29.12.2013 Aufrufe

Fatale Bilanz. Die LINKE fordert einen grundlegenden ...

Fatale Bilanz. Die LINKE fordert einen grundlegenden ...

Fatale Bilanz. Die LINKE fordert einen grundlegenden ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Sputnik-Schock<br />

Vor 50 Jahren wurde in der Sowjetunion der erste künstliche Erdsatellit gestartet<br />

Von Ronald Friedmann<br />

Am 4. Oktober 1957, um 22.28 Uhr Moskauer<br />

Zeit, hob die umgebaute Interkontinentalrakete<br />

R-7 mit Sputnik-1 an<br />

der Spitze vom Kosmodrom Baikonur,<br />

das damals noch Tjura Tam hieß, in<br />

Richtung Erdumlaufbahn ab. Zwar gab<br />

es einige technische Probleme – nach<br />

nur sechzehn Sekunden Flugzeit fiel<br />

ein Kontrollmechanismus aus, der für<br />

die gleichmäßige Leerung der Kraftstofftanks<br />

sorgen sollte, und die letzte<br />

Brennstufe schaltete einige Sekunden<br />

zu früh ab, so dass der erreichte<br />

Orbit etwa 80 Kilometer niedriger lag<br />

als vorgesehen. Doch das ehrgeizige<br />

Vorhaben der sowjetischen Wissenschaftler<br />

und Techniker um Sergej Kowaljow,<br />

dem »Vater der sowjetischen<br />

Raumfahrt«, wurde verwirklicht: Nach<br />

genau 324 Sekunden Flugzeit war der<br />

erste künstliche Satellit in der Erdumlaufbahn<br />

angekommen.<br />

In den frühen Morgenstunden des<br />

5. Oktober gab die sowjetische Nachrichtenagentur<br />

TASS den Start bekannt.<br />

Und TASS bestätigte<br />

die bereits im Juni (!)<br />

1957 offiziell mitgeteilten<br />

Frequenzen,<br />

auf denen die Funksignale<br />

von Sputnik-<br />

1 empfangen werden<br />

konnten. Wenige Minuten<br />

später saßen<br />

professionelle und<br />

Amateurfunker in aller<br />

Welt an ihren Geräten<br />

und lauschten<br />

auf das Piep-<br />

Piep, das von einem<br />

ständig wechselnden<br />

Ort abgestrahlt<br />

wurde. In Westeuropa<br />

waren es die Mitarbeiter<br />

der Volkssternwarte<br />

Bochum,<br />

die als Erste die Signale<br />

von Sputnik-1<br />

GESCHICHTE<br />

Sein Piep-Piep<br />

ließ Experten<br />

wie Laien, Wissenschaftler<br />

wie Politiker<br />

weltweit aufhorchen:<br />

Sputnik-1.<br />

empfingen und so bestätigen konnten,<br />

daß sich Sputnik-1 tatsächlich in einer<br />

Erdumlaufbahn befand.<br />

Bald darauf wurde auch das erste<br />

Bild veröffentlicht: Sputnik-1 war eine<br />

hochglänzende Metallkugel mit einem<br />

Durchmesser von 58 Zentimetern und<br />

einer Masse von 83,6 Kilogramm. Vier<br />

scheinbar nach hinten ausgerichtete<br />

Antennen gaben ihm das typische Aus-<br />

sehen, das auch nach einem hal ben<br />

Jahrhundert noch unverwechselbar<br />

ist und das sich in zahllosen Nachbildungen<br />

in Museen und wissenschaftlich-technischen<br />

Expositionen in aller<br />

Welt wiederfindet.<br />

Wissenschaftliche Geräte hatte<br />

Sputnik-1 nicht an Bord. Allerdings gehörte<br />

ein Thermometer mit einer Einrichtung<br />

zur Datenübertragung zur Ausrüstung:<br />

Wäre Sputnik-1 von einem Mikrometeoriten<br />

getroffen worden, was<br />

aber nicht der Fall war, hätte das zu<br />

einem Druckabfall in der mit Stickstoff<br />

gefüllten Hülle und damit zu einem sofortigen<br />

Absinken der Temperatur geführt.<br />

Mehr als drei Wochen reichte<br />

die Energie der mitgeführten Batterien,<br />

dann verstummte Sputnik-1. Am<br />

4. Januar 1958, nach 1.140 Erdumläufen,<br />

verglühte der erste künstliche Himmelskörper<br />

schließlich in den oberen<br />

Schichten der Erdatmosphäre.<br />

In der Sowjetunion und den übrigen<br />

sozialistischen Staaten wurde der Start<br />

von Sputnik-1 erwartungsgemäß mit<br />

großem Jubel aufgenommen. Im Westen<br />

und insbesondere in den USA war<br />

man deutlich zurückhaltender: Es galt,<br />

eine unerwartete Niederlage auf wissenschaftlich-technischem<br />

Gebiet zu<br />

verkraften, denn trotz zahlreicher vollmundiger<br />

Ankündigungen war man<br />

in den USA mit dem Projekt Vanguard<br />

zum Start eines eigenen Satelliten nicht<br />

© Archiv<br />

wirklich vorangekommen. Vor allem jedoch<br />

bestätigte der Flug von Sputnik-<br />

1, dass die Sowjetunion nun über eine<br />

auch militärisch nutzbare Trägerrakete<br />

verfügte, durch die auch das Territorium<br />

der USA in die Reichweite nuklearer<br />

Waffen geriet. Das Wort vom Sputnik-Schock<br />

machte die Runde, und die<br />

USA legten verschiedene neue Programme<br />

auf, um den tatsächlichen<br />

oder vermeintlichen Rückstand bei der<br />

Entwicklung der Weltraumtechnik aufzuholen.<br />

In den folgenden Jahren gelangen<br />

der Sowjetunion noch zahlreiche weitere<br />

spektakuläre Erstleistungen, deren<br />

wissenschaftlicher Wert allerdings<br />

in der Mehrzahl der Fälle hinter dem<br />

propagandistischen Effekt deutlich zurückblieb:<br />

Im November 1957 flog an<br />

Bord von Sputnik-2 erstmals ein Lebewesen<br />

in das All, die Hündin Laika.<br />

Im Januar 1959 passierte Lunik-1 in nur<br />

6.000 Kilometer Entfernung den Mond,<br />

im September 1959 schlug Lunik-2 als<br />

erstes von Menschenhand geschaffenes<br />

Objekt auf dem Erdtrabanten<br />

auf. Lunik-3 lieferte im Oktober 1959<br />

die ersten Fotos von der Rückseite des<br />

Mondes. Im April 1961 flog Juri Gagarin<br />

mit Wostok-1 als erster Mensch in den<br />

Weltraum, im Juni 1963 war Valentina<br />

Tereschkowa an Bord von Wostok-6 die<br />

erste Frau, die <strong>einen</strong> Weltraumflug unternahm.<br />

Und im Oktober 1964 folgte<br />

die erste mehrköpfige Besatzung eines<br />

Raumschiffes.<br />

Ein wirkliches wissenschaftliches<br />

Konzept für die bemannte und unbemannte<br />

Weltraumforschung gab es allerdings<br />

bis weit in die sechziger Jahre<br />

hinein nicht, im Gegenteil: Zwei<br />

streng geheime, parallel arbeitende<br />

Projekte für <strong>einen</strong> sowjetischen bemannten<br />

Mondflug, der nie stattfand,<br />

verschlangen riesige Ressourcen, die<br />

an anderer Stelle fehlten. <strong>Die</strong> US-amerikanische<br />

Mondlandung im Juli 1969<br />

wirkte in gewisser Weise wie ein umgekehrter<br />

Sputnik-Schock: <strong>Die</strong> sowjetischen<br />

Weltraumpioniere besannen<br />

sich auf ihre eigentlichen Stärken und<br />

begannen ein Programm von Raumstationen<br />

in der Erdumlaufbahn, für die<br />

noch heute die Namen Salut und Mir<br />

stehen und dessen Ergebnisse heute<br />

der ISS, der Internationalen Raumstation,<br />

zugute kommen.<br />

DISPUT September 2007 042

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!