Wahlkampf-Strategien 2013 – Das Hochamt der Demokratie
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70 Stimmensplittings bei einer Wahl vergleichbar hoch aus, wie bei den FDP-Anhängern<br />
in Nie<strong>der</strong>sachsen (77 %). Und noch nie war die Bezeichnung „Leihstimme“ so<br />
berechtigt wie bei dieser Wahl. In <strong>der</strong> letzten ARD-Umfrage vor <strong>der</strong> Wahl gaben zwei<br />
Drittel <strong>der</strong> FDP-Wähler an, den Liberalen nicht aus Überzeugung son<strong>der</strong>n aus koa -<br />
litionstaktischen Gründen die Stimme gegeben zu haben, als eigentliche präferierte<br />
Partei wurde die CDU genannt.<br />
Fast schon reflexartig folgt auf <strong>der</strong>lei Befunde die For<strong>der</strong>ung nach einem Verbot<br />
<strong>der</strong> Veröffentlichung von Umfragen kurz vor einer Wahl. Dies ist nicht nur wirkungs -<br />
los, wie Erfahrungen aus Län<strong>der</strong>n mit einem solchen Verbot zeigen, weil solche Verbote<br />
in <strong>der</strong> Regel auch leicht umgangen werden können. Ein solches Verbot würde<br />
zudem dem Gebot <strong>der</strong> Freiheit <strong>der</strong> Wissenschaft und auch dem Ideal eines mündigen<br />
Wählers eklatant wi<strong>der</strong>sprechen. Mit welcher Begründung sollten den Wählern<br />
Informationen vorenthalten werden, die diese als sinnvolle Information be trachten.<br />
Umfragen werden von den Bürgern aufmerksam wahrgenommen, denn sie liefern<br />
aus <strong>der</strong>en Sicht wichtige, interessante und vertrauenswürdige Informationen einge -<br />
stuft, die Orientierung geben in einer immer komplexeren Welt. Die Bürger wollen<br />
mit ihrer Stimme mitentscheiden,<br />
und viele wollen<br />
ganz bewusst die taktischen<br />
Möglichkeiten nutzen, die<br />
das deutsche Zweistimmenwahlrecht<br />
ihnen bietet <strong>–</strong> und<br />
auch dafür sind aktuelle<br />
Umfragen hilfreich.<br />
Die von vielen geteilte Klage<br />
über ein Überangebot an<br />
Umfragen soll hier aber<br />
nicht unterschlagen werden.<br />
Nicht zuletzt deshalb und weil man den Wähler unmittelbar vor <strong>der</strong> Wahl<br />
nicht mit möglichen Szenarien über den möglichen Ausgang einer Wahl verunsichern<br />
will haben ARD und ZDF bislang in <strong>der</strong> Woche vor <strong>der</strong> Wahl keine Umfragen<br />
mehr veröffentlicht: Erfahrungsgemäß gewinnen Umfragen auch nicht unbedingt<br />
an prognostischer Präzision, je kürzer sie vor einer Wahl erstellt werden. 8 Thorsten<br />
Faas hat auf mögliche praktische Konsequenzen diese Problematik hingewiesen 9 .<br />
8<br />
Bei <strong>der</strong> Bundestagswahl 2005 etwa erwies sich <strong>der</strong> von Infratest dimap und <strong>der</strong> Forschungsgruppe zehn Tage vor <strong>der</strong> Wahl<br />
veröffentlichte Befund, dass Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr habe, als richtig, während Forsa und Allensbach in ihren<br />
in <strong>der</strong> Woche vor <strong>der</strong> Wahl veröffentlichten Sonntagsfragen wie<strong>der</strong> Schwarz-Gelb vorne hatte.<br />
9<br />
In dem Beitrag „Entscheiden Demoskopen die Wahl?“ in <strong>der</strong> Zeitschrift „Cicero“ vom Mai <strong>2013</strong>