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Fatale Bilanz. Die LINKE fordert einen grundlegenden ...

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Gebremster<br />

Verbraucherschutz<br />

Von André Brie<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser, vielleicht<br />

haben Sie Kinder oder Enkel<br />

und waren genauso beunruhigt<br />

wie ich als Vater einer kl<strong>einen</strong> Tochter<br />

über die Meldungen der letzten Wochen:<br />

Einige Spielzeugwaren aus China<br />

enthielten potenziell gefährliche Einzelteile<br />

und deutlich zu hohe Konzentrationen<br />

von gefährlichen chemischen<br />

Stoffen und könnten zu Gesundheitsschäden<br />

führen. Auch die Hersteller<br />

von Babynahrung haben wiederholt<br />

Produkte zurückrufen müssen, unter<br />

anderem wegen der Verunreinigung mit<br />

Keimen. Und ebenso gingen mehrere<br />

Fälle von illegaler Umetikettierung und<br />

Vertrieb von »Ekelfleisch«, auch ins europäische<br />

Ausland, durch die Presse,<br />

wobei man sich an solche Nachrichten<br />

leider schon fast gewöhnt hat. Dass diese<br />

Gefahren oder Betrügereien aufgedeckt<br />

und öffentlich<br />

gemacht wurden,<br />

liegt vor allem an<br />

dem gewachsenen<br />

Stellenwert des Verbraucherschutzes<br />

in<br />

Europa und Deutschland.<br />

Seit Juli dieses<br />

Jahres gibt es in der<br />

Bundesrepublik ein<br />

Verbraucherinformationsgesetz,<br />

das es ermöglicht, die Namen<br />

der »schwarzen Schafe« öffentlich<br />

zu machen. <strong>Die</strong>ses Gesetz soll weiter<br />

ausgebaut werden. So sollen Schwerpunkt-Ermittlungsbehörden<br />

in den Ländern<br />

geschaffen und die Zusammenarbeit<br />

der Lebensmittelüberwachungsund<br />

Strafverfolgungsbehörden intensiviert<br />

werden.<br />

Obwohl es in vielen Fragen und Bereichen<br />

noch großen Nachholbedarf<br />

gibt, ist auch die EU beim Verbraucherschutz<br />

in den vergangenen Jahren<br />

deutlich vorangekommen. So existiert<br />

ein Schnellwarnsystem, mit dem vor<br />

gefährlichen Produkten und Erzeugnissen<br />

gewarnt werden kann. Über das<br />

sogenannte Rapex-Verfahren werden<br />

andere Mitgliedstaaten über diese Erzeugnisse<br />

informiert, wenn entsprechende<br />

Erkenntnisse in einem anderen<br />

Land vorliegen. Jede Woche veröffentlicht<br />

die EU-Kommission eine Übersicht<br />

über gefährliche Produkte, die ihr<br />

von den Behörden der einzelnen Staaten<br />

gemeldet wurden. Ausgenommen<br />

davon sind allerdings noch immer<br />

Nahrungsmittel. <strong>Die</strong> neue »Verbraucherkommissarin«,<br />

Meglena Kuneva,<br />

hat jedoch deutlich gemacht, dass sie<br />

den Verbraucherschutz in der EU weiter<br />

stärken will.<br />

Zu den Initiativen der EU gehört<br />

auch das »Grünbuch zur Überprüfung<br />

des gemeinschaftlichen Besitzstandes<br />

im Verbraucherschutz«. Hinter dem<br />

etwas sperrigen Begriff verbirgt sich<br />

nichts anderes als die Absicht, zu ermitteln,<br />

auf welchen Feldern weitere<br />

Maßnahmen nötig sind und wie diese<br />

aussehen sollen. Nach meiner Ansicht<br />

– und der meiner Fraktionskolleginnen<br />

und -kollegen der Konföderalen Fraktion<br />

der Vereinten Europäischen Linken/<br />

Nordische Grüne Linke – muss das Europäische<br />

Parlament progressive Optionen<br />

der EU-Kommission für den Verbraucherschutz<br />

unterstützen. Dazu gehören<br />

unter anderem die Einführung<br />

eines Sammel- und Verbandsklagerechts<br />

im Verbraucherschutz und die<br />

Ausweitung der Prüfung missbräuchlicher<br />

Vertragsklauseln und der Verletzung<br />

von Informationspflichten auf alle<br />

Bestandteile von Verbraucherverträgen<br />

inklusive der Preisprüfung. Dringend<br />

nötig ist auch ein effizientes System<br />

der Produkthaftung.<br />

Vor wenigen Tagen stand das Grünbuch<br />

im Europaparlament zur Debatte.<br />

<strong>Die</strong> Position der Mehrheit der Abgeordneten<br />

allerdings war ernüchternd. Konservative,<br />

Liberale und Sozialdemokraten<br />

lehnten mit ihrer Entschließung<br />

eine Stärkung von Verbraucherrechten<br />

in der EU explizit ab. Begründet wird<br />

dies mit einer angeblichen »Überregulierung«<br />

des Binnenmarkts. <strong>Die</strong> betreffenden<br />

Abgeordneten betrachten hohe<br />

Verbraucherschutznormen offenbar<br />

als »bürokratisches Hemmnis« für <strong>einen</strong><br />

freien Markt und stellen die Interessen<br />

der Unternehmer über die Interessen<br />

von Millionen europäischer Verbraucherinnen<br />

und Verbraucher. Dort,<br />

wo Regulierungen tatsächlich nötig<br />

sind, werden sie gebremst.<br />

Das ist umso dramatischer, als gerade<br />

die neuen Medien, wie das Internet,<br />

schnelle und wirksame Schritte zum Verbraucherschutz<br />

erfordern. <strong>Die</strong> teilweise<br />

bis zu 20 Jahre alten Verbraucherschutzrichtlinien<br />

stammen aus einer Zeit, in<br />

der es das World wide web, das »www«,<br />

noch gar nicht gab. Der Schutz der Verbraucher,<br />

die immer mehr Geschäfte<br />

– ob den Kauf von Büchern oder sogar<br />

von Medikamenten oder den Abschluss<br />

einer Versicherung bei einer ausländischen<br />

Gesellschaft – über das www<br />

abwickeln, muss dabei deutliche Priorität<br />

gegenüber dem immer wieder ge<strong>fordert</strong>en<br />

»offenen Markt« auch im Internet<br />

haben. In einem Treffen mit Verbraucherschutzkommissarin<br />

Kuneva, die ein<br />

Grünbuch auch zu diesem Thema vorlegte,<br />

habe ich auf diese Prämisse hingewiesen.<br />

<strong>Die</strong> Linksfraktion im Europäischen<br />

Parlament wird alle Initiativen<br />

der Kommissarin, die der Sicherheit der<br />

Bürgerinnen und Bürger vor unlauteren<br />

Praktiken dienen, unterstützen.<br />

© Stefan Richter<br />

470 DISPUT September 2007 SEPTEMBERKOLUMNE

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