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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 18.08.2014 (Vorschau)

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Geld&Börse<br />

Der Kampf ums Ohr<br />

INTERNET-AKTIEN | Was haben Sony, Goldman Sachs, Fondsanbieter Fidelity, Coca-Cola<br />

und Multimilliardär Li Ka-Shing gemeinsam? Sie haben in einen Streaming-Dienst<br />

investiert, der Musik im Internet anbietet. Musik- und Buchverlage, TV- und Filmindustrie<br />

werden durch neue interaktive Formate <strong>vom</strong> Kopf auf die Füße gestellt. Es gibt Verlierer<br />

und Gewinner. Anleger sollten sich früh positionieren.<br />

Daniel Ek, Gründer des Internet-Musikdienstes<br />

Spotify,<br />

verschwendet keine Zeit auf<br />

lange Reden. Bei seinem ersten<br />

Auftritt auf dem Branchentreff der Plattenbosse<br />

wartet der 23-Jährige geduldig, bis<br />

das Gemurmel im Saal sich legt. Seine erste<br />

Folie enthält keinen Text, nur zwei Symbole:<br />

eine durchgestrichene Piraten-Totenkopfflagge,<br />

und ein Bündel Dollar-Noten. Die<br />

zumeist älteren Herren schütteln die Köpfe;<br />

viele schauen wieder auf ihre Blackberrys<br />

statt auf die Präsentation des kahlköpfigen<br />

Schweden. Der junge Mann dort oben auf<br />

dem Panel verspricht nicht weniger, als die<br />

Produktpiraterie zu besiegen und die<br />

Musikbranche wieder auf Wachstumskurs<br />

zu bringen. In den Ohren vieler klingt das<br />

wie blanker Hohn – ausgerechnet ein Internet-Start-up<br />

erdreistet sich dazu. Das Internet<br />

ist für sie der Feind. Früher und tiefer als<br />

andere Branchen pflügt es gerade die<br />

Musikbranche um.<br />

Das war 2006, und der Trend hat sich<br />

noch sechs Jahre fortgesetzt. Allein durch<br />

Netz-Piraterie ging der Musikbranche von<br />

1999 bis 2012 fast die Hälfte ihres globalen<br />

Jahresumsatzes flöten. Das Problem Internet<br />

ist aber zugleich die Lösung: Der von Ek<br />

gegründete Internet-Musikdienst Spotify<br />

hat heute 41 Millionen Kunden, zehn Millionen<br />

davon zahlen regelmäßig für Musik<br />

im Internet. Seine alte Vision <strong>vom</strong> Tod der<br />

Piraten und neuen Einnahmequellen wird<br />

wahr: 2013 stiegen die Umsätze der Musikindustrie<br />

wieder, nach 15 Jahren stetigen<br />

Rückgangs; die beiden ersten Quartale<br />

2014 geben Anlass zu noch mehr Optimismus,<br />

bis 2018 soll der Umsatz der Branche<br />

in Deutschland laut den Konsumforschern<br />

von GfK um gut zehn Prozent zulegen. Zwar<br />

fallen die CD-Verkäufe weltweit weiter<br />

rapide. Doch eine neue digitale Vermarktungsform<br />

wächst rasant, je nach Land mit<br />

Raten von bis zu 90 Prozent pro Jahr:<br />

Musik-Streaming. Dabei greifen die Kunden<br />

gegen eine monatliche Pauschale (Flatrate-Abo)<br />

von rund zehn Euro über das<br />

Netz auf den gesamten Katalog fast aller<br />

Musikverlage zu. Bis zu 32 Millionen Titel<br />

aus allen Genres stehen ihnen für relativ<br />

kleines Geld zur Verfügung – wann sie wollen,<br />

wo sie wollen, so oft sie wollen, <strong>vom</strong><br />

Handy aus, <strong>vom</strong> PC, über die Stereoanlage.<br />

„Eine radikal kundenfreundliche Lösung,<br />

die anfangs in der Branche umstritten war,“<br />

sei das, sagt Philip Ginthör, Chef von Sony<br />

Music Mitteleuropa.<br />

Doch wahrscheinlich ist Streaming die<br />

letzte Chance, die über Jahre eingeschliffene<br />

Gratiskultur im Netz zu besiegen. Mit<br />

wegweisender Wirkung für andere Medienbranchen.<br />

„Die Musikindustrie hat<br />

nach 15 Jahren des Niedergangs endlich<br />

Die Tonleiter hoch<br />

Umsatz mit Musikstreaming* und Anzahl<br />

der Premium-Abo-Kunden weltweit<br />

Umsatz<br />

(in Millionen Dollar)<br />

Premium-Abo-Kunden<br />

(in Millionen)<br />

322<br />

8<br />

2010<br />

450<br />

13<br />

734<br />

20<br />

1111<br />

2011 2012 2013<br />

* Internet-Musik-Abonnements, nur Kundenzahlungen,<br />

ohne Werbeeinnahmen; Quelle: IFPI<br />

28<br />

Geschäftsmodelle gefunden, die ihr das<br />

Überleben in der rein digitalen Zukunft ermöglichen“,<br />

sagt Adam Bird, Director bei<br />

McKinsey und weltweit zuständig für Medien<br />

und Entertainment. Immer mehr<br />

Menschen bezahlen wieder für Musik,<br />

weltweit sind es schon über 30 Millionen,<br />

Tendenz steigend (siehe Grafik) – obwohl<br />

es weiter illegale, kostenlose Angebote gibt.<br />

DAS SCHLIMMSTE KOMMT NOCH<br />

TV-Sendern, Filmstudios und vor allem<br />

Verlagen, meint Bird, stehe der härteste<br />

Teil des Umbruchs noch bevor. Meilenweit<br />

seien die großen Player noch von einer gemeinsamen<br />

Netz-Strategie entfernt, von einem<br />

Schulterschluss über Branchengrenzen<br />

hinweg ganz zu schweigen. Doch die<br />

zweite Internet-Revolution betreffe „alle,<br />

die mit geistigem Eigentum handeln“, sagt<br />

Dieter Gorny, Chef des Bundesverbands<br />

Musikindustrie und Gründer des TV-Senders<br />

Viva, „auch TV-Sender und Verlage<br />

werden in 15 Jahren nicht wiederzuerkennen<br />

sein.“ Immer mehr Konsumenten<br />

wandern ab <strong>vom</strong> traditionellen TV zu den<br />

neuen Angeboten wie Netflix oder Hulu,<br />

lesen auf dem iPad statt auf Papier, hören<br />

Napster, Simfy oder Spotify statt Radio.<br />

Die großen Werbebudgets werden den<br />

Nutzern folgen und so die Umsätze der<br />

Etablierten weiter gefährden. Seit Neuestem<br />

drängen nun auch die Internet-Giganten<br />

Apple, Google und Amazon in das Geschäft.<br />

Sie haben das Potenzial von Streaming<br />

erkannt – und tiefe Taschen. Für Anleger<br />

bietet das Thema enorme Chancen.<br />

Sie tun gut daran, nicht zu spät auf den<br />

Trend zu springen. Im ersten digitalen Umbruch<br />

von 1988 bis 2000 wurden die Ge-<br />

»<br />

FOTO: GETTY IMAGES/THE IMAGE BANK<br />

72 Nr. 34 18.8.2014 WirtschaftsWoche<br />

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