TIMSS 2007: Erste Ergebnisse - Bifie
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<strong>TIMSS</strong> <strong>2007</strong>: <strong>Erste</strong> <strong>Ergebnisse</strong> 55<br />
Weisen Schüler/innen in kleinen Klassen bessere Leistungen<br />
auf? Sind Beeinträchtigungen durch eine unterschiedliche<br />
Leistungsfähigkeit der Schüler/innen in kleinen Klassen<br />
geringer? Dies sind wesentliche Fragen des vorliegenden<br />
Abschnitts. Zunächst wird darauf eingegangen, wie groß<br />
Österreichs Klassen im EU-Vergleich sind.<br />
Klassengröße<br />
In Abbildung 3.8 A sind die Klassengrößen mit Bezug auf<br />
den Mathematikunterricht eingetragen. Diese decken sich<br />
in fast allen Ländern mit den Klassengrößen in Sachunterricht.<br />
Einzig in Schottland und England sind geringfügige<br />
Abweichungen feststellbar, auf deren Darstellung hier jedoch<br />
aus Übersichtlichkeitsgründen verzichtet wird. Fast<br />
alle EU-Länder weisen durchschnittliche Klassengrößen<br />
von 19 bis 22 Kindern auf. Nur in Schottland (25 Kinder)<br />
und England (28) liegen diese deutlich höher. Auch besuchen<br />
in diesen beiden Ländern beträchtliche Schüleranteile<br />
(45 % und 69 %) Klassen mit mehr als 25 Kindern. In<br />
Österreich liegt dieser Anteil bei 15 %. Seit dem Schuljahr<br />
2006/07 gilt für alle ersten Klassen in Österreichs Volksschulen<br />
ein Richtwert von 25 Kindern pro Klasse. Bis zum<br />
Schuljahr 2009/10 wird dieser Richtwert sukzessive in allen<br />
Klassen zum Tragen kommen. Dem Ziel einer geringen Anzahl<br />
großer Klassen kommt Italien am nächsten, wo nur 4<br />
% der Schüler/innen Klassen mit mehr als 25 Kindern besuchen.<br />
Bemerkenswert ist, dass in den ostasiatischen Ländern<br />
trotz sehr großer Klassen Spitzenleistungen möglich<br />
sind. So befinden sich in den vier führenden <strong>TIMSS</strong>-Ländern<br />
(Hongkong, Singapur, Taiwan und Japan) im Durchschnitt<br />
mehr als 30 Schüler/innen in einer Klasse.<br />
Abbildung 3.8 B stellt den Zusammenhang zwischen der<br />
Klassengröße und den Schülerleistungen in Mathematik<br />
und Naturwissenschaft dar. Es zeigt sich für kein Land eine<br />
bedeutsame Korrelation in die Richtung, dass kleinere Klassen<br />
zu besseren Leistungen führen würden. In Österreich<br />
liegen beide Korrelationskoeffizienten nahe null, d. h. weder<br />
die Mathematik- noch die Naturwissenschaftsleistung<br />
hängt mit der Klassengröße zusammen. Relativ größere und<br />
statistisch signifikante Effekte mit Korrelationen um .20<br />
finden sich in Ungarn, Litauen und Lettland. Hier weisen<br />
Schüler/innen umso bessere Leistungen auf, je größer ihre<br />
Klasse ist. Dieser scheinbar unplausible Zusammenhang<br />
kann auf das starke Stadt-Land-Leistungsgefälle in diesen<br />
Ländern zurückgeführt werden (z. B. Elijo, 2006): Schüler/<br />
innen in der Stadt haben bessere Leistungen und größere<br />
Klassen befinden sich häufiger in städtischen Gebieten.<br />
Klassenzusammensetzung<br />
Nicht nur die Klassengröße, sondern auch die Zusammensetzung<br />
einer Klasse wird von den meisten Lehrkräften als<br />
wesentlicher Faktor wahrgenommen, der die Unterrichtserteilung<br />
erleichtert oder erschwert. In <strong>TIMSS</strong> wurden die<br />
Lehrkräfte gefragt, wie sehr das Unterrichten von Mathematik<br />
und Sachunterricht durch folgende Dinge beeinträchtigt<br />
wird: (a) Schüler/innen mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit,<br />
(b) Schüler/innen mit sehr unterschiedlicher<br />
Herkunft (z. B. ökonomisch, sprachlich), (c) Schüler/innen<br />
mit sonderpädagogischem Förderbedarf, (d) desinteressierte<br />
Schüler/innen, (e) Schüler/innen, die den Unterricht stören.<br />
Für Abbildung 3.8 C wurden die Lehrerangaben zu<br />
diesen fünf Variablen gemittelt. Eine besonders geringe Beeinträchtigung<br />
des Mathematikunterrichts durch Merkmale<br />
der Klasse nehmen die Lehrer/innen in den Niederlanden<br />
sowie in Österreich und Deutschland wahr. Besonders hoch<br />
ist sie in den „neuen“ EU-Ländern Litauen, Lettland und<br />
der Slowakischen Republik. Auch der Naturwissenschaftsunterricht<br />
wird – laut Lehrerangaben – in Österreich insgesamt<br />
nur relativ wenig durch die oben genannten Faktoren<br />
beeinträchtigt. Bemerkenswert ist, dass in fast allen Ländern<br />
diese Probleme im Mathematikunterricht stärker wahrgenommen<br />
werden als im Naturwissenschaftsunterricht.<br />
Einen detaillierten Einblick in die einzelnen Faktoren der<br />
Unterrichtsbeeinträchtigung gibt Abbildung 3.8 D. Insgesamt<br />
wird eine sehr unterschiedliche Leistungsfähigkeit der<br />
Schüler/innen als eindeutig größtes Problem für das Unterrichten<br />
empfunden (in Österreich sowie in der EU). Dies<br />
gilt insbesondere für den Gegenstand Mathematik.<br />
Neben dem Diagramm ist aufgelistet, wie stark diese Merkmale<br />
in Österreich mit der Klassengröße zusammenhängen.<br />
Fast alle der angeführten Beeinträchtigungen werden von<br />
den Lehrkräften kleiner Klassen etwa gleich stark empfunden<br />
wie jener großer (Korrelationskoeffizienten liegen nahe<br />
null). Die einzige Ausnahme mit nennenswerter Effektstärke<br />
bildet eine sehr unterschiedliche sprachliche oder soziale<br />
Herkunft der Schüler/innen. Diese wird durch die Lehrkräfte<br />
stärker als Problem wahrgenommen, je größer die<br />
Klasse ist.<br />
Fazit<br />
Insgesamt zeigen die vorliegenden Daten abermals, dass<br />
kleinere Klassen nicht automatisch eine Verbesserung der<br />
Schülerleistungen zur Folge haben (vgl. Altrichter & Sommerauer,<br />
<strong>2007</strong>; Bergmüller, Laimer & Steger, in Druck).<br />
Auch werden in kleineren Klassen Probleme im Zusammenhang<br />
mit einer unterschiedlichen Leistungsfähigkeit<br />
der Schüler/innen nicht als weniger beeinträchtigend empfunden,<br />
obwohl kleine Klassen eher den Rahmen für innere<br />
Differenzierung und Individualisierung bieten würden. Zur<br />
Steigerung der Unterrichtsqualität, insbesondere auch in<br />
kleinen Klassen, hat das BMUKK mit dem Schuljahr<br />
<strong>2007</strong>/08 die Initiative „25plus“ gestartet (vgl. BMUKK,<br />
<strong>2007</strong>). Diese zielt auf eine stärkere Individualisierung des<br />
Lehrens und Lernens ab, um der zunehmenden Heterogenität<br />
der Schülerschaft Rechnung zu tragen.