Wirtschaftswoche Ausgabe vom 18.08.2014 (Vorschau)
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Technik&Wissen<br />
»<br />
Ladung transportieren. Sie liegen flacher<br />
im Wasser und können<br />
so auch bei Niedrigwasser<br />
fahren. Für unter Kostendruck<br />
stehende<br />
Reeder eine Verlockung:<br />
Obwohl ein<br />
Schaumschiff mit circa<br />
90 Millionen Euro<br />
ein Viertel mehr koste,<br />
amortisiere sich der Kauf nach<br />
einem Jahr, hat Hintsanen errechnet.<br />
Bremsender Porenbeton<br />
Geschäumtes Baumaterial stoppt<br />
zu schnelle Flugzeuge<br />
Nanoschaum<br />
sperrt Hitze<br />
komplett aus<br />
MINIHEIZUNG IM KELLER<br />
Schäume können nicht nur große Kräfte<br />
bei einem Autounfall verkraften und enorme<br />
Lasten in Schiffen transportieren. Sie<br />
halten auch brutale Hitze aus und speichern<br />
problemlos wertvolle Wärmeenergie.<br />
Jede Blase arbeitet wahlweise wie eine<br />
eingebaute Thermoskanne oder wie ein<br />
Heizkissen. Das sei zurzeit eine der gefragtesten<br />
Eigenarten des Materials, sagt Olga<br />
Mühldorfer, Vertriebsmanagerin beim russischen<br />
Schaumhersteller Exxentis.<br />
Wie gut das in der Praxis funktioniert,<br />
will Reiner Buck <strong>vom</strong> Deutschen Zentrum<br />
für Luft- und Raumfahrt herausfinden. In<br />
einigen Wochen soll in Spanien ein Solarturmkraftwerk<br />
von Abengoa Solar bei Sevilla<br />
in Betrieb gehen. Um den Turm herum<br />
ist ein Feld mit einigen Dutzend Spiegeln<br />
von Zimmertürgröße<br />
aufgebaut. Sie lenken die<br />
Sonnenstrahlen auf die<br />
Turmspitze.<br />
Dort, in 65 Meter<br />
Höhe, steckt das Herzstück<br />
der Anlage: ein<br />
Block aus Keramikschaum.<br />
Er heizt sich und<br />
die durchströmende Luft auf<br />
1000 Grad Celsius auf. Mit dieser<br />
Hitze wird Wasserdampf erzeugt, der<br />
wiederum Turbinen zur Stromerzeugung<br />
antreibt. Bisher nutzen die meisten Solarturmkraftwerke<br />
Metallschäume, erklärt<br />
Buck. Doch während Metalle bei den hohen<br />
Temperaturen schmelzen oder sich<br />
verformen, bleibt Keramik stabil. „Wir können<br />
so den Wirkungsgrad der Kraftwerke<br />
um etliche Prozentpunkte steigern“, sagt<br />
der Energieingenieur. „Immer mehr Solarturmanlagen<br />
werden langfristig mit Keramikschaum<br />
arbeiten.“<br />
Was im Großen funktioniert, soll auch<br />
im Kleinen klappen – etwa im Keller eines<br />
Erlanger Einfamilienhauses. Dort hat Antonio<br />
Delgado, Professor für Strömungsmechanik<br />
an der Universität Erlangen-<br />
Nürnberg, vergangenes Jahr die nach eigenen<br />
Angaben kleinste Haushaltsheizung<br />
der Welt installiert, die er mit Industriepartnern<br />
und der Universität Aachen entwickelt<br />
hat. In ihr steckt ein Stück Siliziumcarbid-Schaum<br />
von etwa der Größe einer<br />
Zigarettenschachtel.<br />
Durch das diamantähnliche Material<br />
strömt ein Gemisch aus Öl oder Gas und<br />
Luft, das in den Poren des Schaums verbrennt.<br />
Da die Bläschen eine riesige innere<br />
Oberfläche besitzen, läuft die Verbrennung<br />
besonders effektiv und sauber ab. Deshalb<br />
stößt die Heizung weniger Schadstoffe aus<br />
als übliche Brenner. Weil das löchrige Material<br />
die Hitze rasch ableitet, lässt sich die<br />
Verbrennung in Sekundenbruchteilen<br />
drosseln oder hochfahren – praktisch bei<br />
einem plötzlichen Wetterumschwung.<br />
Nun sucht Delgado ein Unternehmen,<br />
das die Miniheizung herstellt und vermarktet.<br />
Produktion und Betrieb sollen nicht<br />
mehr als bei bisherigen Anlagen kosten,<br />
hat ein Doktorand von Delgado berechnet.<br />
Schon arbeiten Werkstoffwissenschaftler<br />
großer Konzerne wie BASF an noch besseren<br />
Schäumen. Machen sie die Poren im<br />
Kunststoff Polyurethan nanometerklein,<br />
können sich die eingeschlossenen Gase<br />
nicht mehr bewegen. „So ein Nanoschaum<br />
sperrt Hitze komplett aus“, erklärt die Physikerin<br />
Drenckhan. „Da kann auf der einen<br />
Seite ein Feuer brennen und auf der anderen<br />
können Kinder spielen.“ Das Material,<br />
dessen Pilotfertigung gerade beginnt, ist<br />
damit ideal für die Dämmung von Gebäuden<br />
(siehe WirtschaftsWoche 38/2013).<br />
MOUSSE AUS DER FLASCHE<br />
Obwohl sich Schaumexpertin Drenckhan<br />
nun schon lange mit ihrem Lieblingsstoff<br />
beschäftigt, erstaunt er sie doch immer<br />
wieder. Etwa, als sie vergangenes Jahr im<br />
Auftrag des Kosmetikunternehmens<br />
L’Oréal herausfand, dass geschäumte Kosmetika<br />
besser reinigen als in flüssiger<br />
Form. „So recht versteht das noch keiner“,<br />
gibt sie zu. Aber der Effekt spricht sich in<br />
der Kosmetik- und Reinigungsmittelbranche<br />
zurzeit herum: Immer mehr Hersteller,<br />
erzählt Drenckhan, folgten dem Vorbild<br />
der Flüssigseifen, die als Schaum aus dem<br />
Spender quellen und verkauften Reiniger,<br />
die als weißes Mousse aus der Flasche<br />
kommen. Der Produktverbrauch sinkt – bei<br />
besserer Reinigungsleistung.<br />
Auch den Herstellern von Waschmaschinen<br />
ist das nicht entgangen. So brachte<br />
der südkoreanische Konzern Samsung Ende<br />
2010 eine erste Maschine auf den Markt,<br />
die das Waschmittel zunächst mit Luft und<br />
Wasser zu Schaum aufwirbelt. Diese Reinigungsblasen<br />
sollen vier Mal so schnell in<br />
den Stoff eindringen und gründlicher als<br />
FOTOS: PR<br />
60 Nr. 34 18.8.2014 WirtschaftsWoche<br />
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