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journal Psychotherapeuten - Psychotherapeutenkammer NRW

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Körperbilddiagnostik<br />

Sybille Aßmann 1 , Ada Borkenhagen 2 , Angela von Arnim 3<br />

1<br />

PiA Berliner Akademie für Psychotherapie<br />

2<br />

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

3<br />

Praxis für Psychosomatik und Psychotherapie, Berlin<br />

Zusammenfassung: Im nachfolgenden Beitrag sollen die wichtigsten Verfahren zur<br />

Körperbilddiagnostik differenziert vorgestellt werden. Anhand einer Einführung in<br />

die wichtigsten körperbezogenen Konzepte der psychotherapeutischen Forschung<br />

wird erläutert, weshalb neben den in der Diagnostik üblicherweise häufig eingesetzten<br />

Fragebogeninstrumenten zur Untersuchung des Körpererlebens zwingend<br />

auch wahrnehmungsbasierte Verfahren sowie deskriptiv-beobachtende und projektive<br />

Verfahren zum Einsatz kommen sollten. Im historischen Abriss findet sich eine<br />

Erklärung für die verwirrende Vielfalt der vorhandenen Diagnoseinstrumente, da<br />

sich diese aus der Heterogenität der in der Körperbildforschung herangezogenen<br />

theoretischen Modelle ergibt. Der Beitrag gibt zudem einen kurzen Überblick zu<br />

den Störungen des Körperbildes im subklinischen und klinischen Bereich sowie<br />

den Anwendungsmöglichkeiten der Körperbilddiagnostik in Forschung und Praxis.<br />

1. Einleitung<br />

Der menschliche Körper birgt in sich eine<br />

doppelte Bedeutung von „Körper-Sein“<br />

und „Körper-Haben“, da er sowohl Ausgangspunkt<br />

als auch Gegenstand der<br />

Erfahrung ist (Joraschky, 1983). Das Phänomen<br />

des „Körper-Seins“ berührt unsere<br />

Identität und regelt wesentliche Aspekte<br />

der interpersonalen Bezüge. Das „Körper-<br />

Haben“ umfasst dagegen u. a. die Wahrnehmung<br />

von eigenen Bewegungen und<br />

bestimmten Körperfunktionen. Beide Aspekte<br />

können sowohl zu großem Wohlbefinden,<br />

als auch zu massiven Einschränkungen<br />

der Lebensqualität führen.<br />

Die Ambiguität der menschlichen Körperlichkeit<br />

führte dazu, dass sich von jeher<br />

unterschiedlichste Fachbereiche (wie<br />

Medizin, Psychologie, Neurobiologie,<br />

Philosophie, Kulturwissenschaften) mit<br />

diesem komplexen Phänomen beschäftigen.<br />

Als Resultat finden wir heute eine<br />

unüberschaubare Vielfalt von Begriffen<br />

und methodischen Zugängen zum Kör-<br />

perbild. In diesem Beitrag sollen, neben<br />

einer Einführung in die körperbezogenen<br />

Konzepte der psychotherapeutischen Forschung,<br />

die wichtigsten Verfahren zur Körperbilddiagnostik<br />

vorgestellt werden. Ziel<br />

ist es, besonders den klinisch arbeitenden<br />

<strong>Psychotherapeuten</strong> Mut zu machen, die<br />

vorgestellten Instrumente einzusetzen und<br />

sich dem Phänomen „Körper“ in der therapeutischen<br />

Praxis anzunähern.<br />

1.1 Integration des Körpers in<br />

die Psychotherapie<br />

Die 1970er bis 1980er Jahre sahen ein<br />

explosives Wachstum in der Anwendung<br />

körperpsychotherapeutischer Verfahren<br />

(Geuter, 2004; Koemeda-Lutz, 2009). Die<br />

Mehrheit dieser Verfahren wurde jedoch<br />

unzureichend evaluiert und mit der zunehmenden<br />

Bedeutung der psychotherapiewissenschaftlichen<br />

Forschung in Randbereiche<br />

des therapeutischen Wirkens<br />

gedrängt (Grawe, 1994). Mittlerweile gibt<br />

es zahlreiche Bestrebungen, die Verfahren<br />

der Körperpsychotherapie angemessen zu<br />

evaluieren (Loew & Tritt, 2006; von Arnim,<br />

Joraschky & Lausberg, 2007; Koemeda-<br />

Lutz, 2009), welche diverse Instrumente<br />

zur Körperbilddiagnostik hervorbrachten.<br />

In Großbritannien gelang unlängst die<br />

Aufnahme von Körperpsychotherapie in<br />

die Leitlinien zur Behandlung von Erkrankungen<br />

des schizophrenen Formenkreises<br />

(Röhricht, 2009, unveröffentlichte<br />

Mitteilung). In den letzten Jahres gibt es<br />

zunehmende Bestrebungen, innerhalb der<br />

OPD eine eigene Achse für das „Körpererleben“<br />

zu entwickeln (Küchenhoff, 1996;<br />

von Arnim, Joraschky & Lausberg, 2007;<br />

Beschluss der Abschlusskonferenz der<br />

Körperbildwerkstatt 2009, unveröffentl.<br />

Mitteilung).<br />

Im Vergleich mit anderen Feldern herrscht<br />

jedoch ein Mangel bzgl. der Verteilung<br />

von Forschungsgeldern, der Stellenwert<br />

der Körperpsychotherapie in der aktuellen<br />

Forschung ist viel zu gering (Kriz, 2009).<br />

Dies steht in keinem Verhältnis zu dem<br />

immer breiteren Einsatz von körperbezogenen<br />

Interventionen in der Psychotherapie.<br />

Tendenzen in der Traumatherapie<br />

(Sack, in Druck; Reddemann, 2008) und<br />

in der Behandlung somatoformer Störungen<br />

(Ronel, Kruse & Gündel, 2007)<br />

zeigen, dass diese Krankheitsbilder vor<br />

allem Körperbildstörungen sind und deren<br />

Geschichte unter diesem Aspekt neu geschrieben<br />

werden muss. Ein lobenswerter<br />

Ansatz in diese Richtung ist die multizentrische<br />

PISO-Studie, hier wird die körperbezogene<br />

Lebensqualität von Patienten mit<br />

somatoformen Störungen als wesentliches<br />

Outcome-Parameter erfasst – die körperwahrnehmungsfocussierte<br />

Arbeit am<br />

Körperbild ist sogar ein Bestandteil jeder<br />

<strong>Psychotherapeuten</strong><strong>journal</strong> 3/2010<br />

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