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Bergsteiger Lieblingstour - Die besten Bergtipps von Prominenten (Vorschau)

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KOLUMNE<br />

Fürchtet euch!<br />

Wir sind umgeben <strong>von</strong> Scheintoten. Sie reden zu<br />

Kabeln, starren auf Glasscheiben in der Hand und<br />

sind seltsam seelenlos. Das Problem: Man findet<br />

sie auch in Kletterhallen und auf Gipfeln.<br />

Dass Apple-Gründer Steve Jobs die<br />

Welt zu einem ungemütlicheren<br />

Ort gemacht hat, spricht man nicht<br />

laut aus. Kennen Sie die amerikanische<br />

Fernsehserie »The Walking Dead«? Untote<br />

schnüren durch die Städte, stürzen sich<br />

auf jedes lebende Wesen und veranstalten<br />

dabei eine riesige Sauerei. Ach, sie sehen<br />

so was nicht? Sicher sind Sie aber schon in<br />

Pendlerzügen oder in einer S-Bahn den »Sitting<br />

Dead« begegnet: Hüllen <strong>von</strong> Menschen,<br />

die auf kleine Glasscheiben in ihrer Hand<br />

starren und Stimmen aus Kabeln hören,<br />

die ihnen aus den Ohren wachsen. Oft sprechen<br />

sie selber laut, aber nicht zu einem<br />

der anderen An- oder Verwesenden im Zug,<br />

sondern zu dem Kabel.<br />

Torkel- oder Rennzombie?<br />

Was auf den ersten Eindruck nicht gefährlich<br />

zu sein scheint, ist genauer betrachtet<br />

ziemlich gruslig. <strong>Die</strong>se Gestalten bleiben<br />

schließlich nicht sitzen, sie stehen auf und<br />

torkeln los und sehen dabei immer noch in<br />

ihre Hand. Freunde der zeitkritischen Filmkunst<br />

kennen alle Abstufungen des Phänomens.<br />

Sie wissen zum Beispiel, dass es neben<br />

den still modernden, dumpf starrenden und<br />

jedenfalls leicht zur Strecke zu bringenden<br />

Torkelzombies auch die hypernervösen, hyperaggressiven<br />

Rennzombies gibt, die ohne<br />

Ansehen der eigenen Seelenlosigkeit springen<br />

und sprinten und – klettern.<br />

Ja, liebe Leser, hier wird es ernst.<br />

Im Büro mühsam beherrscht, rasen Infizierte<br />

nach Feierabend durch Kletterhallen<br />

und Stadtparks, über frisch gewalzte Pisten,<br />

durch Touren-Foren und ihre Facebook-<br />

Timeline. Ich meine ja, dass iPhone OS und<br />

Android nur die Einstiegsdrogen sind. Der<br />

echte Stoff heißt Methamphetamin, Crystal<br />

Meth. Er ist billig herzustellen und überall<br />

zu haben, im globalisierten Oberfranken<br />

genauso wie im schon länger weltoffenen<br />

Tirol. Er raubt das Hungergefühl und ermöglicht<br />

es den Usern zu tun, was sie aus<br />

verschiedenen Gründen nicht lassen können:<br />

in Clubs drei Tage lang durchzutanzen,<br />

in großen Logistikhallen Nachtschichten<br />

aneinanderzuhängen, um Miete und Essen<br />

bezahlen zu können, oder halt allein auf den<br />

Nanga Parbat zu steigen.<br />

Hermann Buhl und das Pervitin<br />

Letzteres schaffte vor sechzig Jahren der<br />

Tiroler Hermann Buhl mit Crystal Meth im<br />

Blut. Damals hieß das Dope noch Pervitin<br />

und wurde ganz legal gedealt. <strong>Die</strong> Zombifizierung<br />

der Welt ist seitdem so weit fortgeschritten,<br />

dass Dopingkontrolleure und<br />

iPhone-Ignoranten und überhaupt alle, die<br />

nicht im Pendlerzug in ihre Hand starren<br />

oder wie Lance Armstrong aussehen, als<br />

Spaßverderber gelten. Was darüber hinaus<br />

zu beachten ist, erklärte der österreichische<br />

Bergführer und Expeditionsveranstalter<br />

Walterer Laserer einmal in einem Interview<br />

auf bergsteigen.at: »Jede Saison scheitert<br />

nicht nur ein <strong>Bergsteiger</strong> wegen der unprofessionellen<br />

Verwendung <strong>von</strong> Drogen/Tabletten,<br />

EPO usw.« In diesem Sinn: Bleiben<br />

Sie wenigstens professionell.<br />

◀<br />

Foto: privat; Illustration: Max Baitinger<br />

Axel Klemmer<br />

ist im Alter <strong>von</strong> fünf Jahren <strong>von</strong><br />

Berlin nach München gezogen.<br />

Seither lassen ihn die Berge<br />

nicht mehr los. In den 90er-<br />

Jahren war er Redakteur beim<br />

BERGSTEIGER. Der 49-Jährige<br />

schreibt im Wechsel mit<br />

Sandra Zistl, Eugen E. Hüsler<br />

und Caroline Fink über das<br />

Geschehen in den Bergen.

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