Algebraische Strukturen
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70 Andreas Gathmann<br />
Wir konstruieren nun wie folgt rekursiv eine (abbrechende) Folge a 0 ,a 1 ,a 2 ,...,a N in R: sind<br />
a 0 ,...,a n−1 ∈ R für ein n ≥ 2 bereits bestimmt und ist a n−1 ≠ 0, so teilen wir a n−2 wie in Definition<br />
10.21 mit Rest durch a n−1 und erhalten so eine Darstellung<br />
für gewisse q n ,r n ∈ R. Wir setzen dann a n := r n .<br />
Für die so konstruierte Folge gilt:<br />
a n−2 = q n a n−1 + r n<br />
(a) Das Verfahren bricht nach endlich vielen Schritten ab, d. h. es ist a N = 0 für ein N ∈ N.<br />
(b) a N−1 ∈ ggT(a 0 ,a 1 ). Das letzte a n , das nicht Null ist, ist also ein größter gemeinsamer Teiler<br />
von a 0 und a 1 .<br />
(c) Für alle n = 0,...,N − 1 lässt sich a N−1 in der Form a N−1 = d n a n + e n a n+1 für gewisse<br />
d n ,e n ∈ R schreiben (man sagt, a N−1 ist eine Linearkombination von a n und a n+1 ). Insbesondere<br />
ist der größte gemeinsame Teiler a N−1 ∈ ggT(a 0 ,a 1 ) also eine Linearkombination<br />
von a 0 und a 1 .<br />
Beweis. Der Beweis aller dieser Aussagen ist sehr einfach und folgt im Prinzip der Idee von Beispiel<br />
10.20:<br />
(a) Angenommen, die Folge a 0 ,a 1 ,a 2 ,... würde nicht abbrechen, d. h. es wäre a n ≠ 0 für alle<br />
n ∈ N. Nach der Definition 10.21 eines euklidischen Ringes wäre dann δ(a n ) = δ(r n ) <<br />
δ(a n−1 ) für alle n ≥ 2. Die Zahlen δ(a n ) müssten für n ≥ 2 also eine unendliche, streng<br />
monoton fallende Folge natürlicher Zahlen bilden, was offensichtlich nicht möglich ist.<br />
(b) Für alle n ≥ 2 gilt<br />
Damit ist<br />
ggT(a n−1 ,a n ) = ggT(a n−1 ,r n ) (Definition von a n )<br />
= ggT(a n−1 ,a n−2 − q n a n−1 )<br />
= ggT(a n−2 ,a n−1 ) (Lemma 10.19 (b))<br />
ggT(a 0 ,a 1 ) = ggT(a 1 ,a 2 ) = ··· = ggT(a N−1 ,a N ) = ggT(a N−1 ,0) ∋ a N−1<br />
nach Lemma 10.19 (a).<br />
(c) Wir zeigen die Aussage mit absteigender Induktion über n; für n = N −1 ist sie mit d N−1 = 1<br />
und e N−1 = 0 offensichtlich richtig. Ist nun n < N − 1 und gilt die Aussage für alle größeren<br />
Werte von n, so folgt<br />
a N−1 = d n+1 a n+1 + e n+1 a n+2 (Induktionsvoraussetzung für n + 1)<br />
= d n+1 a n+1 + e n+1 r n+2 (Definition von a n+2 )<br />
= d n+1 a n+1 + e n+1 (a n − q n+2 a n+1 )<br />
= e n+1 a n + (d n+1 − e n+1 q n+2 )a n+1 ,<br />
d. h. wir können d n = e n+1 und e n = d n+1 − e n+1 q n+2 setzen. □<br />
Beispiel 10.26. Wir wollen mit dem euklidischen Algorithmus einen größten gemeinsamen Teiler<br />
der ganzen Zahlen 11 und 9 berechnen und diesen als Linearkombination 11d + 9e mit d,e ∈ Z<br />
schreiben.