TIMSS 2007: Erste Ergebnisse - Bifie
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<strong>TIMSS</strong> <strong>2007</strong>: <strong>Erste</strong> <strong>Ergebnisse</strong> 57<br />
In neueren Studien des deutschsprachigen Raums wird Lehrerkooperation<br />
überwiegend im Zusammenhang mit Innovationsprozessen,<br />
Professionalisierung, Lehrerbelastung und<br />
Beanspruchung der Lehrkräfte diskutiert und ist kaum<br />
Hauptgegenstand von Untersuchungen (Bauer, 2008).<br />
Nach Bauer beschränkt sich der Ertrag der bisherigen Forschung<br />
auf eine Differenzierung der Begriffe im Bereich der<br />
Kooperation im Lehrerberuf. Diese ist allerdings nicht nur<br />
für die weitere Forschung, sondern auch für die Lehrerausund<br />
-fortbildung wesentlich, da ein heterogener Begriffsapparat<br />
bereits im Vorfeld der Kooperation Missverständnisse<br />
und falsche Erwartungen verursachen kann.<br />
Gräsel et al. (2004) kommen zum Schluss, dass eine unterrichtsbezogene<br />
Zusammenarbeit an Schulen eher die Ausnahme<br />
darstellt und ein Austausch von Kolleginnen und<br />
Kollegen keinen selbstverständlichen Bestandteil des Lehrerberufs<br />
repräsentiert. Die Gründe für diesen Mangel an professioneller<br />
Kooperation können sehr vielfältig sein und<br />
reichen von der Organisation der Lehrerarbeit in der Schule<br />
bis hin zu sozial-emotionalen Bedingungen in Kollegien<br />
(z. B. Konkurrenzverhältnis).<br />
Nachstehende Frage zur Häufigkeit der Zusammenarbeit<br />
mit den Kolleginnen und Kollegen wurde den Lehrkräften<br />
bei <strong>TIMSS</strong> gestellt: Wie oft finden folgende Dinge gemeinsam<br />
mit anderen Lehrerinnen/Lehrern statt? a) Diskussion,<br />
wie ein bestimmtes Konzept unterrichtet werden soll; b)<br />
Unterrichtsmaterialien vorbereiten; c) Klasse einer anderen<br />
Lehrkraft besuchen, um den Unterricht zu beobachten; d)<br />
informelle Beobachtungen der eigenen Klasse durch eine<br />
andere Lehrkraft. Die Antwortmöglichkeiten reichen auf<br />
einer 4-stufigen Skala von jeden Tag oder fast jeden Tag bis<br />
hin zu nie oder fast nie.<br />
Abbildung 3.9 A stellt Antworten der österreichischen Lehrer/innen<br />
dem EU-Schnitt gegenüber. Die in Österreich am<br />
häufigsten praktizierte Kooperation betrifft die Vorbereitung<br />
von Unterrichtsmaterialien. Danach folgen gemeinsame<br />
Diskussionen darüber, wie ein bestimmtes Konzept unterrichtet<br />
werden soll. Vergleichsweise selten kommen<br />
hingegen die beiden Formen der Hospitation (Klasse einer<br />
anderen Lehrkraft besuchen, Besuch einer anderen Lehrkraft<br />
in der eigenen Klasse) zum Einsatz. In den teilnehmenden<br />
EU-Ländern zeigt sich im Schnitt dieselbe Reihung<br />
dieser Kooperationen wie in Österreich: Die gemeinsame<br />
Vorbereitung der Unterrichtsmaterialien sowie Diskussionen<br />
über Unterrichtskonzepte werden wesentlich häufiger<br />
eingesetzt als die gegenseitige Hospitation im Unterricht. In<br />
diesem Zusammenhang argumentiert Bauer (2008), dass<br />
die Annahme, gegenseitige Hospitationen im Unterricht<br />
seien die anspruchsvollste und wirksamste Form der Kooperation,<br />
nur auf der Beobachtung beruht, dass diese Methode<br />
sehr selten ist. Der seltene Einsatz mag allerdings auch<br />
darin begründet liegen, dass der Nutzen für die Beteiligten<br />
zu gering und der Aufwand im Verhältnis zu groß ist. Zum<br />
Vergleich: In den drei führenden Ländern zeigt sich ein<br />
ähnliches Bild. Gegenseitige Hospitationen kommen kaum<br />
zum Einsatz. Für 40 bis 48 % Prozent der Schüler/innen ist<br />
es zutreffend, dass die Lehrkräfte mindestens wöchentlich<br />
gemeinsam Unterrichtsmaterialien vorbereiten. Die Anteile<br />
bezüglich der Diskussion über die Vermittlung von Unterrichtskonzepten<br />
liegen in diesen Ländern zwischen 24 und<br />
41 %.<br />
Ein detaillierter Vergleich der österreichischen Daten mit<br />
dem EU-Schnitt zeigt, dass die beschriebenen Kooperationsformen<br />
in Österreich durchwegs seltener eingesetzt werden:<br />
Zum einen sind in Österreich die Anteile der Schüler/<br />
innen, deren Lehrkräfte die Kooperationsformen mindestens<br />
wöchentlich anwenden, bei allen vier Fragen geringer<br />
als im Durchschnitt der teilnehmenden EU-Länder. Zum<br />
anderen gibt es mehr österreichische Schüler/innen, deren<br />
Lehrkräfte diese Arten der Zusammenarbeit nie oder fast<br />
nie anwenden. So werden z. B. 78 % der österreichischen<br />
Schüler/innen von Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet,<br />
deren Unterricht nie von einer anderen Lehrkraft beobachtet<br />
wird. 90 % besuchen eine Klasse, in der die Lehrkraft<br />
selbst nie den Unterricht einer Kollegin/eines Kollegen beobachtet.<br />
Die entsprechenden Werte der EU-Länder sind<br />
mit durchschnittlich 72 und 76 % signifikant niedriger.<br />
Unter jenen beiden Kooperationsformen, die am häufigsten<br />
angewendet werden, zeigt sich bei der Diskussion von Konzepten<br />
der größte Unterschied. Im EU-Schnitt wird die<br />
Hälfte der Schüler/innen von Lehrpersonen unterrichtet,<br />
die mindestens wöchentlich Unterrichtskonzepte mit den<br />
Kolleginnen und Kollegen besprechen. In Österreich trifft<br />
dies auf nur 38 % der Schüler/innen zu. Dieser Anteil ist<br />
signifikant geringer als der EU-Schnitt. Abbildung 9.3 B<br />
stellt diese Frage daher gesondert für alle teilnehmenden<br />
EU-Länder dar. Sie zeigt jenen Schüleranteil, dessen Lehrpersonen<br />
zumindest wöchentlich im Kollegium die Vermittlung<br />
von Konzepten im Unterricht besprechen. In Italien<br />
und in der Slowakischen Republik trifft dies auf<br />
mindestens 60 % der Schüler/innen zu. Österreich zählt<br />
mit rund 38 % nach den Niederlanden (24 %) und der<br />
Tschechischen Republik (35 %) hingegen zu den Ländern<br />
mit den geringsten Anteilen.<br />
Zur Berechnung des Zusammenhangs zwischen Kooperation<br />
und Mathematik- bzw. Naturwissenschaftsleistung wurde<br />
über alle vier Fragen hinweg ein Index gebildet. Dieser<br />
fasst die beiden Kategorien mit der häufigsten Anwendung<br />
zusammen. Es lässt sich jedoch weder in Österreich noch im<br />
EU-Schnitt ein Zusammenhang mit der Mathematik- bzw.<br />
Naturwissenschaftskompetenz feststellen. Diesbezüglich<br />
sind weiterführende Analysen notwendig, um genauere Informationen<br />
über mögliche Einflussfaktoren zu erhalten.