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derkommen sollte, wenn ich beim Doktor gewesen sei. Das war ein Dienstag. Ich wollte bis Montag warten, da ich mit ernsteren Beschwerden immer noch zu meinem <strong>Kinder</strong>arzt ging und dieser gerade in Urlaub war. Ich bekam jedoch Donnerstagabend Fieber und musste am Freitag mit meiner Muter zum Hausarzt gehen, der mich gründlich untersuchte. Er nahm mir Blut ab und stellte beim Ultraschall fest, dass die Leber etwas vergrößert war. Abends so gegen sechs klingelte das Telefon und der Doktor sagte meinem Vater, dass ich sofort ins Krankenhaus müsse, da meine Blutwerte sehr schlecht waren und ich unbedingt eine Bluttransfusion benötigte. Ich fuhr also mit meinem Vater ins Krankenhaus und wurde dort stationär aufgenommen. Bei der Aufnahme sagte mir die Ärztin, das Labor müsse einen Fehler gemacht haben, weil man mit einem Hb-Wert von 3,6 <strong>nicht</strong> mehr steht, sondern nur noch schläft. Sie nahm mir noch einmal Blut ab. Als die Werte zurückkamen, bekam sie einen Schreck, denn das Hb war noch weiter gesunken. Später erfuhr ich, dass ich es meinem Sportlerherzen zu verdanken habe, dass ich mich so lange aufrecht halten konnte. Die Ärztin ließ mich <strong>nicht</strong> zu dem mir zugewiesenen Zimmer gehen, sondern fuhr mich in einem Rollstuhl hin. Jetzt weiß ich nur noch, dass ich mit dem Bett nochmals umgelegt wurde und dass Schwester Katja mir und meinem Vater noch Brote gemacht hatte, weil wir ja noch <strong>nicht</strong>s gegessen hatten. Dann bin ich eingeschlafen. Jetzt kam mein 11. September: Die Ärztin eröffnete meinen Eltern und mir, dass ich Leukämie hätte. Ich wusste erst <strong>nicht</strong>, was das bedeutete und was Leukämie ist. Doch wurde mir alles erklärt. Aber was Leukämie für mich bedeutete, wurde mir erst später klar. Jetzt hatte ich erst einmal die Wahl, welchen Katheter ich wünschte: Hickman ® oder Port. Ich entscheid mich für den Port, da man ihn <strong>nicht</strong> sah und man damit auch unter die Dusche gehen kann. Er wurde gleich eingesetzt. Dann wurde mir erklärt, welche Medikamente ich nehmen musste: Amphomoronal und Mundspülung kamen zweimal am Tag dran, Kepinol Tablette nur Freitag, Samstag und Sonntag je zweimal. Ich bekam unter der Woche jeden Vormittag Krankengymnastik. Und mit der Lehrerin des Krankenhauses machte ich Geschichte und Erdkunde sowie LÜK-Aufgaben. Dann begannen die ersten beiden Chemotherapien. Bei denen es mir noch ziemlich gut ging. Aber nach der zweiten ging der Zirkus los: Erst bekam ich eine Lungenentzündung, die eigentlich <strong>nicht</strong> so schlimm war, aber dann kam nach kurzer Zeit eine Pilzinfektion von Leber, Lunge und Milz dazu, die man aber erst nach Wochen erkannte. Zuerst meinten die Ärzte, dass der Port an allem Schuld sei und operierten ihn wieder heraus. Weil man angenommen hatte, dass ich eine ALL (Akute Lymphatische Leukämie) hatte und keine AML (Akute Myeloische Leukämie), setzten sie mir einen Hickman ® -Katheter, aber erst nach zwei Wochen, damit der Pilz <strong>nicht</strong> den „Hicki“ befiel. Weil ich eh im Krankenhaus sein musste, war es mir jetzt egal, ob ich einen Port oder einen „Hicki“ hatte. Die zwei Wochen, in denen ich keinen Katheter hatte, waren die Hölle für mich. Ich hatte an jedem Arm einen Zugang für Infusionen. Die Nadeln verstopften alle drei Tage und es musste wieder neu gepiekst werden. Nach einer Woche waren meine Arme verstochen und ich ein Wrack. Es dauerte sechs Wochen, bis sie ein wirksames Mittel gegen den Pilzbefall fanden. Und es dauerte weitere vier Wochen, bis der Pilz verschwunden war. Seitdem muss ich noch zweimal pro Tag Tabletten gegen die Pilzinfektion einnehmen. Unter der Pilzinfektion hatte ich oft Fieber von 41°C und Schüttelfrost. Anfang November kam eine sehr junge Praktikantin, die kurz zuvor ihr Abitur gemacht hatte, auf die Station. Da ich mit Abstand das älteste Kind auf der Station war und es mir meist <strong>nicht</strong> so gut ging, setzte sie sich oft zu mir 35 •