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1 Klärung der Begriffe 1.1. Konfliktbereitschaft - Fachbereich ...

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Kriminologische Studienwoche <strong>der</strong> Universität Hamburg<br />

7. – 11. März 2005<br />

Gewalt in <strong>der</strong> Schule –<br />

Ausprägung, Erklärung, Prävention<br />

Angela Sack-Hauchwitz, Diplom-Soziologin<br />

Zu männlicher und weiblicher <strong>Konfliktbereitschaft</strong>, Gen<strong>der</strong>aspekten und Diversity,<br />

2.4. Der kulturelle Hintergrund kann die Gewaltbereitschaft bei Jungen<br />

verstärken<br />

Das Bild von Männlichkeit wird bei Jungen türkischer Herkunft meist noch entscheidend<br />

durch die Familie geprägt. Die Interessen <strong>der</strong> Familie stehen über denen<br />

des Einzelnen. Die Männer <strong>der</strong> Familie haben mehr Rechte und Freiheiten als die<br />

Frauen. An diesen traditionellen Werten halten türkische Familien in Deutschland<br />

noch viel stärker fest als türkische Familien in <strong>der</strong> heutigen Türkei. In einer sich<br />

verän<strong>der</strong>nden westlichen Gesellschaft bezieht sich die hoch gehaltene Ehre <strong>der</strong><br />

Familie heute mehr und mehr nur noch auf Äußerlichkeiten. Diesen Werte, die in<br />

einer Dorfgemeinschaft in Anatolien früher ihren Sinn gemacht haben, werden heute<br />

in <strong>der</strong> Großstadt zu einer leeren Hülle. Der türkische Vater hat oft keine echte<br />

Autorität mehr, son<strong>der</strong>n kompensiert seine Ohnmacht durch autoritäres Gehabe und<br />

Gewalt. Die Jungen haben nicht Respekt vor <strong>der</strong> Autorität des Vaters, son<strong>der</strong>n Angst<br />

vor Gewalt. Die Erziehung in 20 Prozent <strong>der</strong> türkischen Familien wird auch heute<br />

noch durch Gewalt geprägt, dass heißt, je<strong>der</strong> 5. türkische Junge wird zu Hause<br />

geschlagen.<br />

In Deutschland prallen für türkische Jungen ihre familiäre Tradition und die mo<strong>der</strong>ne<br />

Schule auf einan<strong>der</strong>, eine Schule, die das Individuum betont und individuelle<br />

Leistungen for<strong>der</strong>t. Für Jungen hat dieser kulturelle Bruch vor allem negative Folgen.<br />

Sie sind verunsichert, sie haben nicht gelernt, sich als Individuum mit persönlichen<br />

Wünschen und Vorstellungen und persönlichen Leistungen zu entwickeln. Sie haben<br />

zu wenige männliche Lehrer, die ihnen außer dem Vater eine wirkliche männliche<br />

Autorität sind. Sie haben Schwierigkeiten, in einer Lehrerin eine Fachautorität zu<br />

sehen. Da Frauen in ihrer altertümlichen Werteskala „unter dem Mann“ stehen,<br />

lassen sie sich oft nichts sagen und Lehrerinnen müssen sich oft üble sexistische<br />

Beschimpfungen anhören.<br />

Erkennen Sie den Teufelskreis? Wenn sprachliche Probleme und schlechte<br />

schulische Leistungen dazukommen, sind diese Jungen in <strong>der</strong> Falle ihrer<br />

Männerrolle. Sie haben nicht gelernt, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen,<br />

Frauen und Mädchen als gleichwertig anzuerkennen, geschweige denn, ihre eigenen<br />

Gefühle ernst zu nehmen und Gefühle an<strong>der</strong>er wahrzunehmen und zu respektieren.<br />

Sie retten sich in Gruppen von gleichaltrigen Jungen und bestätigen sich gegenseitig<br />

in ihrer männlichen Überlegenheit. Der Gewalttätige ist <strong>der</strong> Held, das Opfer hat selbst<br />

Schuld.<br />

Bei aus Russland eingewan<strong>der</strong>ten Familien stellt sich die familiäre Situation zwar<br />

an<strong>der</strong>s da, allerdings ist das Ergebnis, was die Gewaltbereitschaft <strong>der</strong> männlichen<br />

Jugendlichen betrifft, lei<strong>der</strong> ähnlich gravierend. Die Gleichberechtigung von Frauen<br />

und Männern wurde bereits 1917 in <strong>der</strong> sowjetischen Verfassung verankert. Frauen<br />

fanden Zugang zu fast allen qualifizierten Berufen. Aber irgendwas ging mit <strong>der</strong><br />

Gleichverpflichtung bei<strong>der</strong> Geschlechter schief. Frauen hatten fast die gesamte<br />

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