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pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg

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auch in die Welt.“ 59 Wissenschaftliche Ergebnisse fließen in Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit<br />

mit ein, und deren Interessen wiederum beeinflussen die Forschungsgebiete, Fördermittel<br />

und die Umsetzung der Ergebnisse. 60 Außerdem stellen die Wissenschaften differenzierende<br />

Kategorien zur Verfügung, die als Beschreibung von Wirklichkeit auch in der<br />

alltäglichen Rezeption wahrgenommen werden. 61 Die Kategorien werden als Beschreibung<br />

von Wirklichkeit verstanden und veranlassen Menschen damit auch im Alltagsdiskurs, sich<br />

und andere nach der Kategorienzugehörigkeit wahrzunehmen. 62 Die wissenschaftliche Konstruktion<br />

von Differenz drückt soziale Strukturen aus und prägt sie wiederum. Insofern ist<br />

es auch Aufgabe der Wissenschaften, die durch sie konstruierte Wirklichkeit als Konstruktion<br />

aufzudecken. Im Folgenden werden konstruktivistische Auseinandersetzungen mit sozialen<br />

Kategorien dargestellt, wie sie in der Sprachwissenschaft, der Geschlechterforschung,<br />

der Migrationssoziologie und der Alternsforschung entwickelt werden.<br />

Einen wesentlichen Beitrag zu einer Infragestellung von sozialen Kategorien wie<br />

‚Nation‘ oder ‚Kultur‘ leistet die konstruktivistische Sprachwissenschaft. 63 Hier steht die<br />

diskursive Konstruktion der jeweiligen Kategorien und deren Verschränkung im Zentrum<br />

der Analyse. Sprache bildet nicht nur ab, was wir als Wirklichkeit annehmen, sondern sie ist<br />

immer auch selbst aktiv am Prozeß der Wirklichkeitskonstruktion beteiligt. 64 Sie prägt unser<br />

Denken und unsere Wahrnehmung durch das, was ausgedrückt wird ebenso, wie durch das,<br />

was unsichtbar bleibt. Daher müssen Kategorien genau auf ihre Konnotationen und Konstruktionskontexte<br />

hin analysiert werden. Insofern sind die linguistischen Forschungen für<br />

jede Auseinandersetzung mit Kategorien außerordentlich bedeutend.<br />

Bezüglich der feministischen Kritik an der Konstruktion von ‚Geschlecht‘ 65 lassen<br />

sich drei Hauptrichtungen unterscheiden: 66 neben dem ethnomethodologisch geprägten So-<br />

59<br />

60<br />

61<br />

62<br />

63<br />

64<br />

65<br />

Dittrich, Eckhard J.; Radtke, Frank-Olaf: Einleitung. Der Beitrag der Wissenschaften zur Konstruktion<br />

ethnischer Minderheiten, in: dies. (Hrsg.): Ethnizität, 11-40, hier 13.<br />

Siehe Wajcman, Judy: Technik und Geschlecht. Die feministische Technikdebatte, Frankfurt am<br />

Main; New York 1994.<br />

Dies gilt beispielsweise für die Kategorie ‚Klasse‘: ‚Klasse‘ ist seit Karl Marx ein sozialwissenschaftlicher<br />

Begriff, siehe Schmölz, Franz-Martin: Art. Klasse, in: SL 7 3 (1987) 535-538; Thieme,<br />

Frank: Kaste, Stand, Klasse, in: Hermann Korte; Bernhard Schäfers (Hrsg.): Einführung in Hauptbegriffe<br />

der Soziologie, Opladen 1992, 127-144. Eine kritische Analyse des Klassenkonzeptes aus<br />

feministischer Sicht findet sich in Cyba, Eva: Geschlecht und soziale Ungleichheit. Konstellationen<br />

der Frauenbenachteiligung, Opladen 2000, 22-43.<br />

Zur Verschränkung verschiedener Diskursstränge siehe die Illustration in Jäger, Siegfried: Kulturkontakt<br />

– Kulturkonflikt. Ein diskursanalytisch begründeter Problemaufriß, in: Matthias Jung; Martin<br />

Wengeler; Karin Böke (Hrsg.): Die Sprache des Migrationsdiskurses. Das Reden über „Ausländer“<br />

in Medien, Politik und Alltag, Opladen 1997, 71-88, hier 72.<br />

Siehe Schmidt, Siegfried J.: Kognitive Autonomie und soziale Orientierung; Viehoff, Reinhold;<br />

Segers, Rien T. (Hrsg.): Kultur, Identität, Europa; Wodak, Ruth; de Cillia, Rudolf; Reisigl, Martin<br />

et. al.: Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität, Frankfurt am Main 1998.<br />

Siehe auch die Ausführungen von Habermas zu Überzeugen und Überreden: Habermas, Jürgen: Der<br />

Universalitätsanspruch der Hermeneutik, in: Karl-Otto Apel; Claus v. Bormann; Rüdiger Bubner<br />

u.a.: Hermeneutik und Ideologiekritik, Frankfurt am Main 1973, 120-159.<br />

Das ‚Geschlecht‘ stellt in der Regel die zentrale Bezugskategorie in der Frauenforschung dar und<br />

prägt auch im Alltagsdenken die Wahrnehmung entscheidend. In der Gesellschaft und auch in vielen<br />

wissenschaftlichen Entwürfen wird dabei die Geschlechterdifferenz als „faktische Gegebenheit“<br />

(Hagemann-White, Carol: Die Konstrukteure des Geschlechts auf frischer Tat ertappen? Methodische<br />

Konsequenzen einer theoretischen Einsicht, in: Feministische Studien 2 [1993] 68-78,<br />

hier 69) vorausgesetzt. Forschungen beschäftigen sich mit der unterschiedlichen Situation von<br />

‚Männern‘ und ‚Frauen‘ oder deren Gleichheit, mit unterschiedlicher Sozialisation, der Rollenver-

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