GNOR Info 16
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<strong>GNOR</strong> Arbeitskreise und -gruppen<br />
Allochthone Mauereidechsen<br />
auch in Rheinland-Pfalz?<br />
Der Anblick von Mauereidechsen<br />
(Podarcis muralis) ist den meisten<br />
Menschen vor allem in den Weinbauregionen<br />
von Rheinland-Pfalz<br />
vertraut, handelt es sich bei dieser<br />
Art doch um einen Kulturfolger und<br />
eine regelrechte Charakterart der<br />
Weinbergslagen.<br />
Weitaus weniger bekannt ist, dass<br />
sich allein in Deutschland insgesamt<br />
bis dato 93 allochthone, d. h.<br />
gebietsfremde, Mauereidechsen-<br />
Vorkommen etabliert haben und<br />
vermutlich längst nicht alle Einschleppungen<br />
oder Aussetzungen<br />
der Art bekannt sind (SCHULTE et al.<br />
2011). Vor allem in Nordrhein-<br />
Westfalen, Baden-Württemberg und<br />
Bayern sind Populationen allochthonen<br />
Ursprungs häufig, wohingegen<br />
bislang erfreulicherweise nur wenige<br />
Nachweise für Rheinland-Pfalz vorliegen.<br />
Bundesweit hat man insgesamt<br />
acht verschiedene genetische<br />
Linien innerhalb der allochthonen<br />
Vorkommen nachgewiesen. Die mit<br />
Abstand meisten eingeschleppten<br />
Populationen in Deutschland<br />
(78.3%) gehen auf Gründerindividuen<br />
aus Südwestdeutschland, der<br />
Schweiz und Frankreich sowie Norditalien<br />
zurück. In zahlreichen<br />
Populationen ließen sich Mehrfacheinschleppungen<br />
von Mauereidechsen<br />
unterschiedlicher Herkunft<br />
nachweisen, die zu einer erhöhten<br />
genetischen Diversität von Populationen<br />
beigetragen haben. Für rund<br />
drei Viertel der Populationen ist eine<br />
gezielte Ansiedlung anzunehmen,<br />
wohingegen die weiteren Vorkommen<br />
vor allem in den südlicheren<br />
Bundesländern (Bayern, Baden-<br />
Württemberg, Rheinland-Pfalz) mit<br />
einer Verschleppung von Individuen<br />
durch den Güterverkehr in Verbindung<br />
stehen könnten.<br />
Von besonderer naturschutzfachlicher<br />
Bedeutung und Problematik<br />
sind Einschleppungen von Populationen<br />
am nördlichen Arealrand in<br />
Südwestdeutschland. Die hohe phänotypische<br />
Variabilität der Art (BEL-<br />
LATI et al. 2011) verhindert oftmals<br />
eine Erkennung solcher Einschleppungen<br />
im natürlichen Areal. Längs<br />
des Oberrheingrabens (Linie Freiburg-Mannheim)<br />
hat man unlängst<br />
eine schnelle und gründliche genetische<br />
Verdrängung natürlicher Populationen<br />
durch eine dominante Einkreuzung<br />
eingeschleppter italienischer<br />
Linien nachgewiesen (SCHUL-<br />
TE, VEITH & HOCHKIRCH 2012).<br />
Das Ausmaß und die Geschwindigkeit<br />
der Einkreuzungen sind alarmierend,<br />
und es ist unklar, inwieweit<br />
lokale Anpassungen verschwinden.<br />
Dies ist von besonderer Bedeutung<br />
für Arealrandpopulationen, die<br />
stärkere regionale Anpassungen entwickelt<br />
haben, um Episoden unvorteilhafter<br />
Klimakonditionen auszugleichen<br />
(z. B. feuchte und kalte<br />
Frühsommer, STRIJBOSCH, BONNE-<br />
MEYER & DIETVORST 1980).<br />
Das Land Rheinland-Pfalz besitzt<br />
die bundesweit mit Abstand individuenreichsten<br />
Bestände der Art und<br />
trägt deshalb eine besondere Verantwortung<br />
für den Schutz der Mauereidechse<br />
(SCHLEICH & LENZ, eingereicht).<br />
Da die Mauereidechse einerseits<br />
durch ihre extrem starke Bindung<br />
an von Menschen geschaffene<br />
Sekundärhabitate sehr häufig<br />
Lebensraumverluste zu verzeichnen<br />
hat und andererseits durch Einschleppung<br />
gebietsfremder Individuen<br />
gefährdet ist, hat die <strong>GNOR</strong><br />
zusammen mit Sigrid LENZ, Sascha<br />
SCHLEICH und Ulrich SCHULTE das<br />
durch das Landesamt für Umwelt,<br />
Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht<br />
Rheinland-Pfalz finanzierte<br />
Artenschutzprojekt "Die Mauereidechse<br />
(Podarcis muralis) in Rheinland-Pfalz<br />
(Rechtsgrundlagen,<br />
Schutzmaßnahmen und allochthone<br />
Vorkommen)" gestartet. Grundlegende<br />
Ziele sind zum einen die<br />
Recherche und die Zusammenstellung<br />
der aktuellen Rechtslage zum<br />
Artenschutzrecht in Bezug auf<br />
Umsiedlungen und allochthone<br />
Bestände. Zum anderen sollen sehr<br />
häufig und teilweise unkritisch<br />
durchgeführte Umsiedlungen evaluiert<br />
und verschiedene Ausgleichsund<br />
CEF-Maßnahmen bewertet<br />
werden sowie das Konzept Wildtierkorridore<br />
"Trockenlebensräume" im<br />
Hinblick auf die Mauereidechse<br />
überprüft werden. Schließlich soll<br />
ein aktueller Überblick zu Einschleppungen<br />
von Mauereidechsen<br />
in Rheinland-Pfalz entstehen, so<br />
dass sich potentielle Kontaktzonen<br />
zwischen eingeschleppten und heimischen<br />
Mauereidechsen überprüfen<br />
lassen.<br />
Bitte um Mithilfe<br />
Um eine möglichst komplette<br />
Übersicht über allochthone Mauereidechsen-Vorkommen<br />
in Rheinland-Pfalz<br />
zu bekommen, sind wir<br />
auf Ihre Mithilfe angewiesen und<br />
bitten Sie, uns Meldungen potentiell<br />
eingeschleppter Mauereidechsen<br />
möglichst mit Bild an die folgende<br />
Adresse mitzuteilen bzw. weiterzuleiten.<br />
Dr. Ulrich Schulte<br />
Universität Trier<br />
Fachbereich VI, Biogeographie<br />
Universitätsring 15<br />
D-54286 Trier<br />
Telefon: 0651/201-4691<br />
E.mail: schulte@uni-trier.de<br />
Zur besseren Anschauung finden<br />
Sie auf der letzten Seite des <strong>GNOR</strong>-<br />
<strong>Info</strong>s Farbfotos eingeschleppter<br />
Mauereidechsen italienischer Herkunft.<br />
Heimischen Mauereidechsen<br />
<strong>GNOR</strong> <strong>Info</strong> 1<strong>16</strong><br />
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