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pdf-Drucker, Job 74 - Universität Bamberg

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zu deuten.“ 151 Christinnen und Christen sind damit aufgefordert, ihren Blick nicht auf die<br />

binnenkirchliche Situation zu beschränken, sondern die gesamte Weltgeschichte wahrzunehmen.<br />

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der<br />

Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der<br />

Jünger Christi.“ 152 Diese Formulierung nimmt zum einen die Situation der Armen und Bedrängten<br />

ernst. Zum anderen appelliert das II. Vatikanum hiermit an alle Menschen, in den<br />

Situationen, in denen sie zu den Privilegierten gehören, einen Perspektivenwechsel dahingehend<br />

zu vollziehen, die Lebenssituation der Marginalisierten wahrzunehmen und die mit<br />

ihren eigenen Privilegien und ihrer Dominanzsituation verbundene Verantwortung neu zu<br />

übernehmen.<br />

Den Hintergrund für die vorliegende Arbeit bildet eine kontextuelle feministische<br />

christlich-theologische Ethik. Diese stellt auf dem Hintergrund des christlichen Glaubens<br />

Frauen dort ins Zentrum, wo ihre Situation bisher vernachlässigt wird, und bezieht den eigenen<br />

Kontext der EthikerInnen als ethisch relevant mit ein. Für EthikerInnen der sogenannten<br />

‚Ersten Welt‘ heißt dies, nicht nur die eigene Unterdrückung, sondern auch die<br />

eigenen Privilegien in ethischen Reflexionen zu berücksichtigen. Denn „unser spezifischer<br />

sozialer Standort [beeinflußt] unsere theologischen und moralischen Auffassungen“. 153<br />

Es wäre zu kurz gegriffen, Gesellschaft sowohl weltweit als auch regional einfach<br />

als ein System zu verstehen, in dem Männer Frauen unterdrücken bzw. in dem Männer gegenüber<br />

Frauen privilegiert sind. Vielmehr sind alle Menschen in ein pyramidenförmiges,<br />

strukturelles System eingebunden, das sich unter anderem auf Sexismus, Rassismus, Klassenherrschaft,<br />

Behindertenfeindlichkeit, Heterosexismus, Altenfeindlichkeit und Naturbeherrschung<br />

stützt. 154 Die kyriarchalen Grenzziehungen dieses Systems beruhen auf dem<br />

Prinzip ‚teile und herrsche‘. Die verschiedenen Diskriminierungen wirken aufeinander ein<br />

und verstärken sich gegenseitig. Innerhalb dieser Pyramide sind vielfältige Formen von<br />

erlebter und ausgeübter Unterdrückung möglich, die wesentlich durch die Zugehörigkeit<br />

von Menschen zu bestimmten Kategorien bestimmt sind. Menschen sind nicht lediglich<br />

entweder unterdrückt oder privilegiert; erfahrene Unterdrückung schließt nicht aus, daß<br />

jemand selbst an der Diskriminierung anderer Anteil hat und muß auch nicht immer zu einer<br />

eigenen Sensibilisierung gegenüber Unterdrückung überhaupt führen. Vielmehr sind<br />

alle Menschen in je verschiedenen Situationen von je verschiedenen Privilegien oder Diskriminierungen<br />

betroffen. Da Patriarchat überwiegend als dualistische Unterdrückung von<br />

Frauen durch Männer verstanden wird und der Begriff wörtlich übersetzt die Herrschaft der<br />

Väter bedeutet, prägte Elisabeth Schüssler-Fiorenza stattdessen für das komplexe Geflecht<br />

von Über- und Unterordnung den Ausdruck „Kyriarchat“. 155 An der Spitze dieser Pyramide<br />

151<br />

152<br />

153<br />

154<br />

155<br />

Gaudium et Spes. Constitutio Pastoralis de Ecclesia in Mundo Huius Temporis – Pastorale Konstitution<br />

über die Kirche in der Welt von heute, in: LThK, 2., völlig neu bearbeitete Auflage, Sonderausgabe,<br />

Freiburg; Basel; Wien 1986, Bd. 14, 241-592, hier GS 4.<br />

GS 1.<br />

Harrison, Beverly W.: Theologische Reflexion im Befreiungskampf. Eine feministische Perspektive,<br />

in: dies.: Die neue Ethik der Frauen, 163-215, hier 165.<br />

Drei dieser Unterdrückungsmechanismen analysiert Mary Shawn Copeland in Bezug auf schwarze<br />

weibliche Hausangestellte in den USA und Südafrika. Siehe Copeland, Mary Shawn: Das Zusammenspiel<br />

von Rassismus, Sexismus und Klassenherrschaft bei der Ausbeutung der Frauen, in: Concilium<br />

23 (1987) 6, 450-456.<br />

Kyriarchat bedeutet Herrschaft der Herren und bezieht sich damit nicht mehr auf die Kategorie<br />

‚Geschlecht‘ oder die Vaterschaft, sondern auf Verhältnisse von Über- und Unterordnung. Siehe

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