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journal Psychotherapeuten - Psychotherapeutenkammer NRW

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Zur Lage der Psychotherapie in Europa<br />

Polen – Ergebnisse eines Veranstaltungsprojektes der<br />

Ostdeutschen <strong>Psychotherapeuten</strong>kammer<br />

Kerstin Dittrich<br />

Ostdeutsche <strong>Psychotherapeuten</strong>kammer<br />

Zusammenfassung: Die Psychotherapielandschaft in Polen ist im Umbruch: Unter<br />

schwierigen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen kämpfen polnische<br />

PsychotherapeuteInnen für ein <strong>Psychotherapeuten</strong>gesetz. Bisherige Anläufe scheiterten<br />

jedoch an politischer Instabilität, handwerklichen Mängeln der Gesetzesentwürfe<br />

und nicht zuletzt an der Zerstrittenheit der Profession. Im internationalen Austausch<br />

können gelungene Modelle für <strong>Psychotherapeuten</strong>gesetze kennengelernt<br />

und politische Handlungsspielräume identifiziert werden.<br />

Betrachtet man die Psychotherapielandschaften<br />

Europas, ergibt sich ein<br />

vielfältiges und uneinheitliches Bild. Zugangsmöglichkeiten<br />

für PatientInnen, Ausbildungsvoraussetzungen,<br />

Ausbildungsdauer,<br />

wissenschaftliche Fundierung der<br />

Psychotherapieverfahren und Finanzierung<br />

psychotherapeutischer Leistungen sind<br />

von Land zu Land sehr unterschiedlich.<br />

Die Angleichung der Lebensverhältnisse<br />

innerhalb der Europäischen Union ist<br />

allerdings ein erklärtes politisches Ziel,<br />

dessen indirekte Auswirkungen auf die<br />

Psychotherapie in Deutschland durch den<br />

Bologna-Prozess und die grundsätzliche<br />

Freizügigkeit der Berufsausübung bereits<br />

jetzt spürbar sind.<br />

Der Vorstand der Ostdeutschen <strong>Psychotherapeuten</strong>kammer<br />

geht davon aus, dass<br />

diese Auswirkungen künftig zunehmen<br />

werden – ist doch in der somatischen Medizin<br />

grenzübergreifende Zusammenarbeit<br />

auch außerhalb der Forschung längst keine<br />

Ausnahme mehr. Wollen die <strong>Psychotherapeuten</strong>kammern<br />

diesen Entwicklungen<br />

nicht nur ausgeliefert sein, sondern sie<br />

aktiv steuern, sind sie gefordert, sich auf<br />

mögliche künftige europäische Vereinheitlichungstendenzen<br />

vorzubereiten. Dafür ist<br />

<strong>Psychotherapeuten</strong><strong>journal</strong> 3/2010<br />

das Wissen um die Rahmenbedingungen<br />

der psychotherapeutischen Versorgung in<br />

den europäischen Nachbarländern eine<br />

ebenso unabdingbare Voraussetzung wie<br />

die Zusammenarbeit mit europäischen<br />

KollegInnen.<br />

Die Ostdeutsche <strong>Psychotherapeuten</strong>kammer<br />

will durch ihre Veranstaltungsreihe<br />

„Psychotherapie im Vereinten Europa“ zu<br />

diesen Zielen beitragen. Im März 2010<br />

fand in Leipzig die zweite Veranstaltung<br />

dieser Reihe statt, die unter dem Titel<br />

„<strong>Psychotherapeuten</strong>gesetze, Ausbildungswege<br />

und Entwicklungen des Berufsstandes<br />

in Deutschland, Österreich und Polen“<br />

ProfessionsvertreterInnen aller drei Länder<br />

miteinander ins Gespräch brachte. An dieser<br />

Stelle soll in loser Folge über die Ergebnisse<br />

der Veranstaltungsreihe berichtet<br />

werden.<br />

Das polnische Gesundheitssystem<br />

– kurz und<br />

knapp<br />

Das polnische Gesundheitssystem war<br />

in den vergangenen Jahren Schauplatz<br />

häufiger, umfassender und teilweise auch<br />

widersprüchlicher Reformen. So musste<br />

seit 1999 ein Wandel der Finanzierungsstruktur<br />

von einem steuerfinanzierten<br />

öffentlichen Gesundheitswesen über eine<br />

Versicherungsstruktur mit regionalen<br />

Krankenkassen bis zum derzeitigen Modell<br />

einer einheitlichen öffentlichen Krankenversicherung,<br />

dem Nationalen Gesundheitsfond<br />

(NFZ), bewältigt werden. Über<br />

den NFZ sind heute die weitaus meisten<br />

polnischen BürgerInnen pflichtversichert.<br />

Für sie besteht in allen Einrichtungen, die<br />

vertraglich mit dem NFZ verbunden sind<br />

(traditionell überwiegend Polikliniken,<br />

weniger einzelne Niederlassungen), das<br />

Recht auf kostenlose Behandlung.<br />

Obwohl sich der Gesundheitszustand<br />

der polnischen Bevölkerung während der<br />

letzten Jahrzehnte erheblich verbessert<br />

hat – gemessen z. B. an der gesunkenen<br />

Kindersterblichkeit und der gestiegenen<br />

durchschnittlichen Lebenserwartung (Kuszewski<br />

& Gericke, 2005) – und medizinische<br />

Dienstleistungen auf dem neuesten<br />

Stand der Wissenschaft zumindest theoretisch<br />

breit verfügbar sind, hat das polnische<br />

Gesundheitssystem mit erheblichen<br />

Schwierigkeiten zu kämpfen. So leidet das<br />

System an deutlicher Unterfinanzierung<br />

mit entsprechenden Auswirkungen sowohl<br />

für das medizinische Personal als auch für<br />

die PatientInnen: Trotz des umfassenden<br />

Versicherungsschutzes durch den NFZ<br />

sind in der Realität vielerorts private Zahlungen<br />

nötig, um zeitnah eine Behandlung<br />

zu erhalten. Die magere Entlohnung in<br />

NFZ-Einrichtungen wiederum zwingt viele<br />

MedizinerInnen, zusätzlich zu ihrer NFZ-Tätigkeit<br />

auch privatärztlich tätig zu sein, und<br />

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