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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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nur „benutzt, um zu beschreiben, ohne daß aber in der Sprache selbst sich etwas rührt. Die<br />

Sprache bleibt tot, ohne Bewegung, dient nur als Namensschild <strong>für</strong> Dinge.“ 132 Seine Kritik<br />

richtet sich an diese Sprachauffassung vor allem deshalb, da sie das wahrnehmbar Machen<br />

von Dingen durch Sprache ignoriere bzw. die Sprache ihr Wahrnehmungsfunktion entziehe.<br />

Hier wird Handkes Auffassung von literarischem Schreiben verdeutlicht:<br />

„Es soll die Dinge greifen, sie drehen und wenden, und nicht auf deren Oberfläche entlang<br />

schlittern (das wäre <strong>für</strong> ihn das bloße Beschreiben im realistischen, mimetischen Gestus).<br />

Die Sprache soll selbst sinnliches Wahrnehmungsinstrument werden, das Dinge betastet,<br />

schmeckt, riecht, hört und sieht – sie sich so einverleibt.“ 133 .<br />

Dadurch bekommen Dinge im Text eine besondere Präsenz, da sie erst aus ihm heraus<br />

entstehen. Somit liegt bei ihm der Fokus auf dem Akt des Beschreibens selber, anstatt auf dem<br />

Inhalt. Der Akt des Beschreibens ist zugleich auch ein Akt der Wahrnehmung und der<br />

Beobachtung. Die Realität der Literatur kommt nicht im Inhalt, sondern in der Form zu<br />

tragen. Diese Realität macht sich schließlich „an den Dingen, die sie bewirkt“ 134 bemerkbar.<br />

Hier lässt sich auch eine Verbindung zum russischen Formalismus herstellen, deren<br />

theoretische Ansätze stark von der Phänomenologie Husserls beeinflusst wurden. Im<br />

Besonderen beschreibt das Viktor %klovskij in die „Kunst als Verfahren“: „Die Form schafft<br />

sich den Inhalt.“ 135 Er versteht deshalb die Bildlichkeit „die Übertragung eines Gegenstandes<br />

aus einer normalen Wahrnehmung in eine Sphäre einer neuen Wahrnehmung“ 136 . Somit wehrt<br />

sich auch %klovskij gegen konventionelle Wahrnehmungsschemata in der Literatur und führt<br />

den Begriff der „Verfremdung“ ein. In der Verfremdung liegt das Wahrnehmungspotential der<br />

Kunst, so %klovskij. Die Wahrnehmung eines Textes entfaltet sich in der Form:<br />

„Und gerade, um das Empfinden des Lebens wiederherzustellen, um die Dinge zu fühlen,<br />

um den Stein steinern zu machen, existiert das, was man Kunst nennt. Ziel der Kunst ist<br />

es, ein Empfinden des Gegenstandes zu vermitteln, als Sehen, und nicht als<br />

Wiedererkennen; das Verfahren der Kunst ist das Verfahren der `Verfremdung` der Dinge<br />

und das Verfahren der erschwerten Form, ein Verfahren, das die Schwierigkeit und Länge<br />

132 Peter Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms. – Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 1972. S.<br />

30.<br />

133 Katja Thomas: Poetik des Zerstörten. S. 16.<br />

134 Peter Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms. S. 34.<br />

135 Zitiert nach Katja Thomas: Poetik des Zerstörten. S. 17.<br />

136 Viktor %klovskij: Die Kunst als Verfahren. – In: Jurij Striedter: Russischer Formalismus. Texte zur<br />

allgemeinen Literaturtheorie und zur Theorie der Prosa. 5. unveränd. Auf. – München: Wilhelm Fink Verlag.<br />

1994. (= UTB. 40.) S. 31.<br />

36

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