Contra emag Nr. 07/14
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Die Tataren – von Putin aus der<br />
Vergessenheit geholt<br />
Ein wesentlicher<br />
Grund, warum die<br />
Krimtataren die Rückgliederung<br />
ihrer Heimat in die russische<br />
Föderation zunächst<br />
nicht begrüßt haben, sind<br />
böse Erinnerungen an die<br />
Stalin-Despotie. Wie so viele<br />
ethnische Minderheiten bekamen<br />
die Tataren die Brutalität<br />
des Systems in noch erheblicherem<br />
Maß zu spüren<br />
als das russische Titularvolk.<br />
Doch heute liegen die Dinge<br />
völlig anders.<br />
Von Florian Stumfall<br />
Präsident Putin hat einen Erlass<br />
über die Rehabilitierung<br />
der Völker auf der Krim in Kraft<br />
gesetzt, die von den<br />
Repressalien unter<br />
Stalin betroffen waren,<br />
in erster Linie der<br />
Tataren als der größten<br />
Minderheit. Daneben<br />
gab es noch armenische,<br />
deutsche und<br />
griechische Bevölkerungsteile.<br />
Putin<br />
spricht alle an, „die<br />
unter den Stalinschen<br />
Repressalien gelitten haben“. Im<br />
Zuge der Rehabilitation wird<br />
festgelegt, dass alle drei Sprachen<br />
auf der Halbinsel, Russisch,<br />
Ukrainisch und Tatarisch,<br />
eine Turksprache, als Amtssprachen<br />
gelten werden. Der Regierungschef<br />
der Krim, Sergej Aksjonow,<br />
hat den Krimtataren zudem<br />
mehrere relevante Posten<br />
in der Regierung in Aussicht gestellt.<br />
Putin hatte schon anlässlich<br />
der Wiedereingliederung der<br />
Krim an das Schicksal der Tataren<br />
erinnert und angekündigt,<br />
die vollständige Rehabilitierung<br />
der in der Sowjetunion als „Nazi-Kollaborateure“<br />
verleumdeten<br />
Volksgruppe zu veranlassen:<br />
„Die Krimtataren sind inzwischen<br />
in ihre Heimat zurückgekehrt.<br />
Ich bin der Ansicht, dass<br />
es notwendig ist, alle politischen<br />
und rechtlichen Schritte<br />
dazu zu unternehmen, die Rehabilitation<br />
der Krimtataren zu<br />
vollenden und ihren guten Namen<br />
in vollem Umfang wiederherzustellen.“<br />
Die Krimtataren haben vor<br />
einigen Wochen bei ihrer Volksversammlung<br />
in der Stadt<br />
Bachtschissarai eine nationale<br />
und territoriale Autonomie im<br />
Verband der Republik Krim gefordert.<br />
Auf ein Referendum<br />
aber verzichten sie zunächst.<br />
20<br />
„Das Referendum wird erst<br />
durchgeführt, wenn es notwendig<br />
sein wird, die strikte Position<br />
des krimtatarischen Volkes<br />
zu erfahren“, sagte der Vorsitzende<br />
des krimtatarischen Parlaments,<br />
Refat Tschubarow.<br />
Anfang März haben die Autonome<br />
Republik Krim und die<br />
russische Teilrepublik Tatarstan<br />
ein Abkommen über wirtschaftliche<br />
und humanitäre Zusammenarbeit<br />
unterschrieben. „Wir<br />
haben viele Gemeinsamkeiten<br />
und wollen unsere Zusammenarbeit<br />
in allen Bereichen ohne<br />
Ausnahme entwickeln“, sagte<br />
der Krim-Premier Sergej Aksjonow<br />
bei einem Treffen mit Tatarstans<br />
Republikchef Rustam<br />
Minnichanow vor der Unterzeichnung<br />
des Dokuments.<br />
Tartarstan<br />
ist eine Autonome<br />
Republik<br />
im östlichen<br />
Teil des europäischen<br />
Russland.<br />
Sie liegt<br />
westlich des<br />
Ural in der osteuropäischen<br />
Tiefebene am<br />
Zusammenfluss von Wolga und<br />
Kama. Ihre Einwohnerzahl beträgt<br />
annähernd vier Millionen,<br />
gut die Hälfte besteht aus Tataren,<br />
gefolgt von rund 40 Prozent<br />
Russen und einigen europäischen<br />
und asiatischen ethnischen<br />
Splittergruppen.