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journal Psychotherapeuten - Psychotherapeutenkammer NRW

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Aktuelles aus der Forschung<br />

biologischen Mechanismen<br />

aufrechterhalten wird.<br />

Kommentar: Die vorliegende<br />

Studie zeigt, dass Störungsmechanismen,<br />

die im subklinischen<br />

oder gesunden Bereich<br />

greifen, bei klinischen<br />

Gruppen nicht mehr gelten<br />

müssen. Angesichts dieser<br />

Ergebnisse geben die Autoren<br />

folgende Empfehlung für<br />

die psychotherapeutische Behandlung:<br />

Eine Reduktion der<br />

Grübelneigung solle eher im<br />

Rahmen der Prävention bzw.<br />

bei Frühinterventionsmaßnahmen<br />

erfolgen, bei Patienten<br />

mit schweren und länger anhaltenden<br />

Krankheitsverläufen<br />

sei hingegen der Einsatz<br />

von Ablenkungsstrategien<br />

erfolgversprechender. Über<br />

die methodischen Probleme<br />

dieser Schlussfolgerung (heterogene<br />

Patientengruppe<br />

bzgl. ihrer Symptomschwere<br />

zu Studienbeginn, keine kategoriale<br />

Depressionsdiagnostik<br />

im Verlauf) hinaus stellt sich<br />

jedoch die Frage, inwiefern<br />

sich Anti-Grübelmaßnahmen<br />

von Ablenkungsstrategien in<br />

der Praxis überhaupt trennen<br />

lassen. Grübelstopps etc. greifen<br />

ja häufig gerade über eine<br />

gedankliche Hinwendung<br />

zu anderen Themen. Ablenkung,<br />

wie es die Autoren in<br />

der Studie definierten, besteht<br />

sowohl aus kognitiven (Konzentration<br />

auf positive Gedanken)<br />

als auch behavioralen<br />

Strategien (Ablenkung durch<br />

angenehme Aktivitäten). Möglicherweise<br />

besteht aber der<br />

entscheidende Unterschied<br />

für die Praxis gerade in einer<br />

Unterscheidung kognitiver<br />

und behavioraler Interventionen,<br />

in dem Sinne, dass kognitive<br />

Maßnahmen depressive<br />

Symptome nur im Präventivsektor<br />

bzw. bei leichtgradigen<br />

Krankheitsbildern reduzieren,<br />

während bei schwereren Verläufen<br />

eine Steigerung von<br />

Aktivitäten erfolgversprechender<br />

erscheint. Weitere Studien<br />

mit depressiven Patienten<br />

verschiedener Schweregrade<br />

wären notwendig, um diese<br />

These eingehender zu untersuchen.<br />

Wirkmechanismen der Akzeptanzbasierten Verhaltenstherapie<br />

bei Generalisierter Angststörung<br />

Hayes, S. A., Orsillo, S. M. &<br />

Roemer, L. (2010). Changes<br />

in proposed mechanisms of<br />

action during an acceptancebased<br />

behavior therapy for<br />

generalized anxiety disorder.<br />

Behaviour Research and Therapy,<br />

48, 238-245.<br />

Charakteristisch für Patienten<br />

mit Generalisierter Angststörung<br />

(GAD) ist, neben dem<br />

Auftreten häufiger und als<br />

übermäßig stark erlebter Sorgen,<br />

die Tendenz, unangenehme<br />

Gefühle und Gedanken als<br />

gefährlich und unkontrollierbar<br />

einzuschätzen. Angstpatienten<br />

versuchen daher, derartiges<br />

Erleben zu vermeiden,<br />

z. B. indem sie sich potentiell<br />

angstauslösenden Situationen<br />

nicht aussetzen. Paradoxerweise<br />

scheint gerade der Kampf<br />

gegen die Angst zur Aufrechterhaltung<br />

und Exazerbation<br />

der Symptomatik beizutragen.<br />

Zusätzliche Folge der Vermeidungsstrategien<br />

der Angstpatienten<br />

ist eine massive<br />

Einschränkung des Aktivitätenspielraums,<br />

was sich erheblich<br />

auf die Lebensqualität der Patienten<br />

auswirkt.<br />

Die von Roemer und Orsillo<br />

(2007) konzipierte Akzeptanzbasierte<br />

Verhaltenstherapie<br />

(ABBT) für GAD fokussiert explizit<br />

auf diese Mechanismen.<br />

Primär geht es hier nicht um<br />

Symptomreduktion, sondern<br />

um die Akzeptanz von Ängsten<br />

und Sorgen sowie darum,<br />

unabhängig vom Sorgenniveau<br />

wieder mehr Zeit in persönlich<br />

wertgeschätzte Lebensbereiche<br />

zu investieren. In Vorstudien<br />

zeigten sich bei den mit ABBT<br />

behandelten GAD-Patienten<br />

bereits signifikante Besserungen<br />

der Angstsymptomatik.<br />

In ihrer Untersuchung gingen<br />

die Autoren der Frage nach,<br />

ob die postulierten Wirkmechanismen<br />

Akzeptanz und Engagement<br />

in wertgeschätzten<br />

Aktivitäten sich durch ABBT<br />

tatsächlich verbessern und einen<br />

Therapieerfolg sowie die<br />

Verbesserung von Lebensqualität<br />

wahrscheinlicher machen.<br />

Zudem wurde betrachtet, ob<br />

zunehmende Akzeptanz und<br />

Engagement eine größere Rolle<br />

für den Therapieerfolg spielen<br />

als eine Reduktion der Zeit,<br />

die mit Sorgen verbracht wird.<br />

Dazu wurden 43 GAD-Patienten<br />

am Center for Anxiety and<br />

Related Disorders der Boston<br />

University mit 16 Sitzungen<br />

ABBT behandelt. Wöchentlich<br />

schätzten die Patienten ein,<br />

wie viel Zeit sie mit Sorgen,<br />

Akzeptanz von unangenehmen<br />

Gedanken und Gefühlen<br />

sowie dem Engagement<br />

für wertgeschätzte Aktivitäten<br />

verbrachten. Der Therapieerfolg<br />

wurde als Reduktion der<br />

Angstsymptomatik ebenso wie<br />

die subjektive Lebensqualität<br />

mittels Fragebögen erfasst.<br />

Über die Therapie hinweg<br />

nahm die Zeit, die Patienten<br />

in Akzeptanz und Engagement<br />

investierten, von etwa 50%<br />

auf 75% der Zeit zu, die Sorgenhäufigkeit<br />

nahm hingegen<br />

prozentual ab. Veränderungen<br />

in Akzeptanz und Engagement<br />

machten einen Therapieerfolg<br />

wahrscheinlicher, zudem war<br />

Akzeptanz ein signifikanter Prädiktor<br />

für die Lebensqualität<br />

der Patienten. Konsistent mit<br />

den Vorhersagen des ABBT-Ansatzes<br />

sagte die Veränderung<br />

der Sorgenhäufigkeit nicht das<br />

Therapieergebnis voraus. Aus<br />

den Daten schlussfolgern die<br />

Autoren trotz methodischer<br />

Einschränkungen (z. B. kleine<br />

Stichprobe, Selbsteinschätzung),<br />

dass der Hauptwirkfaktor<br />

in der GAD-Behandlung<br />

nicht die Sorgenreduktion,<br />

sondern eine Veränderung der<br />

Einstellung gegenüber den<br />

Sorgen oder allgemein innerem<br />

Erleben ist. Zudem haben<br />

diejenigen bessere Therapieergebnisse,<br />

die unabhängig vom<br />

Angstniveau in für sie wichtigen<br />

Lebensbereichen aktiv<br />

werden.<br />

Kommentar: Die Studie zeigt<br />

die Wichtigkeit der Überwindung<br />

der Vermeidung negativer<br />

Emotionen in der Behandlung<br />

von GAD-Patienten.<br />

Psychotherapie sollte Patienten<br />

dementsprechend vermitteln,<br />

vom „Kampf gegen die<br />

Angst“ abzulassen und unabhängig<br />

vom Angstniveau in<br />

individuell wichtigen Lebensbereichen<br />

aktiv zu werden.<br />

Allerdings: wie behandlungsspezifisch<br />

sind diese Ergebnisse?<br />

Angesichts des Fehlens<br />

einer unbehandelten<br />

286 <strong>Psychotherapeuten</strong><strong>journal</strong> 3/2010

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