E&E Juli 2013 (Nr. 06-13) - EuE24.net
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PIONIERE DER ELEKTRONIK | AUFTAKT<br />
HOLZOHR MIT HASENBLASE ALS PROTOTYP<br />
Von dem Deutschen Philipp Reis stammt die Rohfassung eines Telefons, die Alexander Graham<br />
Bell den Weg für das erste einsatzfähige Telefon ebnete. Trotz seines Einfallsreichtums und seiner<br />
Leistungen ist Reis im Gegensatz zu dem Amerikaner in Vergessenheit geraten.<br />
TEXT: Ronny Hänsch, E&E FOTO: Popular Science Monthly via Wiki Commons<br />
www.eue24.net/PDF/EE6<strong>13</strong>003<br />
Heutzutage versuchen sich Smartphone-Hersteller in immer<br />
kürzer werdenden Abständen zu übertrumpfen, um die Gunst<br />
der Konsumenten zu gewinnen und sie<br />
langfristig an sich zu binden. Eine normale<br />
Produktpräsentation ist zu einem<br />
multimedialen Spektakel geworden, auf<br />
das wochenlang hingefiebert wird. Den<br />
Grundstein hierfür hat vor langer Zeit<br />
Alexander Graham Bell gelegt, der das Telefon<br />
– sozusagen den Ur-Großvater heutiger<br />
Varianten – erfunden hat. Aber war<br />
es wirklich Bell? Jein. Die meisten würden<br />
Bell wahrscheinlich als den Erfinder<br />
nennen, genau genommen war es aber<br />
Johann Philipp Reis.<br />
Geboren am 7. Januar 1834 in Gelnhausen,<br />
übernahm Philipp Bremer, der Patenonkel,<br />
1843 die Vormundschaft für den des Telefons, 1834 – 1874<br />
jungen Reis, da dessen Eltern früh verstorben<br />
waren. Die Großmutter schickte Philip<br />
an das Institut Louis Frédéric Garnier in Friedrichsdorf, wo er<br />
bis zu seinem 14. Lebensjahr blieb. Im März 1850 begann er widerwillig<br />
eine Lehre als Farbhändler – und frönte währenddessen<br />
munter seiner Leidenschaft für wissenschaftliche Studien. So entwickelte<br />
er etwa die ersten Rollschuhe, indem er Metallrädchen<br />
unter Schlittschuhe schraubte. Aufgrund kaum geeigneter Straßen<br />
war dieser Erfindung allerdings kein Erfolg beschieden.<br />
Johann Philipp Reis, der Ur-Vater<br />
In den 185o-er Jahren wollte Reis in Heidelberg eigentlich eine<br />
Lehrerausbildung beginnen, bekam aber bei einem Aufenthalt in<br />
Friedrichsdorf von Direktor Garnier unverhofft eine Stelle als<br />
Lehrer für Französisch, Mathematik, Physik und Chemie. Im selben<br />
Jahr heiratete er auch Margaretha Schmidt. Mit ihr hatte er<br />
zwei Kinder: Tochter Elise und Sohn Karl. In diesem Zeitraum<br />
erfand er auch das Veloziped, einen Vorgänger des Fahrrads.<br />
Sein Hauptaugenmerk richtete sich aber vor allem auf die<br />
Erforschung der Sprachübertragung durch Strom. Für Unterrichtszwecke<br />
schnitzte er aus Holz eine<br />
Ohrmuschel, bedeckt mit einer Membran<br />
aus einer Hasenblase. Diese fungierte<br />
als Trommelfellersatz, ein Platin-Streifen<br />
übernahm die Funktionen der Ohrknöchelchen.<br />
Zusammen mit einer mit<br />
Draht umwickelten Stricknadel bildete<br />
die Holz-Ohrmuschel einen Stromkreis.<br />
Bestrahlte man die Membran mit Schallwellen,<br />
wurde der Stromkreis zwischen<br />
dem Platin-Plättchen und der mit Draht<br />
umwickelten Stricknadel unterbrochen<br />
und wieder geschlossen. Dabei begann<br />
die Membran zu tönen. Durch kontinuierliche<br />
Verbesserung entwickelte sich<br />
aus der Ohrmuschel zunächst ein Schalltrichter<br />
und dann ein Gehäusekasten.<br />
„Telephon“ – den „fernen Ton“ nannte<br />
Reis seine Erfindung, die er am 26. Oktober 1861 erstmals der<br />
Öffentlichkeit vorstellte. Die geheime Geburtsstunde des Telefons.<br />
Allerdings blieb ihm die Anerkennung für seine Erfindung<br />
verwehrt – nicht zuletzt, da es Mängel hatte, die Alexander<br />
Graham Bell gut ein Jahrzehnt später beseitigt haben sollte.<br />
Wegen einer Krankheit in den letzten Lebensjahren war er immer<br />
öfters ans Bett gefesselt, sein Telefon weiterentwickeln<br />
konnte er daher nicht. Am 14. Januar 1874 starb er im Alter von<br />
nur 40 Jahren – ohne zu einer Berühmtheit geworden zu sein.<br />
Die Menschen wussten sein Wirken einfach nicht zu würdigen.<br />
Dennoch wusste der erste Mensch, dem eine elektrische Übertragung<br />
von Tönen gelungen war, um das Potenzial seiner Erfindung:<br />
„Ich habe der Welt eine große Erfindung geschenkt;<br />
anderen muss ich es überlassen, sie weiterzuführen.“ ☐<br />
> MORE@CLICK EE6<strong>13</strong>003<br />
E&E | Ausgabe 6.<strong>20<strong>13</strong></strong><br />
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