18.08.2014 Aufrufe

Wirtschaftswoche Ausgabe vom 18.08.2014 (Vorschau)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Technik&Wissen<br />

»<br />

Ladung transportieren. Sie liegen flacher<br />

im Wasser und können<br />

so auch bei Niedrigwasser<br />

fahren. Für unter Kostendruck<br />

stehende<br />

Reeder eine Verlockung:<br />

Obwohl ein<br />

Schaumschiff mit circa<br />

90 Millionen Euro<br />

ein Viertel mehr koste,<br />

amortisiere sich der Kauf nach<br />

einem Jahr, hat Hintsanen errechnet.<br />

Bremsender Porenbeton<br />

Geschäumtes Baumaterial stoppt<br />

zu schnelle Flugzeuge<br />

Nanoschaum<br />

sperrt Hitze<br />

komplett aus<br />

MINIHEIZUNG IM KELLER<br />

Schäume können nicht nur große Kräfte<br />

bei einem Autounfall verkraften und enorme<br />

Lasten in Schiffen transportieren. Sie<br />

halten auch brutale Hitze aus und speichern<br />

problemlos wertvolle Wärmeenergie.<br />

Jede Blase arbeitet wahlweise wie eine<br />

eingebaute Thermoskanne oder wie ein<br />

Heizkissen. Das sei zurzeit eine der gefragtesten<br />

Eigenarten des Materials, sagt Olga<br />

Mühldorfer, Vertriebsmanagerin beim russischen<br />

Schaumhersteller Exxentis.<br />

Wie gut das in der Praxis funktioniert,<br />

will Reiner Buck <strong>vom</strong> Deutschen Zentrum<br />

für Luft- und Raumfahrt herausfinden. In<br />

einigen Wochen soll in Spanien ein Solarturmkraftwerk<br />

von Abengoa Solar bei Sevilla<br />

in Betrieb gehen. Um den Turm herum<br />

ist ein Feld mit einigen Dutzend Spiegeln<br />

von Zimmertürgröße<br />

aufgebaut. Sie lenken die<br />

Sonnenstrahlen auf die<br />

Turmspitze.<br />

Dort, in 65 Meter<br />

Höhe, steckt das Herzstück<br />

der Anlage: ein<br />

Block aus Keramikschaum.<br />

Er heizt sich und<br />

die durchströmende Luft auf<br />

1000 Grad Celsius auf. Mit dieser<br />

Hitze wird Wasserdampf erzeugt, der<br />

wiederum Turbinen zur Stromerzeugung<br />

antreibt. Bisher nutzen die meisten Solarturmkraftwerke<br />

Metallschäume, erklärt<br />

Buck. Doch während Metalle bei den hohen<br />

Temperaturen schmelzen oder sich<br />

verformen, bleibt Keramik stabil. „Wir können<br />

so den Wirkungsgrad der Kraftwerke<br />

um etliche Prozentpunkte steigern“, sagt<br />

der Energieingenieur. „Immer mehr Solarturmanlagen<br />

werden langfristig mit Keramikschaum<br />

arbeiten.“<br />

Was im Großen funktioniert, soll auch<br />

im Kleinen klappen – etwa im Keller eines<br />

Erlanger Einfamilienhauses. Dort hat Antonio<br />

Delgado, Professor für Strömungsmechanik<br />

an der Universität Erlangen-<br />

Nürnberg, vergangenes Jahr die nach eigenen<br />

Angaben kleinste Haushaltsheizung<br />

der Welt installiert, die er mit Industriepartnern<br />

und der Universität Aachen entwickelt<br />

hat. In ihr steckt ein Stück Siliziumcarbid-Schaum<br />

von etwa der Größe einer<br />

Zigarettenschachtel.<br />

Durch das diamantähnliche Material<br />

strömt ein Gemisch aus Öl oder Gas und<br />

Luft, das in den Poren des Schaums verbrennt.<br />

Da die Bläschen eine riesige innere<br />

Oberfläche besitzen, läuft die Verbrennung<br />

besonders effektiv und sauber ab. Deshalb<br />

stößt die Heizung weniger Schadstoffe aus<br />

als übliche Brenner. Weil das löchrige Material<br />

die Hitze rasch ableitet, lässt sich die<br />

Verbrennung in Sekundenbruchteilen<br />

drosseln oder hochfahren – praktisch bei<br />

einem plötzlichen Wetterumschwung.<br />

Nun sucht Delgado ein Unternehmen,<br />

das die Miniheizung herstellt und vermarktet.<br />

Produktion und Betrieb sollen nicht<br />

mehr als bei bisherigen Anlagen kosten,<br />

hat ein Doktorand von Delgado berechnet.<br />

Schon arbeiten Werkstoffwissenschaftler<br />

großer Konzerne wie BASF an noch besseren<br />

Schäumen. Machen sie die Poren im<br />

Kunststoff Polyurethan nanometerklein,<br />

können sich die eingeschlossenen Gase<br />

nicht mehr bewegen. „So ein Nanoschaum<br />

sperrt Hitze komplett aus“, erklärt die Physikerin<br />

Drenckhan. „Da kann auf der einen<br />

Seite ein Feuer brennen und auf der anderen<br />

können Kinder spielen.“ Das Material,<br />

dessen Pilotfertigung gerade beginnt, ist<br />

damit ideal für die Dämmung von Gebäuden<br />

(siehe WirtschaftsWoche 38/2013).<br />

MOUSSE AUS DER FLASCHE<br />

Obwohl sich Schaumexpertin Drenckhan<br />

nun schon lange mit ihrem Lieblingsstoff<br />

beschäftigt, erstaunt er sie doch immer<br />

wieder. Etwa, als sie vergangenes Jahr im<br />

Auftrag des Kosmetikunternehmens<br />

L’Oréal herausfand, dass geschäumte Kosmetika<br />

besser reinigen als in flüssiger<br />

Form. „So recht versteht das noch keiner“,<br />

gibt sie zu. Aber der Effekt spricht sich in<br />

der Kosmetik- und Reinigungsmittelbranche<br />

zurzeit herum: Immer mehr Hersteller,<br />

erzählt Drenckhan, folgten dem Vorbild<br />

der Flüssigseifen, die als Schaum aus dem<br />

Spender quellen und verkauften Reiniger,<br />

die als weißes Mousse aus der Flasche<br />

kommen. Der Produktverbrauch sinkt – bei<br />

besserer Reinigungsleistung.<br />

Auch den Herstellern von Waschmaschinen<br />

ist das nicht entgangen. So brachte<br />

der südkoreanische Konzern Samsung Ende<br />

2010 eine erste Maschine auf den Markt,<br />

die das Waschmittel zunächst mit Luft und<br />

Wasser zu Schaum aufwirbelt. Diese Reinigungsblasen<br />

sollen vier Mal so schnell in<br />

den Stoff eindringen und gründlicher als<br />

FOTOS: PR<br />

60 Nr. 34 18.8.2014 WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!