journal Psychotherapeuten - Psychotherapeutenkammer NRW
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Zur Diskussion<br />
finden, und ihr grundsätzlich ein innovatives<br />
Potential absprechen. Denn wer sich<br />
ein wenig genauer mit der Achtsamkeit<br />
befasst, wird merken, dass sie eine Reihe<br />
entscheidender Merkmale besitzt, die in<br />
der westlichen Psychotherapie (und zwar<br />
in allen Hauptrichtungen) entweder gar<br />
nicht, nicht differenziert oder nicht konkret<br />
beschrieben werden.<br />
Drei der wichtigsten Aspekte sollen dabei<br />
nochmals hervorgehoben werden:<br />
Die systematische Kultivierung von speziellen<br />
Fähigkeiten und spezifischen<br />
körperlich-mentalen Zuständen, sowohl<br />
der Patienten, als auch der <strong>Psychotherapeuten</strong><br />
durch regelmäßige Übung. Die<br />
spezifischen Qualitäten der Achtsamkeit<br />
– die nur in unterschiedlichen Teilaspekten<br />
Parallelen zu dem zeigt, was in den<br />
verschiedenen Schulen hervorgehoben<br />
und als wirksam erachtet wird – werden<br />
als übungsabhängig angesehen. Dies ist<br />
auch dahingehend zu verstehen, dass sie<br />
verloren gehen, wenn sie nicht weiter geübt<br />
werden.<br />
Die systematische Trennung von Beobachter<br />
und Beobachtetem, die als zentraler<br />
Wirkmechanismus zu grundsätzlichen<br />
Veränderungen der Bewusstseinsstruktur<br />
selber und damit auch zu neuen Stufen<br />
der Bewusstseinsentwicklung führen kann.<br />
Eine Reihe von Auswirkungen dieser<br />
Übung, wie zum Beispiel eine immer<br />
genauere Wahrnehmung und die Entwicklung<br />
ganz spezifischer Qualitäten von<br />
Empathie und Akzeptanz, auch sich selbst<br />
gegenüber.<br />
Auch wenn wir Autoren selbst in der humanistischen<br />
Psychologie beheimatet sind<br />
und uns tiefenpsychologischen Traditionen<br />
verpflichtet fühlen, wollen wir doch den<br />
Beitrag der Vertreter der Verhaltenstherapie<br />
anerkennen. Durch deren intensive<br />
Anwendungsforschung hat sich die Wahrnehmung<br />
von Achtsamkeit und damit verwandten<br />
Konzepten durch die „scientific<br />
community“ wesentlich verändert. Uns<br />
ist dabei sehr wohl bewusst, dass die Verhaltenstherapeuten<br />
das Achtsamkeitskonzept<br />
nicht entwickelt haben. Wir hoffen,<br />
dass von dem gerade nicht schulenspezifischen,<br />
für unterschiedliche Traditionen<br />
anschlussfähigen Konzept der Achtsamkeit<br />
Impulse ausgehen können, das derzeit von<br />
medizinischen Modellen dominierte Feld<br />
der Psychotherapie gemeinsam weiter zu<br />
entwickeln.<br />
Mit kollegialen Grüßen<br />
Halko Weiss und Michael Harrer<br />
282 <strong>Psychotherapeuten</strong><strong>journal</strong> 3/2010