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Kirchenblatt 15 •16|2008

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Bleibende Aktualität –<br />

Benedikt von Nursia<br />

Thema<br />

ABT DANIEL SCHÖNBÄCHLER<br />

Heute leben in der Schweiz rund 200 Benediktiner<br />

und rund ebenso viele Benediktinerinnen. Sie folgen<br />

dem Auftrag, den ihnen ihr Mönchsvater, der<br />

heilige Benedikt von Nursia (480–547), vorgelebt<br />

und in seiner Regel anvertraut hat: dass der<br />

Mensch «Gott suche». Benedikt ist davon überzeugt,<br />

dass in jedem Menschen die Sehnsucht<br />

schlummert, sich radikal auf die Suche Gottes zu<br />

machen. Nur so wird der Mensch auch fruchtbar<br />

inmitten dieser Welt und für diese Welt.<br />

Abt Dr. Daniel Schönbächler,<br />

geboren 1942 in Winterthur,<br />

Mitglied der Benediktinerabtei Disentis.<br />

Lizenziat der Theologie und Doktorat in<br />

Germanistik und Kunstwissenschaft.<br />

Teilpensum als Gymnasiallehrer an der Klosterschule<br />

Disentis. Erteilt zudem Seminare zur<br />

Persönlichkeitsentwicklung und macht<br />

psychologisch-spirituelle Einzelbegleitung.<br />

Mitglied verschiedener kultureller Gremien.<br />

Seit Ende 2000 Vorsteher der<br />

Klostergemeinschaft Disentis.<br />

Der Grundimpuls: Gott suchen<br />

Der Prolog der Benediktsregel geht von<br />

der Einladung Gottes aus: «Öffnen wir<br />

unsere Augen dem göttlichen Licht und<br />

hören wir mit aufgeschrecktem Ohr,<br />

wozu uns die Stimme Gottes täglich<br />

mahnt und aufruft: ‹Heute, wenn ihr<br />

seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen<br />

nicht.› Und wiederum: ‹Wer Ohren hat zu<br />

hören, der höre, was der Geist den Gemeinden<br />

sagt!› Und was sagt er?<br />

‹Kommt, ihr Söhne, hört auf mich! Die<br />

Furcht des Herrn will ich euch lehren.<br />

Lauft, solange ihr das Licht des Lebens<br />

habt, damit die Schatten des Todes euch<br />

nicht überwältigen.› Und der Herr sucht<br />

in der Volksmenge, der er dies zuruft, einen<br />

Arbeiter für sich und sagt wieder:<br />

‹Wer ist der Mensch, der das Leben liebt<br />

und gute Tage zu sehen wünscht?› Wenn<br />

du das hörst und antwortest: ‹Ich›, dann<br />

sagt Gott zu dir: ‹Willst du wahres und<br />

unvergängliches Leben, bewahre deine<br />

Zunge vor Bösem und deine Lippen vor<br />

falscher Rede! Meide das Böse und tu<br />

das Gute; suche Frieden und jage ihm<br />

nach!›.» (RB Prol. 9–18.) Die monastische<br />

Berufung will im Kern nichts anderes, als<br />

dass der Mensch ein guter Mensch wird –<br />

und dies als überzeugter Christ.<br />

Für das «Gott suchen» kennt Benedikt<br />

drei Kriterien: ob der Novize Eifer hat für<br />

den Gottesdienst, ob er bereit ist zu gehorchen<br />

und ob er fähig ist, Widerwärtiges<br />

zu ertragen. Der Eifer für den Gottesdienst<br />

hat mit der Emotionsfähigkeit<br />

zu tun (denn das gemeinschaftliche<br />

Chorgebet und die Meditation vollziehen<br />

sich mehr auf der emotionalen, als auf<br />

der intellektuellen Ebene) – die Bereitschaft,<br />

zu gehorchen und sich auf eine<br />

Gemeinschaft einzulassen, hat mit der<br />

Beziehungsfähigkeit zu tun – die Bereitschaft,<br />

sich in der Arbeit fordern zu lassen,<br />

mit der Leistungsfähigkeit. Diese drei<br />

Grundbedingungen des gesunden Menschen<br />

sind erforderlich, alles andere im<br />

Kloster ergibt sich daraus.<br />

Tradition bleibt, indem sie sich wandelt<br />

Benediktinische Menschen sind Zeitgenossen<br />

und repräsentieren auf ihre Art<br />

den Durchschnitt der jeweiligen Gesellschaft.<br />

Die gewandelten Bedürfnisse machen<br />

Aktualisierungen und Anpassungen<br />

der Ordensregel notwendig.<br />

Viele der ältesten Klöster waren Gründungen<br />

der iroschottischen und fränkischen<br />

Mönche, die sich wie Abraham auf<br />

den Weg machten, zu einer Pilgerschaft<br />

um Christi Willen. Doch irgendwo liessen<br />

sie sich dann nieder und wechselten in<br />

den Archetyp des Jakob, dem «Weidegründe»<br />

verheissen wurden. Die Regel<br />

Benedikts setzte sich als «römische Regel»<br />

durch. Die Klöster wurden seelsorgerliche<br />

und kulturelle Zentren und Stützpunkte<br />

der Reichsorganisation.<br />

Die Polarität von Mönch und Priester<br />

bleibt eine Konstante der Kirchengeschichte.<br />

Im frühen 10. Jahrhundert ging<br />

eine Erneuerung vom burgundischen<br />

Cluny aus, die Liturgie nahm immer mehr<br />

Raum ein. Übereifer erlahmt jedoch nach<br />

wenigen Generationen, das Pendel<br />

schlägt zurück. Herausgefordert wurden<br />

die Mönche durch die neuen Orden des<br />

11. und 12. Jahrhunderts. Zisterzienser<br />

und Kartäuser betonten das eremitische<br />

Element, Prämonstratenser und Kanoniker<br />

das pastorale Anliegen. Mit den Bettelorden<br />

entstanden grosse, weltum-<br />

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KIRCHENBLATT <strong>15</strong>•16 08

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