DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
2.2. Mediatisierte Wahrnehmung<br />
In den vorangehenden zwei Kapiteln ist stets von einer unvermittelten und ungefilterten<br />
Wahrnehmung die Rede, welche lediglich über die Subjekt-Objekt Konstellation zu Stande<br />
kommt. Doch es existiert auch eine Vielzahl an vermittelten und gefilterten Formen der<br />
Wahrnehmung. Diese läuft dann nicht direkt zwischen einem Reiz aus der Umwelt und einem<br />
wahrnehmenden Subjekt ab, sondern über ein Medium, welches die Kommunikation<br />
zwischen Umwelt und Mensch herstellt. Im 21. Jahrhundert ist es nichts Ungewöhnliches,<br />
dass zahlreiche Wahrnehmungsprozesse über ein Medium ablaufen. Unter mediatisierter<br />
Wahrnehmung versteht man die „Aufnahme bzw. Vermittlung von Zeichen durch technische<br />
Empfangs- und Verbreitungsmittel“ 102 . Jede Art von technisch vermittelter Wahrnehmung ist<br />
eine Form der indirekten Interaktion mit der Umwelt. „Wahrnehmungs[…]prozesse finden<br />
nicht unmittelbar über die Sinne statt, sondern laufen über eine Schnittstelle, über ein Medium<br />
ab.“ 103 Es sind vor allem technische Instrumente, die dem Menschen eine quantitative<br />
Erweiterung der Sinne und somit auch der Wahrnehmungskapazität ermöglichen.<br />
Medien sind bei der Konstitution von Identität kein unerheblicher Faktor, was sich im<br />
Weiteren auch auf die Wahrnehmung auswirkt. Schließlich ist eine Person beim Wahrnehmen<br />
stets an seine eigenen Strukturen und Wahrnehmungsschemata gebunden. „Ein unvermitteltes,<br />
amediales Wahrnehmen kann es daher zu keinem Zeitpunkt geben.“ 104 Jede Beobachtung ist<br />
somit medial vorstrukturiert. Diese Erkenntnis stellt die theoretische Basis <strong>für</strong> meine Arbeit<br />
dar. Medien fungieren als primäre Wahrnehmungsfolie, durch welche das Wahrnehmen erst<br />
ermöglicht wird. Die Sprache gehört dabei auch zu den ältesten Medien der Menschcheit.<br />
Identität stellt somit die sekundäre Wahrnehmungsfolie dar, welche von der primären<br />
abhängig ist. Der Begriff der Wahrnehmungsfolie wird im Weiteren <strong>für</strong> die Analyse der Texte<br />
in dieser Arbeit eine zentrale Funktion einnehmen.<br />
Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz stellt ebenfalls fest, dass es kein „Jenseits der<br />
Medien“ 105 geben kann. Das bedeutet, Wahrnehmungsvorgänge folgen immer bestimmten<br />
102 Ebd. S. 120.<br />
103 Ebd. S.120-121.<br />
104 Katja Thomas: Poetik des Zerstörten. S. 6.<br />
105 Norbert Bolz zitiert nach Katja Thomas: Poetik des Zerstörten. S. 9.<br />
30