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TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
ROSSIS<br />
KINDERGARTEN<br />
VOR RUND EINEM JAHR GRÜNDETE VALENTINO ROSSI SEIN EIGENES MOTO3-<br />
TEAM. SEITHER GAB ES FÜR DEN RENNSTALL SIEGE UND TRIUMPHE, ABER<br />
AUCH TRÄNEN UND EINE TRENNUNG. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM ZIEHT<br />
EINE ERSTE BILANZ<br />
alentino Rossi steht in der<br />
Boxengasse hinter dem<br />
Begrenzungszaun und wartet<br />
gespannt auf den Start der<br />
kleinen Klassen. Ein gewohntes Bild für erfahrene<br />
MotoGP-Beobachter, doch seit dieser Saison<br />
dürfte Zaungast Rossi noch etwas nervöser sein<br />
als in den Jahren zuvor. Sky Racing Team VR46<br />
- unter diesem etwas sperrigen Namen firmiert<br />
seit März Rossis eigener Moto3-Rennstall. Der<br />
neunfache Weltmeister erfüllte sich damit nicht<br />
nur selbst einen Traum, sondern feuerte zudem<br />
die Hoffnungen der italienischen Fans nach einer<br />
besseren Zukunft für die erfolgreichste Motorrad-Nation<br />
der WM-Geschichte an. Diese hatten<br />
in den letzten Jahren nur noch wenig zu feiern.<br />
2013 gab es in allen drei Klassen zusammen nur<br />
einen einzigen italienischen Sieg (Rossi in Assen)<br />
- so wenige wie zuletzt 1964. Italien drohte in der<br />
Schwemme spanischer Talente unterzugehen.<br />
Doch gemeinsam mit dem PayTV-Sender Sky,<br />
der in Italien die MotoGP-Übertragungsrechte<br />
hält, schnürte Rossi im Sommer 2013 ein Hilfspaket.<br />
»Das Projekt hat als Akademie für junge<br />
Fahrer begonnen und jetzt versuchen wir, den<br />
jungen italienischen Piloten auf dem Weg an die<br />
Spitze zu helfen. Zu Beginn hatten wir einige<br />
Bedenken, aber es ist mittlerweile ein hervorragendes<br />
Projekt und die Leute sind mit voller<br />
Begeisterung dabei«, erklärte Rossi.<br />
Die Kalkulation war einfach: Rossi steuerte neben<br />
seinem umfangreichen Know-how auch die<br />
Infrastruktur seiner Moto Ranch in Tavullia bei.<br />
Sky bezahlte mit einem mittleren einstelligen<br />
Millionenbetrag die Rechnungen. Neben den<br />
beiden Einsatzfahrern Romano Fenati (18) und<br />
Francesco Bagnaia (17) erstellte Rossi im Rahmen<br />
seiner VR46 Riders Academy mit Moto2-Pilot<br />
Franco Morbidelli (19), seinem Halbbruder Luca<br />
Marini (17), dem erst 14-jährigen Talent Nicolo<br />
Bulega und Andrea Migno (18) ein komplettes<br />
italienisches Nachwuchs-Nationalteam. Bei den<br />
Motorrädern kam Rossi nur das Beste ins Haus<br />
- und das war im Winter klar die KTM. »Dorna-<br />
Chef Carmelo Ezpeleta hat höchstpersönlich ein<br />
Treffen zwischen mir und Rossi eingefädelt«,<br />
erzählte KTM-Sportchef Pit Beirer <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com stolz. »Motorräder für Rossi zu<br />
bauen war natürlich eine Ehre für uns. Uns haben<br />
aber nicht nur der Name und der geniale Typ<br />
Valentino Rossi überzeugt, sondern vor allem das<br />
Konzept jungen Fahrern, die kein Geld mitbringen<br />
müssen, eine Chance zu geben. Hier wird bei der<br />
Selektion nach Talent und nicht nach dem Geldbeutel<br />
entschieden«, lobte Beirer das Projekt.<br />
ROSSI STEUERTE NEBEN<br />
SEINEM UMFANGREICHEN<br />
KNOW-HOW AUCH DIE<br />
INFRASTRUKTUR SEINER<br />
MOTO RANCH IN TAVULLIA<br />
BEI. SKY BEZAHLTE MIT<br />
EINEM MITTLEREN EIN-<br />
STELLIGEN MILLIONENBE-<br />
TRAG DIE RECHNUNGEN.<br />
Rossis ehrgeizige Pläne fruchteten rasch.<br />
Beide Fahrer punkteten beim Debüt des<br />
Teams in Katar, Fenati stand beim zweiten<br />
Rennen <strong>zum</strong> ersten Mal auf dem Podium<br />
und gewann das dritte und vierte. WM-<br />
Hoffnungen keimten auf, doch nach einem<br />
weiteren Sieg in Mugello ging es zu Sommerbeginn<br />
langsam bergab. Fahrfehler, Irrläufe<br />
beim Setup und die immer stärker werdende<br />
Konkurrenz auf Honda-Motorrädern setzten<br />
den beiden Fahrern des Rossi-Teams zu. Ein<br />
möglicher Titelgewinn ist in weite Ferne<br />
gerückt und unmittelbar vor dem Heimrennen<br />
in Misano gab es sogar eine erste personelle<br />
Konsequenz. Vito Guareschi, langjähriger<br />
Wegbegleiter Rossis und Teamchef<br />
der Moto3-Mannschaft, musste seinen Hut<br />
nehmen. »Wir haben eine schwierige Entscheidung<br />
für den Rest der Saison und die<br />
weitere Zukunft getroffen. Wir konnten uns<br />
mit Vito nicht über die Zukunft einigen -<br />
insbesondere im Bereich der technischen<br />
Entscheidungen«, erklärte Rossi in Misano<br />
seine Entscheidung. Guareschi soll einen<br />
Wechsel auf Honda forciert haben, während<br />
Yamaha-Werksfahrer Rossi weiter KTM den<br />
Vorzug gegenüber den Moto3-Bikes seines<br />
MotoGP-Erzrivalen geben will. Auch bei den<br />
Fahrern setzt Rossi trotz der schwierigen<br />
letzten Monate auf Kontinuität. So werden<br />
erneut Fenati und Bagnaia auch 2015 unter<br />
dem Banner des neunfachen Weltmeisters<br />
unterwegs sein. Und Rossi wird, so wie er es<br />
schon seit über einem Jahrzehnt an jedem<br />
Rennwochenende tut, am Zaun stehen und<br />
seinen Schützlingen zusehen.<br />
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