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journal Psychotherapeuten - Psychotherapeutenkammer NRW

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J. Hoyer, J. Kleinert<br />

Depression fanden sich bei ca. 11,1% der<br />

Sportler; diese Kennziffer spricht vor dem<br />

Hintergrund epidemiologischer Bevölkerungsstudien<br />

eher nicht für eine generelle<br />

Erhöhung der Depressionshäufigkeit.<br />

Frühere Gehirnerschütterungen erwiesen<br />

sich aber als signifikanter Prädiktor von Depressionen,<br />

selbst wenn zahlreiche Störvariablen,<br />

zum Beispiel weitere körperliche<br />

Begleiterkrankungen, statistisch kontrolliert<br />

wurden.<br />

Brauchen wir eine Klinische<br />

Psychologie des Sports?<br />

Vorab: Was wir brauchen ist ein stärker<br />

multidisziplinärer Zugang zu dem Feld der<br />

sportlichen Hochleistung und der damit<br />

verbundenen klinisch relevanten psychologischen<br />

Phänomene. Was wir brauchen<br />

ist Kooperation und Koordination unterschiedlicher<br />

Fachdisziplinen, die sich aus<br />

unterschiedlicher Richtung gemeinsamen<br />

Phänomenen nähern. Was wir brauchen<br />

ist Verständnis, Akzeptanz und Wertschätzung<br />

dem jeweilig anderen Qualifikationsprofil<br />

gegenüber. Was wir schließlich<br />

brauchen sind funktionsfähige Schnittstellen<br />

zwischen Trainern und Betreuern,<br />

Sportpsychologen und Psychologischen<br />

<strong>Psychotherapeuten</strong>, die bei Hinweisen auf<br />

Störungsbilder kompetente und zugleich<br />

athletenorientierte Diagnostik und Intervention<br />

möglich machen.<br />

Begriffliche Neuschöpfungen sind nicht<br />

die Lösung dieser Desiderata, sie sind allerhöchstens<br />

ein Weg, die Diskussion anzuregen.<br />

Vor diesem Hintergrund ist der<br />

neue, von Gardner und Moore (2006)<br />

selbstbewusst eingeführte Begriff der „clinical<br />

sport psychology“ kritisch zu sehen.<br />

Wir brauchen eine clinical sport psychology<br />

(sensu Gardner & Moore, 2006) genauso<br />

viel und genauso wenig wie eine klinische<br />

Schulpsychologie oder eine klinische Betriebspsychologie.<br />

Seit Jahrzehnten sind<br />

Psychologen und Psychiater mit dem Phänomenbereich<br />

der psychischen Störung<br />

im schulischen und betrieblichen Setting<br />

umgegangen, ohne dass sich derartige<br />

„Subdisziplinen“ terminologisch durchgesetzt<br />

hätten. Die Strukturen und Ausprägungen<br />

einer Depression oder einer manifesten<br />

Angststörungen sind nicht abhängig<br />

vom Anwendungsfeld – sei es der betriebliche,<br />

der schulische oder der sportliche<br />

Sektor. Allerdings ist das Wissen um das<br />

Anwendungsfeld relevant, um Bedingungen<br />

der Entstehung und Behandlung von<br />

psychischen Störungen berücksichtigen zu<br />

können.<br />

Demzufolge ist eine differenzierte Betrachtung<br />

wichtig. Was ist psychotherapeutische<br />

Arbeit im Feld des Sports („clinical sport<br />

psychology“) und was ist Sportpsychologie<br />

im herkömmlichen, klassisch leistungsfördernden<br />

Sinne („psychological performance<br />

enhancement“)? Und weiter: Wo<br />

begegnen oder überschneiden sich diese<br />

Felder? In diesem Sinne bemühen sich<br />

Gardner und Moore um eine Abgrenzung<br />

und zugleich Verknüpfung von einerseits<br />

sportpsychologischer Leistungsförderung<br />

und andererseits psychotherapeutischer<br />

Arbeit bei behandlungsbedürftigen Auffälligkeiten.<br />

Aus der zuerst genannten Sicht stellt sich<br />

beispielsweise die Frage, wie es zu erklären<br />

ist, dass manche Sporttalente sich<br />

durchsetzen, andere, mitunter begabtere,<br />

es nicht schaffen? Es ist kaum zu bestreiten,<br />

dass es psychologische Variablen,<br />

nicht zuletzt aber eben auch Defizite sind,<br />

die zu Beantwortung dieser Frage wesentliches<br />

beitragen können. Im integrativen<br />

Modell athletischer Leistung (Integrative<br />

Model of Athletic Performance; IMAP)<br />

postulieren Gardner und Moore (2006),<br />

dass sportliche Leistungen bzw. Leistungseinbußen<br />

nicht durch bestimmte,<br />

einzelne Variablen zustande kommen,<br />

sondern in der Regel auf ein Zusammenspiel<br />

mehrerer Komponenten zurückzuführen<br />

sind. Demnach ist es nicht<br />

das sportlich-instrumentelle Können des<br />

Sportlers allein, das eine Leistung (oder<br />

ein Leistungsproblem) erklärt, sondern situationale<br />

Umstände, Persönlichkeit und<br />

Bewältigungskompetenzen sind genauso<br />

zu berücksichtigen. Dieses Komponentenmodell<br />

umfasst im Einzelnen:<br />

• Instrumentelle Kompetenzen: Hier geht<br />

es um physische und sensomotorische<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten – das, worauf<br />

sich sportliches Training im engeren<br />

Sinne konzentriert.<br />

• Spezifische Umgebungsreize und Leistungsanforderungen:<br />

Je nach Wettkampf<br />

ist der Athlet unterschiedlichen<br />

interpersonellen, situationalen und<br />

organisatorischen Bedingungen, aber<br />

zum Beispiel auch unterschiedlich hohen<br />

Konkurrenzanforderungen ausgesetzt.<br />

• Dispositionelle Merkmale: Sportler unterscheiden<br />

sich in ihrer habituellen Reaktion<br />

auf explizite oder implizite Leistungsanforderungen;<br />

sie verfügen über<br />

unterschiedliche Bewältigungsstile oder<br />

kognitiv-affektive Schemata.<br />

• Selbstregulationskompetenzen: Dieser<br />

Aspekt umfasst die unterschiedlichen<br />

Reaktionsweisen, die bei der Verhaltensregulation<br />

möglich sind, wenn es<br />

zu Abweichungen zwischen der Idealoder<br />

Soll-Norm und dem tatsächlichen<br />

Verhalten kommt.<br />

Das Modell von Gardner und Moore<br />

(2006) beruht damit in Wirklichkeit auf<br />

einem, für den Sportpsychologen längst<br />

vertrauten, integrativen Modell der sportlichen<br />

Leistungsentwicklung. Der starke<br />

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<strong>Psychotherapeuten</strong><strong>journal</strong> 3/2010<br />

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