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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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edeutungserzeugender Prozess verstanden und auch sein poetisch schöpferischer Akt<br />

hervorgehoben. In diesen Ansätzen geht man ebenso davon aus, dass Wahrnehmung nicht also<br />

bloße Wiedergabe der Wirklichkeit verstanden werden darf. „Der menschliche<br />

Wahrnehmungsapparat liefert demnach keine mimetischen Aufnahmen und Abbilder von der<br />

Umwelt, sondern stellt diese in bestimmten, systemimmanenten Bedingungen her.“ 62<br />

Wahrnehmende oder auch BeobachterInnen sind stets von ihren eigenen Strukturen und<br />

Wahrnehmungsschemata abhängig. Das hängt auch damit zusammen, dass es <strong>für</strong> “jedes<br />

Individuum nur eine erfahrbare Welt gibt, nämlich seine Erlebniswelt, und daß die<br />

Erlebniswelten der Individuen nur zum Teil miteinander übereinstimmen.” 63 Jedes<br />

Individuum nimmt somit seine eigene Umwelt war, die damit immer von ihm als<br />

beobachtendes System abhängig ist und beeinflusst wird. Wenn Wahrnehmung eine getreue<br />

Abbildung der Welt liefern könnte, dann sollten sich die Erlebniswelten annähernd gleichen.<br />

Das ist jedoch nicht der Fall. Somit wird der Begriff des/der BeobachterIn entscheidend, wie<br />

auch der Neurobiologe Humberto Maturana feststellt und dieseN als Ursprung und die Welt<br />

als Folge des Betrachtens versteht.<br />

„Der Beobachter ist die Quelle von allem. Ohne ihn gibt es nichts. Er ist das Fundament<br />

des Erkennens, er ist die Basis jeder Annahme über sich selbst, die Welt, den Kosmos.<br />

Sein Verschwinden wäre das Ende und das Verschwinden der uns bekannten Welt; es gäbe<br />

niemanden mehr, der wahrnehmen, sprechen, beschreiben und erklären könnte.“ 64<br />

Die Wirklichkeit wird demnach beim Wahrnehmen nicht abgebildet, sondern erst erzeugt. In<br />

diesem Fall begreift man die Welt als Folge des Beobachtens und die BeobachterInnen nicht<br />

als außen stehende Schöpfer. Wenn die BeobachterInnen ein Teil dieser Welt darstellen,<br />

„fallen Beobachter und Beobachtetes unweigerlich im Akt der Wahrnehmung zusammen; die<br />

strikte Trennung von Subjekt und Objekt wird aufgehoben.“ 65 Auch wenn in der Psychologie<br />

noch streng zwischen Objekt und Subjekt unterschieden wird, so werden dieselben<br />

Konsequenzen daraus gezogen. „Wahrnehmen ist Handeln.“ 66 – wie es der Philosoph Heinz<br />

von Foerster in „Wissen und Gewissen“ formuliert.<br />

62 Katja Thomas: Poetik des Zerstörten. S. 6. Vgl. Siegfried J. Schmidt: Die Wirklichkeit des Beobachters. S. 7.<br />

63 Siegfried J. Schmidt: Die Wirklichkeit des Beobachters. S. 9-10.<br />

64 Humberto Maturana: Vom Sein zum Tun. Die Ursprünge der Biologie des Erkennens. – Heidelberg: Carl-Auer-<br />

Systeme. 2002. S. 25.<br />

65 Katja Thomas: Poetik des Zerstörten. S. 7.<br />

66 Heinz von Foerster: Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke. – Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.<br />

1993. S. 28.<br />

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