüber gibt, sie auf diesem steinigen<br />
Weg zu begleiten. Und ich<br />
glaube, es gibt genug Beispiele dafür,<br />
dass Völker, die sich nicht mit ihrer<br />
Vergangenheit auseinander setzen,<br />
den Grundstock für die Konflikte in<br />
der Zukunft legen.<br />
(2) Vergangenheitsbewältigung ist ein<br />
langfristiger Prozess, der über Generationen<br />
verläuft. Daher ist die Zielgruppe<br />
Kinder und Jugendliche so<br />
wichtig (Stichworte Geschichtsbewusstsein,<br />
politische Bildung, demokratische<br />
Praxis).<br />
(3) Vergangenheitsbewältigung ist ein<br />
sensibles Thema. Deshalb kann es<br />
sinnvoll sein, nicht alleine spezifische<br />
Projekte zu konzipieren, sondern Ergebnisse<br />
an laufende Vorhaben anzuhängen.<br />
(4) Vergangenheitsbewältigung muss<br />
im Zusammenhang mit Versöhnungsprozessen<br />
und Wiederaufbau<br />
gesehen werden – und zwar nicht nur<br />
materiellem Wiederaufbau, sondern<br />
auch moralischem, psychischem und<br />
politischem.<br />
41
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Förderung der Rechte indigener Völker, Brasilien<br />
Dr. Regine Schönenberg<br />
Ich freue mich, dass ich Ihnen heute<br />
das Projekt in Brasilien zur Indianer-<br />
Demarkation vorstellen kann. Die<br />
Frage, die sich zunächst stellt, ist:<br />
Was haben Indianer und die Demarkation<br />
von Indianerland mit Friedenssicherung<br />
und Krisenprävention zu<br />
tun? Das Projekt hat insofern einen<br />
präventiven Charakter, als es zur<br />
Förderung von Mechanismen gewaltfreier<br />
Konfliktslösung beiträgt, indem<br />
es sowohl die Konstruktion von Mediations-<br />
und Konsensbildungsprozessen<br />
als auch die ganz konkrete<br />
bodenrechtliche Absicherung indigener<br />
Rechte unterstützt.<br />
Das Projekt findet im brasilianischen<br />
Amazonasgebiet statt, das mit ungefähr<br />
fünf Millionen Quadratkilometern<br />
so groß ist wie Europa bis zum Ural.<br />
Es steht in einem komplexen internationalen<br />
Zusammenhang: Indigene<br />
Völker sind seit geraumer Zeit völkerrechtliche<br />
Rechtssubjekte. Während<br />
in den 80er Jahren bei der Behandlung<br />
indigener Völker die Menschenrechtsproblematik<br />
im Vordergrund<br />
stand (in der VN-Menschenrechtskommission<br />
und der von ihr eingerichteten<br />
Working Group on Indigenous<br />
Populations), hat sich das bereits<br />
in der Konvention 169 der ILO<br />
(International Labour Organisation)<br />
von 1989 verändert. Hier geht es um<br />
Landrechte und besonders um die<br />
Rechte indigener Völker an ihren Bodenschätzen<br />
und ihren Ressourcen.<br />
Im Rahmen der aktuellen Umweltdiskussion<br />
kann man die indigenen Völker<br />
als aktive Rechtsobjekte wiederfinden,<br />
die uns etwas zu geben haben<br />
und zur allgemeinen Überlebensfähigkeit<br />
der Menschheit beitragen<br />
können. Das ist der Fall in Kapitel<br />
26 der Agenda 21, aber auch in<br />
der Biodiversitätskonvention, beide<br />
von 1992.<br />
1. Ziele und Rahmenbedingungen<br />
des Projektes<br />
Das Projekt „Demarkation von Indianergebieten<br />
in Brasilien“ ist ein<br />
Sub-Programm des vielgestaltigen<br />
„Pilotprogramms zur Bewahrung der<br />
tropischen Regenwälder Brasiliens<br />
der G7“ (PPG7), in dem die Bundesrepublik<br />
sowohl als Initiator als auch<br />
als Hauptgeber eine wichtige Rolle<br />
spielt.<br />
Alle Programme im PPG7 sind<br />
TZ/FZ-Kooperationsprogramme. Das<br />
Projekt sieht vor, in einer Region, in<br />
der es noch in geringem Maße zu<br />
offenen Konflikten im Umland kommt,<br />
ca. 150 Indianergebiete rechtlich zu<br />
sichern und zum Schutz der kulturellen<br />
Integrität ihrer Bevölkerung beizutragen.<br />
Die Konflikte sind deshalb nicht so<br />
virulent, weil es sich häufig bereits<br />
um entlegene Rückzuggebiete der<br />
Indianer handelt. In anderen Landesteilen<br />
Brasiliens gibt es permanent<br />
Auseinandersetzungen. In der<br />
vergangenen Woche wurden in Bahia<br />
wieder zwei Polizisten von militanten<br />
Indianern erschossen, die ihr Land<br />
42
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
verteidigt haben. In diesem Sinne ist<br />
das amazonische Proramm auf jeden<br />
Fall auch im Kontext der Krisenprävention<br />
zu sehen.<br />
Der brasilianische Kontext ist für uns<br />
der schwierigste, weil in der brasilianischen<br />
Gesellschaft, trotz eines<br />
eindeutigen Verfassungsauftrages<br />
kein Konsens darüber herrscht, dass<br />
ca. 280.000 Indianer einen Anspruch<br />
auf elf Prozent des brasilianischen<br />
Territoriums erheben können.<br />
Landrechte und vor allem Nutzungsrechte<br />
von Bodenressourcen werden<br />
in Brasilien sehr polemisch diskutiert;<br />
andererseits sind sie Gegenstand der<br />
internationalen Agenda, und in diesem<br />
Spannungsfeld muss das Projekt<br />
gesehen werden. Die internationale<br />
Gebergemeinschaft hat es sozusagen<br />
gegen Widerstände innerhalb der<br />
brasilianischen Regierung als integralen<br />
Bestandteil des PPG7 durchgedrückt.<br />
Das heißt nicht, dass alle Teile der<br />
brasilianischen Regierung oder Gesellschaft<br />
dagegen sind. Natürlich<br />
gibt es Gruppen, die es unterstützen,<br />
und mit diesen arbeiten wir zusammen.<br />
Ich sage das nur, um auf die<br />
schwierigen Rahmenbedingungen<br />
eines Projektes hinzuweisen, das<br />
universelle Werte in einem konfliktiven<br />
Umfeld vertritt.<br />
Beratend unterstützt die Technische<br />
Zusammenarbeit in der Indianerschutzbehörde<br />
die progressiven Elemente.<br />
Das sind diejenigen Elemente,<br />
die nicht mit Lobbygruppen von<br />
Goldschürfern, Mineralkonzernen<br />
usw. zusammenarbeiten. Das institutionelle<br />
Umfeld ist somit zum Teil<br />
feindlich und zum Teil sehr schwach<br />
entwickelt. Im Rahmen des Programms<br />
wird daher ein Capacity<br />
Building jener Mitarbeiter und Strukturen<br />
betrieben, die sich für Indianerdemarkation<br />
interessieren und diese<br />
aktiv unterstützen.<br />
2. Aktionsbereiche des Projektes<br />
Zum Erreichen der Projektziele sollen<br />
vier Aktionsbereiche beitragen:<br />
(1) Der Kernbereich ist die rechtliche<br />
Absicherung der Indianergebiete mit<br />
der Klärung vergangener und aktueller<br />
Landbesitzverhältnisse – Voraussetzung<br />
für alle weiteren Aktivitäten.<br />
Die Demarkation ist zum Teil sehr<br />
schwierig: In einer Grenzregion zu<br />
Peru, in der das Projekt derzeit aktiv<br />
ist, leben fünf verschiedene Völker,<br />
die sich untereinander nicht unbedingt<br />
lieben. Bereits im Demarkationsprozess<br />
kommen daher Mechanismen<br />
des Dialogs und der Konfliktbearbeitung<br />
zum Tragen – dies ist<br />
essentiell für das Gelingen des Projektes,<br />
da die dort lebenden Indianer<br />
den Vermessungsprozess selber<br />
steuern und später das Monitoring<br />
der Region selbst übernehmen müssen.<br />
(2) Der Erfolg des nächsten Schrittes,<br />
die Überwachung der vermessenen<br />
Grenzen, hängt vom genauen Kenntnisstand<br />
der Indianer über ihr Territorium<br />
ab und setzt voraus, dass sich<br />
die Indianer mit den Gebietsausmaßen<br />
identifizieren.<br />
(3) Ein wichtiger Bereich ist auch die<br />
Verbesserung der Methoden bei der<br />
Durchführung der oben genannten<br />
Maßnahmen im Sinne von Klarheit<br />
und Transparenz sowie die Gewähr-<br />
43
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
leistung der durch die Indianer nachgefragten<br />
Fortbildungen, die ihnen<br />
eine aktive Beteiligung an den komplexen<br />
Prozessen der Landsicherung<br />
erlauben.<br />
(4) Der vierte Projektbereich besteht<br />
in der ständigen administrativen, institutionellen<br />
und politischen Steuerung<br />
der Gesamtaktivitäten in der<br />
Indianerschutzbehörde und der Zusammenarbeit<br />
mit dem Justizministerium<br />
über das dazu eingerichtete<br />
Technische Sekretariat des Projektes.<br />
Die Hauptkonfliktbereiche bei der<br />
Durchführung des Projektes sind privatwirtschaftliche<br />
Interessen besonders<br />
hinsichtlich von Gold- und Erzvorkommen<br />
in den Indianerschutzgebieten,<br />
die sich sowohl in Form ständiger<br />
territorialer Übergriffe, parlamentarischer<br />
Initiativen zur Beschneidung<br />
indigener Grundrechte<br />
und institutioneller Blockaden der Indianerschutzbehörde<br />
niederschlagen.<br />
Andererseits ermöglichen moderne<br />
Kommunikationsformen und international<br />
verfügbare Gelder lokale und<br />
globale Kooperationen, die durch<br />
Macht und Geld strukturierte Hierarchien<br />
umgehen und neue Modelle<br />
des Überlebens entwickeln und absichern<br />
helfen können. Im Rahmen der<br />
Beratungsfunktion der vielfältigen<br />
lokalen, nationalen und internationalen<br />
Verhandlungsebenen des Projektes<br />
erwirbt die deutsche EZ wertvolles<br />
Know-how auf den Gebieten<br />
der „Friedenssicherung und Krisenprävention“.<br />
44
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Nahost-Wasserstudie, Israel / Jordanien / Palästina<br />
Gerhard Naschold<br />
Ich möchte Ihnen die „Middle East<br />
Regional Study on Water Supply and<br />
Demand Development“ (Nahost-<br />
Wasserstudie) vorstellen, die die GTZ<br />
von 1995 bis 1998 durchgeführt hat.<br />
Sie war der deutsche Beitrag zu den<br />
Aktivitäten der „Multilateral Working<br />
Group on Water Resources“, die sich<br />
– neben anderen Arbeitsgruppen zu<br />
konfliktiven Themen – gebildet hatte,<br />
um den Friedensprozess im Nahen<br />
Osten zu unterstützen.<br />
Ziel der Studie war:<br />
(1) die Erarbeitung und Bewertung<br />
von Vorschlägen für die Bereitstellung<br />
von zusätzlichem Wasser zur<br />
Deckung der erwarteten Bedarfsentwicklung;<br />
(2) die Entwicklung eines Konzeptes<br />
für die koordinierte Bewirtschaftung<br />
aller regionaler Wasserressourcen.<br />
Beteiligt waren Israel, Jordanien und<br />
Palästina; Libanon und Syrien nahmen<br />
leider nicht teil. Deren lokale<br />
Studienteams arbeiteten nach einheitlichen<br />
GTZ-Terms of Reference<br />
und wurden von lokalen Steuerungsgruppen<br />
begleitet.<br />
Darüber hinaus wurde eine gemeinsame<br />
Steuerungsgruppe eingerichtet,<br />
die den regionalen Ansatz der Arbeiten<br />
sicherstellen, die Kooperation<br />
zwischen den Teams erleichtern und<br />
mögliche Probleme auf einer gemeinsamen<br />
Basis lösen sollte.<br />
Das Konzept der Studie war folgendermaßen<br />
angelegt:<br />
Œ Keine Lösungen für gegenwärtige<br />
Wasserverteilungsprobleme, sondern<br />
Erarbeitung eines Konzeptes<br />
für die koordinierte zukünftige<br />
Bewirtschaftung aller regionaler<br />
Wasserressourcen;<br />
Œ Erarbeitung von mittelfristigen<br />
(2010) und langfristigen (2040)<br />
Entwicklungsprognosen;<br />
Œ Die Region wird als einziges zusammenhängendes<br />
Planungsgebiet<br />
angesehen;<br />
Œ Lokale Planungsteams sind Teil<br />
eines einzigen regionalen Planungsteams.<br />
Vorgehen und Ergebnisse<br />
In einer ersten Phase wurden die<br />
vorhandenen Daten und Studien der<br />
Wasserwirtschaft ausgewertet. Dies<br />
war insbesondere für die Palästinenser<br />
ungeheuer wichtig, da sie zum<br />
ersten Mal Untersuchungen über die<br />
Wasserressourcen im Nahen Osten<br />
zur Kenntnis bekamen und detaillierte<br />
Informationen über die Wasserressourcen<br />
in ihren Gebieten erhielten.<br />
In der zweiten Phase ging es um die<br />
Ausarbeitung und Bewertung von<br />
Möglichkeiten zur Erschließung lokaler<br />
Wasserressourcen, in der dritten<br />
Phase um die Entwicklung von Empfehlungen<br />
für weitere, gemeinsame<br />
regionale Aktivitäten.<br />
45
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Wesentliche Ergebnisse der Studie:<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Œ<br />
Die Daten der vorhandene Wasserressourcen und der gegenwärtigen Nutzung sind von<br />
allen Beteiligten (Core Parties) akzeptiert;<br />
Die Datenbasis der wasserbezogenen Informationen für die West Bank und den Gaza-<br />
Streifen ist verbessert;<br />
Für jede Core Party existiert eine eigene Wasserbedarfsprognose, die den anderen bekannt<br />
ist;<br />
Ein Modell für die Wasserbedarfsdeckungslücken bei den verschiedenen Bedarfsprognosen<br />
ist vorhanden;<br />
Der Vorschlag für eine Alternativprognose durch GTZ/CES (Consultant) ist von den Jordaniern<br />
und Palästinensern akzeptiert;<br />
Kostengünstige Erschließungsmöglichkeiten für Wasser in Jordanien und West Bank/Gaza,<br />
ebenso für die gesamte Region – und das akzeptiert von allen Core Parties;<br />
Entwicklung von Elementen einer regionalen Wasserstrategie und gemeinsamen Empfehlungen<br />
für Sofortmaßnahmen und –aktivitäten;<br />
Die Core Parties haben einen gemeinsamen Informationsstand über die Wassersituation in<br />
der Region;<br />
Der Libanon und Syrien sind informiert;<br />
Die Zusammenarbeit zwischen den Studienteams ist verbessert, die Bereitschaft zur Fortsetzung<br />
gegeben;<br />
Stärkung des eigenen Fach-Know-hows (Jordanien und Palästinenser);<br />
Unterschiede in der Auffassung bei den drei Core Parties wurden untereinander deutlich.<br />
Wichtiger noch als die wasserwirtschaftlichen<br />
Ergebnisse ist sicher der<br />
durch die Studie entstandene Prozess.<br />
(1) Die Teams haben sich zum ersten<br />
Mal auf bestimmte Leitlinien und regionale<br />
Wasserstrategien geeinigt<br />
(gemeinsame Erschließung von zusätzlichen<br />
Wasserversorgungsmöglichkeiten,<br />
Einführung einer gemeinsamen<br />
Wasserbewirtschaftung, regionale<br />
Zusammenarbeit – auch bei<br />
der Erschließung lokaler Wasservorkommen)<br />
und sich über eine Reihe<br />
entsprechender Sofortmaßnahmen<br />
verständigt (Entsalzungsanlagen,<br />
Studien über Meerüberleitungen,<br />
Untersuchung einer gemeinsamen<br />
Verwaltungsstruktur).<br />
(2) Das Wichtigste ist, dass die Daten<br />
über die vorhandenen Wasserressourcen<br />
und die gegenwärtige Nutzung<br />
von allen Parteien akzeptiert<br />
worden sind – in vielen Verhandlungen<br />
ist seitdem auf diese Daten zurückgegriffen<br />
worden. Ein weiterer<br />
Punkt ist die verbesserte Datenbasis<br />
vor allem für die West Bank und den<br />
Gaza-Streifen; zudem hat jede Core<br />
Party eigene Wasserbedarfsprognosen,<br />
die den anderen bekannt sind.<br />
Durch diese Transparenz ist es gelungen<br />
erhebliche Spannungen abzubauen.<br />
46
KRISENPRÄVENTION IN DER PRAXIS<br />
Herbert Sahlmann<br />
Das Projekt hat politische Entscheidungsträger<br />
und Fachleute im Wassersektor<br />
in der Nahost-Region - also<br />
Israel, Palästina und Jordanien – zusammengebracht.<br />
Und wie Herr<br />
Naschold bereits dargestellt hat, ist<br />
zunächst eine gleiche Informationsbasis<br />
geschaffen worden, auf der<br />
diese drei Akteure weiterhin arbeiten.<br />
Wir haben in diesem dreieinhalbjährigen<br />
Prozess Vertrauen geschaffen.<br />
Ich komme gerade aus der Region<br />
und habe gehört, dass die Verhandlungen<br />
jetzt sehr viel einfacher gestaltet<br />
werden können, weil sich die<br />
Akteure kennen und aufeinander<br />
verlassen können.<br />
Alle wissen über die Situation im<br />
Wassersektor Bescheid, kennen die<br />
Interessen der anderen Parteien und<br />
deren minimale Bedürfnisse. Die<br />
Unterlegenheit und die Unsicherheit<br />
vor allem bei den Palästinensern,<br />
aber auch bei den Jordaniern, ist<br />
durch diesen mehrjährigen Prozess<br />
gewichen oder abgebaut worden. Es<br />
ist Verhandlungsfähigkeit geschaffen<br />
worden für alle Parteien. Sie haben<br />
erkannt, dass sie bei der Bewirtschaftung<br />
der knappen Wasserressourcen<br />
voneinander abhängig sind<br />
und das Problem nur gemeinsamn<br />
lösen können.<br />
Der wesentliche Ausblick ist in der<br />
Entsalzung zu sehen, vor allem wenn<br />
man künftig regionale regenerative<br />
Energien verwenden kann. An diesen<br />
Themen arbeiten sie gemeinsam<br />
weiter. Wir haben also wesentlich<br />
daran mitgewirkt, eine Wasserstrategie<br />
für diese Region zu entwickeln<br />
und es ist gelungen, die wesentlichen<br />
Spieler davon zu überzeugen, dass<br />
sie diese umsetzen müssen.<br />
Ich glaube, dass wir durch diese Studie<br />
einen Beitrag dazu geleistet haben,<br />
die Wasserkrisen in der Nahostregion,<br />
die es weiterhin geben wird,<br />
zumindest zu reduzieren. Außerdem<br />
haben wir auch für Syrien und den<br />
Libanon im Wasserbereich mehr<br />
Transparenz geschaffen, weil wir diesen<br />
Ländern die dokumentierten Ergebnisse<br />
der regionalen Nahost-<br />
Wasserstudie zur Verfügung gestellt<br />
haben.<br />
Erfolgreiche Moderation:<br />
Auch Dr. Hinrich Eylers zog im Rahmen der Plenardiskussion ein sehr positives, persönliches<br />
Resümee: „Die Wasserstudie ist für mich eine sehr positive Erfahrung, was wir mit Einmischung<br />
leisten können. Als wir angefangen haben, war es schier unmöglich, eine israelische und jordanische<br />
Gruppe zusammenzubringen, um über dasselbe Problem zu reden. Die Satzung des<br />
jordanischen Ingenieurvereins schloss jeden sofort aus dem Verein aus, der mit einem Israeli<br />
zusammen arbeitete. In der Situation haben wir angefangen, drei Fachteams zu gründen, die<br />
miteinander über ein regionales, fachliches Problem redeten, und als wir im März 1998, nachts<br />
um zwölf Uhr, nach mehrfachen Überarbeitungen des Schlussdokumentes die Unterschriften<br />
der drei Delegationsleister im Kurhotel in Bad Soden auf dem Papier hatten, hatten wir das<br />
Gefühl, da hat die GTZ durch unabhängige mediative, moderierende Tätigkeit etwas geschafft,<br />
was sonst nicht gelungen wäre. Das war so ein Punkt, an dem ich mir gedacht habe, das ist<br />
eine Erfahrung, aus der wir etwas machen müssen, die wir pflegen sollten.“<br />
47
DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />
Um die „Innenansicht“ zu den Themen<br />
Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />
um eine „Außenansicht“<br />
zu ergänzen, waren neben Ministerialrat<br />
Adolf Kloke-Lesch auf das Podium<br />
gebeten worden: Dr. Stephan<br />
Klingebiel, wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik<br />
(DIE), Prof. Dr. Franz<br />
Nuscheler, Direktor des Institutes für<br />
Entwicklung und Frieden (INEF) an<br />
der Universität Duisburg, Dr. Norbert<br />
Ropers, Direktor des Berghof Forschungszentrums<br />
für konstruktive<br />
Konfliktbearbeitung, und Manfred<br />
Sollich, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft<br />
für Entwicklungshilfe<br />
(AGEH). Die Statements der Podiumsteilnehmer<br />
konzentrierten sich<br />
auf folgende Themenkomplexe:<br />
Œ Entwicklungen in der internationalen<br />
Szene;<br />
Œ Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren;<br />
Œ Kooperation und Koordination der<br />
beteiligten externen Akteure.<br />
1. Krisenprävention und Konfliktbearbeitung:<br />
Eintritt in die „Reflexionsphase“<br />
Dr. Norbert Ropers warf einen Blick<br />
auf die Entwicklungen im internationalen<br />
Bereich. Die internationalen<br />
Organisationen sowie die nationalen<br />
Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitiken<br />
müssten sich darauf<br />
einstellen, dass die klassischen Bedrohungskonstellationen<br />
– die unter<br />
dem Begriff der hard security vor allem<br />
mit militärischen und diplomatischen<br />
Maßnahmen bearbeitet worden<br />
seien –, zunehmend der Vergangenheit<br />
angehörten. „Womit wir heute<br />
konfrontiert werden, sind Fragen interner,<br />
tief verwurzelter, langwieriger<br />
Konflikte, die sich nicht allein auf der<br />
Sachebene bearbeiten lassen, sondern<br />
auch die Beziehungsebene von<br />
Konflikten einbeziehen müssen“,<br />
sagte Ropers.<br />
Die Bewegung von der hard security<br />
zur soft security habe auf der internationalen<br />
Bühne erheblichen Einfluss<br />
darauf, wie sich das Spannungsfeld<br />
zwischen Unilateralismus, Bilateralismus<br />
und Multilateralismus darstelle.<br />
Die EU sei gezwungen, nicht zuletzt<br />
wegen des Unilateralismus der<br />
USA, sich eine militärische Komponente<br />
zuzulegen. Zugleich fordere die<br />
soft security alle Organisationen heraus,<br />
sich neue Instrumente zu<br />
schaffen.<br />
Als jüngstes Beispiel nannte Ropers<br />
den Beschluss des OSZE-Gipfels in<br />
Istanbul, eine Rapid Reaction-Einheit<br />
zu schaffen. „Wir erleben in diesem<br />
Spannungsfeld von Multilateralismus<br />
und Unilateralismus den Kampf um<br />
die Zuständigkeit für die neue soft<br />
security, so der Leiter des Berghof-<br />
Forschungszentrums. Die Auseinandersetzung<br />
damit, wie Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung künftig<br />
angegangen würden, sei in sich konfliktgeladen.<br />
Und in dieses Feld werde<br />
jetzt auch die Entwicklungszusammenarbeit<br />
hineingezogen.<br />
Welche Möglichkeiten zur Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung hat<br />
nun die EZ/TZ in einem solchen<br />
Kontext? Ropers vertrat die Ansicht,<br />
dass eine selbstkritische Einschätzung<br />
der TZ hilfreich sei, um zu einem<br />
realistischen Bild von den Möglichkeiten<br />
und Grenzen zu kommen.<br />
Neben der traditionellen Diplomatie<br />
48
DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />
und Außenpolitik (Track 1) und den<br />
NRO (Track 2) richte sich die EZ als<br />
dritte Säule darauf, Konflikte an den<br />
Wurzeln zu bekämpfen und Kapazitäten<br />
bereitzustellen, um in den betroffenen<br />
Gesellschaften die Voraussetzungen<br />
für eine konstruktive<br />
Transformation zu schaffen. In allen<br />
drei Feldern gebe es im internationalen<br />
wie nationalen Bereich aktive<br />
Bemühungen, neue Kapazitäten aufzubauen<br />
und neue Akteure zu mobilisieren.<br />
Ropers wies darauf hin, dass international<br />
bereits der Übergang von der<br />
„Pionierphase“ zur „ersten Reflexionsphase“<br />
zu konstatieren sei. Diese<br />
sei vor allem durch angelsächsische<br />
Sozialwissenschaftler eingeleitet<br />
wor-den, die sich – wie vormals im<br />
Bereich der Humanitären Hilfe – kritisch<br />
mit den Wirkungen konfliktbearbeitender<br />
Maßnahmen auseinander<br />
gesetzt hätten. Ropers sprach sich<br />
explizit dafür aus, dass nationale Organisationen<br />
und Einrichtungen, die<br />
sich jetzt verstärkt mit den Themen<br />
Krisenprävention und Konfliktbearbeitung<br />
befassen, dieses „internationale<br />
Niveau der Selbstreflexion gleich<br />
proaktiv berücksichtigen“.<br />
2. Friedenswillige und „Brückenbauer“<br />
unterstützen<br />
Manfred Sollich forderte nachdrücklich<br />
einen Wandel im Denken externer<br />
Akteure: Der Frieden müsse in<br />
den Regionen gemacht werden, „wir<br />
denken immer noch auf einer interventionistischen<br />
Schiene“. Die Unterstützung<br />
und Förderung der Friedenswilligen<br />
setze ihre Identifizierung<br />
und damit einen Blick für die verschiedenen<br />
Akteursebenen voraus –<br />
lokale Kräfte an der Basis, Organisationen<br />
wie Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche<br />
Akteure anderer Art<br />
etc.. „Wir brauchen auch die Brükkenbauer“,<br />
sagte Sollich, „jene, die<br />
Kontakt zu beiden Seiten haben“. In<br />
der gemeinsamen Konferenz Kirche<br />
und Entwicklung habe man vor einigen<br />
Jahren solche Brückenbauer und<br />
Konfliktschlichter – Personen, die am<br />
Horn von Afrika, in Honduras/El Salvador<br />
und Guatemala vermittelt hatten<br />
– zu einem sehr fruchtbaren<br />
Austausch zusammengebracht. „So<br />
etwas müsste viel häufiger geschehen“,<br />
meinte Sollich.<br />
Kann die TZ Vergleichbares leisten –<br />
oder besitzen kirchliche Organisationen<br />
hier komparative Vorteile? Sollich<br />
vertrat die Meinung, dass das frühe<br />
Eintauchen in den lokalen Kontext<br />
der TZ so nicht gelingen werde, oder<br />
nur beiläufig. Die Präsenz kirchlicher<br />
Organisationen beruhe ja auch auf<br />
dem Zusammenleben, dem Austausch,<br />
der sich ständig vollziehe.<br />
Das treffe für Organisationen wie die<br />
GTZ nicht zu.<br />
3. Konfliktstrategien: Voraussetzung<br />
für effektive Koordination<br />
Dr. Stephan Klingebiel, Autor der<br />
BMZ-Querschnittsevaluierung zu<br />
„Wirkungen der EZ in Konfliktsituationen“<br />
und der Länderfallstudie Sri<br />
Lanka, befasste sich mit der Frage<br />
der Kooperation und Koordination<br />
nationaler Akteure im Bereich Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung.<br />
Hier sei die Zusammenarbeit der EZ-<br />
Akteure untereinander und die Zusammenarbeit<br />
der EZ-Akteure mit<br />
anderen Politikbereichen zu unterscheiden.<br />
Grundsätzlich könne man<br />
49
DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />
feststellen, so Klingebiel, dass auf<br />
beiden Ebenen keine echte Planung,<br />
keine Konfliktstrategie existiere, in die<br />
sich die Akteure einbetten könnten.<br />
„Wir haben in vielen Länderfällen die<br />
Feststellung machen können, dass es<br />
eine Arbeitsteilung zwischen z.B.<br />
staatlicher und nicht-staatlicher Zusammenarbeit<br />
gab, das war aber<br />
nicht Ausdruck einer geplanten Strategie,<br />
sondern hat sich so ergeben“,<br />
sagte Klingebiel. Der Erarbeitung von<br />
Konfliktstrategien maß er in der Konsequenz<br />
eine große Bedeutung zu. In<br />
Deutschland sei es vorrangige Aufgabe<br />
des BMZ, die EZ-Akteure an<br />
einen Tisch zu bringen und Strategien<br />
festzulegen. Als ein Instrument<br />
sprach Klingebiel die Durchführung<br />
konfliktbezogener Ländergespräche<br />
im BMZ an.<br />
4. Langfristige Friedenssicherung<br />
„nicht Aufgabe bilateraler TZ“<br />
Auch Prof. Dr. Franz Nuscheler ging<br />
auf die Frage der Kooperation nationaler<br />
Akteure ein. Eine effektive Krisenprävention<br />
und Friedenssicherung<br />
könne ohne eine enge Zusammenarbeit<br />
des Auswärtigen Amtes und des<br />
BMZ – möglichst unter Einschluss<br />
des Verteidigungsministeriums –<br />
nicht gelingen. Bislang sehe er keine<br />
Bereitschaft, ein gemeinsames Konzept<br />
zu entwickeln, so Nuscheler. Im<br />
Zusammenhang mit dem gegenwärtigen<br />
Aufbau einer Infrastruktur für zivile<br />
Konfliktbearbeitung forderte Nuscheler<br />
die Schaffung paralleler Institutionen<br />
zu vermeiden. Statt der<br />
Einrichtung eines Zivilen Friedensdienstes<br />
plädierte er für eine mehrmonatige<br />
Fortbildung von EZ-<br />
Experten, eventuell auch von Diplomaten,<br />
in einer „Akademie für Friedensmissionen“.<br />
Eine langfristige Friedenssicherung<br />
sah Nuscheler nicht als Aufgabe bilateraler<br />
TZ an, sondern globaler und<br />
multialteraler Organisationen wie der<br />
EU. Die TZ sei Teil deren Unterbaus.<br />
Während die Koordination auch zwischen<br />
nationaler, mulitlateraler oder<br />
globaler Ebene defizitär sei, konstatierte<br />
Nuscheler in der Zusammenarbeit<br />
zwischen Staatenakteuren, Privatakteuren<br />
(NRO) und der Wissenschaft<br />
(Public-Private-Partnership) in<br />
jüngster Zeit eine wesentliche Verbesserung.<br />
5. Friedensförderung und Ziviler<br />
Friedensdienst<br />
Adolf Kloke-Lesch griff in seinem abschließenden<br />
Statement die Frage<br />
der Kooperation im europäischen<br />
Rahmen und die Kritik am Zivilen<br />
Friedensdienst auf. In der Entwicklung<br />
einer europäischen Verteidigungs-<br />
und Sicherheitspolitik – jenem<br />
Bereich, der als hard security bezeichnet<br />
worden sei –, könne man<br />
derzeit eine enorme Entwicklung beobachten,<br />
hier finde Vergemeinschaftung<br />
statt. Im Bereich der soft<br />
security, zu dem auch die Entwicklungszusammenarbeit<br />
gezählt worden<br />
sei, sei eine vergleichbare Form<br />
der Kooperation noch nicht vorhanden.<br />
Kloke-Lesch wies darauf hin, dass im<br />
Rahmen der deutschen EU-<br />
Präsidentschaft einige Initiativen angestoßen<br />
worden seien: „Wenn wir<br />
hier hinter den politischen Prozess<br />
zurückfallen, der in anderen Bereichen<br />
stattfindet, dann werden wir uns<br />
50
DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />
nicht mehr gestaltend einbringen<br />
können.“<br />
Bezüglich der Beteiligung an multilateralen<br />
Interventionen gelte für die<br />
Bundesregierung das Primat des europäischen<br />
Umfeldes – was nicht<br />
heiße, dass man selektiv auch global<br />
mit signifikanten Ressourcen antrete<br />
(Bsp. Osttimor). „Die Entwicklungszusammenarbeit<br />
muss sich natürlich<br />
auch an europäischen Sicherheitsinteressen<br />
orientieren, aber wir dürfen,<br />
gerade wenn ich diese menschliche<br />
Dimension noch einmal hervorhebe,<br />
die anderen Regionen nicht völlig<br />
hinten runterkippen lassen“, sagte<br />
Kloke-Lesch. Je ferner Konflikte stattfinden,<br />
desto weiter gingen die Interessen<br />
der beteiligten europäischen<br />
Akteure auseinander – und desto<br />
schwieriger sei die Koordination.<br />
Im Zusammenhang mit der Kritik am<br />
Aufbau neuer Institutionen im Bereich<br />
Zivile Konfliktbearbeitung betonte<br />
Kloke-Lesch, dass mit dem Zivilen<br />
Friedensdienst keine neue Organisation<br />
geschaffen worden sei. Friedensförderung<br />
sei ein integraler Bestandteil<br />
der Entwicklungszusammenarbeit<br />
und in diesen Kontext füge<br />
sich dieses Instrument ein. „Die Tatsache,<br />
dass wir auch vorhandene<br />
Projektansätze aus unserem laufenden<br />
Geschäft haben, die wir heute in<br />
dem Zivilen Friedensdienst weiterentwickeln<br />
können, zeigt, wie richtig<br />
diese Entscheidung war“, sagte der<br />
Vertreter des BMZ. Die Träger des<br />
ZFD seien die anerkannten Entwicklungsdienste,<br />
die durch dieses Instrument<br />
auch zusammengeführt<br />
würden. „Wenn wir künftig in einem<br />
Programmausschuss zusammensitzen,<br />
wenn wir mit den Trägern gemeinsam<br />
reden, wer was in welchen<br />
Regionen macht, ist das ein Stück<br />
Komplementarität zwischen den im<br />
Zivilen Friedensdienst zusammenarbeitenden<br />
Trägern“, unterstrich Kloke-Lesch.<br />
7. Plenardiskussion<br />
Im Laufe der Diskussion mit dem<br />
Plenum wurde eine Reihe von grundsätzlichen<br />
Fragen aufgeworfen:<br />
(1) Flexibilität, die ein rasches und<br />
zeitlich passendes Handeln ermöglicht,<br />
hat sich als ein wichtiger Erfolgsfaktor<br />
für konfliktspezifische<br />
Maßnahmen erwiesen. Hierzu zählt<br />
vor allem die Fähigkeit, nach der Beendigung<br />
von Kriegen oder nach dem<br />
Ende von Kampfhandlungen in bestimmten<br />
Gebieten tätig werden zu<br />
können (Bsp. Mali-Nord, Sri Lanka).<br />
Erforderlich ist zum einen das Aufrechterhalten<br />
einer gewissen Infrastruktur,<br />
die ein sofortiges Tätigwerden<br />
ermöglicht (der Abzug des internationalen<br />
Personals in Ruanda war<br />
ein verheerendes Signal für die Akteure<br />
vor Ort). Zum anderen sind die<br />
GTZ-Verfahren flexibler zu gestalten<br />
und Instrumente wie z.B. offene<br />
Fonds zu schaffen. Viele amerikanische<br />
Privatstiftungen (z.B. Mott<br />
Foundation, Hewlett Packard Foundation)<br />
sind mittlerweile von dem<br />
Projekt-Format abgekommen und<br />
dazu übergegangen, eine Programmfinanzierung<br />
für bestimmte Akteure<br />
zu beschließen, die in ausgewählten<br />
Krisen tätig sind und unmittelbar handeln<br />
können.<br />
(2) Notwendig in hochkonfliktiven Situationen<br />
ist zudem ein Management<br />
aus einer Hand, das heißt das Nebeneinander<br />
der drei Säulen – Track<br />
1, Track 2 und Entwicklungszusam-<br />
51
DISKUSSION UM ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />
menarbeit – muss dringend überwunden<br />
werden. Dies gilt auch für die<br />
Zusammenarbeit der EZ-Akteure untereinander.<br />
Als positives Beispiel<br />
wurde hier die Bildung einer informellen<br />
Arbeitsgruppe im vergangenen<br />
Jahr in Uganda genannt, an der<br />
die Arbeitsebenen der verschiedenen<br />
Organisationen – GTZ, DED, politische<br />
Stiftungen, Botschaft, Kirchen –<br />
beteiligt sind. Gemeinsam werden<br />
hier etwa Wirkungen der eigenen Arbeit<br />
analysiert.<br />
knüpfen, um den veränderten Anforderungen<br />
an Beratung Rechnung zu<br />
tragen.<br />
(5) Die Möglichkeiten und Grenzen<br />
der EZ in Konfliktsituationen sind in<br />
der Öffentlichkeit klar zu benennen,<br />
um übersteigerten Erwartungen vorzubeugen.<br />
Das Ziel der EZ/TZ-<br />
Maßnahmen ist das Ausschalten der<br />
Gewaltkomponente in Konflikten,<br />
nicht das Ausschalten der Konflikte.<br />
(3) Unter den Teilnehmern herrschte<br />
breite Übereinstimmung, dass das<br />
Kenntnis- und Wissensprofil des Personals<br />
in Krisen- und Konfliktsitationen<br />
erweitert werden muss. Die Experten,<br />
die in Konfliktsituationen und<br />
Nachkriegsgesellschaften arbeiten,<br />
müssen eine ganzheitliche Sichtweise<br />
sowohl von Problemen als auch<br />
von möglichen Lösungsmöglichkeiten<br />
haben. Während sich entsprechende<br />
Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten<br />
im Aufbau befinden, verfügt die GTZ<br />
mit „COPE“ (Psychologische Personalberatung<br />
für Krisen und Konflikte)<br />
bereits über eine Arbeitseinheit, die<br />
im Rahmen der Vorbereitung von<br />
Auslandsmitarbeitern/-innen das Modul<br />
„Optimales Stress-, Konflikt und<br />
Krisenmanagement im Auslandseinsatz“<br />
durchführt sowie Auslands- und<br />
Inlandsmitarbeiter/-innen individuelle<br />
Beratung und Unterstützung für Krisen<br />
und Konflikte anbietet.<br />
(4) Im Umfeld von Gewalt und gewalttätigen<br />
Konflikten wird der Berater<br />
mit Fragen konfrontiert, die außerhalb<br />
des klassischen Tätigkeitsbereiches<br />
der Entwicklungszusammenarbeit<br />
liegen. Die GTZ muss Wissen<br />
aus den Humanwissenschaften stärker<br />
in ihre Arbeit integrieren und enge<br />
Verbindungen mit diesen Disziplinen<br />
52
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
Dr. Stephan Klingebiel, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik<br />
1. Einleitung<br />
Krisenprävention und Konfliktbearbeitung sind vergleichsweise neue Aufgaben in<br />
der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Seit Anfang der 90er Jahre bemühen sich<br />
EZ-Akteure darum, nach Wegen zu suchen, wie EZ einen gezielten Beitrag für<br />
eine stabile und friedliche Entwicklung in Konfliktsituationen leisten kann. Das vorliegende<br />
Statement will eine knappe Zwischenbilanz zu einigen wichtigen Fragen<br />
in diesem Bereich liefern. Es geht darum, die bisherigen Bemühungen kurz zu<br />
charakterisieren, aber vor allem auf solche Felder hinzuweisen, wo neue oder zusätzliche<br />
Anstrengungen erforderlich sind.<br />
2. Konzeptionelle Antworten<br />
Den konzeptionellen Beiträgen auf dem Gebiet der „Krisenprävention und Konfliktbearbeitung“<br />
ist eine große Bedeutung beizumessen, weil es sich dabei um die<br />
inhaltliche Legitimation und den Anspruch, die Ausgangsbasis und die strategische<br />
Orientierung der EZ handelt. Grundsätzlich läßt sich für die internationale<br />
Ebene und deutsche Debatte erkennen, dass es eine Vielzahl von Bemühungen<br />
auf diesem Feld in den 90er Jahren gab.<br />
Auf internationaler Ebene sind in erster Linie die DAC-„Guidelines on Conflict, Peace<br />
and Development“ (1997) von besonders großer Bedeutung, weil sie sich als<br />
insgesamt sehr nützlich und gehaltvoll erwiesen haben und einen guten Orientierungsrahmen<br />
liefern. Viele internationale Geber (u.a. Weltbank, UNDP, EU) haben<br />
mittlerweile ebenfalls entsprechende Bemühungen unternommen.<br />
Gleiches gilt für die Anstrengungen in Deutschland. Das BMZ hat ein Dokument<br />
mit dem Titel „Entwicklungszusammenarbeit und Krisenvorbeugung“ (1997) vorgelegt,<br />
die GTZ hat dem Thema im Rahmen des Arbeitskonzeptes „Entwicklungsorientierte<br />
Nothilfe“ (1998) große Aufmerksamkeit geschenkt und arbeitet derzeit<br />
an der Fertigstellung eines speziellen Konzeptes; vor wenigen Wochen hat auch<br />
die KfW ein Arbeitspapier zum Thema vorgelegt.<br />
Insgesamt sind die vielfältigen Bemühungen zu begrüßen, weil sie die Relevanz<br />
des Themas hervorheben. Die Konzepte betonen zu Recht das eingeschränkte<br />
Gewicht, das EZ in Konfliktsituationen besitzt. Konkret wäre es aus meiner Sicht<br />
sinnvoll, eine Weiterentwicklung des BMZ-Konzeptes anzustreben, um für die<br />
Fachöffentlichkeit, die Durchführungsorganisationen und andere beteiligte oder<br />
interessierte Institutionen einen konkreten Überblick und Orientierungsrahmen für<br />
die neue Aufgabenstellung in der deutschen Entwicklungspolitik zu geben.<br />
53
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
Ein konzeptioneller Diskussionsbedarf besteht daneben zu folgenden Fragen:<br />
Œ<br />
Bei den meisten vorliegenden Konzepten wäre eine engere konzeptionelle<br />
Verknüpfung zu solchen Themen anzustreben, die eine inhaltliche Nähe zu<br />
den Fragen von Krisenprävention und Konfliktbearbeitung haben (etwa Demokratie,<br />
Menschenrechte, Good Governance, Zivilgesellschaft).<br />
Œ Überlegungen zur Arbeitsteilung wichtiger EZ-Akteure und EZ-Instrumente wären<br />
daneben hilfreich. Zu klären wären die jeweiligen komparativen Vorzüge<br />
eines bi- bzw. multilateralen Vorgehens, staatlicher bzw. nicht-staatlicher EZ<br />
und der Spezifika von Technischer Zusammenarbeit (TZ) bzw. Finanzieller Zusammenarbeit<br />
(FZ).<br />
Œ Schließlich sollte auch die Frage nach den entwicklungspolitischen Grundsätzen<br />
hinsichtlich einer konfliktorientierten EZ erörtert werden. Es ist anzunehmen,<br />
dass beispielsweise der Gedanke der „Nachhaltigkeit“ unter Konfliktgesichtspunkten<br />
und -bedingungen eine andere Bedeutung haben muss als in<br />
der sonstigen EZ. In Ländern, in welchen Regierungen Bürgerkriegspartei sind,<br />
wäre darüber hinaus etwa die Frage von großer Relevanz, ob staatliche EZ<br />
von der Kooperation mit der Regierung des Partnerlandes abrücken kann oder<br />
sollte und andere Partner direkter einbezogen werden können.<br />
3. Konfliktsensible Strategien in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
Die Erfahrungen in vielen Ländern zeigen, dass geeigneten Konfliktstrategien im<br />
Rahmen der EZ eine große Bedeutung beizumessen ist. In vielen Fällen könnten<br />
gezieltere Anstrengungen unternommen werden, um eine konfliktorientierte EZ zu<br />
planen und umzusetzen. Hier haben die Erkenntnisse bislang noch nicht dazu<br />
geführt, neue Konfliktstrategien zu erproben oder anzuwenden (etwa durch konfliktorientierte<br />
Ländergespräche).<br />
Konfliktstrategien können zum einen die Anstrengungen der EZ bündeln, die auf<br />
Krisenprävention und Konfliktbearbeitung ausgerichtet sind. Dies kann durch den<br />
gezielten Einsatz des Politikdialogs sowie von allgemeinen oder sektor- und projektspezifischen<br />
Auflagen, das Mittelvolumen, die Wahl der EZ-Instrumente (TZ,<br />
FZ oder nicht-staatliche EZ) und speziellen Konfliktmaßnahmen erfolgen. Zum<br />
anderen wäre eine bessere Einbettung der EZ in andere Friedensbemühungen –<br />
etwa der Außenpolitik und Diplomatie – besser zu gewährleisten.<br />
4. Handlungsfelder: Konfliktsensible Projekte und Programme<br />
Seit Beginn der 90er Jahre werden verschiedene konfliktspezifische EZ-<br />
Maßnahmen in der Praxis eingesetzt. Hierzu liegen mittlerweile zahlreiche Erfahrungsberichte<br />
vor, die eine überwiegend positive Bewertung zulassen. Dies umfasst<br />
beispielsweise Maßnahmen zur Demobilisierung und Reintegration von Ex-<br />
54
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
Kombattanten, die Minenbeseitigung und die Stabilisierung von Regionen oder<br />
Ländern durch umfassende und flexible Programmpakete. Auch andere Maßnahmen<br />
mit politiknahen Zielen – wie etwa die Förderung von Demokratie und Menschenrechten<br />
– haben eine große inhaltliche Nähe zur Aufgabe der Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung.<br />
Die zur Verfügung stehende Palette konfliktspezifischer Maßnahmen ist dennoch<br />
bislang eher eingeschränkt. In Bereichen wie „Aussöhnung“ und „Mediation“ sind<br />
beispielsweise die Erfahrungen der staatlichen EZ begrenzt. Hilfreich wären deshalb<br />
verstärkte Bemühungen, neue konfliktspezifische Maßnahmen zu entwickeln<br />
oder aus anderen Wissens- oder Anwendungsbereichen (z.B. Psychologie) für die<br />
EZ zu übertragen.<br />
5. Wirkungen in Konfliktsituationen<br />
Seit einigen Jahren wird verstärkt über die Wirkungen von EZ in Konfliktsituationen<br />
nachgedacht. Dies umfasst sowohl den Komplex der nichtintendierten negativen<br />
Wirkungen, der vielfach unter dem Stichwort „Do no harm“ zusammengefasst<br />
wird, als auch die Frage des Nachweises von positiven Wirkungen. Während verschiedene<br />
Fallstudien zeigen konnten, dass EZ in vielfältiger Form negative Wirkungen<br />
im Hinblick auf Konfliktsituationen entfalten kann, ist noch immer der plausible<br />
Nachweis schwer zu erbringen, dass bestimmte Spannungen, die nicht eskalierten,<br />
auf das beabsichtigte Wirken von EZ kausal zurückzuführen ist.<br />
Insgesamt hat sich deshalb die Notwendigkeit gezeigt, ein Instrument zur systematischen<br />
Wirkungsbeobachtung (Conflict Impact Assessment) zu entwickeln und<br />
anzuwenden. Dies gilt sowohl für die Gesamtwirkungen von EZ in einem Land als<br />
auch für die Wirkungen einzelner Maßnahmen.<br />
Bisher wurden in die Debatte über die Wirkungsbeobachtung zwar schon einige<br />
konzeptionelle Ideen eingebracht, die aber bislang noch keine ausreichende Praxisorientierung<br />
aufweisen und keine angemessene Praxiserprobung nachweisen<br />
können. In Deutschland steht die Diskussion über ein Instrument zur Wirkungserfassung<br />
noch am Anfang.<br />
6. Konfliktsensibilisierung der EZ-Institutionen<br />
Zu den wichtigsten Aufgaben zählt die Frage der Sensibilisierung der EZ-Akteure<br />
gegenüber dem Thema „Krisenprävention und Konfliktbearbeitung“. Die verschiedenen<br />
Konzepte der Institutionen zeigen ein allgemein rasch gewachsenes Interesse<br />
am Thema, das prinzipiell positiv zu bewerten ist. Dennoch sind auf diesem<br />
Gebiet weitere Bemühungen erforderlich, um die Aufgabe auf allen Ebenen der<br />
EZ-Institutionen als „Querschnittsthema“ verankern zu können. Vordringlich ist die<br />
Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter/-innen zum Thema „EZ in Konfliktsituationen“.<br />
55
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
Auf diesem Gebiet wurden bislang vorrangig vereinzelte Bemühungen, aber keine<br />
systematischen Anstrengungen unternommen.<br />
7. Kooperation verschiedener Akteure<br />
Grundsätzlich stimmen alle politischen Akteure und Politikfelder (Außenpolitik, Diplomatie,<br />
Entwicklungspolitik etc.) auf allen Ebenen (bilaterale, regionale und internationale<br />
Akteure) darin überein, dass gemeinsame Anstrengungen notwendig<br />
sind, um wirksam Krisenprävention und Konfliktbearbeitung leisten zu können. Der<br />
Versuch zur Umsetzung dieser Erkenntnis in konkrete Schritte ist aber bislang<br />
noch nicht zu erkennen. Erforderlich wäre zunächst die Diskussion der Frage, wie<br />
eine engeres und abgestimmteres Vorgehen überhaupt aussehen könnte.<br />
8. Resümee<br />
Insgesamt hat das Thema „Krisenprävention und Konfliktbearbeitung als Aufgabe<br />
der EZ“ eine rasche Verbreitung und eine große Akzeptanz gefunden. Konzeptionell<br />
wurden wichtige Grundlagen geschaffen. Hierin ist ein wichtiges positives Ergebnis<br />
der Debatte der 90er Jahre zu sehen.<br />
Die Ergebnisse müssen jedoch in einigen Bereichen ergänzt und vor allem im<br />
Rahmen der operativen und nichtoperativen Tätigkeiten (konfliktspezifische Maßnahmen,<br />
Konfliktstrategien etc.) angemessen umgesetzt werden. Bei der Umsetzung<br />
der Erkenntnisse in konkrete Schritte ist deshalb der dringlichste Handlungsbedarf<br />
für die kommenden Jahre zu konstatieren.<br />
Eine Gefahr kann prinzipiell darin bestehen, dass dem Einflusspotenzial und den<br />
Möglichkeiten der EZ eine zu große Bedeutung beigemessen wird. Dies kann<br />
mittelfristig eine „Ernüchterung“ zur Folge haben und dazu beitragen, den Blick für<br />
die relativen Stärken und Möglichkeiten der EZ auf dem Gebiet der Krisenprävention<br />
und Konfliktbearbeitung zu verstellen.<br />
56
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
Prof. Dr. Franz Nuscheler<br />
Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg<br />
Willy Brandt brachte das zu lösende Problem auf den Punkt: „Ohne Frieden ist<br />
alles nichts“ – und kann auch Entwicklungshilfe nur noch Nothilfe leisten. Wo Krieg<br />
herrscht, kann keine Entwicklungspolitik stattfinden. Es scheint deshalb geboten,<br />
auch das Instrument der EZ zur Krisenprävention und Friedenssicherung zu nutzen.<br />
Entwicklungspolitik hat sich immer auch als „weltweite Friedenspolitik“ verstanden<br />
(bzw. verkauft), aber als solche die Bewährungsprobe nicht bestanden.<br />
Hat sie nun bessere Chancen, mit schrumpfenden Mitteln eine Herkulesaufgabe<br />
zu bewältigen? Ich fürchte: nein!<br />
Die Konzepte für eine als „präventive Sicherheitspolitik“ verstandene Entwicklungspolitik<br />
liegen auf dem Tisch:<br />
Œ<br />
Œ<br />
Die „Agenda für den Frieden“ von 1992 und der von VN-Generalsekretär Kofi<br />
Annan 1998 vorgelegte „Report on the Causes of Conflict and the Promotion of<br />
Durable Peace and Sustainable Development in Africa“;<br />
Die vom DAC 1997 den Mitgliedstaaten empfohlenen „Guidelines on Conflict,<br />
Peace and Development“;<br />
Œ Das im November 1998 vom EU-Ministerrat beschlossene Konzept zur „Rolle<br />
der Entwicklungszusammenarbeit bei friedensschaffenden Maßnahmen sowie<br />
der Verhütung und Lösung von Konflikten“, das u.a. der Europäischen Entwicklungspolitik<br />
neben der Koordinationsfunktion eine wichtige Vermittlerfunktion<br />
zwischen der EU-Ebene und einzelstaatlichen Handlungsebene zuwies;<br />
Œ<br />
Das von der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF) vorgelegte Policy Paper<br />
Nr.12 zur „effektiven Krisenprävention“, das durchdachte Vorschläge machte,<br />
wie eine wirksame Krisenprävention hierzulande organisiert werden müsste.<br />
In prinzipiellen Einsichten zu den Konfliktursachen und den daraus abgeleiteten<br />
Handlungsimperativen zur Krisenprävention gab es in diesen Dokumenten eine<br />
weitgehende Übereinstimmung. Es mangelt nicht an Wissen, was getan werden<br />
sollte. Aber sie alle überfordern das Potenzial der Entwicklungspolitik, vor allem<br />
dann, wenn sie auf die EZ verkürzt wird. Natürlich ist es sinnvoll, was z.B. die SEF<br />
zum Aufbau einer nationalen „Infrastruktur zur Krisenprävention und zum friedlichen<br />
Konfliktmanagement“ vorschlägt, weil hier Deutschland einen Nachholbedarf<br />
hat.<br />
Aber noch wichtiger wäre erstens eine bessere Abstimmung von Außen-, Sicherheits-,<br />
Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik zwischen den beteiligten und<br />
häufig konkurrierenden Ressorts und zweitens eine bessere Koordination zwischen<br />
nationaler, europäischer und globaler Handlungsebene. Hier liegt das<br />
Kernproblem! Es gibt keinen Mangel an early warning, aber einen Mangel an early<br />
action. Die Herausforderung an Politik und Wissenschaft gleichermaßen lautet<br />
57
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
also, wie die viel beschworene Lücke zwischen early warning und early action geschlossen<br />
werden kann. Damit soll nicht einem „blinden Interventionismus“ das<br />
Wort geredet werden. Early action muss sich an Erfahrungswerten und Indikatoren<br />
aus vorangegangenen und vergleichbaren Situationen orientieren und möglichst<br />
auf verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Ebenen konstruktive Konfliktbearbeitung<br />
betreiben.<br />
Dabei sind im Präventionsbereich positive Anreize vielversprechender als negative<br />
Sanktionsinstrumente, die erst in zugespitzteren Konfliktkonstellationen Wirkung<br />
zeigen können. In diesem Zusammenhang sollte auch die Sogwirkung bestehender<br />
Institutionen auf Anrainerstaaten nicht unterschätzt werden. Die friedliche<br />
Entwicklung in den Ländern Mittel- und Osteuropas ist neben den eigenen gesellschaftlichen<br />
Zivilisierungsleistungen auch ein Ergebnis ihrer Anwärterschaft auf<br />
NATO und EU.<br />
Die Kernthese lautet also:<br />
Eine wirksame Krisenprävention, z.B. in Afrika, ist durch eine parzellierte bilaterale<br />
EZ fast unmöglich. Hier ist der Multilateralismus gefordert, zunächst das Instrumentarium<br />
des VN-Systems (das aber nicht durch Mittelkürzungen geschwächt<br />
werden dürfte) und der OSZE im regionalen Rahmen, aber auch die GASP (Gemeinsame<br />
Außen- und Sicherheitspolitik) und die Europäische Entwicklungspolitik.<br />
Wenn 15 EU-Staaten ihr eigenes interessengeleitetes Süppchen kochen, können<br />
sie keine friedenspolitische Wirksamkeit erzielen oder eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik<br />
betreiben. Im Verhältnis zum Süden, im besonderen zu den<br />
AKP-Staaten, gehört die EZ zum Marschgepäck der GASP.<br />
An zwei Beispielen sollen die Chancen der langfristigen Friedenssicherung durch<br />
die EU verdeutlicht werden, die keine bilaterale EZ ermöglichen kann, auch wenn<br />
sie eine gute institutionelle Infrastruktur zur Krisenprävention hätte:<br />
Œ Die EU könnte sich am Aufbau von afrikanischen Sicherheitsstrukturen beteiligen,<br />
die die OAU (Organisation of African Unity) und Regionalorganisationen<br />
befähigen, aus eigener Kraft präventiv oder intervenierend tätig zu werden.<br />
Hier geht es um Ausbildungshilfe und logistische Unterstützung.<br />
Œ Die Konflikte in Zentralafrika können nur in einem regionalen Rahmen gelöst<br />
werden. Die EU hat die Option, mangels vitaler Interessen in zynischer Distanz<br />
der weiteren Chaotisierung der Region um die Großen Seen zuzuschauen<br />
oder zumindest den Versuch zu unternehmen, zur Entschärfung eines scheinbar<br />
unlösbaren Konfliktszenarios beizutragen. Was könnte und sollte sie tun?<br />
Sie sollte – ähnlich dem Stabilitätspakt, den sie auf dem Balkan anbietet – das<br />
Angebot machen, durch massive Strukturhilfe den Aufbau einer neuen Ostund<br />
Zentralafrikanischen Gemeinschaft zu unterstützen, in der künstliche<br />
Grenzen als Konfliktursachen ihre Bedeutung verlieren. Ohne ein Hilfsangebot<br />
von außen, das die Bündelung der EU-Kräfte voraussetzen würde, hätte ein<br />
58
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
solches Projekt der langfristigen Friedenssicherung keine Realisierungschance.<br />
Natürlich können bilaterale Bemühungen punktuell zur Entschärfung von Konflikten<br />
beitragen, aber sicherlich nicht durch Angehörige des geplanten Zivilen Friedensdienstes,<br />
sondern eher durch ortserfahrene Diplomaten und Entwicklungsexperten.<br />
Es wäre sinnvoller, sie und Angehörige von Polizei und Bundeswehr – etwa<br />
in einer Akademie für internationale Friedensmissionen – gezielter auf Aufgaben<br />
der Konfliktbearbeitung vorzubereiten als konkurrierende Parallelorganisationen<br />
aufzubauen. Es mag sinnvoll sein, im eigenen Land Kapazitäten zur Informationsbeschaffung,<br />
Frühwarnung und zu Feuerwehreinsätzen aufzubauen, aber<br />
noch sinnvoller wäre, das im Aufbau befindliche EU-Netzwerk zur Krisenprävention<br />
und die bereits bestehenden VN-Einrichtungen mir hinreichend Kapital und<br />
Personal auszustatten.<br />
Fazit:<br />
Der Bilateralismus ist ungeeignet für eine erfolgversprechende Krisenprävention<br />
und Friedenssicherung. Und wenn die Politik – aus welchen Gründen auch immer<br />
– trotzdem auf den Bilateralismus setzen sollte, dann müsste sie die Prävention<br />
zunächst als ressortübergreifende Querschnittsaufgabe organisieren. Was ansonsten<br />
getan werden müsste und wie die Zivilgesellschaft in die Konfliktbearbeitung<br />
eingebunden werden sollte, zeigt in überzeugender Weise das Policy Paper der<br />
SEF. Aber auch das Engagement und die Professionalisierung der NRO und eine<br />
funktionierende „Public-Private-Partnership“ in der Krisenprävention können nicht<br />
Kohärenzprobleme im politischen Management ausbügeln.<br />
Dem Einwand, dass die GASP noch nicht funktioniert und die Europäische Entwicklungspolitik<br />
nicht viel Meriten vorweisen kann, halte ich entgegen, dass auch<br />
die bilaterale Konfliktprävention zunächst nur ein politisches Ziel darstellt und bisher<br />
nur in Konzeptpapieren funktioniert. Die Politik sollte vorsorglich keine Illusionen<br />
über die Chancen effektiver Krisenprävention nähren.<br />
59
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
Manfred Sollich, Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe<br />
1. Perspektive<br />
Friedenssicherung und Krisenprävention werden aus den Erfahrungen der Kirchlichen<br />
Entwicklungszusammenarbeit und insbesondere aus den Erfahrungen der<br />
Personellen Zusammenarbeit heraus betrachtet.<br />
2. Kirchliche Entwicklungsarbeit ist Arbeit am Frieden<br />
Kirchliche Entwicklungsarbeit geht von einem integralen Verständnis menschlicher<br />
Entwicklung aus und zielt darauf, menschenwürdige Lebensbedingungen und<br />
mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Dies sind unabdingbare Voraussetzungen<br />
für Frieden und für die Vermeidung von Gewalt. Wir kennen das Wort: „Entwicklung<br />
ist der neue Name für Frieden.“<br />
3. Es geht nicht darum, Konflikte oder Krisen zu verhindern, sondern Gewalt<br />
Die Erfahrungen kirchlicher Entwicklungszusammenarbeit haben gezeigt, dass<br />
nicht Konflikte oder Krisen die eigentlichen Herausforderungen sind. Die Vermeidung<br />
von Gewaltanwendung in der Konfliktaustragung ist die eigentliche Aufgabe.<br />
Grundsätzlich beinhalten Konflikte und Krisen auch positives Potenzial im Sinne<br />
notwendigen gesellschaftlichen Wandels.<br />
4. Herausforderung: Unterstützung der Partner, Konflikte konstruktiv zu bearbeiten<br />
Die Praxis hat gezeigt, dass es nicht selten darum geht, Partnern zu helfen, konfliktfähig<br />
zu werden. Das bedeutet unter anderem, Konfliktursachen zu analysieren<br />
und gesellschaftsrelevante Beiträge zu friedlichen Lösungen einbringen zu können.<br />
5. Nutzung von vorhandenem Potenzial für Konfliktlösungen<br />
Diese Befähigung muss nicht unbedingt im Transfer von Wissen aus dem Norden<br />
in die Krisenregionen bestehen. Nicht selten verfügen die Menschen vor Ort über<br />
kulturell angepasstere Methoden und Instrumente, Konflikte nach friedlichen Regeln<br />
zu lösen. Die Unterstützung der Partner kann dann darin bestehen, regionale<br />
Kenntnisse zu systematisieren und auf den konkreten Fall hin anzupassen. Die<br />
Vernetzung unterschiedlicher Erfahrungen und von geeigneten Personen aus der<br />
Region gehört in diesen Bereich.<br />
60
ANHANG. SCHRIFTLICHE STATEMENTS<br />
6. Dauerhafter Frieden kann nicht von außen gebracht werden<br />
Entwicklung und Frieden sind Prozesse, die im wesentlichen von den Menschen<br />
vor Ort getragen und immer wieder gestaltet werden müssen. Weder militärische<br />
noch zivile Interventionen von außen können auf Dauer Frieden erwirken. Ein<br />
Wechsel der Perspektive tut Not. Nicht wir sind es, die die Partner an Friedenssicherung<br />
und Krisenprävention beteiligen. Sie beteiligen uns. Die Devise lautet:<br />
Keine Intervention ohne lokale Partner.<br />
7. Stärkung vorhandener Strukturen vs. Aufbau von neuen Strukturen<br />
Wann immer möglich, muss die Stärkung vorhandener Strukturen und Organisationen<br />
Vorrang haben. Es geht darum, Wege zu finden, vorhandene Potenziale zu<br />
erkennen, auszubauen, zu stärken und Menschen handlungsfähig zu machen.<br />
Dies korrespondiert auch mit der Erfahrung, dass Prozesse, die zu friedlichen<br />
Entwicklungen führen sollen, in aller Regel langwierig sind. Partner aus Krisenregionen<br />
beklagen sich zu Recht, dass sich von außen aufgebaute Organisationen<br />
nach Abflauen des Interesses oder der Mittel unvermittelt aus der Region zurückziehen.<br />
Der hinterlassene Schaden übertrifft oft den Nutzen.<br />
8. Vernetzung von Erfahrungen und Akteuren<br />
Besonders in Konfliktregionen finden sich die Partnerorganisationen häufig in isolierten<br />
Situationen. Es gibt ausreichend Beispiele aus der kirchlichen Entwicklungs-<br />
und Friedensarbeit, die belegen, dass „von außen“ mitunter leichter Kontakte<br />
und Austausch hergestellt werden können, als durch die in der Konfliktregion<br />
lebenden Menschen selbst. Ein Beispiel dafür ist der „Kongress der Konfliktschlichter“,<br />
der von der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung<br />
(GKKE) Mitte der 90er Jahre organisiert worden ist. Dieser Kongress schuf erstmalig<br />
Raum für einen Erfahrungsaustausch zu Strategien, Methoden und Instrumenten<br />
der zivilen Konfliktbearbeitung für Akteure aus El Salvador, Guatemala<br />
und dem Horn von Afrika.<br />
9. Internationale Öffentlichkeit als Schutz- und Druckmittel<br />
Internationale Öffentlichkeit kann entscheidend dazu beitragen, dass Konflikte<br />
nicht eskalieren und dass „Konfliktverschärfer“ davon abgehalten werden, zum<br />
Mittel der Gewaltanwendung zu greifen. Daraus folgt die Notwendigkeit, gezielte<br />
internationale Informations- und Lobbyarbeit zu unterstützen. In diesen Bereich<br />
fallen Menschrechtsbeobachtungen und Begleitung von Wahlbeobachtung. Kirchliche<br />
Friedensarbeit kann dabei auf etablierte Strukturen zurückgreifen. Es kommt<br />
auf ein Zusammenspiel der verschiedenen Handlungsebenen und Instrumente an.<br />
61
ANHANG. PROGRAMM<br />
Symposium des Bereichs 3 in Zusammenarbeit mit der Abt. 43<br />
„Friedenssicherung und Krisenprävention in der Arbeit der GTZ“<br />
Zeitpunkt / Ort: Freitag, 26. November 1999 / GTZ, Raum 3150<br />
10:00 Uhr Begrüßung<br />
durch Dr. Hans-Dietrich Pallmann, Geschäftsführer der GTZ<br />
10:15 Uhr Einführung<br />
„Friedenspolitik und Krisenprävention als Strategieelemente<br />
des BMZ“<br />
Referent: MR Adolf Kloke-Lesch, Leiter Referat 304, BMZ<br />
„Thesen zur Zukunft der Krisenprävention in der TZ“<br />
Referent: Bernd Hoffmann, Leiter Abteilung 43, GTZ<br />
10:45 Uhr Präsentation ausgewählter Projekte<br />
12:30 – 14:00 Uhr Mittagessen<br />
- Förderung der Flüchtlingsbehörde (Uganda)<br />
Präsentation: Gerald Duda<br />
- Jaffna Rehabilitation Project (Sri Lanka)<br />
Präsentation: Jürgen Hörner<br />
- Programmschwerpunkt Förderung von Demokratie und<br />
Beachtung von Menschenrechten (Guatemala)<br />
Präsentation: Dr. Christian Salazar Volkmann<br />
- Förderung der Rechte indigener Völker (Brasilien)<br />
Präsentation: Dr. Regine Schönenberg<br />
- Nahost-Wasserstudie (Israel, Jordanien, Palästina)<br />
Präsentation: MR Herbert Sahlmann (BMZ),<br />
Gerhard Naschold<br />
14:00 – 16:00 Uhr Podiumsdiskussion<br />
Thema: „Friedenssicherung und Krisenprävention zwischen<br />
politischem Anspruch und Praxis“<br />
Es diskutieren MR Adolf Kloke-Lesch (BMZ), Dr. Stephan Klingebiel<br />
(DIE), Manfred Sollich (AGEH), Dr. Norbert Ropers<br />
(Berghof Forschungszentrum für konstruktive Konfliktbearbeitung),<br />
Prof. Dr. Franz Nuscheler (INEF) und das Plenum<br />
Moderation: Bernd Hoffmann, Leiter Abteilung 43, GTZ<br />
16:00 Uhr Schlusswort<br />
durch Dr. Hinrich Eylers, Leiter des Bereichs „Lateinamerika,<br />
Maghreb, Nahost“, GTZ<br />
62
ANHANG. ANSCHRIFTEN DER REFERENTEN<br />
Duda, Gerald<br />
Berater der ugandischen Flüchtlingsbehörde<br />
GTZ-Office<br />
P.O. Box 10346<br />
Kampala, Uganda<br />
Tel.: 00256 / 41 / 231905<br />
Mobile:00256 / 77 / 754374<br />
E-mail:duda.gtz-uganda@ug.gtz.de<br />
gduda@swiftuganda.com<br />
Eylers, Dr. Hinrich<br />
ehem. Leiter des Bereiches „Lateinamerika,<br />
Maghreb, Nahost“, GTZ<br />
In den Weingärten 170a<br />
65760 Niederhöchstadt<br />
Tel.: 06173 / 67 404<br />
E-mail:hinrich.eylers@freenet.de<br />
Kloke-Lesch, Adolf<br />
Leiter Referat 304<br />
Bundesministerium für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
Friedrich-Ebert-Allee 40<br />
53113 Bonn<br />
Tel.: 0228 / 535-3110<br />
E-mail:kloke@bmz.bund.de<br />
Naschold, Gerhard<br />
Seniorfachplaner, Abteilung 44<br />
Arbeitsfeld Wasser und Abfallwirtschaft<br />
Deutsche Gesellschaft für Technische<br />
Zusammenarbeit (GTZ), GmbH<br />
Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />
65760 Eschborn<br />
Tel.: 06196 / 79-1365<br />
E-mail:Gerhard.Naschold@gtz.de<br />
Hoffmann, Bernd<br />
Leiter Abteilung 43<br />
Deutsche Gesellschaft für Technische<br />
Zusammenarbeit (GTZ), GmbH<br />
Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />
65760 Eschborn<br />
Tel.: 06196 / 79-1303<br />
E-mail:Bernd.Hoffmann@gtz.de<br />
Nuscheler, Prof. Dr. Franz<br />
Direktor<br />
Institut für Entwicklung und Frieden<br />
(INEF), Universität Duisburg<br />
Geibelstrasse 41<br />
47057 Duisburg<br />
Tel.: 0203/ 379-4421<br />
E-mail:inef@uni-duisburg.de<br />
Hörner, Jürgen<br />
Fachplaner, Abteilung 43<br />
Arbeitsfeld Not- und Flüchtlingshilfe<br />
Deutsche Gesellschaft für Technische<br />
Zusammenarbeit (GTZ), GmbH<br />
Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />
65760 Eschborn<br />
Tel.: 06196 / 79-1331<br />
E-mail:Juergen.Hoerner@gtz.de<br />
Klingebiel, Dr. Stephan<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
Deutsches Institut für Entwicklungspolitik<br />
(DIE)<br />
Hallerstrasse 3<br />
10587 Berlin<br />
Tel.: 030 / 39073-159<br />
E-mail:Sklingebiel@t-online.de<br />
Pallmann, Dr. Hans-Dietrich<br />
Geschäftsführer<br />
Deutsche Gesellschaft für Technische<br />
Zusammenarbeit (GTZ), GmbH<br />
Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5<br />
65760 Eschborn<br />
Tel.: 06196 / 79-1603<br />
E-mail:Hans-Dietrich.Pallmann@gtz.de<br />
Ropers, Dr. Norbert<br />
Direktor<br />
Berghof Forschungszentrum für konstruktive<br />
Konfliktbearbeitung<br />
Altensteinstrasse 48a<br />
14195 Berlin<br />
Tel.: 030 / 8318090<br />
E-mail:<br />
norbert.ropers@berghof.b.shuttle.de<br />
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ANHANG. ANSCHRIFTEN DER REFERENTEN<br />
Sahlmann, Herbert<br />
Leiter Referat 220-1<br />
Bundesministerium für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
Friedrich-Ebert-Allee 40<br />
53113 Bonn<br />
Tel.: 0228 / 5353-3490<br />
E-mail:sahlmann@bmz.bund.de<br />
Salazar Volkmann, Dr. Christian<br />
Programm Koordinator<br />
UNICEF Guatemala<br />
Section 2202<br />
Box 025339<br />
Miami, Florida 33102 5339<br />
USA<br />
Tel.: 00 502 3 33 63 73<br />
E-mail:csalazar@unicef.org<br />
Schönenberg, Dr. Regine<br />
Freie Gutachterin<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der<br />
Goethe-Universität Frankfurt a.M.<br />
Schinkestrasse 8-9<br />
12047 Berlin<br />
Tel.: 0172 / 3026145<br />
E-mail:regschoen@aol.com<br />
Sollich, Manfred<br />
Geschäftsführer<br />
Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe<br />
(AGEH)<br />
Ripuarenstrasse 8<br />
50679 Köln<br />
Tel.: 0221 / 8896-0<br />
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