Wirtschaftswoche Ausgabe vom 18.08.2014 (Vorschau)
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Geld&Börse<br />
»<br />
Google, Amazon und Spotify, weil sie<br />
Kunden aktiv in den Auswahlprozess der<br />
Inhalte einbinden, viel mehr werberelevante<br />
Daten sammeln können als TV-Sender<br />
oder Printverlage “, sagt Blach.<br />
„Die traditionellen Anbieter haben es<br />
versäumt, konkurrenzfähige Gegenangebote<br />
aufzubauen“, sagt Bird von McKinsey.<br />
Wer will schon eine halbe Million für eine<br />
Kampagne ausgeben, bei der man nicht<br />
weiß, wen man erreicht, wenn Google oder<br />
Apple genau das haarklein darlegen?<br />
Google hat über YouTube 90 Prozent<br />
Marktanteil beim Video-Streaming, de<br />
facto ein Monopol, werbefinanziert und<br />
deshalb gratis. Noch finden sich dort vor<br />
allem kurze Schnipsel und Amateurvideos,<br />
die von Nutzern lizenzfrei hochgeladen<br />
werden. Google wird seinen populären<br />
Web-Streaming-Kanal aber zum interaktiven<br />
Musik- und TV-Sender ausbauen,<br />
schließt bereits Lizenzverträge mit professionellen<br />
Anbietern. Dabei nutzt Google<br />
seine Marktmacht.<br />
Nachdem es sich mit den drei großen<br />
Musiklabels geeinigt hatte, setzte es die<br />
restlichen (rund 800 kleineren) unter<br />
Druck: Wer die Bedingungen nicht annimmt,<br />
dem droht Google mit der Löschung<br />
seiner Inhalte auf YouTube. „Das<br />
zeigt die Richtung“, sagt McQuivey, „Google<br />
und Amazon brauchen die Inhalte gar<br />
nicht selbst zu besitzen; es genügt, die<br />
Schnittstelle zum Konsumenten zu beherrschen,<br />
um den Inhalte-Anbietern die Bedingungen<br />
zu diktieren.“<br />
Fondsmanager Dreide geht noch weiter:<br />
„Wer die Schnittstelle zum Nutzer hat, sei<br />
Zugpferde<br />
Serien wie<br />
„Breaking Bad“<br />
locken Millionen<br />
TV-Zuschauer<br />
ins Netz<br />
Geht der Plan der<br />
Musikbranche auf,<br />
werden andere<br />
Medien ihr folgen<br />
es iPhone, Google-TV oder Amazons Kindle<br />
für Bücher, der kann dort früher oder<br />
später eine Art Inhalte-Maut erheben, einen<br />
Teil der Einnahmen für das Bereitstellen<br />
der Infrastruktur verlangen.“<br />
Zusätzlich geht es um Daten, die sich gewinnbringend<br />
verkaufen lassen. Wer alle<br />
interaktiven Möglichkeiten etwa von Amazon,<br />
YouTube oder Spotify nutzt, hinterlässt<br />
dabei eine Fülle von interessanten<br />
Daten für die Werbeindustrie: Wer hört<br />
wann welche Musik? Wer folgt wessen<br />
Listen? Spotify erforscht zusammen mit<br />
Universitäten, welche Musik bestimmte<br />
Stimmungen verstärkt. Werbeagenturen<br />
sind begeistert.<br />
Sollte das globale Experiment der Musikbranche<br />
mit All-inclusive-Abos erfolgreich<br />
sein, „werden andere Medien folgen“,<br />
meint Bird von McKinsey. Schon heute<br />
nutzen 40 Millionen Deutsche Video-<br />
Streaming im Netz, meist gucken sie dabei<br />
YouTube-Videos oder TV über Anbieter<br />
wie Zattoo auf dem PC. Auch die Sender<br />
selbst, von ARD bis RTL, streamen einen<br />
Teil ihres TV-Programms im Netz. „Aber<br />
das ist nicht die Zukunft“, sagt Investor Burchart,<br />
„die gehört nicht dem Konsum des<br />
normalen TV-Programms am PC, sondern<br />
den voll individualisierbaren, interaktiven<br />
TV-Abos, die TV-Serien und Filme in unbegrenzter<br />
Vielfalt anbieten – analog zu<br />
Spotify oder Simfy bei der Musik.“<br />
McQuivey sieht das ähnlich: „Sie sind<br />
kundenfreundlicher“, sagt der Marktforscher,<br />
„man kann seine Lieblingsserie<br />
schauen, wenn man Zeit und Lust hat,<br />
nicht, wenn Fox oder CBS sie zufällig senden.<br />
Wer die Auswahl und Individualität<br />
von TV-Streaming kennt, geht nicht zurück<br />
zum normalen TV-Programm.“<br />
TV NUR NOCH ÜBER DAS NETZ<br />
Der Bezahlsender Sky feiert bereits Erfolge<br />
mit seinem On-Demand-Angebot Sky-Go:<br />
Die Serie „Game of Thrones“ wurde allein<br />
von April bis Juni in Deutschland 2,3 Millionen<br />
Mal von zahlenden Kunden abgerufen.<br />
Vor allem junge TV-Zuschauer ließen<br />
sich „kaum noch mit einem vorgefertigten,<br />
alternativlosen Programm abspeisen“, sagt<br />
Viva-Gründer Gorny, der heute Medienwissenschaft<br />
an der FH Düsseldorf lehrt.<br />
Frage er Studenten, wer Musik und TV im<br />
Netz nutze, „zeigen alle auf; frage ich nach<br />
herkömmlichem TV, ist es noch die Hälfte,<br />
bei Zeitungen geht die Quote gegen null“.<br />
TV-Angebote im Internet werden heute<br />
noch hauptsächlich in den USA genutzt,<br />
wo es dank der weiten Verbreitung des Kabel-TV<br />
ein bandweitenstarkes Netz gibt.<br />
Marktführer Netflix startet im September in<br />
Deutschland. Die Konkurrenten Hulu und<br />
WatchEver, eine Tochter von Vivendi-Universal,<br />
wachsen schnell. Auch Amazon<br />
mischt schon mit: Über Amazon Prime<br />
können Kunden Filme downloaden und<br />
elektronische Bücher leihen – für nur 100<br />
Dollar pro Jahr.<br />
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die<br />
neue Art des Fernsehens im Rest der Welt<br />
durchsetzt. „Die TV-Branche wird überrollt,<br />
sobald ein schnelles, mobiles Netz<br />
flächendeckend verfügbar ist“, meint<br />
Fondsmanager Dreide. Neue Geräte –<br />
UltraHD oder 4K genannt – werden leichter<br />
sein und ein noch besseres Bild haben<br />
als die heutigen HD-Flachbildfernseher.<br />
„Sie werden Spielkonsole, TV, Radio, Computer<br />
und Musikanlage in einem sein“, sagt<br />
Dreide. Für den Investor ist klar: „Es wird<br />
Platz geben für Netflix und Spotify, aber die<br />
besten Karten haben die Großen, die alles<br />
aus einer Hand anbieten: Filme, TV-Serien,<br />
Musik und Bücher.“<br />
Soll heißen: Amazon, Google und Apple. n<br />
stefan.hajek@wiwo.de<br />
78 Nr. 34 18.8.2014 WirtschaftsWoche<br />
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