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Akademische Vorlesungen über das Neue ... - Licht und Recht

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§ 3. Die kirchliche Tradition <strong>über</strong> den Apostel Johannes. 27<br />

fürsten <strong>und</strong> Bischöfen zu machen, ihre Gräber für die Verherrlichung der Bischofssitze zu benutzen,<br />

ihnen eine asketische <strong>und</strong> priesterliche Heiligkeit beizulegen, die Wichtigkeit der Bischofswahl hervorzuheben<br />

(Joh. muss nach Jerusalem zur Wahl des Simeon reisen), ferner den Aposteln den Ruhm<br />

des Martyriums zuzuschreiben <strong>und</strong> wie bei Joh. ihre Leiden in einer falschen Glorie zu betrachten.<br />

Dem Joh. hat man namentlich noch den Ruhm der Virginität beigelegt <strong>und</strong> selbst gefabelt, <strong>das</strong>s derselbe,<br />

willens sich zu verheiraten, vom Herrn davon abgehalten worden sei. Es ist keine Frage, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> ganze kirchliche Altertum seine an <strong>und</strong> für sich kümmerlichen Nachrichten noch mehr dadurch<br />

zweifelhaft gemacht hat, <strong>das</strong>s dieselben <strong>über</strong>all unter den Spiegel einer von der apostolischen Lehre<br />

schon ganz abgefallenen Lehr- <strong>und</strong> Lebensanschauung gestellt sind.<br />

Ganz unzuverlässig <strong>und</strong> aus falschen Vorstellungen <strong>über</strong> den Charakter <strong>und</strong> den Beruf der Apostel<br />

hervorgegangen, sind uns einzelne Züge aus dem Leben Joh. von der Tradition berichtet: Wie<br />

Petrus in Rom mit Sim. Magus gekämpft haben soll – so lassen Iren. <strong>und</strong> Epiph. den Polycarp erzählen,<br />

<strong>das</strong>s Joh. mit dem Häretiker Cerinth in einem Bade zusammengetroffen <strong>und</strong> aus demselben<br />

entflohen sei, weil dieses doch <strong>über</strong> Cerinth einstürzen möchte, Eus. 3, 28; 4, 14. Ohne Zweifel ist<br />

diese Erzählung erdichtet; mit Häretikern, wie Cerinth war, hat Joh. nie zu tun gehabt; Umgang mit<br />

einem häretischen Menschen zu pflegen, verbietet Joh., aber die Furcht, es würde <strong>über</strong> dem Cerinth<br />

<strong>das</strong> Bad einstürzen – kann nur töricht genannt werden. Ebenso sehr trägt den Charakter der Legende<br />

eine Erzählung des Clemens Alex. im Buche τἱς ὁ σωζόμενος πλούσιος § 42, welche er selbst οὐ<br />

μῦθον nennt. Es ist die besonders durch Herders Dichtung bekannt gewordene Geschichte von dem<br />

Jüngling, der von Joh. den Bischöfen dringend empfohlen, zum Räuber geworden war <strong>und</strong> dann<br />

von Joh. selbst wieder herumgeholt wurde. Man hat gegen diese Geschichte z. B. eingewandt, <strong>das</strong>s<br />

sie, wäre sie früher bekannt gewesen, ohne Zweifel in den Montanisten-Streitigkeiten in Betreff der<br />

Kirchen-Disziplin würde angezogen worden sein – wogegen man andererseits erwidern kann, <strong>das</strong>s<br />

die Erzählung im 3. Saec. schwerlich erdichtet sein würde, weil der Jüngling ohne alle Kirchenbuße<br />

vom Apostel aufgenommen wurde. Es ist eine eklatante Bekehrungsgeschichte. Ihr Charakter lässt<br />

sie mehr als eine hübsche Legende – denn als wahre Begebenheit erscheinen. Der Legende ist es eigentümlich,<br />

durch Verkettung <strong>und</strong> Übertreibung zu spannen <strong>und</strong> Effekt zu bewirken, <strong>das</strong> Gefühl<br />

<strong>und</strong> die Phantasie zu erregen; deshalb fehlt ihr aber die wahre Auffassung des Lebens <strong>und</strong> der<br />

menschlichen Zustände, <strong>und</strong> wie sie selbst nur ein Spiel der Phantasie ist, greift sie auch nie in <strong>das</strong><br />

Leben wahrhaft ein; zu einem Gedicht gibt diese Legende einen passenden Stoff, aber predigen<br />

wird man nicht <strong>über</strong> sie können. Eine Erkenntnis von des Apostels großer Liebe, seinem großen<br />

Ernste um Errettung der Seelen liegt dieser Erzählung zu Gr<strong>und</strong>e; ihre Einkleidung aber ist in einem<br />

phantastischen Bilde fleischlich <strong>über</strong>spannten <strong>und</strong> eben deshalb nicht wahren Wesens wiedergegeben;<br />

was der Charakter der gesamten Auffassung apostolischen Charakters <strong>und</strong> Wirkens <strong>über</strong>haupt<br />

bei den Kirchenvätern ist. Dass der Apostel Joh. zu Ephesus einen Toten erweckt, wie aus eines<br />

Apollonius Schrift Euseb. berichtet (5, 18), <strong>das</strong>s er einen Giftbecher ohne Schaden soll getrunken<br />

haben (Acta Johannis bei Tischendorf. Acta apost. p. 266 ff.), <strong>das</strong>s er den Tempel der Diana zu<br />

Ephesus dem Boden gleichgemacht (Nicephorus) – sind Erzählungen, die auf den ersten Blick, auch<br />

ohne die Verwerflichkeit ihrer Zeugen, als Erdichtung sich verraten.<br />

Wie aber soll man es erklären, <strong>das</strong>s die Kirche des 3. Saec. statt genauer Nachricht uns bloß eine<br />

Tradition von so dürftiger <strong>und</strong> unzuverlässiger Art aufbewahrt hat? Es lässt sich dies nur dadurch<br />

erklären, <strong>das</strong>s die Kluft anerkannt wird, welche zwischen den Aposteln <strong>und</strong> der Kirche des 2. <strong>und</strong> 3.<br />

Saec. besteht. Die Schriften des N. T. reichen <strong>über</strong> <strong>das</strong> Jahr 70 höchstens 80 nach Christo nicht hinaus;<br />

von da bis 150 ist eine Lücke. Über den Gemeinden, welche die Apostel gepflanzt <strong>und</strong> geweidet,<br />

<strong>und</strong> ihren Ausgang hat sich eine schreckliche Finsternis gelagert. Von den vielen Schülern <strong>und</strong>

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