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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik - Universität Wien

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ealsozialistischen Staates ermöglichen wollte, ist der Literat Peter Handke. Seine beiden<br />

Reiseberichte über Serbien im vierten Kriegsjahr 1995 wurden als Verhöhnung der<br />

bosnischen und kroatischen Kriegsopfer bewertet und lösten damit genau dieselben<br />

Reaktionen aus, wie bereits Peter Brocks Analyse zwei Jahr zuvor. Dieses Schicksal ereilte<br />

Anfang der 90er Jahre all jene JournalistInnen oder Persönlichkeiten der Öffentlichkeit,<br />

welche die Handkesche “Kernthese der verteilten Schuld im nationalistisch verhetzten<br />

Jugoslawien” 5 teilten.<br />

So weit der realpolitische Ausgangspunkt <strong>für</strong> die vorliegende Arbeit. Heute, 20 Jahre nach<br />

dem Ausbruch des Krieges in der SFRJ, ist es möglich differenzierter auf die Geschehnisse<br />

von damals zu blicken, auch wenn sich weiterhin die über die Medien vermittelte Konformität<br />

halten konnte. Die Gerichtsverfahren in Den Haag mögen hier<strong>für</strong> ein ausschlaggebender<br />

Grund sein. Auf der Anklagebank befinden sich nicht ausschließlich ehemals serbische Staats-<br />

und Militärchefs, sondern auch bosnische und kroatische 6 .<br />

Deshalb erscheint es mir wichtig, jene damals als Provokation aufgefassten Texte von zwei<br />

international anerkannten SchriftstellerInnen einer umfassenden vergleichenden Analyse zu<br />

unterziehen. In den ausgewählten Werken konstruieren sie ihre eigene literarische<br />

Wirklichkeitswahrnehmung in Opposition zur gängigen Konformität. Dahinter steckt die<br />

Erfahrung, „dass sich beim Lesen literarischer Texte Wahrnehmungsirritationen einstellen<br />

können – eine plötzliche Verwunderung, ein Erstaunen oder ein spontanes Befremden<br />

gegenüber der Wirklichkeit, die plötzlich nicht mehr das ist, was sie eben noch war.“ 7 Im<br />

gleichen Ausmaß, wie Massenmedien die menschliche Wahrnehmung beeinflussen und die<br />

Welt verändern, können literarische Texte Wahrnehmung verrücken, irritieren und ins<br />

Schwingen bringen. Handke und Ugre!i" bieten ihren RezipientInnen eine desorganisierende<br />

Lese- und Wahrnehmungserfahrung an, die sich darin auch immer einer medial stark<br />

normierten und vordefinierten Wirklichkeit annimmt und sich explizit in Medien- und<br />

Wahrnehmungskonkurrenz begibt. Die Essaybände „Eine winterliche Reise zu den Flüssen<br />

Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit <strong>für</strong> Serbien“ von Peter Handke und<br />

5 Peter Glotz: Der Fall Handke. Wie sich Intellektuelle und Journalisten über dem Serbien-Aufsatz von Peter<br />

Handke heillos zerstritten. - In: Die Woche. 16. Februar 1996.<br />

6 Vgl. Dunja Mel#i" (Hg.): Der Jugoslawien-Krieg: Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen. 2.<br />

aktualis. und erw. Aufl. - Wiesbaden: VS Verlag <strong>für</strong> Sozialwissenschaften. 2007. S. 501-516<br />

7 Katja Thomas: Poetik des Zerstörten. Zum Zusammenspiel von Text und Wahrnehmung bei Peter Handke und<br />

Juli Zeh. – Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller. 2007. S. 2.<br />

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