Akademische Vorlesungen über das Neue ... - Licht und Recht
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§ 4. Die Angriffe gegen die Echtheit des Evangeliums aus inneren Gründen. 33<br />
vertiten der platonischen Schule als Verfasser an. Der Erste der Neologen Deutschlands, Semler,<br />
verwarf die Apokalypse, hielt aber hoch von dem Evang. Erst Eckermann in den theol. Beiträgen (5.<br />
Bd. 2. Stück) urteilte, es seien die sämtlichen Evangg. nicht von Augenzeugen, sondern Anfangs des<br />
Saec. 2 von unbekannten Männern verfasst <strong>und</strong> ihr Inhalt der Tradition entnommen. Storr <strong>und</strong> Süskind<br />
traten dagegen auf. Ganz frivol sind die Angriffe der anonymen Schrift „Das Evang. Joh. <strong>und</strong><br />
seine Ausleger vor dem jüngsten Gericht,“ 1801, von einem Kantianer (Superintendent Vogel in<br />
Wunsiedel), dessen Argumentation dahinausläuft, „<strong>das</strong>s dieses Evang. keinen Wert mehr haben könne<br />
in einer Zeit, wo man die Religion von der Messiaslehre nicht abhängig mache, in jüdische Vorstellungen<br />
nicht eingeweiht sei, historisch-streng erwiesene Tatsachen fordre, W<strong>und</strong>er für einen Widerspruch<br />
halte <strong>und</strong> ein Gebiet der Über-Vernunft nicht anerkenne.“ Schleker in einer besonderen<br />
Schrift, Süskind in seinem Magazin für Dogmatik <strong>und</strong> Moral <strong>und</strong> Nöldeke in Henkes Museum verteidigten<br />
<strong>das</strong> Evang. gegen diesen Angriff <strong>und</strong> zugleich gegen die von Horst aufgeworfenen Fragen<br />
<strong>und</strong> Zweifel (ebenfalls in Henkes Museum). Wegscheiders Versuch einer vollständigen Einleitung,<br />
Gött. 1806, des Holländers Heribert van Griethuysen diss. pro Ev. Johannei αὐθεντία 1807 wiesen<br />
unter gelehrter <strong>und</strong> gründlicher Prüfung die Einwürfe, entnommen aus der Tradition <strong>und</strong> dem inneren<br />
Charakter des Evang., zurück <strong>und</strong> in den Einleitungsschreiben sowohl als den Kommentaren<br />
wurde die Echtheit behauptet <strong>und</strong> bewiesen.<br />
Aber die rationalistische Schule konnte sich doch nimmermehr mit einem Evang. befre<strong>und</strong>en,<br />
worin die Herrlichkeit des Alleingeborenen vom Vater so mächtig bezeugt war, <strong>und</strong> was menschlicher<br />
Verstand an Zweifeln aufgeworfen <strong>und</strong> irgend nur zusammenraffen konnte, ließ Bretschneider<br />
in der Schrift: Probabilia de evang. et epp. Joannis apostoli indole et origine 1820 in geschlossenen<br />
Reihen gegen die Theologen anrücken. Die Widersprüche mit den ersten Evangg. seien nicht zu lösen;<br />
Christus sei ein ganz anderer bei Joh., seine Reden in sich selbst unwahrscheinlich, – der Verfasser<br />
sei weder Augenzeuge, noch <strong>über</strong>haupt Palästiner Fischer. Auch fehlen hinreichende Zeugnisse<br />
der ältesten Kirche. Alles dies lasse sich nur dadurch erklären, <strong>das</strong>s ein Heidenchrist aus dem<br />
Anfang des Saec. 2 durch erdichtete Reden <strong>und</strong> eine Auswahl von Taten aus dem Leben Jesu <strong>das</strong><br />
Christentum gegen damalige Gegner habe verteidigen wollen. Es erschien eine Menge von Gegenschriften,<br />
von Stein, Hemsen, Crome, Hauff u. A. Die Zeugnisse der ältesten Kirche für sämtliche<br />
Evangg. wurden von Olshausen besonders zusammengestellt. Die allgemeine Stimme trat zu Gunsten<br />
des Joh. auf. Bretschneider selbst erklärte, sein Zweck, eine bessere Begründung des Johanneischen<br />
Ursprungs des Evang. zu veranlassen, sei erreicht. Die Ungunst des Zeitalters wandte sich<br />
aber nun gegen die Synoptiker. Die Schule Schleiermachers, Lücke, Bleek, Credner u. A. rühmten<br />
hoch von dem mystischen, tiefsinnigen <strong>und</strong> philosophischen Charakter des Joh., aber um so tiefer<br />
wurden der Alt-Testamentliche Matthäus <strong>und</strong> der scheinbar so wenig selbstständige Markus gesetzt;<br />
man benutzte <strong>das</strong> Ansehen des Joh., um den Matth. seines Ansehens zu berauben. Aber schon in einem<br />
Artikel der Berliner Jahrbücher drohte Strauß mit der Konsequenz der Kritik: im Leben Jesu<br />
ließ er diese Konsequenz dann rücksichtslos eintreten. Einen Augenblick an seinen eignen Zweifeln<br />
irre geworden – konnte der Mythiker zuletzt nicht anders, als auch <strong>das</strong> Evang. Joh. als untergeschoben<br />
zu betrachten. Zu gleicher Zeit versuchte Lützelberger (1840) die kirchliche Tradition <strong>über</strong> den<br />
Apostel Joh. <strong>und</strong> seine Schriften in gänzliches Schwanken zu bringen. Bruno Bauer (1851) unterwarf<br />
<strong>das</strong> Evang. der zersetzenden Kritik, welche <strong>über</strong>all Tendenz, Absichtlichkeit, Missverstand –<br />
nirgendwo aber Geschichte <strong>und</strong> Wahrheit entdeckte. Nachdem die negative Kritik so ihr Zerstörungsgeschäft<br />
geübt, war die Baursche Schule mit einer sog. positiven <strong>und</strong> konstruierenden Kritik<br />
(Weisse, evang. Gesch.; Schenkel, Studien <strong>und</strong> Kritiken, 1840, 3; Schweizer, der Evang. Johannes)<br />
beschäftigt, die Entstehung der 4 Evangg. aus einem Kampf des Juden- <strong>und</strong> Heiden-Christentums<br />
zu erklären, wobei <strong>das</strong> Evang. des Joh. dem 2. Saec. (160) zugeschrieben ward (Kritische Untersu-