Theodor W. Adorno / Max Horkheimer - Dialektik der Aufklärung zur ...
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symbolischen Vollzug die Grenze von Leiden und Tun, eigener und frem<strong>der</strong> Gewalt verwischt. Das ist<br />
die Schule jener Integration, die politisch endlich die Entmächtigten in die Bravos <strong>der</strong> Banditen<br />
verwandelt. Nach Regeln darf man weh tun, nach Regeln wird man mißhandelt, und die Regel dämmt<br />
die Stärke, um noch die Schwäche als Stärke zu vindizieren: Filmhelden werden gern gefoltert. Wie<br />
die Marktregeln sind die des Sports, gleiche Chance, fair play für alle, doch nur als Kampf aller gegen<br />
alle. So läßt <strong>der</strong> Sport die Konkurrenz, reduziert auf ihre Brutalität, in <strong>der</strong> Welt trugvoll überleben, die<br />
Konkurrenz real abgeschafft hat. Indem er sie freilich als unmittelbare Aktion demonstriert, macht er<br />
zugleich auch die historische Tendenz zu seiner Sache, die mit <strong>der</strong> Konkurrenz aufräumte. Vom<br />
Betrug am an<strong>der</strong>n, dem Trick, wird sie zum Coup. Die Rekorde aber, in denen <strong>der</strong> Sport terminiert,<br />
proklamieren schon das unverhüllte Recht des Stärksten, das aus <strong>der</strong> Konkurrenz so<br />
selbstverständlich hervorgeht, weil es so unverrückbar von je sie beherrschte. Im Triumph solchen<br />
praktischen Geistes, fern vom Erwerb <strong>der</strong> Lebensmittel, wird <strong>der</strong> Sport <strong>zur</strong> Pseudopraxis, in <strong>der</strong> die<br />
Praktischen nicht länger sich selber zu helfen vermögen, son<strong>der</strong>n sich nochmals zu den Objekten<br />
machen, die sie ohnehin sind. In seiner scheinlosen Buchstäblichkeit, dem tierischen Ernst, <strong>der</strong> jede<br />
Geste des Spiels zum Reflex erstarren läßt, wird Sport zum farblosen Abglanz des verhärteten, kalten<br />
Lebens. Die Lust <strong>der</strong> Bewegung, den Gedanken an die Befreiung des Leibes, die Suspension <strong>der</strong><br />
Zwecke bewahrt er nur in äußerster Entstellung. Weil aber doch vielleicht die Gewalt, die er den<br />
Menschen antut, mit dazu hilft, diese fähig zu machen, <strong>der</strong> Gewalt einmal das Ende zu bereiten,<br />
nimmt Massenkultur den Sport in ihre Obhut. Der Sportsmann selber mag noch Tugenden wie<br />
Solidarität, Hilfsbereitschaft, selbst Enthusiasmus entwickeln, die sich im entscheidenden politischen<br />
Augenblick bewähren können. Beim Sportzuschauer ist davon nichts geblieben; roh kontemplative<br />
Neugier zersetzt die letzte Spontaneität. Massenkultur aber möchte ihre Konsumenten nicht in<br />
Sportsleute son<strong>der</strong>n in johlende Tribünenbesucher verwandeln. Indem sie das ganze Leben als ein<br />
System offener o<strong>der</strong> verdeckter sportlicher Wettkämpfe abbildet, inthronisiert sie den Sport als Leben<br />
selber und tilgt noch die Spannung zwischen dem sportlichen Sonntag und <strong>der</strong> erbärmlichen Woche,<br />
in <strong>der</strong> das bessere Teil des realen Sports bestand. Das wird unter ihren Händen aus <strong>der</strong> Liquidation<br />
des ästhetischen Scheins. Selbst die Pseudopraxis wird von Massenkultur zu jener Bildlichkeit<br />
neutralisiert, <strong>der</strong> man im gleichen Atemzug durch die Sportifizierung <strong>der</strong> Produkte abschwört.<br />
Je mehr unterm Monopol das Leben den, <strong>der</strong> durchkommen will, zu Tricks, Kniffen und Püffen nötigt,<br />
je weniger mehr die einzelnen vom Beruf, von <strong>der</strong> Kontinuität ihrer Arbeit leben können, um so größer<br />
wird die Gewalt des Sports draußen und in <strong>der</strong> Massenkultur. Diese ist ein Training zu leben, wenn es<br />
eigentlich nicht mehr geht. Ihr Schema herrscht als Kanon synthetisch hergestellter Verhaltensweisen.<br />
Die Gefolgschaft, die sie selbst dort noch findet, wo Stumpfsinn und Betrug geradezu auf die<br />
Provokation <strong>der</strong> Konsumenten berechnet scheint, wird von <strong>der</strong> Hoffnung zusammengehalten, es<br />
möchte die Stimme des Monopols den queue Stehenden kundtun, was man von ihnen erwartet, auf<br />
daß sie ernährt und gekleidet werden. Das erste Gebot freilich ist, daß man selber schon gut gekleidet<br />
und leidlich ernährt sei. Die guten Manieren, die man ihnen beibringt, setzen das voraus. Wer nicht die<br />
Freiheit, Höflichkeit und Sicherheit an den Tag legt, die geordnete Verhältnisse beweist und<br />
propagiert, soll draußen bleiben. Nicht sowohl wird im Film das Elend verschwiegen - man beschreibt<br />
es ja oft genug und mit Gusto -, als daß die Zuhörer die Lehre empfangen, sich selber allerorten zu<br />
benehmen, als ob kein Elend wäre. Als gehorsame Adepten werden sie, aller sententiösen Humanität<br />
zum Trotz, immer härter, kälter, mitleidsloser. Je mehr <strong>der</strong> Güterverkehr verschleißt, was durch den<br />
Namen <strong>der</strong> Kultur selber schon zum Gut pervertiert ist, um so mehr wird die Allgegenwart von Kultur<br />
beansprucht. Die Aufnahmen <strong>der</strong> Wirtschafts- und an<strong>der</strong>en Führer in ihren Strohhüten und wattierten<br />
Anzügen sind von denen <strong>der</strong> Gangster nur noch dadurch zu unterscheiden, daß sie jene Hüte im<br />
Zimmer abnehmen, während sie die herzhafte Redeweise <strong>der</strong> Gangster um <strong>der</strong> Popularität willen<br />
exploitieren. Zugleich aber wird die Fata Morgana einer guten Gesellschaft bereitet, die die Liquidation<br />
<strong>der</strong> wirklichen, die Umfunktionierung ihrer Mitglie<strong>der</strong> in Mannequins <strong>der</strong> society page, im Bilde<br />
nochmals bekräftigt, indem sie sie verleugnet. Massenkultur kennt nur noch feine Leute. Selbst <strong>der</strong><br />
Slang <strong>der</strong> Straßenjungen, <strong>der</strong> ihr gar nicht natürlich genug sein kann, taugt bloß dazu, den lachenden<br />
Zuschauer dahin zu bringen, daß er so nie und nimmer reden dürfe. Ihre Totalität gipfelt in <strong>der</strong><br />
For<strong>der</strong>ung, keiner solle an<strong>der</strong>s sein als sie selber. Die wissenschaftlichen Tests, von denen die<br />
Arbeitsplätze abhängen, kommen dem nach. Wer nicht ins Kino geht und lernt, so zu sprechen und zu<br />
gehen, wie das vom Monopol ersonnene Schema <strong>der</strong> Gesellschaft, dem sperrt das Monopol die<br />
Türen: Frauen sind vermöge ihrer Stellung im Produktionsprozeß davon vorab betroffen, und das mag<br />
ihre Anhänglichkeit ans traurige Vergnügen miterklären. Die alte Parole des bürgerlichen<br />
Amüsements, »Das müssen Sie gesehen haben«, die ein harmloser Schwindel auf dem Markt war,<br />
wird mit <strong>der</strong> Abschaffung von Amüsement und Markt zum blutigen Ernst. Früher war die fiktive Strafe,<br />
daß man nicht mitreden konnte; heute ist <strong>der</strong>, welcher nicht in <strong>der</strong> rechten Weise reden, nämlich<br />
Formeln, Konventionen und Urteile aus <strong>der</strong> Massenkultur mühelos als die eigenen reproduzieren<br />
kann, in seiner Existenz bedroht, als Dummchen o<strong>der</strong> Intellektueller verdächtig. Gut aussehen, make-