DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien
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menschliche Blickfeld geraten, zu verschwinden scheinen. Doch <strong>für</strong> Handke rückt die Welt<br />
bzw. in diesem Fall Serbien keineswegs in die Nähe seiner wahrnehmbaren Welt. Beinnahe<br />
vier Jahre lang beobachtet er täglich die Berichte und Reportagen, hört die Kommentare der<br />
JournalistInnen und PolitikerInnen und liest die Schreckensmeldungen aus dem Kriegsgebiet<br />
Jugoslawien. Handke erlebt diese Erscheinungen der Wirklichkeit als unwirklich, reale Dinge<br />
sieht er gerade wegen der Aneignung der Massenmedien verschwinden. Serbien wird somit<br />
ein “mit jedem Artikel, jedem Kommentar, jeder Analyse unbekanntere[s] und erforschungs-<br />
oder auch bloß anblickswürdigere[s] Land”. (WR, 13) Das durch die Medien vermittelte Bild<br />
von Jugoslawien bzw. im Besonderen von Serbien vewandelt das Land in etwas Unkonkretes,<br />
anstatt es den MedienrezipientInnen näher zu bringen.<br />
Deshalb sollen im folgenden Kapitel jene Wahrnehmungsweisen der Massenmedien, welche<br />
Peter Handke und Dubravka Ugre!i" ihrer Kritik unterziehen, aufgespürt werden. Dabei<br />
nehmen die AutorInnen die Position der MedienrezipientInnen ein und rücken dadurch ihre<br />
eigenen Erfahrungen in den Fokus ihrer Auseinandersetzung mit den Medien. Da die<br />
m a s s e n m e d i a l e A n e i g n u n g u n d K o n s t r u k t i o n v o n Wi r k l i c h k e i t i n d e r<br />
Wahrnehmungshierarchie an der Spitze der Pyramide zu verorten sind, stellen Handke und<br />
Ugre!i" eine mediale Wahrnehmungsfolie, welche durch bestimmte Schemata bestimmt ist, in<br />
ihren Texten dar. Von dieser medialen Wahrnehmungsfolie wird mit Hilfe von anderen - ihren<br />
eigenen - Wahrnehmungsformen Abstand genommen.<br />
4.2.1. Das poetische Gegenprogramm<br />
Peter Handke war nach der Veröffentlichung der “Winterlichen Reise” 1996 massiver Kritik,<br />
welche hauptsächlich im Feuilleton großer deutschsprachiger Tages- und Wochenzeitungen<br />
ausgeübt wurde, ausgesetzt. Diese prägte auch den öffentlichen Diskurs über den<br />
Jugoslawienkrieg mit. Dabei wurde der Essay von den KritikerInnen fast ausschließlich als<br />
politisches Pamphlet, aber kaum als medienkritischer Text gelesen. In der vorliegenden Arbeit<br />
steht letztere Lesart im Vordergrund.<br />
Am eindringlichsten wird diese Lesart im Aufbau der “Winterlichen Reise” sichtbar. Der<br />
Reisebericht gliedert sich in vier Teile, von denen jene zwei Kernsegmente “Der Reise erster<br />
Teil” und “Der Reise zweiter Teil” die Reise selbst darstellen, während “Vor der Reise” und<br />
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