Akademische Vorlesungen über das Neue ... - Licht und Recht
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I. Innere Merkmale der Echtheit. 37<br />
eben nicht scharfsinnige Hypothese aufgestellt, wie Matth. nach Papias ausdrücklich τὰ λόγια τοῦ<br />
κυρίου gesammelt haben solle – so möchte Joh. selbst wohl nur die Reden zusammengestellt, <strong>und</strong><br />
ein Anderer den historischen Rahmen dazu gegeben haben. Schweizer macht gegen die Teilungshypothesen<br />
mit <strong>Recht</strong> auf den engen Zusammenhang aufmerksam, worin immer die Geschichte, <strong>das</strong><br />
damit verb<strong>und</strong>ene Gespräch <strong>und</strong> die daran sich anknüpfende Rede untereinander stehen. Nikodemus<br />
war bei Nacht gekommen – wie fein schließt <strong>das</strong> Gespräch damit, <strong>das</strong>s die Welt an <strong>das</strong> <strong>Licht</strong> nicht<br />
kommen wolle. Mit der Samariterin unterhielt sich der Herr <strong>über</strong> einen Trunk, einen Quell lebendigen<br />
Wassers; mit den Jüngern, die Speise geholt hatten, <strong>über</strong> die rechte Speise. An <strong>das</strong> W<strong>und</strong>er der<br />
Speisung der 4000 knüpft er c. 6 <strong>das</strong> Gespräch <strong>über</strong> <strong>das</strong> wahrhaftige Brot, vom Himmel gekommen<br />
etc. Darin liegt zugleich eine Erklärung, wie der Apostel lange Gespräche habe im Gedächtnis behalten<br />
können. Die Gespräche knüpften sich ganz natürlich an Orte, an Begebenheiten, an Fragen;<br />
sehr markiert treten die einzelnen Fingerzeige hervor, woran sich der Faden fortspinnt, <strong>und</strong> die genauere<br />
Erklärung zeigt, in wie festem Zusammenhalt die Gespräche stehen, wie eins zum andern<br />
drängt <strong>und</strong> im Schluss seine Spitze findet. Wie gewissenhaft sich Joh. an die eignen Worte Christi<br />
gehalten, zeigt auch die völlige Übereinstimmung mancher Stellen mit Matth., z. B. Joh. 2,19 cf.<br />
Mt. 26,61; Joh. 12,8 mit Mt. 26,11; Joh. 12,25 <strong>und</strong> 13,20 mit Mt. 10,39.40. Führt man beide Aussprüche<br />
auf den ursprünglichen hebräischen Ausdruck zurück, so ist die Übereinstimmung vollständig.<br />
Oftmals führt er auch Christi Worte an, fügt aber eine Erläuterung hinzu: 2,19; 6,70; 7,37 etc.<br />
Was aber wichtiger ist, denn Alles dieses: Dem aufmerksamen Leser macht es sich in jeder Zeile<br />
fühlbar, <strong>das</strong>s der dies Buch geschrieben hat, getrieben gewesen ist vom heiligen Geiste. Menschliche<br />
Worte <strong>und</strong> menschliche Gedanken sind in dem Buche nicht niedergelegt; es ist ein Strom darin<br />
der Liebe, der Gerechtigkeit <strong>und</strong> Wahrheit, der aus Gottes Herzen hervorgequollen. Nicht mit vielen<br />
hohen Worten hat der Apostel seine Bew<strong>und</strong>erung <strong>und</strong> Verehrung gegen den Meister ausgesprochen<br />
– aber eine Liebe, eine Hingabe, ein Eifer alles Ernstes für den Namen des Herrn Jesu spricht so<br />
laut zu dem Leser, <strong>das</strong>s er wohl den Jünger erkennt, der an der Brust des Herrn gelegen. Dieser Eindruck<br />
ist zu mächtig, als <strong>das</strong>s er sich verleugnen ließe. Und bei solchem Eindrucke ist die Untersuchung<br />
von keinem Werte, wie viel Joh. von seiner eigenen Sprach- <strong>und</strong> Empfindungsweise in den<br />
Vortrag Jesu mithineingenommen habe: er ist ein geheiligtes Gefäß, in welches sich der Inhalt der<br />
Wahrheit ergossen hat, <strong>und</strong> <strong>das</strong> auch durch seine Form diese Wahrheit hindurchleuchten lässt. Ganz<br />
gebildet an der Redeweise Jesu, in dem Meister lebend ist er in seinem Worte eine treue Wiedergabe<br />
dessen, was er von diesem gehört – <strong>und</strong> dies in der vollen Macht des Geistes, der in Beiden war. Indem<br />
Christus in ihm wohnt, sein Gemüt in den Erinnerungen der Vergangenheit sich ergeht, hat er<br />
die Freiheit, getragen von solchem Drange, seine Ausdrücke walten zu lassen, die eben so sehr seine<br />
eigenen sind, wie in ihnen die treueste Gemeinschaft <strong>und</strong> Verbindung mit dem Herrn sich k<strong>und</strong>gibt.<br />
Johannes ist ganz der heilige Nachahmer Christi, <strong>und</strong> darin liegt eine freie Geb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> eine<br />
zarte Freiheit. „Man darf nur insbesondere die letzten Reden Jesu c. 13–17 mit Aufmerksamkeit lesen“<br />
– sagt Wegsch. pag. 130, „<strong>und</strong> man wird unwillkürlich zu dem Geständnisse hingerissen werden:<br />
nur so konnte Jesus geredet, nur so sein Vertrauter Joh. diese Reden aufgefasst <strong>und</strong> wiedergegeben<br />
haben.“ Den Joh. mit seinem tiefen innigen Gemüt strahle jede Zeile zurück – meint Credner.<br />
„Je einfacher <strong>und</strong> natürlicher der Ausdruck“, sagt derselbe, „desto tiefer der Sinn. Die Macht des<br />
scheinbar einfachen Ausdrucks wächst bei längerem Verweilen vor dem Auge des geistigen Beschauers<br />
ins Unendliche; die schlichten Worte sind nur die Pforten zu himmlischer Weisheit.“ Vergl.<br />
die Stellen von Chrysostom., Augustinus bei Tholuck pag. 18, v. Luther, Ernesti, Herder u. A. bei<br />
Lücke § 9 pag. 157. 15 Darin sind alle einverstanden, <strong>das</strong>s bei Joh. von dem Herrn in allem seinem<br />
15 Chrys.: Et profecto hoc maximum est argumentum, nihil ex seipso Joannem locutum, qui ex media barbarie Evangelio<br />
suo universum comprehendit orbem.