Akademische Vorlesungen über das Neue ... - Licht und Recht
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2. Die mythische Behandlung der evang. Geschichte. 23<br />
ist der sogenannte Weissagungsbeweis von den Aposteln geführt, von den Theologen aufgegeben.<br />
Ebenso wurden die W<strong>und</strong>er von der rationalistischen Schule als bloße Reflexbilder in der Seele der<br />
Jünger betrachtet <strong>und</strong> auf einen natürlichen Bestand zurückgebracht. Wenn nun auch diese natürliche<br />
W<strong>und</strong>er-Erklärung von der sogenannten neueren Theologie nur in einzelnen Fällen noch angewandt<br />
wird, so hat doch auch Ullmann den W<strong>und</strong>erbeweis als heutzutage kraftlos fallen lassen. Da<br />
nun aber der Jesus nicht mehr geglaubt werden sollte, den die Evangelien uns verkünden, so musste<br />
an seine Stelle doch wenigstens ein Bild, eine Schöpfung des Menschengeistes gesetzt werden.<br />
Kant in seinen Reden <strong>über</strong> die Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft ließ es ganz<br />
gleichgültig, ob die biblischen Geschichten historisch seien oder nicht; als ihren Kern betrachtete er<br />
eine religiös-sittliche Idee <strong>und</strong> suchte darin seine Lehre <strong>und</strong> seinen Glauben an ein absolutes<br />
Pflicht-Gesetz wiederzufinden. Ganz in anderer Weise zwar Schleiermacher. Aber auch durch ihn<br />
wurde der historische Boden entrückt, indem er die Erkenntnis Christi nicht aus der Geschichte,<br />
sondern aus dem sogenannten christlichen Bewusstsein, seinen Forderungen <strong>und</strong> Gefühlen, d. h. aus<br />
sich selber ableitete. Nachdem auf diese Weise Vieles in den Evangelien Berichtete mehr oder minder<br />
als subjektive Auffassung der Schreiber seiner Geltung entkleidet war, konnte es endlich nicht<br />
ausbleiben, <strong>das</strong>s Strauß die ganze evangelische Geschichte als Mythos darzustellen unternahm.<br />
Denn legten die Evangelisten auf die Geburt in Bethlehem <strong>und</strong> die Abstammung von David etc. gerade<br />
deshalb Gewicht, <strong>und</strong> betrachteten sie dieselben als deshalb geschehen, damit eine Stelle bei<br />
den Propheten erfüllt sei, was lag näher, als da diese Beziehung nur eine fingierte sein sollte die<br />
ganze Geschichte als Fiktion zu betrachten? Sollten die W<strong>und</strong>er nur w<strong>und</strong>erbar ausgeschmückte Begebenheiten<br />
sein, oder wenn vielleicht wirklich geschehen, doch nur für die damalige Zeit, nicht<br />
aber für uns Bedeutung haben – was lag näher, als sie <strong>über</strong>haupt der bloßen Vorstellungsform des<br />
beschränkten Bewusstseins beizumessen, welches eine geistige Wahrheit in sinnlicher Erscheinung<br />
zu erfassen <strong>und</strong> festzuhalten sucht? Sollte <strong>das</strong> 4. Evangelium in der Auffassung <strong>und</strong> Darstellung<br />
Christi durchaus individuell sein, wie Lücke sagt, eine gewissermaßen systematische oder dogmatische<br />
Darstellung der evangel. Geschichte – so müsste <strong>das</strong> ganze Evangelium kritischer Willkür anheimfallen.<br />
Denn wenn man behauptete, die Synoptiker hätten nur in dem getrübten Reflex eines jüdischen<br />
Bewusstseins die evangelische Geschichte geschrieben, erst bei Joh. finde sich eine freiere,<br />
geistigere Auffassung, welche durch den Fortschritt der Zeit bedingt sei, was war natürlicher, als<br />
<strong>das</strong>s die Kritik der Baur’schen Schule nach den Prinzipien ihres Denkprozesses die Evangelisten<br />
nur als die Repräsentanten verschiedener Stufen <strong>und</strong> Momente eines in Gegensätzen sich entwickelnden<br />
Bewusstseins zu betrachten unternahm <strong>und</strong> die Auffassung der Person Christi, welche<br />
sich im 4. Evangelium findet, für ein Produkt erst des ausgebildeten christlichen Bewusstseins des<br />
2. Saec. erklärte? Es ist mithin offenbar, <strong>das</strong>s nicht die evangelische Geschichte selbst, wie sie von<br />
den Aposteln bezeugt ist, sondern <strong>das</strong>, was die Exegeten aus ihr gemacht hatten, der auflösenden<br />
Kritik verfallen ist <strong>und</strong> verfallen musste. Woraus auch klar wird, <strong>das</strong>s ein jeder Jesus <strong>und</strong> jedes<br />
Evangelium, welche gegen die bezeugte <strong>und</strong> wahrhafte evangelische Geschichte durch Wegnahme,<br />
Zusatz <strong>und</strong> eigenwillige Auswahl fingiert sind – notwendig ihrem Schicksale erliegen, d. h. als<br />
menschliche Ideen zusammenstürzen. Um so notwendiger aber ist es, sich des festen <strong>und</strong> unbezweifelten<br />
Gr<strong>und</strong>es der Evangelien gewiss zu machen.<br />
3. Die Inspiration.<br />
Da wir Christum nicht selber sehen <strong>und</strong> hören, so entsteht die gewichtige Frage, ob der Christus,<br />
so wie er in den Evangelien auftritt <strong>und</strong> redet, auch wahrhaftig erschienen ist, oder ob die Evangelisten<br />
ihm Worte in den M<strong>und</strong> gelegt, die sie anders woher genommen, <strong>und</strong> ob sie <strong>über</strong>haupt sein Tun<br />
<strong>und</strong> Lehren dargestellt haben so wie es aus sich selbst nach seinem eignen Geist <strong>und</strong> Wesen ihnen