GNOR Info 16
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Naturschutz<br />
Meinung<br />
Sollen Ehrenamtliche staatliche Aufgaben erledigen?<br />
Rheinland-Pfälzisches Umweltministerium will die Roten Listen von<br />
Ehrenamtlichen erstellen lassen.<br />
Der Schutz der Natur ist eine zunehmend wichtiger<br />
werdende Aufgabe in einer sich rasant verändernden<br />
Welt. Zunächst war Naturschutz eine Aufgabe freiwilliger<br />
Pioniere, die dem Niedergang unserer belebten und<br />
unbelebten Natur nicht tatenlos zusehen konnten. Und<br />
auch heute noch setzen sich unzählige Amateure in ihrer<br />
Freizeit enthusiastisch für die Erforschung und den<br />
Schutz unserer Umwelt ein. Es hat lange gedauert, bis die<br />
Politik Naturschutz als staatliche Aufgabe anerkannt hat.<br />
Doch leider ist zu beobachten, dass der Staat seinen<br />
Naturschutzaufgaben nicht vollends nachkommen will,<br />
sondern die Tradition fortzuführen gedenkt, den Naturschutz<br />
sehr kostengünstig den Ehrenamtlichen aufzubürden.<br />
Ein Beispiel für diese Einstellung sind die Roten<br />
Listen: Naturschutzverbände - allen voran die <strong>GNOR</strong> -<br />
haben jahrelang die SPD-Vorgänger-Umweltministerinnen<br />
vergeblich darauf hingewiesen, dass die Roten Listen<br />
veraltet sind (die "aktuelle" Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen<br />
beispielsweise stammt aus dem Jahr 1986)<br />
und dass für viele Tier- und Pflanzengruppen noch gar<br />
keine Roten Listen vorliegen. Rote Listen sind ein wichtiges<br />
Bewertungsinstrument. Sie bedürfen einer fachlich<br />
qualifizierten Ausarbeitung und sollten durch eine Überarbeitung<br />
im Rhythmus von etwa 10 Jahren aktuell gehalten<br />
werden. Letztes Jahr verkündete die neue "grüne"<br />
Umweltministerin öffentlichkeitswirksam in der Tageszeitung<br />
"Die Rheinpfalz", das Ministerium überarbeite nun<br />
die veralteten Roten Listen. Diese auf den ersten Blick<br />
erfreuliche Absichtserklärung erwies sich als Mogelpackung.<br />
Aus einer Kleinen Anfrage des Landtagsabgeordneten<br />
Andreas Hartenfels an das Ministerium geht<br />
hervor: Das Ministerium übernimmt lediglich die Druckkosten<br />
in Höhe von 3.500 bis 4.000 Euro je Liste. Den<br />
Löwenanteil, bestehend aus Datenzusammenstellung,<br />
Analyse, Auswertung und Schreiben - praktisch die<br />
gesamte Arbeit -, sollen Ehrenamtliche erledigen.<br />
Bei aller Notwendigkeit, bei staatlichen Aufgaben zu<br />
sparen: Zur Erstellung von Roten Listen bedarf es Expertenwissens<br />
mit in die Jahrzehnte gehender ausgiebiger<br />
Erfahrung, ständiger Beobachtung der Veränderungen<br />
und umfangreicher Recherchen. Auch wenn es in Einzelfällen<br />
Experten gibt, die aufgrund finanzieller Unabhängigkeit,<br />
Frühverrentung oder anderer Umstände nicht<br />
auf eine Bezahlung ihrer Arbeit angewiesen sind, gilt,<br />
dass man gewöhnlich solche umfangreiche Arbeiten<br />
nicht gewissenhaft en passant neben einer Erwerbsbeschäftigung<br />
erledigen kann. Und ausreichend viele privilegierte<br />
Experten hat unser Land nicht. Wahrscheinlich<br />
käme niemand auf die Idee, DIN-Normen oder Gesetze<br />
ehrenamtlich erstellen zu lassen. Landtagsabgeordnete<br />
bekommen Bezüge, und das ist richtig, damit sie ihre<br />
Arbeit gewissenhaft erledigen können. Der Landtag ließe<br />
sich sicherlich auch mit Ehrenamtlern bestücken: Doch<br />
wäre dann die Qualität seiner Arbeit noch die gleiche?<br />
Wenn fachlich notwendige Aufgaben an bezahlte Experten<br />
vergeben werden, ist Naturschutz als Betätigungsgebiet<br />
für die meistens in Vereinen organisierten Amateure<br />
deshalb nicht überflüssig. Ganz im Gegenteil: Ehrenamtlicher<br />
Naturschutz ist gesellschaftlich notwendig. Ehrenamtler<br />
prüfen zum Beispiel mit kritischem Blick die Vorhaben<br />
der Landesregierung zum Ausbau der Windkraft,<br />
geben jedes Jahr zahlreiche Stellungnahmen zu geplanten<br />
Baugebieten und Straßen ab und überprüfen mit Sachverstand<br />
Entscheidungen staatlicher Behörden, um Fehlentwicklungen<br />
zu vermeiden. Die Aufgabe des ehrenamtlich<br />
organisierten Naturschutzes ist die gesellschaftlich und<br />
gesetzlich gewollte Kontrolle des Staates, sie ist ein wichtiges<br />
Korrektiv. Prof. Dr. Beate Jessel, Leiterin des Bundesamtes<br />
für Naturschutz betont deutlich: "Anders als in der<br />
Vergangenheit darf ehrenamtliches Engagement keinesfalls<br />
dazu ausgenutzt werden, originäre staatliche Aufgaben<br />
kostengünstig auszuführen" (2012 in Naturschutz<br />
und biologische Vielfalt 123: S. 6).<br />
Manfred Alban Pfeifer<br />
und Dr. Jürgen Ott<br />
<strong>GNOR</strong> <strong>Info</strong> 1<strong>16</strong><br />
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