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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 18.08.2014 (Vorschau)

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Technik&Wissen<br />

Kehraus für<br />

Kenias Müllberge<br />

RECYCLING | Ein deutscher Philosoph führt die Abfalltrennung in<br />

den Slums von Nairobi ein – die Wertstoffe will er zu Geld machen<br />

und die Stadt ein bisschen sauberer.<br />

Braune Brühe steht und stinkt in dem<br />

kleinen Bach, den sie Nairobi River<br />

nennen. Plastiktüten und Putzlumpen,<br />

Hühnerknochen und Hundehaufen,<br />

Turnschuhe, Tetrapaks – Dreck in Reinform<br />

verrottet in dem Gewässer, das den<br />

Slum in Nairobis Bezirk Kangemi in zwei<br />

Hälften teilt. Ältere Bewohner der Wellblechhütten<br />

behaupten allen Ernstes, sie<br />

hätten früher aus dem Bächlein trinken<br />

können. Dem Besucher wird bei dem Gedanken<br />

schlecht. Das Viertel am Fluss ist<br />

typisch für Afrikas Städte, die rasant wachsen<br />

und dabei nicht mit dem Konsumboom<br />

Schritt halten können. Die Folge: Sie<br />

versinken immer tiefer im Müll.<br />

In Nairobi ist Abfall schlicht Teil des<br />

Stadtbilds. Wer ihn wie entsorgt, kümmert<br />

in Kenias Hauptstadt niemanden. Außer<br />

Daniel Paffenholz. Der 27-Jährige hatte vier<br />

Jahre seiner Kindheit in der Stadt verbracht<br />

und als Spross eines Entwicklungshelfer-<br />

Paars früh verstanden, dass Armutsbekämpfung<br />

dann nachhaltig funktioniert,<br />

wenn sie auf unternehmerischen<br />

Gedanken fußt. Die Idee kam<br />

dem jungen Mann mit der trendigen<br />

Hornbrille, als er vor vier Jahren<br />

seinen Eltern in Kenia besuchte – und<br />

das Müllchaos leibhaftig erlebte. „Niemand<br />

holte unseren Müll ab,<br />

Grüne Pioniere<br />

Alle Teile der<br />

Serie finden Sie im<br />

Internet unter<br />

wiwo.de/pioniere<br />

und die Nachbarn verbrannten<br />

ihn einfach“, erinnert sich Paffenholz,<br />

der in der Stadt blieb.<br />

Fortan hatte er eine Mission: Er<br />

will Nairobi sauberer machen,<br />

indem er Mülltrennung nach<br />

deutschem Vorbild organisiert.<br />

Nicht aus purem Altruismus, sondern um<br />

damit Geld zu verdienen.<br />

Einfach war das freilich nicht. Paffenholz<br />

hatte zuvor Philosophie in Schottland studiert.<br />

„Da lernt man zwar kritisch und umfassend<br />

zu denken“, sagt er, „aber die unternehmerische<br />

Erfahrung hat mir komplett<br />

gefehlt.“ Oft zogen ihn Behörden über den<br />

Tisch, etliche Ideen musste er begraben –<br />

bis er irgendwann den Social Innovation<br />

Challenge-Preis der US-Computerfirma<br />

Dell gewann. Plötzlich waren Geld und<br />

Aufmerksamkeit da, Fachleute in Netzwerken<br />

boten Hilfe an.<br />

Heute besitzt sein Start-up Taka Taka Solutions<br />

für vier Viertel in Nairobi die Lizenz<br />

zum Sammeln von Taka, wie Abfall auf<br />

Suaheli heißt. Den lässt Paffenholz zu Gläsern,<br />

Textilien, Sofa-Füllstoff und zu Kompost<br />

verarbeiten: Kenias Landwirtschaft,<br />

sagt er, kann organischen Dünger als<br />

Ergänzung zur üblichen Chemiekeule<br />

brauchen. So sieht das auch die deutsche<br />

Entwicklungsbank DEG, eine<br />

Tochter der staatlichen KfW, die ihm<br />

einen Kredit für den Bau größerer<br />

Kompostieranlagen bewilligt hat.<br />

Zu tun gibt es in Nairobi mehr<br />

als genug: 3,5 Millionen Einwohner<br />

produzieren täglich fast<br />

2000 Tonnen Müll. Den müsste<br />

eigentlich die Stadtverwaltung<br />

abholen. Doch deren acht Lkws<br />

können das nie und nimmer<br />

schaffen. Und was die Kipper<br />

abladen, pflücken die Ärmsten der Armen<br />

auseinander: Barfuß tapsen die Slum-Kinder<br />

auf der Suche nach Wertstoffen über<br />

Deponien, um später am Bunsenbrenner<br />

ein paar Tropfen Buntmetall aus dem<br />

Schrott zu kochen. Alt werden sie selten.<br />

FOTOS: TAKA TAKA SOLUTIONS<br />

So werden in Nairobi aus Abfällen Produkte<br />

1 2<br />

3<br />

1 Strikt getrennt nach Bio- und Restmüll<br />

sammelt Taka Taka Solutions Abfall ein<br />

2 Spaß bei der Arbeit haben Verwerter,<br />

die besser verdienen als ihre Landsleute<br />

3 Hunderte einzelner Schuhe landen in<br />

den Tonnen. Daraus entstehen neue Treter<br />

4 Stilvolle Glaspokale kreiert ein Glaser<br />

aus weggeworfenen Weinflaschen<br />

5 Auf den Bananenhügeln wird die<br />

Qualität des Taka-Komposts getestet<br />

4<br />

62 Nr. 34 18.8.2014 WirtschaftsWoche<br />

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