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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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3. Veränderungen in der Wahrnehmung<br />

3.1. Durch den Verlust von Identität<br />

Die Wahrnehmung ist also von der menschlichen Identität nicht zu trennen. Das macht sich<br />

vor allem dann bemerkbar, wenn eine Beeinträchtigung der Identität vorliegt. Gerät das<br />

Verhältnis eines Menschen zu seiner Identität in ein Ungleichgewicht, so hat dieser Zustand<br />

auch Auswirkungen auf das Wahrnehmungsvermögen. Das kann zu Veränderungen,<br />

Verzerrungen, bis hin zu Störungen in der Wahrnehmung führen. Laut Carlo Avventi treten<br />

derartige Beeinträchtigungen vor allem dann auf, „wenn es im Menschen zu einem Schwund<br />

seiner relativ-konstanten Eigenschaften kommt und sein Selbstbild ins Wanken gerät.“ 141 Es<br />

herrscht somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Identitätsproblematik und<br />

eingeschränkten Wahrnehmungsvermögen.<br />

Die menschliche Identität konstituiert sich unter anderem über die Rückwendung auf sich<br />

selbst, als auch über den Bezug zur Außenwelt, weshalb die Vernachlässigung der Innen- bzw.<br />

Außenwelt unvermeidlich zu einer Beeinträchtigung der Identität und/oder der Wahrnehmung<br />

führt. Sie ist auch „stets mit seiner Geschichte verbunden, mehr noch, sie ist diese<br />

Geschichte.“ 142 Die menschliche Identität nährt sich von dessen Vergangenheit, was getan und<br />

erlebt wurde. Die Erinnerung ist damit eine Voraussetzung <strong>für</strong> Identität. „Ohne<br />

Erinnerungsfähigkeit, die dem Menschen die Bewahrung seiner Vergangenheit und damit den<br />

Aufbau einer eigenen Geschichte ermöglicht, bleibt der Mensch ohne fassbare Identität.“ 143<br />

Der Verlust der Identität, verursacht durch eingeschränkte Erinnerungsfähigkeit bzw. Bezug<br />

zur eigenen Geschichte, wirkt sich somit auch auf die Wahrnehmung aus. Das kann nun zu<br />

eingeschränktem Wahrnehmungsvermögen führen. Die Erinnerungen eines Menschen gehört<br />

demnach auch zu den Grundbedingungen <strong>für</strong> das menschliche Wahrnehmungsvermögen.<br />

Vereinfacht gesagt, sind Menschen und in diesem Sinne auch literarische Figuren nicht im<br />

Besitz einer stabilen Identität. Irene Wellersdorf stellt das in ihrem Werk “Innen und Außen.<br />

Wahrnehmung bei Allain Robbe-Grillet und Peter Handke” ebenfalls fest: „Aus der<br />

Ausschaltung des Vergangenheitshorizontes folgte eine Schwächung der Identität der Person,<br />

141 Carlo Avventi: Mit den Augen des richtigen Wortes. S. 37.<br />

142 Ebd. S. 42.<br />

143 Ebd. S. 43.<br />

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