journal Psychotherapeuten - Psychotherapeutenkammer NRW
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Bundespsychotherapeutenkammer<br />
Mitteilungen der<br />
Bundespsychotherapeutenkammer<br />
Hilfen für schwer psychisch kranke Menschen – Netzwerke in der<br />
Gemeindepsychiatrie<br />
Schwer und chronisch psychisch kranke<br />
Menschen – das sind insbesondere Menschen<br />
mit schizophrenen, bipolaren affektiven,<br />
schweren depressiven und schweren<br />
Persönlichkeitsstörungen – benötigen Behandlungs-<br />
und psychosoziale Unterstützungsangebote,<br />
die es ihnen ermöglichen,<br />
trotz ihrer Erkrankung selbstständig zu leben<br />
und am sozialen und gesellschaftlichen<br />
Leben teilzuhaben. Die im Dachverband<br />
Gemeindepsychiatrie zusammengeschlossenen<br />
Träger, Hilfsvereine, Bürgerinitiativen<br />
und die Selbsthilfe leisten hierzu seit über<br />
30 Jahren einen wichtigen Beitrag.<br />
Um Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>Psychotherapeuten</strong><br />
und gemeindepsychiatrischen Verbünden<br />
auszuloten, haben die Bundespsychotherapeutenkammer<br />
und der Dachverband<br />
Gemeindepsychiatrie eine gemeinsame<br />
Arbeitsgruppe gegründet. Ziel ist es, mit<br />
Vertretern der verschiedenen an der Versorgung<br />
beteiligten Berufsgruppen im Sinne<br />
einer „Bestandsaufnahme“ zunächst<br />
die Kompetenz- und Aufgabenprofile der<br />
beteiligten Berufsgruppen zu beschreiben.<br />
Hierbei sollen auch mögliche Schnittstellen,<br />
Überschneidungen und etwaige Problemfelder<br />
identifiziert werden. Langfristig soll<br />
versucht werden, ein gemeinsames Versorgungskonzept<br />
für schwer psychisch kranke<br />
Menschen unter einer stärkeren Einbeziehung<br />
von <strong>Psychotherapeuten</strong> und psychotherapeutischen<br />
Konzepten zu entwickeln.<br />
Im Dachverband Gemeindepsychiatrie<br />
sind ausschließlich Träger ambulanter gemeindepsychiatrischer<br />
Hilfen organisiert.<br />
Sie sind in Gemeinden und Städten in<br />
ganz Deutschland aktiv mit dem Ziel, dass<br />
psychisch erkrankte Menschen in ihren Lebenszusammenhängen<br />
mit ihren Kindern,<br />
weiteren Angehörigen, Freunden und<br />
Nachbarn weiter zusammenleben und<br />
gesunden können. Der Dachverband Gemeindepsychiatrie<br />
hat 200 Mitglieder mit<br />
insgesamt 14.000 Mitarbeitern.<br />
Als sich 1976 erste Gruppierungen der deutschen<br />
ambulanten und gemeindepsychiatrischen<br />
Bürgerinitiativen zu einem Verband<br />
zusammenschlossen, standen sie vor der<br />
Aufgabe, Pionierarbeit beim Aufbau neuer<br />
Versorgungsformen, insbesondere von Wiedereingliederungshilfen<br />
für schwer psychisch<br />
kranke Menschen zu leisten. Damals lebten<br />
chronisch psychisch erkrankte Menschen oft<br />
noch in Heimen oder Anstalten weit außerhalb<br />
der Gemeinde „auf der grünen Wiese“.<br />
Heute gibt es ein breites Spektrum an ambulanten<br />
Hilfsangeboten: betreute Wohnformen,<br />
Freizeitangebote, Kontaktzentren<br />
und begleitende Hilfen bis hin zu Arbeitsund<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten. Hierbei<br />
kooperieren die gemeindepsychiatrischen<br />
Trägerorganisationen eng mit den Einrichtungen<br />
der ambulanten und stationären<br />
Krankenversorgung. Zu den Besonderheiten<br />
des Dachverbandes gehört es auch,<br />
dass Betroffene, Angehörige, Bürger sowie<br />
Fachleute aktiv und verbindlich an den<br />
zusammengeschlossenen Gruppierungen<br />
und Vereinen beteiligt sind.<br />
Die Weiterentwicklungen in der psychiatrischen<br />
und psychotherapeutischen Versorgung<br />
spiegeln sich auch in den verschiedenen<br />
thematischen Schwerpunkten, die<br />
der Dachverband im Laufe der Jahre in seiner<br />
Arbeit hatte, wider. Zu Beginn standen<br />
die „Professionalisierung“ der Laien- und<br />
Bürgerhilfe, z. B. in Kontaktzentren, Clubs<br />
oder gemeinsamen Treffpunkten, im Vordergrund.<br />
Dann setzte der Dachverband<br />
Gemeindepsychiatrie zunehmend auf die<br />
Weiterentwicklung der ambulanten Hilfsangebote.<br />
Heute sieht er seinen fachlichen<br />
Schwerpunkt in der Entwicklung von<br />
ambulanten Versorgungsangeboten, die<br />
eine Ergänzung oder Alternative zur stationären<br />
psychiatrischen Versorgung sein<br />
können. Multiprofessionell ausgerichtete<br />
ambulante Behandlungs- und Rehabilitationskonzepte,<br />
in denen therapeutische<br />
Behandlungsangebote wie Soziotherapie,<br />
psychiatrische Pflege, Krisenhilfe, aber<br />
auch Psychotherapie miteinander vernetzt<br />
sind, sind aus Sicht des Dachverbandes<br />
zukunftsfähige Konzepte, die den Bedürfnissen<br />
der Betroffenen gerecht werden.<br />
Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ ist<br />
in der Gemeindepsychiatrie wichtig. Seit<br />
2007 gibt es beim Dachverband ein SGB-<br />
V-Bundesnetzwerk, das gemeindepsychiatrische<br />
Träger bei der Umsetzung von<br />
neuen Versorgungskonzepten und ambulanten<br />
Komplexleistungen berät.<br />
Der Dachverband Gemeindepsychiatrie hat<br />
sich in seiner Arbeit dem Grundsatz der Inklusion,<br />
d. h. der aktiven Verhinderung von<br />
sozialem Ausschluss – also der Verhinderung<br />
des Verlusts von Familie und Kindern, sozialen<br />
Beziehungen, Arbeit und der Verarmung<br />
– verpflichtet. Inklusion ist der Leitgedanke<br />
und integrierte Versorgung aus Sicht der<br />
Gemeindepsychiatrie die zukünftige Praxis,<br />
die dies ermöglicht. Durch integrierte Versorgungsangebote<br />
soll eine höhere Angebotsund<br />
Leistungsdichte im ambulanten Versorgungssektor<br />
erreicht werden. Diese soll es<br />
ermöglichen, Patienten möglichst frühzeitig<br />
in ihrem gewohnten Lebensumfeld behandeln<br />
zu können und dadurch auch die<br />
Behandlungscompliance und -konstanz bei<br />
dieser Patientengruppe zu verbessern.<br />
Die Einbeziehung von Psychotherapie und<br />
psychotherapeutischen Konzepten ist dabei<br />
aus Sicht des Dachverbandes dringend<br />
notwendig. Der Dachverband Gemeindepsychiatrie<br />
wünscht sich, dass Psycho-<br />
290 <strong>Psychotherapeuten</strong><strong>journal</strong> 3/2010