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Herbsttreffen 2011 - GRH

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verlassen werden kann.“ Und das hängt vom Charakter der Beziehungen zum jeweiligen<br />

Nachbarstaat und von den Vereinbarungen mit ihm ab. Das Grenzregime gegenüber Polen<br />

musste anders aussehen, als das gegenüber der Bundesrepublik<br />

Dritte Bemerkung: Das Souveränitätsdefizit der zwei deutschen Staaten<br />

Ich bin mit der Bemerkung von Fritz Streletz einverstanden, dass wir die Verantwortung für<br />

die Grenze nicht an Dritte abschieben wollen. Aber ich will eine Ergänzung bringen.<br />

Von ihrer Gründung bis zum Anschluss der DDR an die BRD unterlagen beide deutsche<br />

Staaten einer wesentlichen Einschränkung ihrer Souveränität. Die drei Westmächte und die<br />

Sowjetunion behielten sich nämlich gemeinsam und gesondert vor, dass ihre Rechte und Zuständigkeit<br />

in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes und die entsprechenden vierseitigen<br />

Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken erhalten bleiben. Dazu gehörten zweifellos<br />

Fragen des territorialen Status Deutschlands und der deutschen Grenzen.<br />

Im sogenannten Deutschlandvertrag von 1952, mit dem die BRD zu einem souveränen Staat<br />

erklärt wurde, stellten die drei Westmächte gegenüber der BRD dieses Defizit fest. In Art. 2<br />

hieß es, dass „die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübten und innegehabten Rechte und<br />

Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes“ behalten.<br />

Die Sowjetunion zog nach. Sie gab gegenüber der DDR ähnliche Erklärungen ab. Der Vertrag<br />

über die Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der<br />

Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 20. September 1955 bestätigte die Souveränität der<br />

DDR, aber er wurde abgeschlossen „unter Berücksichtigung der Verpflichtungen, die die<br />

Deutsche Demokratische Republik und die Sowjetunion gemäß den bestehenden internationalen<br />

Abkommen, die Deutschland als Ganzes betreffen, haben“. Das war der<br />

diplomatisch formulierte Vorbehalt, dass auch die Sowjetunion ihre Rechte und Verantwortlichkeiten<br />

in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes behielt. Daran haben die Freundschaftsverträge<br />

zwischen der DDR und der UdSSR von 1964 und 1975 nichts geändert.<br />

Der Vorbehalt der Rechte und Verantwortlichkeiten der Siegermächte stand nicht nur auf dem<br />

Papier. Er wurde wahrgenommen. Die vier Mächte haben sich wohlweislich nicht genau dazu<br />

geäußert, was alles zu diesem Vorbehalt gehörte. Fest steht: Weder die DDR noch die BRD<br />

waren in Fragen der Sicherheits- und Militärpolitik souverän. Sie waren nicht nur vertraglich<br />

in die Disziplin ihrer jeweiligen Militärbündnisse eingebunden, sondern auch Kraft der fortdauernden<br />

Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Mächte in ihrer Souveränität eingeschränkt.<br />

Auch die Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands war darum zustimmungsbedürftig<br />

und wäre ohne den Zwei-Plus-Vier-Vertrag nicht möglich gewesen.<br />

Nach sowjetischer Rechtsauffassung und Praxis war die Bestimmung des Regimes an der<br />

Grenze zwischen der DDR und der BRD, insbesondere ihrer militärischen Sicherung, Bestandteil<br />

ihrer Rechte und Verantwortlichkeiten. Die Befehlsgewalt lag in Moskau. Das galt<br />

auch und angesichts der internationalen Lage besonders für die Sicherung der Staatsgrenze<br />

1961 und die darauf folgenden Maßnahmen. Die Entscheidungen fielen in Moskau und nicht<br />

in Berlin.<br />

Demonstrativ haben die vier Mächte beim Abschluss ihres Abkommens über Berlin am<br />

3. September 1971 ihren Anspruch formuliert und praktiziert. Sie haben keinen Zweifel<br />

darüber gelassen, dass die getroffenen Regelungen ihre Sache und nicht die der DDR und der<br />

BRD waren. Die Westmächte „konsultierten“ die Bundesregierung, und die Sowjetunion<br />

handelte „in Übereinkunft mit“ der DDR-Regierung. Die beiden „zuständigen deutschen Behörden“<br />

sollten Durchführungsmaßnahmen vereinbaren. Aber die grundsätzlichen Entscheidungen<br />

hatten die Regierungen der vier Siegermächte zu treffen. Sie handelten „auf der<br />

Grundlage ihrer vierseitigen Rechte und Verantwortlichkeiten und der entsprechenden Vereinbarungen<br />

und Beschlüsse der vier Mächte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, die nicht<br />

berührt werden“ (Präambel) und sie „werden ihre individuellen und gemeinsamen Rechte und<br />

Verantwortlichkeiten, die unverändert bleiben, achten“ (Teil I, Ziff. 3).

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